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allegorie und symbol in der klassik PDF

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Wintersemester 2004/2005 Neuere Deutsche Literatur Proseminar Bildtheorien: Allegorie – Symbol - Metapher Leitung: Dr. Cornelia Zumbusch ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK BEGRIFFSGESCHICHTE VON WINCKELMANN ÜBER HERDER BIS GOETHE Proseminararbeit von Fy Gadiot Fächerkombination: Musikwissenschaft (6), Kunstgeschichte (5), NDL (2) Matrikelnummer: 118102314 Leonrodstraße 34 80636 München Telefon: 089 / 55 29 36 47 E-Mail: [email protected] München, 1. Februar 2005 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK Inhalt I. Definitionen heute...........................................................................1 II.1. Theoretische Ausgangssituation für Winckelmann...............................2 II.2. Johann Joachim Winckelmann ..........................................................3 a) „Abstractes“ und „concretes“ Bild................................................3 b) „Physiognomische“ Allegorie.......................................................5 III. Johann Gottfried Herder...................................................................6 a) Verschiedene Künste – unterschiedliche Allegorien........................7 IV. Johann Wolfgang von Goethe...........................................................8 a) Goethe und Schiller ...................................................................9 b) „direkte“ Allegorie und „indirektes“ Symbol................................10 V. Schlussbemerkung........................................................................12 VI. Literaturverzeichnis.......................................................................13 Fy Gadiot 0 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK I. Definitionen heute Die Definitionen von Allegorie und Symbol stellen gegenwärtig eine Art Synopsis des zu verschiedenen Epochen gängigen Verständnisses dieser Begriffe dar. Das mag als allumfassende Erklärung zum allgemeinen Verständnis eines Textes und zum schnellen Nachschlagen in einem Glossar sinnvoll erscheinen, doch zum Verstehen der zeitgenössischen Texte bisweilen irreführend oder schlicht nicht präzise genug sein. Der Unterschied von Allegorie und Symbol ist in der Gegenwart genauer benannt, obgleich es sich bei dem Begriffspaar auch heute noch um zwei verwandte Bedeutungen handelt. So wird gegenwärtig die Allegorie häufig schlicht als Personifikation von abstrakten Begriffen verstanden (man denke an das beliebte Beispiel der Justitia), etwas weiter gefasst als zweischichtige Bild- oder Schreibart, bei der die oberflächlich sichtbare Darstellung auf eine verborgene zweite Ebene, der eigentlichen Bedeutung, verweist.1 Ein Symbol dahingegen bedeutet etwas Zeichenhaftes, im Alltag ein Erkennungszeichen – die Symbole, die uns am meisten bewusst begegnen, sind mit Sicherheit Verkehrszeichen oder Piktogramme. Als Synonym findet man in einem Thesaurus „Sinnbild“, als Definition in einem Fremdwörterlexikon „einen tieferen Sinn andeutendes Zeichen“.2 Dies alles kann aber zum philologischen Gebrauch nicht genügen. Beiden Begriffen ist eigen, dass man sie unwillkürlich eher der bildenden Kunst zuordnen würde als der Philologie und das die Trennung von Symbol und Allegorie in der Klassik und frühromantischen Theorie keine Selbstverständlichkeit ist.3 Die zeitgerechte Betrachtung ist für das Verständnis der Verwendung des Begriffspaares in der Literaturwissenschaft unabdingbar. Die vorliegende Arbeit soll ein Versuch sein, die theoretische Sachlage zu verdeutlichen. Hierbei würde es den Rahmen sprengen, einen Rundumschlag über die gesamte Begriffs- und Bedeutungsentwicklung von deren Entstehung bis heute – konsequenterweise unter Miteinbeziehung der „Metapher“ – zu liefern. Daher konzentriert sich diese Arbeit nachfolgend auf die Entwicklung 1 Vgl. hierzu Meid, Volker: Sachwörterbuch zur deutschen Literatur. Stuttgart 1999, S. 20f sowie Kurz, Gerhard: Metapher, Allegorie und Symbol. Göttingen 19933 (19821), S. 28 ff. 2 Siehe beispielsweise Wahrig, Georg (Hg): Fremdwörter-Lexikon. Gütersloh 1978, S. 624. 3 Vgl. Behler, Ernst: Symbol und Allegorie in der frühromantischen Theorie. In: Ders.: Studien zur Romantik und zur idealistischen Philosophie. Paderborn u. a. 1993, S. 143. Fy Gadiot 1 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK von Allegorie und Symbol in der Klassik am Beispiel von Winckelmann, Herder und Goethe und geht dabei chronologisch vor. Bengt Algot Sørensen hat als Herausgeber des Buches „Allegorie und Symbol. Texte zur Theorie des dichterischen Bildes im 18. und frühen 19. Jahrhundert“ bereits eine Vorauswahl relevanter Texte getroffen, auf die ich mich nachfolgend als Quelle verlasse. Der Inhalt dieser Arbeit beruht auf die gemeinsame Erarbeitung der zentralen Punkte im Rahmen des Proseminars „Bildtheorien: Allegorie – Symbol – Metapher“ und auf eigenständiger Arbeit und ist daher keine Literaturparaphrase. Die tatsächlich genutzte Sekundärliteratur ist im Anschluss der Arbeit verzeichnet. II.1. Theoretische Ausgangssituation für Winckelmann Die Allegorie wird bis Mitte des 18. Jahrhunderts (von diversen Gelehrten wie Fabricius, Hallbauer und Hübner) vor allem als Form oder Fortsetzung einer Metapher gesehen und ist stark als Mittel der dispositio und er elocutio4 von der rhetorischen Inventiolehre geprägt.5 Die Art dieser Fortsetzung unterscheidet sich aber von Person zu Person stark, so dass sich als gemeinsamer Nenner der Bezug zur Metapher und die Forderung nach Klarheit in der Allegorie durchsetzen.6 Eine ständige Frage ist auch die Entstehung der Allegorie: Nach Gottsched, der sich wiederum auf Quintilian bezieht, passiert die Allegorie in natura, d. h. aus dem spontanen Denken heraus, die Natur liefere gewissermaßen die Allegorie, obgleich Sie natürlich sprachlich eine schmückende Funktion habe.7 Auch Winckelmanns Allegorie-Theorie geht von der Idee des natürlichen Zeichens aus, denn nach ihm soll die Natur selbst Lehrer der [antiken] Allegorie gewesen sein.8 Dem durch die Inventio erhaltenen rationalen Zug der Allegorie steht Mitte des Jahrhunderts die Tendenz der fabulösen Allegorie gegenüber, die als 4 Im Rahmen der klassischen Rhetorik bezeichnet die Inventiolehre insbesondere das Finden einleuchtender Argumente. Schon in der Antike wird sie auch Allgemeiner als Begriff für die inhaltliche Stoffsammlung verwendet. Dispositio bedeutet in diesem Zusammenhang die Anordnung der Elemente elocutio deren Ausformulierung. Vgl.: Kienpointner, N.: Inventio. In: Ueding, Gert, Hrsg.: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 4, Tübingen 1998, Sp. 561-587, hier Sp. 561. 5 Ebda., Sp. 372. 6 Siehe Freytag, W.: Allegorie, Allegorese. In Ueding, Gert, Hrsg.: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1, Tübingen 1992, Sp. 369-380, hier Sp. 369. 7 Ebda. 8 Vgl. Fischer 1990, S. 251-252, sowie Winckelmann, Johann Joachim: Versuch einer Allegorie, 1766. In: Sørensen, Bengt Algot, Hrsg: Allegorie und Symbol. Texte zur Theorie des dichterischen Bildes im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Frankfurt 1972, S. 41-47. Fy Gadiot 2 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK Produkt emotionaler Fantasie von beispielsweise Bodmer und Breitinger bevorzugt wird.9 Dieser Zwiespalt könnte eine Erklärung für die nachfolgend näher beleuchtete Weitläufigkeit innerhalb Winckelmanns Allegoriebegriff sein. II.2. Johann Joachim Winckelmann Winckelmann ist zunächst studierter Theologe und Mediziner, durchläuft eine beispiellose Karriere in Rom und bekleidet vor seinem frühen Tod durch Raubmord in Triest das Amt des Präfekten der Antikensammlung und des Scriptors in der Bibliothek des Kardinals Albani in Rom.10 Er ist unbestritten der führende Altertumskundler seiner Zeit und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich der vorliegende Text, „Versuch einer Allegorie“ (1766)11 zwar mit dem Terminus „Allegorie“ beschäftigt, er allerdings seinen Zugang in erster Linie über die (antike) Kunst und nicht über Literatur findet. a) „Abstractes“ und „concretes“ Bild Winckelmann macht noch keinen spezifischen Unterschied zwischen Allegorie und Symbol.12 Er versucht eine Definition für Allegorie über sein Antikenverständnis zu generieren und auf seine Zeit zu übertragen, dazu kreiert er im Anschluss an den Artikel eine Art „Rüstkammer“13 über mögliche neue Allegorien und wie diese aussehen könnten.14 Obgleich es ein kunstwissenschaftlicher Text ist, findet Winckelmann selbst direkt im Einleitungssatz die Überleitung zur literarischen Relevanz, in dem er die Kunst gewissermaßen mit stummer Dichtung gleichsetzt: Die Allegorie ist, im weitläufigsten Verstande genommen, eine Andeutung der Begriffe durch Bilder, und also eine allgemeine Sprache, vornehmlich der Künstler, für welche ich schreibe: Denn da die Kunst, und vornehmlich die Mahlerey eine stumme Dichtkunst ist, wie Simonides sagt, so soll dieselbe erdichtete Bilder haben, das ist, sie soll die Gedanken persönlich machen in Figuren.15 9 Vgl. Freytag in Ueding 1992, Sp. 373. 10 Auf eine ausführliche Biographie wird hier sowie im Folgenden verzichtet, die biographischen Daten sind in der Hauptsache Walter Killys Literatur Lexikon entnommen. 11 Winckelmann 1766. In: Sørensen 1972, S. 41-47. 12 Vgl. Behler, S.143 sowie Fischer 1990, Anmerkung 5, S. 247. 13 Herder, Johann Gottfried: Plastik, 1778. In: Sørensen 1972, S. 78. 14 Anmerkung der Verfasserin: An dieser Stelle liegen bei Winckelmann Allegorie und Ikonologie sehr nah beieinander. 15 Winckelmann 1766. In: Sørensen 1972, S. 41-42. Vgl. auch Fischer 1990, S. 250: Auch aus Winckelmanns Text „Erläuterung der Gedanken“ geht hervor, dass Winckelmann die Malerei und Poesie als gleichrangig empfindet. Fy Gadiot 3 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK Der Künstler soll also ein denkender Künstler sein, der gewissermaßen in Bildern dichtet.16 Winckelmann geht zunächst von der Malerei aus. In dieser soll eine Allegorie ohne erklärende Anmerkungen oder Untertitel verständlich sein, keine „Beyschrift vonnöthen haben“.17 Er ist sich dessen bewusst, dass nicht nur die Bedeutung des Wortes Allegorie seit der Antike eine Erweiterung erfahren hat und seine Aussagen somit nie allgemein gültig sind, sondern dass auch das kulturelle Wissen sich ändert und daher eine in der Antike verständliche Allegorie in der Folgezeit ohne dieses Wissen und der Bildtradition nicht auf Anhieb verstanden werden kann.18 Nach Winckelmann ist die Allegorie zunächst also ein Bild mit einer zweiten Bedeutungsebene, die in ihrer jeweiligen Zeit direkt aufgelöst und erkannt werden kann. Er unterscheidet zwei Gattungen der, die er „concrete“ und „abstracte“ Bilder nennt: Abstracte Bilder nenne ich diejenigen, die ausser der Sache auf welche sie sich beziehen angebracht sind, so dass sie nicht als mitwirkende Bilder zu Bedeutung eines anderen Bildes dienen, sondern obgleich allezeit in Beziehung und Ausspielung auf etwas ausser denselben, dennoch vor sich bestehen, und diese wären in engen Verstande Sinnbilder zu nennen, und sind dasjenige, was man sonst Emblemata nennet. Concrete Bilder hingegen würden diejenigen heißen, die theils in Figuren, theils in anderen Zeichen mit denjenigen Bildern verbunden sind, auf welche jene eine Beziehung haben.19 Um diese Passage etwas zu verdeutlichen, soll ein Schaubild helfen: abstractes Bild concretes Bild (kann als ganzes Bild Bezug Bezug auch für sich außerhalb überschneiden sich stehen) des Bildes z. T. in Figuren und anderen Zeichen „Abstracte Bilder“ sind nach Winckelmann also jene, die zwar eine zweite Bedeutungsebene haben, welche aus ihnen heraus gelesen werden kann, die aber auch ohne diese zweite Ebene bestehen blieben. Es ist also eine intellektuelle Leistung des Betrachters, den Bezug zu erkennen. Allerdings 16 Vgl. Sørensen, Bengt Algot: Symbol und Symbolismus in den ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts und der deutschen Romantik. Kopenhagen 1963, S. 45. 17 Winckelmann 1766. In: Sørensen 1972, S. 43. 18 Vgl. Fischer 1990, S. 251. 19 Winckelmann 1766. In: Sørensen 1972, S. 42-43. Fy Gadiot 4 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK darf, um das Erkennen nicht unmöglich zu machen, die „Allegorie nicht weit hergeholet sein.“20 Dahingegen kann das „concrete Bild“ nicht für sich alleine stehen. Es verweist durch seinen Bildinhalt direkt auf eine andere Bedeutung. Man kann nicht beim Bild für sich stehen bleiben, sondern muss immer weiter denken. Somit ist das „concrete Bild“ weniger subtil und vor allem auch ohne diesen allegorischen Bezug für sich nicht verständlich. Das „concrete Bild“ und das Bezugsbild haben tatsächlich gemeinsame Motive („Figuren und andere Zeichen“), Bild und Bildbezug überschneiden sich gewissermaßen. „Concrete Bilder“ sind laut Winckelmann, grundsätzlich leichter zu verstehen und zu erfinden als „abstracte“. Aber auch bei den „abstracten Bildern“ plädiert er für „die Einfalt“ als wichtigste Eigenschaft von Allegorien, obgleich dies wohl besonders schwierig zu erfinden sei.21 Das alles klingt soweit recht plausibel, gäbe es nicht den bereits zu Anfang erwähnten Rüstkatalog „Versuch neuer Allegorien“. In diesem beschreibt Winckelmann zunächst mögliche weitere Allegorien, doch dabei bleibt es nicht. Vielmehr führt er eine seiner Meinung nach allegorische Interpretation über einen nicht vollständig erhaltenen antiken Torso vor, den er eingangs sogleich „Sturz des Hercules“ nennt. Galt in seinem zuvor besprochenen Aufsatz die Einfalt und das „nicht weit hergeholt sein“ noch als oberstes Gebot für Allegorien, widerspricht er sich in der Interpretation des Torsos völlig. Denn dabei schließt er nicht von einem „abstracten“ oder „concreten“ Bild auf eine zweite Bedeutung, sondern versucht stattdessen, anhand der vorhandenen Gliedmaßen und Muskelpartien den kompletten Körper der Figur zu rekonstruieren. b) „Physiognomische“ Allegorie Die vorhandenen Bruchstücke inspirieren Winckelmann zum Weiterdenken, zum geistigen Vervollständigen des Kunstwerks, sowie die dazu passende Verbindungen in den antiken Mythen zu finden.22 Ob der Bildhauer tatsächlich bei der Erschaffung des besagten Kunstwerks an das „Gebürge Cithäron“ gedacht hat, sei dahingestellt. Jedenfalls ist der Bezug auf das Gebirge in der griechischen Mythologie, den Winckelmann hier herstellt, 20 Winckelmann 1766. In: Sørensen 1972, S. 43. 21 Ebda. 22 „Die Macht der Schulter deutet mir an, wie stark die Arme gewesen, die den Löwen auf dem Gebürge Cithäron erwürget“ aus: Winckelmann 1766. In: Sørensen 1972, S. 46. Fy Gadiot 5 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK keine wie vorab von ihm geforderte klare Allegorie. Denn von der noch erhaltenen Schulter der Skulptur auf die Geschichte in besagtem Gebirge zu schließen, dürfte selbst für die Antike zu weit hergeholt gewesen sein. Es geht Winckelmann in diesem Text also nicht mehr um auflösbare Begriffe, sondern um subjektive Ideen, Interpretationen, die bis ins Unermessliche zu übersteigern sind. Nicht das Gebirge Cithäron ist hierfür zum Verständnis des Winckelmannschen Allegoriebegriffs maßgebend, sondern die Idee, dass „der Körper der sichtbare Ausdruck der unsichtbaren Seele sei“.23 Sørensen nennt diesen Typus „physiognomische“ Allegorie.24 Die Idee der physiognomischen Allegorie kommt bei Winckelmann hauptsächlich in Verbindung mit der Plastik vor und muss tatsächlich getrennt von seinen vorher beschriebenen Theorien der „abstracten“ und „concreten“ Allegorie betrachtet werden, auch wenn er selbst noch nicht in der Lage ist, diese Trennung explizit vorzunehmen. Das sollte aber nicht dazu verleiten, die besprochenen Winckelmanntexte unabhängig voneinander zu betrachten, denn die aufgezeigte Diskrepanz und Weiträumigkeit ist für den Winckelmannschen Allegoriebegriff und seine Zeit bezeichnend.25 Johann Gottfried Herder knüpft in seinem Text „Plastik“ von 177826 genau an dieser Stelle an. Er versucht, die Trennung der beiden verschiedenen Allegorietypen zu konkretisieren.27 Dabei geht er aber so abstrakt vor, dass sein Text heute für den Leser zunächst nur schwer zugänglich ist. III. Johann Gottfried Herder Herder (* 1744 - = 1803) war wie Winckelmann Theologe und Schriftsteller sowie von Kant und Hamann geförderter Philosoph. Auch er findet in seinem Text „Plastik“, wie der Titel schon vermuten lässt, den Zugang zu seinem Allegoriebegriff über die bildende Kunst, nicht über die Literatur. Dabei geht er von der Grundfrage aus, was Schönheit ist. Laut Herder ist Schönheit Vollkommenheit beziehungsweise deren Darstellung. Nur ein Körper mit Seele ist vollkommen, und Kunst ist „Seele durch Körper“ darzustellen. Aber das eine funktioniert nicht ohne das 23 Sørensen 1963, S. 46. 24 Vgl. ebda., S. 45-46. 25 Ebda., S. 45 Fußnote. 26 Herder 1778. In: Sørensen 1972, S. 77-80. 27 Ebda., S. 78. Fy Gadiot 6 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK andere, somit bedingen sich Körper und Seele in vollkommener Schönheit gegenseitig.28 Herder zitiert in „Plastik“ Quintilian29 mit seiner Aussage, Allegorie bedeute das „Eine durchs Andere“. Folglich sei bildende Kunst eine andauernde Allegorie, „denn sie bildet Seele durch Körper“.30 Auch hier ist die Allegorie nicht in einen rationalen Begriff auflösbar, sondern wie Winckelmanns „physiognomische Allegorie“ zu verstehen. a) Verschiedene Künste – unterschiedliche Allegorien Herder unterscheidet ebenfalls zwei Allegoriebedeutungen, allerdings nicht in „concrete“ und „abstracte“ Bilder, sondern in einen Allegoriebegriff wie oben beschrieben und in ein, wie er es später, 1800, in seinem Artikel „Kalligone“ nennt, „Natursymbol“. Oder einfacher in Allegorie, die von Plastik dargestellt werden kann und in die Allegorie der „leichteren Künste“, wobei „leichter“ buchstäblich zu verstehen ist, da die Plastik von ihrer Beschaffenheit her viel zu schwer und substanziell ist, um Doppelschichtigkeit zu versinnbildlichen. Eine zweite Bedeutungsebene zu generieren, das sei die Allegorieform der „leichteren“ Künste. Überdies soll die Kunst die Natur nachahmen. Das Abstrahieren jedweder Form bedeute eine Sünde an beiden. Die Göttin der Liebe soll laut Herder einfach als Göttin der Liebe und nicht als der abstrakte Begriff Liebe“ selbst wahrgenommen werden.31 Bei dem Versuch, die Grenzlinien von Allegorie festzulegen, handelt es sich in „Plastik“ doch stets um ein Problemfeld der bildenden Kunst. Im Kapitel „Allegorien der Rede“ aus „Adreastea“ von 1801 bemerkt Herder, dass diese und die „Allegorien der Kunst“ zwei verschiedene Formen sind. Die Allegorie in der Dichtkunst sei ätherischer Art, personifizierend, aber vor allem in der lyrischen Poetik auch Kommunikationsträger von Emotionalität, Klang und Ton. Für eine klarere Unterscheidung der verschiedenen Allegoriebedeutungen bei Herder ist die bloße Betrachtung von „Plastik“ nicht ausreichend. Der genaue Inhalt der Begriffe „Allegorie“, „Natursymbol“ 28 Herder 1778. In: Sørensen 1972, S. 78. 29 Vgl. ebda., Anmerkung Sørensen. 30 ebda., S. 78. 31 Vgl. ebda., S. 79. Fy Gadiot 7 ALLEGORIE UND SYMBOL IN DER KLASSIK und „Symbol“ lassen sich daher häufig nur aus dem jeweiligen Zusammenhang ermitteln.32 Herders Kritik an Winckelmann betrifft vor allem die oben bereits erwähnte „Rüstkammer von Allegorien für alle Künste des Schönen“. Da nach Herder jede Kunst auf ihre eigene Art allegorisch sein kann und ihre eigene Form der Allegorie betreiben sollte, ist eine Rüstkammer, die allgemein für alle Künste gilt, zu wenig auf die Bedürfnisse der einzelnen Künste abgestimmt. Darüber hinaus ist künstlerisches Schaffen in Herders Denken ein Schöpfungsakt. Da jede Darstellung und jedes Dargestellte individuell ist, ist es falsch, „Ein Maas“ vorzuschreiben, denn es können nie genau „dieselben Verhältnisse gelten“.33 Es würde den künstlerischen Schöpfungsakt einschränken. Herders Aufsatz „Plastik“ vermag da Klärung zu bringen, wo Winckelmann nicht eindeutig genug wird; und vermag die Grenzlinien der Allegorietypen genauer zu fassen. Doch der erste Eindruck, dass Herder sich in seiner Kritik weit weg bewegt von Winckelmanns Allegorie-Auffassung kann sich bei eingehenderer Betrachtung nicht halten.34 Herders Bildtheorien hatten großen Einfluss auf die Entwicklung des Symbolbegriffs in der Goethezeit, vor allem sein später eingeführtes „Natursymbol“, auf das in dieser Arbeit jedoch nicht näher eingegangen wird. In der Goethezeit wurde nach verschiedenen Definitionsmöglichkeiten von Allegorie und Symbol gesucht, doch obwohl daraus viele einzelne Definitionen resultieren, weisen sie untereinander vergleichbare Denkweisen auf.35 IV. Johann Wolfgang von Goethe Ob und wie sehr Goethe von Bedeutung für die Begriffsentwicklung war, darüber streiten sich die gegenwärtigen Literaturwissenschaftler. Michael Titzmann ist Vertreter der Meinung, dass Goethes theoretische Leistung heute völlig überschätzt wird. Nicht andere Autoren seien von Goethe abhängig, sondern im Gegenteil Goethe von seinen Zeitgenossen, da seine 32 Vgl. Sørensen 1972, S. 75. 33 Herder 1778. In: Sørensen 1972, S. 78-79. 34 Vgl. Fischer 1990, S. 256. 35 Vgl. Titzmann, Michael: Allegorie und Symbol im Denksystem der Goethezeit. In: Haug, Walter: Formen und Funktionen der Allegorie. Symposium Wolfenbüttel 1978, Stuttgart 1979, S. 642. Fy Gadiot 8

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Proseminar Bildtheorien: Allegorie – Symbol - Metapher. Leitung: . Vgl. Behler, Ernst: Symbol und Allegorie in der frühromantischen Theorie. In: Ders
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