ESSAD r;£Y , WOLFGANG VON WE IS L ALLAH 1ST GROSS Niedergang und Aufstieg der islamischen Welt von Abdul Hamid bis Ibn Saud VERLAG DR.ROLF PASSER LEIPZIG—WIEN Mit drei Landkarten Schutzumschlag: Maenner, Wien Alle Rechte vorbehalten Copyright 1936 by Verlag Dr. Rolf Passer, Wien—Leipzig Druck: Elbemühl A. G., Wien, IX., Berggasse 31 PROLOG . .—,.-.i -rx A /V x* ">s^S. \ \ —\ \\ i ••"•5 • ír- V,Jt x S/x/^^ yC xx /Sy\ <S-5 • L±lj^ /xVSokxvl Otfi / " *"* /* o/ sX\/ y&l. X >*\o' SXC§§^ • i^^rv -* i a ,'tf* X Xr X XfeX\x< x* i /J/K A / VV S ^K/Zv' 0 »-2 • -V . t • • s/ /*/ /Q /C /\xhi./^\y •5."»0E r i / ej? / /\/^y\/^y *\XÍ /ívxvX^Xfvww /^ A.°*Á /\ /\ /\ /\ »A. 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Zu beiden Seiten des Roten Meeres, von der Somaliküste hin weg über Arabien bis zum Ufer des Euphrat, bis zur Piraten küste am Persischen Golf und darüber hinaus durch Afghani stan und Beludschistan bis zum Indus, zur Wüste Thar, er streckt sich, kaum durch Siedlungsland unterbrochen, beider seitig des dreißigsten Breitegrades ein Wüstengürtel über mehr als neunzig Längengrade — ein Viertel des Erdballs. Und vom Süden nach Norden mißt sie nicht viel weniger: fast bis zum Äquator reicht die Wüste im Somaliland im Süden, reicht im Norden an die Ufer von drei Meeren: Kaspischen See, Aralsee, Balkaschsee. Die ungeheuren, end losen Sandmassen von Kara Kum, Kysyl Kum, die Hunger wüste von Bak-Pak-Dala, und wie sie alle heißen. End los, übermächtig. Sandwüste, Steinwüste, Steppe vom Ural über die ganze Mongolei bis zur Chinesischen Mauer. Vom fünften bis zum fünfzigsten Breitegrad — die Welt der Wüste. Eines der kleinsten dieser Wüstengebiete, Ara bien, ist größer als Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien und Österreich zusammen. Sand, Sand, Sand. Oder Stein, Stein, Stein. Oder beides abwechselnd. Wo die Natur gütig ist, fällt im Frühjahr, im Herbst etwas Regen. Dann verwandelt sich hier für Wo chen, dort für Monate, die Wüste in Weideland, bietet karge Nahrung hier nur für Kamele, dort auch für Schafe und Ziegen, Pferde und Esel. Aber viele hunderttausende 7 Quadratkilometer gibt es, auf die kaum jemals Regen fällt. Nur unterirdische Ströme steigen an spärlichen Punkten näher zur Oberfläche, schenken Brunnen den Dürstenden, vielleicht sogar eine trag murmelnde Quelle, die als Bach oder auf ein Kanalsystem künstlich verteilt etliche Kilo meter weit schleicht, ehe sie von der heißen Wüste ver schlungen wird. Denn die Wüste ist überall. Sie ist ewig und unveränder lich. Unbewegt sah sie die Flucht Kains, des Brudermörders. Sie sah die vertriebene Hagar, des Patriarchen Abraham Kebsweib, wie sie der allmächtigen Wüste ihren Sohn Ismael überantwortete, von dem die Araber ihre Abstammung ab leiten. Von Ismael hatte aber Gott gesagt: „Er wird ein wilder Mann sein, seine Hand gegen alle, und aller Hand gegen ihn." Die Weisen lehren: „Ein wilder Mann — was bedeutet das? Das bedeutet: Ein Mann, der die Wüste liebt." Denn die Wüste ist das Wilde, das Fremde, das Unheimliche, das niemand lieben kann, der nicht „wild" ist. Wer aus der Wüste kommt, der ist wild, gesetzlos, anders als die Men schen des Kulturbodens. Seine Hand ist gegen alle und alle sind gegen ihn ... Auf einem dünnen Hügel ein Reiter. Helles Kopftuch umhüllt Haupt, Stirn und Kinn, läßt nur die scharfe Nase, die schmalen Lippen und brennende, klare, schwarze Augen frei, die gierig von der Sanddüne aus hinüberspähen auf grünes Ackerfeld, auf weiße Mauern und ragende Türme in der Ferne — dort, wo die Wüste aufhört. Von den fernen Häusern der Städtebewohner her trägt der Wind Spiel und Sang. Dort ziehen Prozessionen, dort flattern bunte Kleider. In Schenken wird dort getrunken und gesungen. Dort leuchten Bilder, glänzen Statuen. Dort gibt es Wasser und Korn, Silber und Gold — alles. Den Reiter der Wüste widert dieses Land an. Er haßt die Menschen da drüben, die scheu gebundenen. Er verachtet ihre Häuser, in denen sie gefangen sind. Ihre Vergnügungen, ihre Spiele ekeln ihn, Ihr Essen und Trinken, ihr Fromm- 9 sein und ihr Sündigen, alles ist knechtisch und häßlich. Und dennoch lockt es. Denn dort ist alles, was der Krieger der Wüste zu seinem Glück braucht. Schattige Bäume, ewig junge Weiber, erfrischendes Wasser — alles ist dort. Für den, der es holt. Der Wüstenreiter reckt sich hoch. Diese fruchtbare Welt wird er besitzen — aber nie wird sie ihn besitzen! Er wird alle ihre Schätze genießen, aber den Sünden dieser Bauern und Krämer wird er nicht verfallen, die Freiheit seiner Wüste wird er nicht aufgeben. So schwört er. Wendet sich zu den Gefährten, hebt den Säbel; ein einziger tausend fältiger Schrei: Allahs Gesetz und sein Schwert! Und die Wüstenreiter senken die Lanzen, überrennen das fruchtbare Land. So spricht Gott: „Ihre Hand ist wider alle und aller Hand ist wider sie..." Dieser Reiter in der Wüste ist der Islam. Sein halbmond förmiger Krummsäbel — der Säbel Mohammeds — ist genau so Allahs Gesetz wie das heilige Buch des Korans, das der Erzengel Gabriel dem letzten aller Propheten, Mo hammed, Sohn des Abdallah, vom Himmel gebracht hat. Mohammed war ein Sohn der Wüste. Obwohl in der sündhaften Pilgerstadt Mekka geboren, der einzigen Groß stadt des damaligen Arabiens, war er doch kein Städter. Bei Beduinen aufgewachsen, als Kaufmann Wüsten durchrei send, hatte er die Wüste lieb. Den Koran, den er der Welt gab, gab er der Wüste. Größe und Bedeutung dieser Offen barung ist, daß sie das einzige Gesetz der Wüste ist, das Anspruch erhebt, der ganzen Welt Gesetz zu werden. Im Koran diktiert die Wüste dem Kulturland. Nur im Koran, im heiligen, unerschaffenen. In drei große Stände zerfällt die Menschheit nach arabi scher Auffassung. Die unterste Klasse ist der schollengebundene Bauer, der Fellach. Unfrei, vom Regen des Himmels, vom heißen Wind der Wüste abhängig. Sein Horizont ist nicht weiter als der 9 Umkreis des Dorfes; sein Mut nicht größer als der seiner Hunde, die kläffen, wenn ein Fremder kommt, aber davon laufen, wenn ein Stein geworfen, ein Stock geschwungen wird. Er ist meist Untertan eines großen Herrn der näch sten Stadt, an den er verschuldet ist, oder hörig einem Beduinenstamm, der die Hälfte oder ein Viertel der Ernte als Tribut abholt. Die nächsthöhere Klasse besteht aus Stämmen, die Ziegen, Schafe, bestenfalls Rinderherden besitzen. Dieses Vieh braucht viel Wasser und Futter. Gehört dem Stamm Steppenland, wo der Frühlingsregen reichlich und regel mäßig fällt, dann gehören die Herdenbesitzer zu den echten, freien Söhnen der Wüste. Meist sind sie aber durch den Bedarf an Wasser und Futter gezwungen, in der Nähe von Kulturland zu weilen, als Weideland Äcker zu benützen, von dem die Bauern die Ernte schon eingebracht haben. Auf diese Weise entsteht der Typus des Halbnomaden, der sich teilweise von Ackerbau ernährt, teilweise von Viehzucht, und der verschiedene Gegenden aufsucht, um nach der Ernte seine Herden dort zu weiden. Dieses Urbild primitiver „grandé culture" wird bereits Adam zugeschrieben: Einen seiner Söhne ließ er Ackerbauer werden, den anderen Hirt — beide zusammen bildeten die Wirtschaftseinheit des Halb nomaden. Die dritte Klasse ist die höchste, freieste, stolzeste, die „Arab". Die Kamelzüchter. Das Kamel macht den Beduinen unabhängig von der Welt. Sogar^ unabhängig von Regen und Wasser. Er braucht nichts. Das Kamel gibt Milch, Blut und Fleisch als Nahrung. Sein Fell dient als Leder. Sein Haar als Kleid und Strick, Zeltwand und kunstvoll geweb ter Teppich. Kameldung ist Brennmaterial. Kamelharn trinkt der Araber als Medizin. Mit Kamelsehnen näht er. Auf dem Rücken des Kamels jagt er die Tiere — und die Fremden, die ohne Geleit sich in die Wüste wagen, in der er herrscht. Diese Freiheit kannte kein Gesetz und anerkannte keinen Herrn — ehe Mohammed den Koran der Wüste zur Satzung gab und Allah zum Herrn. Für den Beduinen ist dieses Gesetz geschaffen. Ihm zu Liebe wird es „leicht gemacht", denn Allah ist milde und gütig und will nicht, daß sein 10 „Din", sein Recht schwer sei. Dem Beduinen zu Liebe ge nügt zur Erfüllung der Pflicht der religiösen Waschungen vor dem Gebet die Abreibung mit Wüstensand statt mit dem kostbaren Wasser des Kulturlandes. Dem Wüstensohn zu Liebe beschränken sich die Speisevorschriften des Korans auf das Verbot des Schweins, das in der Wüste ohnedies nicht vorkommt, während Kamel und Pferd — beide von der Bibel verboten — dem Muslim erlaubt sind. Ein „leichtes Gesetz" predigt Mohammed seinen Steppen arabern und Wüstenreitern und ein allgemein verständliches. Viel leichter zu merken als die zahllosen komplizierten Vor-« Schriften der Juden, die im Norden und Süden Arabiens unabhängige Stämme bilden und Mission treiben. Und tau sendmal einfacher als die verwickelten Probleme, über die Arianer, Nestorianer, Jakobiten, Monophysiten streiten, und wie alle die anderen Sekten und Lehrmeinungen des byzan tinischen Christentums heißen. Einfach wie ein Schwerthieb ist seine Logik. Überzeugend wie ein Lanzenstoß seine Ar gumente. Der gesunde Menschenverstand jedes unverbilde ten Beduinen muß verstehen, wenn Mohammed im Namen Allahs verkündet: „Sprich: Gott ist Einer / Ein ewig Reiner / Hat nie gezeugt und ihn gezeugt hat keiner." Wie einfach, wie präzis! Auf diese Einfachheit und Prä zision kommt es bei der Wüstenreligion an. Eine entzückende Geschichte verdeutlicht, wie Mohammed selbst genau ver standen hat, daß davon die Zukunft seines Werkes abhing. Einmal prüfte niemand geringerer als der Erzengel Gabriel ihn über „Psychologie der Beduinen". Als Wüstenaraber verkleidet, näherte sich der Engel dem Propheten und fragte: „Worin besteht der Islam?" Mohammed antwortete: „Im Bekenntnis zum einzigen Gott / Und zu mir als dessen Propheten / In der genauen Beachtung der (fünf) Zeiten des Gebetes / Im Beschenken der Armen / Und in der Pilgerfahrt nach Mekka, wenn es die Umstände erlauben." Worauf der Beduinenerzengel sich offenbarte und lobte: „Ganz genau so ist es, wie Du gesagt hast, o Mohammed." Nun, ganz so einfach sind die Glaubenssätze des Islams denn doch nicht. Mohammed spricht hier nur von den Pflichten, nicht aber von seiner Weltanschauung. Eine Reihe 11 von Fragen, über die sich Juden und Christen nur recht gewunden ausdrückten, werden von ihm in erfrischender Ursprünglichkeit entschieden. Für den Islam gibt es keine Skrupel, wie die „ewige Verdammnis" mit der „Allgüte Gottes" vereinbar sein kann. Es ist ihm klar, daß bei Er schaffung der Welt die eine Hälfte der Menschen zum ewigen Höllenbrand verdammt wurde, während die andere für das Paradies bestimmt ist. Auch über die Ausstattung des Paradieses gibt er klare und unzweideutige Auskunft: Es sieht genau so aus wie die Stadt Damaskus plus himm lischen Glanz. Die Anhänger anderer Religionen haben sich den Kopf darüber zerbrochen, wie die menschliche Willensfreiheit mit der Allwissenheit Gottes vereinbar sei. Mohammed akzep tierte, fast wäre man versucht, von Leichtfertigkeit zu re den, die Kompromißlösung Hilleis: Alles ist von Gott vor ausbestimmt — er läßt jedoch den Menschen jederzeit Wahl und sogar Umkehr frei« Auch diese Auffassung aber war noch zu intellektuell für Beduinen; daher ergänzte sie Mohammed durch den Begriff der „Ergebung in den Willen Gottes" — das heißt auf arabisch Islam. „Sage nicht, ich will! Sage: Inschallah — wenn Allah will! Denn alle Dinge sind so, wie Gott es will. Er ist dk. einzige Kraft, die das Weltall bewegt." Diese erhabene Erkenntnis Jtennt keine Grenzen und Kompromisse. Folgerichtig führt sie zu zwei verschiedenen seelischen Eigenschaften: einerseits zum Bewußtsein der Kleinheit alles menschlichen Trachtens und damit zur De mut, anderseits zu innerer Freiheit und grenzenloser Über legenheit gegenüber jedwedem Geschick. Wenn nämlich alles, Glück wie Unglück, vorherbestimmt ist, dann hat der Mensch nicht zu sorgen und sich zu kümmern. Nicht des halb, weil etwa — wie beim frommen Christen — der gütige Vater im Himmel schon für seine Kinder so sorgt wie für die Lilien und für die Raben. Der Muslim glaubt nicht, daß der himmlische Vater so unbedingt für seine Gläubigen sorgt; er weiß aus Erfahrung, daß ein Mensch zugrunde gehen kann, auch wenn er fromm ist. Der Koran enthält nirgends dergleichen Versprechungen. Allerdings verkündet die 11. Sure (V. 3): 12
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