Modul (cid:220)berblicke (cid:252)ber Teilgebiete der Mathemathik (UEB) (cid:21) Vorlesungsskript (cid:21) Algebra im (cid:220)berblick Dietrich Burde 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 5 2 Algebra und Symmetrie 7 2.1 Gruppenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Isometriegruppen des Euklidischen Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3 Symmetriegruppen von Ornamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.4 Kristallographische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3 Algebra und Gleichungen 29 3.1 Polynomiale Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.2 Polynomringe in mehreren Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.3 Monomordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.4 Multivariate Division . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.5 Monomideale und Dicksons Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.6 Gr(cid:246)bnerbasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.7 Buchbergers Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4 Algebra und Codierung 55 4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.2 Lineare Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.3 Endliche K(cid:246)rper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.4 Perfekte Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.5 Zyklische Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.6 BCH und Reed-Solomon Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3 1 Einleitung Die Vorlesung Algebra im (cid:220)berblick ist Bestandteil des Bachelor-Studiengangs in Ma- thematik der Universit(cid:228)t Wien und geh(cid:246)rt zum Modul (cid:220)berblicke (cid:252)ber Teilgebiete der Mathematik. In den Zielen dazu hei(cid:255)t es, die Studierenden sollen zentrale Resultate der Algebra kennenlernen, oft auch ohne detaillierte Beweise. F(cid:252)r Studierende, die nach dem Bachelorstudium in das Berufsleben einsteigen wollen, liefert dieses Modul eine Verbrei- terung des allgemeinmathematischen Wissens. Einige Themen (cid:252)ber Gruppen, Ringe und K(cid:246)rper werden vorher im Modul Elementare Algebra angeboten. Wir stellen drei ausgew(cid:228)hlte Themenbereiche vor, von denen das erste mit Gruppentheorie assoziiert ist, das zweite mit Ringtheorie, und das dritte mit K(cid:246)rpertheorie. Alle drei Themen sind auch Beispiele f(cid:252)r die Anwendungen der Algebra. 5 2 Algebra und Symmetrie In diesem Abschnitt wollen wir Symmetriegruppen von Ornamenten und Kristallen be- handeln, und eine kleine Einf(cid:252)hrung ist das Gebiet der kristallographischen Gruppen geben. Die Klassi(cid:28)kation kristallographischer Gruppen ist durchaus wichtig in den An- wendungen, sei es f(cid:252)r die Festk(cid:246)rperphysik, bei der Beschreibung von inkommensurabel modulierten Strukturen, Quasikristallen und magnetischen Strukturen, oder f(cid:252)r Anwen- dungen innerhalb der Kristallographie. 2.1 Gruppenoperationen Die De(cid:28)nition einer Gruppenoperation, oder einer Gruppenwirkung ist wie folgt. De(cid:28)nition 2.1. Sei G eine Gruppe und X eine Menge. Eine Abbildung G×X (cid:55)→ X, (g,x) (cid:55)→ gx nennt man eine Operation von G auf X, falls gilt (1) g(hx) = (gh)x f(cid:252)r alle g,h ∈ G und alle x ∈ X, (2) ex = x f(cid:252)r das neutrale Element e ∈ G und alle x ∈ X. Eine Menge X mit einer Operation einer Gruppe G auf X hei(cid:255)t auch G-Menge. Wir wollen uns einige Beispiele anschauen. 1. Die Gruppe GL (K) der invertierbaren n×n Matrizen (cid:252)ber einem K(cid:246)rper K operiert n auf dem Kn durch Matrixmultiplikation (A,x) (cid:55)→ Ax. 2. Jede Gruppe G operiert auf jeder Menge X durch die triviale Operation, d.h. durch gx = x f(cid:252)r alle g ∈ G und alle x ∈ X. 3. Die symmetrische Gruppe S operiert durch Permutationen auf der Zi(cid:27)ernmenge n X = {1,2,...,n}. 4. Jede Gruppe G operiert auf sich selbst durch Konjugation: mit X = G ist die Opera- tion durch (g,x) (cid:55)→ gxg−1 gegeben. 5. Die Gruppe SL (C) der komplexen 2 × 2 Matrizen A = (a b) mit Determinante 2 c d det(A) = 1 operiert auf der Riemannschen Zahlenkugel C = C ∪ {∞} durch M(cid:246)bi- ustransformationen az +b (A,z) (cid:55)→ A·z = . cz +d 7 2 Algebra und Symmetrie Dabei gilt A · ∞ = a/c und A · (−d/c) = ∞. Die Einheitsmatrix E operiert durch Ez = 1z+0 = z. F(cid:252)r zwei Matrizen A = (a b), B = (cid:0)α β(cid:1) rechnet man nach, da(cid:255) gilt 0z+1 c d γ δ (cid:16) (cid:17) (cid:18) (cid:19) a αz+β +b αz +β γz+δ A·(B ·z) = A· = (cid:16) (cid:17) γz +δ c αz+β +d γz+δ (aα+bγ)z +(aβ +bδ) = (cα+dγ)z +(cβ +dδ) (cid:18) (cid:19) aα+bγ aβ +bδ = ·z cα+dγ cβ +dδ = (AB)·z. Es bezeichne Sym(X) die Menge aller Bijektionen X → X. Sie bildet eine Gruppe unter Komposition. F(cid:252)r jedes g ∈ G sei L(g): x → gx die Linksmultiplikation mit g. O(cid:27)enbar ist L(g) eine Bijektion von X, mit inverser Abbildung L(g−1). Satz 2.1.1. Sei G eine Gruppe, die auf einer Menge X operiert. Dann ist die Abbildung L: G → Sym(X), g (cid:55)→ L(g) ein Gruppenhomomorphismus. Ist umgekehrt ein Grup- penhomomorphismus θ: G → Sym(X) gegeben, so operiert die Gruppe G auf X durch (g,x) (cid:55)→ θ(g)x. Beweis. Die beiden Bedingungen einer Gruppenoperation bedeuten L(e) = id und L(g)· (L(h) · x) = L(gh) · x f(cid:252)r alle g,h ∈ G und x ∈ X. Das besagt genau, da(cid:255) L ein Gruppenhomomorphismus ist. Dabei ist L(g) ∈ Sym(X) f(cid:252)r g ∈ G. Die zweite Aussage folgt analog. Der Satz ist manchmal hilfreich. So nennt man eine Operation von G auf X auch treu, falls der Homomorphismus L: G → Sym(X) injektiv ist; mit anderen Worten, wenn gx = x f(cid:252)r alle x ∈ X schon g = e impliziert. Zum Beispiel operiert jede Untergruppe der S treu auf X = {1,2,...,n}. n De(cid:28)nition 2.2. Sei G eine Gruppe, die auf einer Menge X operiert. F(cid:252)r x ∈ X hei(cid:255)t die Menge Gx = {gx | g ∈ G} ⊆ X die Bahn von x, oder der Orbit von x. Manchmal sagt man auch G-Bahn von x. Eine Operation hei(cid:255)t transitiv, falls es ein x ∈ X gibt mit X = Gx. In diesem Fall nennt man X einen homogenen Raum f(cid:252)r G. Zum Beispiel operiert die symmetrische Gruppe S transitiv auf X = {1,2,...,n}. n Wenn G auf X operiert, so nennt man eine Teilmenge S ⊆ X auch G-invariant, falls gx ∈ S gilt f(cid:252)r alle g ∈ G und alle x ∈ S. Dann induziert die Operation von G auf X auch eine Operation von G auf S. Die Bahn Gx von X ist die kleinste G-invariante Teilmenge von X, die x enth(cid:228)lt. F(cid:252)r x,y ∈ X schreiben wir x ∼ y, falls es ein g ∈ G gibt mit y = gx. Das de(cid:28)niert 8 2.1 Gruppenoperationen o(cid:27)ensichtlich eine ˜quivalenzrelation: 1. Die Relation is re(cid:29)exiv, da x = ex gilt. 2. Die Relation ist symmetrisch, da aus x ∼ y folgt y = gx, und somit x = g−1y, also y ∼ x. 3. Die Relation ist transitiv, weil y = gx und z = hy zusammen o(cid:27)enbar z = h(gx) = (hg)x implizieren. Die ˜quivalenzklassen dieser Relation sind nichts anderes als die G-Bahnen. Sie bilden eine Partition von X. Beispiel 2.1.2. F(cid:252)r eine Gruppe G, die auf sich selbst operiert durch Konjugation, sind die G-Bahnen genau die Konjugationsklassen. F(cid:252)r x ∈ X = G ist die Konjugationsklasse von x die Menge {gxg−1 | g ∈ G}. Beispiel 2.1.3. Sei G = D die Untergruppe von Sym(R), die von allen Translationen ∞ T(x) = x+1 und allen Spiegelungen S(x) = −x erzeugt wird. Sie hei(cid:255)t die unendliche Diedergruppe. Sie operiert auf X = R. Die G-Bahnen der Elemente x = 1, 1, 1 sind 2 3 gegeben durch G·1 = Z, 1 1 G· = +Z, 2 2 (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) 1 1 2 G· = +Z ∪ +Z . 3 3 3 De(cid:28)nition 2.3. Sei G eine Gruppe, die auf einer Menge X operiert. F(cid:252)r x ∈ X hei(cid:255)t die Menge G = {g ∈ G | gx = x} ⊆ G x der Stabilisator von x, oder die Isotropiegruppe von x. In der Tat ist G eine Untergruppe von G, aber nicht unbedingt ein Normalteiler. x Vielmehr haben wir folgendes Resultat. Lemma 2.1.4. F(cid:252)r g ∈ G und x ∈ X gilt gG g−1 = G . x gx Beweis. Es sei h ∈ G , also hx = x. Dann folgt (ghg−1)gx = ghx = gx, also ghg−1 ∈ x G . Das bedeutet gG g−1 ⊆ G . Gilt umgekehrt h(gx) = gx, so folgt gx x gx (g−1hg)x = g−1(h(gx)) = g−1gx = x. Das bedeutet g−1hg ∈ G , oder h ∈ gG g−1. x x 9 2 Algebra und Symmetrie Beispiel 2.1.5. Falls G durch Konjugation auf sich selbst operiert, so ist der Stabilisator von x die Gruppe C (x) = {g ∈ G | gx = xg}. G Sie hei(cid:255)t Zentralisator von x in G. Das Zentrum Z(G) von G ist der Schnitt (cid:252)ber alle Zentralisatoren: (cid:92) Z(G) = C (x) = {g ∈ G | gx = xg ∀x ∈ G}. G x∈G F(cid:252)r eine Teilmenge S ⊆ X de(cid:28)nieren wir den Stabilisator von S als Stab(S) = {g ∈ G | gS = S}. O(cid:27)enbar ist Stab(S) eine Untergruppe von G, und Stab(x) = G f(cid:252)r ein Element x ∈ X. x Wie in Lemma 2.1.4 zeigt man, da(cid:255) Stab(gS) = gStab(S)g−1. Beispiel 2.1.6. F(cid:252)r die Operation der unendlichen Diedergruppe D auf R sind die ∞ Satbilisatoren von x = 1, 1, 1 gegeben durch 2 3 G = {id,T2S}, 1 G = {id,TS}, 1 2 G = {id}. 1 3 Beweis. Die Gruppenelemente sind von der Form TnS oder Tn f(cid:252)r n ∈ Z, wegen S2 = id und ST = T−1S. F(cid:252)r x = 1 hat die Gleichung W(x) = x nur die L(cid:246)sung W = id. Falls 3 W = Tn so impliziert Tn(1) = 1 nat(cid:252)rlich n = 0. F(cid:252)r W = TnS ergibt die Gleichung 3 3 (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) 1 1 1 1 = (TnS) = Tn − = n− 3 3 3 3 einen Widerspruch wegen n ∈ Z. Beispiel 2.1.7. Es operiere G auf sich selbst durch Konjugation. Sei H eine Untergruppe von G. Der Stabilisator von H hei(cid:255)t dann der Normalisator N (H) von H in G: G N (H) = {g ∈ G | gHg−1 = H}. G Satz 2.1.8. Operiert eine Gruppe G auf einer Menge X, so ist die Abbildung G/G → Gx,gG (cid:55)→ gx x x eine Bijektion. Es gilt |Gx| = (G : G ). x Korollar 2.1.9. Die Anzahl der Konjugierten gHg−1 einer Untergruppe H von G ist gleich (G : N (H)). G 10