Springer-Lehrbuch Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH Siegfried Bosch Algebra Vierte, iiberarbeitete Auflage Springer Professor Dr. Siegfried Bosch Universităt Miinster Mathematisches Institut Einsteinstrafie 62 48149 Miinster, Deutschland e-mail: [email protected] Mathematics Subject Classification (2000): 12-01, 13-01, 14-01 Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Bosch, Siegfried: Algebra / Siegfried Bosch. -4., iiberarb. Aufi .. (Springer-Lehrbuch) ISBN 978-3-540-41852-8 ISBN 978-3-662-05646-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-05646-2 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahmevon Abbildungen und TabelIen, der Funksendung, der MikroverfiImung oder der VervieIfâltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in DatenverarbeitungsanIagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfâltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch in! EinzeIfalI nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulăssig. Sie ist grundsătzlich vergiitungs pfiichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. http://www.springer.de © Springer-Verlag Berlin HeideIberg '992,1994,1999,2001 Urspriinglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wăren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Satz: Datenersteiiung durch den Autor unter Verwendung eines TJll(-Makropakets Einbandgestaltung: design & production GmbH, Heidelberg Gedruckt auf săurefreiem Papier SPIN: 10786250 44/3142Ck -5 43 21 o Aus dem Vorwort zur erst en Auflage In den Algebra-Vorlesungen nimmt heutzutage die Theorie der Korpererwei terungen, insbesondere die Galois-Theorie, einen zentralen Platz ein. Ich habe mich darum bemiiht, diesen "Standard" -Stoff mit allen notwendigen Vorberei tungen in groBtmoglicher Einfachheit und Ubersichtlichkeit darzustellen. ohne jedoch auf simplifizierende ad-hoc-Losungen zuriickzugreifen. Wichtig war mir dabei, die Dinge in behutsamer Weise so zu prasentieren, wie sie heute nach allgemeiner Einschiitzung sowie aufgrund von Erfahrungen aus der aktuellen Forschung gesehen werden sollten, ohne jedoch den Blick fUr die historische Entwicklung der Theorie zu verlieren. Neben Abschnitten, in denen der Standardstoff dargestellt wird, enthiilt das Buch noch eine ganze Reihe von Abschnitten, die mit einem Stern (*) gekenn zeichnet sind. Hier werden Ausblicke auf weiterfUhrende Gebiete gegeben, die seltener in Vorlesungen behandelt werden, deren Kenntnis jedoch fUr ein ver tieftes Studium der Algebra von groBem Interesse ist, insbesondere im Hinblick auf Anwendungen in der algebraischen Geometrie. In diesen Abschnitten konnte schon aus Platzgriinden nicht ganz so grundsiitzlich vorgegangen werden wie im rest lichen Teil des Buches, auch ist das Tempo der Darstellung etwas straffer. Hauptziel ist jeweils die Erliiuterung eines begrenzten Themenkomplexes inklu sive kompletter Beweise cler wichtigsten zugehOrigen Resultate. Dabei werden aile benotigten Hilfsmittcl priizise erkliirt, so daB das Material dem interessier ten Leser aueh zurn SelbststudiuIIl anempfohlen werden kanrl. Welche Funktion soli d&" vorliegende Bueh nun erfiillen? Natiirlieh ist das Bueh geschricben flir Studenten (und damit meine ieh StudentInnen naeh heuti ger Terminologie), die im AnschluB an die mathematischen Anfiingervorlesungen eine Vorlesung tiber Algebra horen bzw. sieh auf eine entspreehende Examens priifung vorbereiten. lch denke, daB ein Student, cler sich in das Gebiet der Algebra einarbeitcn moehte, in idealcr Weisc zwei Texte gebrauchen konnte, und zwar eincn ersten, def ihn problemorientiert in die Thematik der Algebra einfiihrt, und cinen zweiten, der die Theorie in systematischer Weise geord net priisentiert. Ich habe versueht, beide Aspekte miteinander zu kombinieren. Die Anordnung des Stoffes erfolgt im wesentlichen in systernatischcr Weise, schon deshalb, damit der Text nieht nur Zll einer einzigen Vorlesung speziellen Geschmacks paHt, sondern mdlr oder weniger 1I11iversell zu "jeder" Algebra Vorlesung benutzt werden kanrl. Andererseits wird in der Einflihrung unci zu Beginn eines jeden Kapitels der Aspekt der Problemorientiertheit realisiert, in- VI Vorwort dem auf die zugehorigen historisch gewachsencn Fragestellungen eingegangen wird. Jeder Abschnitt wirel mit einer Liste von ausgewahlten Ubungsaufgab(m beendet, die dazu dienen sollen, die Handhahung des hesprocherwn Stoffes an Beispielen zu uhen. Spel\iell hervorzllhehen sind hierbei die kllTSiv gcdruckten Aufgaben, zu denen es Losungsvorschliige im Anhang gibt. Diesc Allfgaben sind uberwiegend nicht von der konventionellen einengenden Form, ctwa "Man zeige, daB x = y gilt" , sondern sie sollen aufgrund ihrer offenml Art del' Fragestellung dazu anleiten, einige Aspekte del' dargebotenen Theorie nochmals zu uberden ken. Man konnte sich etwa vorstellen, daB Fr·agen diesel' Art in cineI' mlindlichcn Examensprlifllng eine Rolle spielen. Losllngen miissen nicht Ilnbedingt in Form und Inhalt mit den im Anhang aufgeftihrten Vorschliigell iibereinstirmnen, zu mal letztere meist noch einige zusat7.liche Erliiuterungen enthalten. Man sollte den Anhang aber stets konsulticren, wenn man meint, bci der Bcarbeitung einer Kursiv-Aufgabc 7.U einem gewissen AbschluB gdangt L1l! sein. Munster, irn Mai 1993 Siegfried Bosch Vorwort zur vierten A uflage In del' vorliegenden Neuauflage mcincr ALGEBRA hahe ich nur cinige kleinen: Anderungen und Erganzungen vorgenommcn. Das Bueh bcinhaltct nach wie vor das Programm ciner traditionellen Algebra-Vorlesllng llncl bi(~tet in den optionalen Abschnitten, die mit einern Stern (*) gckellll7.(,idmet sind, dnigc weiterftihrende Themen all. DieHe cignen sich insbesondere wr Behandlung in vertiefenden Seminaren. Das Spektrum erstrcckt sich hier von Aspektcn del' li nearen Algehra (Elementarteilertheorie) libel' allgenHline Grundlagen der kOlll rnutativen Algehra (syrnmetrische Polynollle, Diskriminante, Resultante, ganze Ringerweiterungen, Tensorproclllkte) bis hin I\U algebraisch-geomptrisch b:;,w. zahlentheoretisch relevanten Prohlernen (Anhinge der algebraischen Geometrie, Galois-Descent, separable, priman~ und reglliare Erweitenlllgcn, Kalktil del' Differentiale, b:;,w. pro-cndliche Galois-Gruppen, Kllllllller-Theorie und Witt Vektoren). Himu kommt ein Abschnitt, in dem di(, Aufliisungsformdn algchrai scher Gleichllngen dritten und vicrten Grades hesproehcll werdcll. Miinster, im .Jllli 20l)l Si<'gfried Bosch Inhalt Einftihrung: Zur L6sung algebraischer Gleichungen 1 1 Elementare Gruppentheorie . . . .. .. .. 9 1.1 Gruppen .... ......... . 10 1.2 Nebenklassen, Normalteiler, Faktorgruppen 16 1.3 Zyklische Gruppen 20 2 Ringe und Polynome 25 2.1 Ringe, Polynomringe einer Variablen 28 2.2 Ideale ..... . .... 34 2.3 Ringhomomorphismen, Faktorringe 37 2.4 Primfaktorzerlegung . .. .. 44 2.5 Polynomringe in mehreren Variablen 54 2.6 Nullstellen von Polynomen 60 2.7 Der Satz von GauB 61 2.8 Irreduzibilitatskriterien 67 2.9 Elementarteilertheorie* 70 3 Algebraische K6rpererweiterungen 85 3.1 Die Charakteristik eines K6rpers 87 3.2 Endliche und algebraische K6rpererweiterungen 89 3.3 Ganze Ringerweiterungen* . . 96 3.4 Algebraischer AbschluB eines K6rpers 103 3.5 Zerfallungsk6rper .. .. . . 110 3.6 Separable K6rpererweiterungen ... 114 3.7 Rein inseparable K6rpererweiterungen 122 3.8 Endliche K6rper .. .. 126 3.9 Anfange der algebraischen Geometrie* 129 4 Galois-Theorie . . . 137 4.1 Galois-Erweiterungen 139 4.2 Proendliche Galois-Gruppen* 146 4.3 Die Galois-Gruppe einer Gleichung 158 4.4 Symmetrische Polynome, Diskriminante und Resultante* 167 4.5 Einheitswurzeln . . . .. ..... 182 VIII Inhalt 4.6 Lineare Unabhangigkeit von Charakteren 191 4.7 Norm und Spur ......... . 194 4.8 Zyklische Erweiterungen ........ . 199 4.9 Multiplikative Kummer-Theorie* ... . 205 4.10 Allgemeine Kummer-Theorie und Witt-Vektoren* 211 4.11 Galois-Descent* ..... . 230 5 Fortftihrung der Gruppentheorie 237 5.1 Gruppenaktionen ... 238 5.2 Sylow-Gruppen . . . . 243 5.3 Permutationsgruppen 251 5.4 Auflosbare Gruppen . 255 6 Anwendungen der Galois-Theorie 261 6.1 Auflosbarkeit algebraischer Gleichungen 262 6.2 Algebraische Gleichungen vom Grad 3 und 4* 270 6.3 Der Fundamentalsatz der Algebra 279 6.4 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal 282 7 Transzendente Erweiterungen 291 7.1 Transzendenzbasen .. . 292 7.2 Tensorprodukte* ... . 298 7.3 Separable, primare und regulare Erweiterungen* 310 7.4 Kalkiil der Differentiale* . . . . . . 321 Anhang: Losungshinweise zu den Aufgaben 331 Literatur ..... 365 Symbolverzeichnis 367 N amen- und Sachverzeichnis 371 Einfiihrung Zur Losung algebraischer Gleichungen Der Name "Algebra" ist arabischen Ursprungs (9. Jahrhundert n. Chr.) und bedeutet Rechnen mit Gleichungen, etwa das Zusammenfassen von Termen der Gleichung oder das Verandern der Terme durch gleichartige Manipulationen auf den beiden Seiten der Gleichung. Dabei stellt die Gleichung eine Beziehung dar zwischen bekannten GraBen, den sogenannten Koeffizienten, sowie den un bekannten GroBen oder Variablen, deren Wert man mit Hilfe der Gleichung ermitteln mochte. Meist interessiert man sich in der Algebra fUr polynomiale Gleichungen, etwa des Typs 2x3 + 3x2 + 7x - 10 = 0, wobei x fUr die unbekannte GroBe steht. Eine solche Gleichung wird allgemein als algebraische Gleichung fUr x bezeichnet. Ihr Grad ist gegeben durch den Exponenten der hochsten wirklich vorkommenden Potenz von x. Algebraische Gleichungen vom Grad 1 nennt man linear. Das Studium linearer Gleichun gen oder, allgemeiner, linearer Gleichungssysteme in endlich vielen unbekannten GroBen ist ein zentrales Problem der Linearen Algebra. Unter Algebra im Sinne dieses Buches wollen wir im wesentlichen dasjeni ge Gebiet verstehen, welches sich mit dem Studium algebraischer Gleichungen einer unbekannten GroBe beschaftigt, also in heutiger Sprache die Theorie der Korpererweiterungen mit all ihren abstrakten Begriffsbildungen, auch gruppen theoretischer Art, die insgesamt eine bequeme und prazise Handhabung alge braischer Gleichungen erst moglich gemacht haben. In der Tat verwendet die moderne Algebra schon auf "elementarem" Niveau in viel starkerem MaBe ab strakte Methoden und Begriffe, als man dies etwa von der Analysis oder der komplexen Funktionentheorie her gewohnt ist. Der Grund hierfiir wini in ge wisser Weise deutlich, wenn man das Problem der Lasung algebraischer Glei chungen in seiner historischen Entwicklung verfolgt, was wir nachstehend ein wenig tun wollen. Die Anfiinge sind ganz konkreter Natur und konzentrieren sich im wesent lichen auf das Bearbeiten spezieller zahlenmaBig gegebener "Aufgaben". Eine beriihmte Aufgabe aus der griechischen Antike (ca. 600 v. Chr. - 200 n. Chr.) ist z. B. das Problem der Wiirfelverdoppelung: Gegeben sei ein Wiirfel mit S. Bosch, Algebra © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001 2 Einfiihrung Kantenlange 1, man bestimme die Kantenlangc cines Wiirfels, der doppeltcs Volumen besitzt. Zu lasen ist also die algebraische Gleichung x3 = 2, welehe yom Grad 3 ist. Reute wiirdcn wir die Lasung mit x = ij2 angeben. Was hat man aber unter ij2 ~u verstehen, wenn man nur rationale Zahlen kmmt? Da man keine rationale Zahl finden konnte, deren dritte Potem 2 ist, hat man sich im Altertum bei solchen Situationen vielfach mit Naherungsliisungen begniigt, also etwa versucht, ij2 mit geniigender Genauigkeit rational ~u approximieren. Andererseits ist das Problem der Wiirfelverdoppelung geometrischer Natur, und es liegt nahe, cine geometrische Lasung zu vcrsuc:hen. Raufig zu findcn ist bei den Griechen, z. B. bci Euklid, die Konstruktion mit Zirkel und Lineal, welche Schnittpunkte von Geraden und Kreisen mit ebensolchen Objektm benutzt. Aber auch mit dieser Technik liiBt sich ij2 nicht konstruieren, wie wir heute wissen; vgl. Abschnitt 6.4. Da die Konstruktion mit Zirkel und Lineal nicht im mer den gewiinsc:hten Erfolg haben konnte, findet man bei den Griechen auch geometrisc:he Konstruktionen unter Verwendung komplizierterer Kurven. Wenn man einmal akzeptiert hat, daB man zur Lasung algebraischer Glei chungen, etwa mit rationalen Koeffizienten, neben den bekannten "rationalen" Operationen der Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division zllmindest auch noeh das "Wurzelziehen" benatigt, so kann man die Frage stellen, ob eine wiederholte Anwendung dieser Operationen stets ausreicht, um die Liisun gen aus den Koeffizienten ~u gewinnen. Dies ist die beriihmtc Frage nach der Auflosbarkeit algebraischer Gleichungen durch Radikale. I3eispielsweise sind al gebraische Gleiehungcn yom Grad 1 b~w. 2 durch Radikale auflosbar: x =-a x = -2a ± V~4 - b Die Auflasung quadratischer Gleiehungen wurdc im wesentliehen schon von den Babyloniern (ab ca. Ende des 3. Jahrtausends v. ChI.) unter Verwmdung ele mentargeometrischer Methoden beherrscht, auch wenn bei den konkreten Rech nungen, die uns iiberliefert sind, Quadratwurzeln meist nur aus Quadratzahlen gewgen werden. N ach Becndigung der babylonischen und der griechischen Peri ode wurde die Auflosung quadratischer Gleichungen ab ca. dem 9. Jahrhundert n. Chr. insbesondere durch arabische Mathematiker weiter perfektioniert. Diese arbeiteten auch an dem Problem, kubische sowie Gleichungen hoheren Grades durch Radikalc aufzulosen, konnten hierzu jedoch kcinen nennenswerten Beitrag liefern. Die sensationelle Entdeckung, daB kubische Gleichungen durch Radikale auflosbar sind, gelang erst gegen 1515 dem Italiener S. clel Ferro. Er betrachtete eine Gleichung cler Form x3 + ax = b mit a, b > 0 und fand als Losung x= Obwohl er wuBte, daB Generationen von Mathematikern vor ihm an diesem Problem gescheitert waren, hat del Ferro st~ine Entdeckung geheimgehalten und