Rundbrief 3–4/10 AG Rechtsextremismus/Anti faschismus beim Bundesvorstand der Partei DIE LINKE Aktuelles zu Rechts extremismus und Antifaschismus INHALT EdITorIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 Dr. Reiner Zilkenat AkTuELLEs .zu .rEcHTsExTrEmIsmus .uNd .ANTIfAscHIsmus Mehr als ein Schlagwort – Was ist »Rechtsextremismus«? Versuch einer definitorischen Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Dr. sc. Norbert Madloch Erfolgreiche Bündnisse gegen rechts – aber wie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Dr. Hans Erxleben Das »Institut für Staatspolitik« – Eine Denkfabrik des Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Friedrich Burschel »Zuerst!« – Neue Zeitschrift der extremen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Paul Wellsow NPD-Verbotsdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Dr. Axel Holz In Bad Gandersheim ist kein Platz für Nazis-1.000 beteiligten sich am Protest Antifaschistische Resolution abgelehnt und aufgeweicht durch den Rat der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Carlo Bleichert Kultur des Scheiterns und positiver Frieden (Vortrag auf der Konferenz »Krieg und Frieden 2010«, 5. Mai 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Professor Dr. Heinz Engelstädter Bundeswehr heute: »Einsatznah ausbilden« mit dem NS-Pressechef im Auswärtigen Amt, Paul Karl Schmidt alias Paul Carell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Dr. Wigbert Benz Ist die Marke »Lonsdale« weiterhin bei Nazi-Läden im Angebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Carlo Bleichert SS-Verherrlichung und Totalitarismus-Doktrin. Veränderungen der Geschichtsbilder in Mittel- und Osteuropa – Eine Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . 23 Dr. Ulrich Schneider Der Vormarsch ungarischen Faschisten und rechtsbürgerlicher Nationalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Professor Dr. Karl-Heinz Gräfe Gedanken zur emanzipatorischen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Dr. sc. Horst Adam HIsTorIscHEs .zu .rEcHTsExTrEmIsmus .uNd .ANTIfAscHIsmus Mehrings Kampf gegen Militarismus und Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Werner Ruch Das Ringen um die Schaffung einer Volksfront in Deutschland 1935 bis 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Dr. Günter Wehner »Berliner Operation« – Die Befreiung Berlins in einer der größten und blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Dr. Martin Seckendorf Erlebte Befreiung, Berlin April/Mai 1945. Ein Erinnerungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Dr. sc. Horst Adam Wolfgang Abendroth – Biographische Skizze zu seinem 25. Todestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Dr. Andreas Diers 1 1930 .bIs .1933: .dEuTscHLANd .Auf .dEm .WEg .IN .dEN .fAscHIsmus »Ein schwarzer Tag für Deutschland!« Die NSDAP und die Reichstagswahlen vom 14. September 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Dr. Reiner Zilkenat bErIcHTE .uNd .INformATIoNEN Juni – Tagung der BAG Rechtsextremismus/Antifaschismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Dr. sc. Roland Bach Befreiung – Was sonst! Zum Beispiel im Belower Wald und in Sachsenhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Dr. Horst Helas Rechtspopulismus in Mittelosteuropa. Notizen von einer Tagung der Heinrich Böll Stiftung Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Dr. sc. Roland Bach Ein Konferenzbericht: »Demokratie braucht Qualität!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Dr. Horst Helas rEzENsIoNEN .uNd .ANNoTATIoNEN Südosteuropa und deutsche Kapitalinteressen im Zeitalter der Weltkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Professor Dr. Werner Röhr »Ein Ghetto mit offenen Toren« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Roman Fröhlich Rosa Luxemburgs Vermächtnis – Auf Spurensuche in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Julia Wiedemann Revolutionäre Kämpfe 1918 bis 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Dr. Günter Wehner Die Legende wird fortgeschrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Dr. Ronald Friedmann Kommunismus und Linkssozialismus – Historisches Erbe der LINKEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Professor Dr. Kurt Schneider Die »Harzburger Front« 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Oliver Reschke M.A. Zum antifaschistischen Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Dr. sc. Ulla Plener Der weite Weg zur Umkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Dr. Günter Wehner Elisabeth Schmitz – Widerstandskämpferin aus christlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Dr. Reiner Zilkenat Mirko Beer – ein mutiger Anitfaschist und Internationalist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Professor Dr. Theodor Bergmann Nationalsozialismus auf dem Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Bernd Hüttner Den Tätern auf der Spur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Dr. Günter Wehner Dutsche Wehrmacht und sexuelle Gewalt in der Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Jan Kunicki Militaristische Gedenkpraxis der »Gebirgsjäger« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Bernd Hüttner 2 Das Archiv des Warschauer Ghettos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Dr. Andreas Diers »Asoziale« und »Kriminelle« in Nazi-Haft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Professor Dr. Werner Röhr Frauen in Stalins Lagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Dr. Gerd Kaiser Miriam in Arnstadt und der heilige Christophorus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Dr. Horst Helas Kriege – gesetzmäßig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Professor Dr. Heinz Engelstädter Brandenburger Einblicke gegen rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Yves Müller Raus aus der »Schmuddelecke«? – Der Verfassungsschutz und seine Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Kevin Stützel Von »Pro« und contra. Rechtspopulismus im Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Yves Müller Nationalistische Phantomschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Friedrich Burschel Naher Osten und die Linke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Dr. Horst Helas Zum Umgang mit der NS-Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Ralf Hoffrogge M.A. Aktuelle Broschüren und Infohefte zum Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Julia Wiedemann 3 4 EdITorIAL Auch in diesem Jahr war die traditio- verstärken – Bundesprogramme gegen sen, werden sie reichlich Material für ein nelle Berliner Veranstaltung »Tag der Er- Rechtsextremismus ausbauen und ver- weiteres Prinzip unserer redaktionellen innerung und Mahnung«, die seit vielen stetigen«. Darin heißt es unter anderem: Arbeit unschwer erkennen können: Po- Jahren am 2. Septembersonntag durch- »Zehn Jahre nach dem Beginn der Bun- litische Aufklärung durch Vermittlung geführt wird, ein voller Erfolg und de- desprogramme gegen Rechtsextremis- von Kenntnissen über geschichtliche monstrierte die Breite und Vielfalt des mus und zur Stärkung demokratischer Tatsachen und Zusammenhänge zu leis- Engagements von Menschen verschie- Strukturen hat diese Aufgabe nichts ten, die für das Verstehen aktueller po- dener Generationen im Kampf gegen von ihrer Bedeutung verloren. Die vom litischer Vorgänge von Nutzen, ja drin- Rechtsextremismus, Rassismus und An- Bund angestoßenen und durch die Bun- gend notwendig sein können. tisemitismus. desländer in unterschiedlichem Maße In diesem Zusammenhang richten wir, Diese Initiative der Berliner Vereini- kofinanzierten Programme haben in ih- beginnend mit dem vorliegenden Heft, gung der Verfolgten des Naziregimes – rer Gesamtheit viel Anerkennung gefun- eine neue Rubrik ein: »1930 bis 1933: Bund der Antifaschisten wurde, auch den und sind auch von Seiten der wis- Deutschland auf dem Weg in den Fa- das schon in bewährter Form, von vie- senschaftlichen Begleitforschung als schismus«. In den kommenden drei Jah- len Organisationen und Einzelpersonen wichtige und richtige Ansatzpunkte zur ren werden hier Beiträge veröffentlicht, unterstützt. Das Bemerkenswerte ist, Auseinandersetzung mit der extremen die sich aus unterschiedlichen Perspek- dass ähnliche Aktivitäten vielerorts in Rechten und mit demokratiefeindlichen tiven mit der Vorgeschichte der Macht- Deutschland stattfinden und eine wach- Erscheinungen bewertet worden. (…) So übertragung an die NSDAP am 30. Ja- sende Zahl Engagierter beteiligt ist. In stellt der Bundestag mit Besorgnis fest, nuar 1933 und mit den politischen diesem »Rundbrief« berichtet Hans Erx- dass autoritäre, ausgrenzende und ge- Handlungen der Nazi-Regierung in den leben für Berlin, wie viel Geduld und gen bestimmte Bevölkerungsgruppen ersten Monaten ihrer Existenz befassen. Flexibilität das Schmieden und die Ent- gerichtete Einstellungen nach wie vor Während in diesem Heft die Reichstags- wicklung von Bündnissen gegen rechts eine relativ große Verbreitung in der Be- wahlen vom 14. September 1930 im von allen Beteiligten fordert. Und Car- völkerung finden. Sie können einen Re- Mittelpunkt stehen, in deren Ergebnis lo Bleichert informiert über entspre- sonanzboden für die extreme Rechte die NSDAP fast »aus dem Nichts« zur chende Aktivitäten in Niedersachsen. bilden, weshalb es notwendig ist, hier zweitstärksten Partei avancierte, wird in Dass wir dieses Heft mit einem Defini- verstärkt gegenzusteuern. Dies kann der nächsten Ausgabe die Vorgeschich- tionsangebot von Nobert Madloch ein- nach Überzeugung des Bundestages je- te des 30. Januar 1933 am Beispiel ei- leiten, was unter »Rechtsextremismus« doch nur mit einer zielgenauen, an kon- ner märkischen Kleinstadt thematisiert zu verstehen sein könnte, hat mehre- kreten Inhalten ausgerichteten, fachlich werden. re Gründe. Wir verstehen dies als ei- qualifizierten Arbeit der Bundespro- Wie immer, so bitten wir auch in diesem nen Beitrag zur Debatte um den Pro- gramme geschehen. Der so genann- Editorial die Leserinnen und Leser um grammentwurf der Partei DIE LINKE te Extremismusansatz ist nach Ansicht eigene Beiträge, Hinweise und Kritik. und wir knüpfen damit an eine ausführ- des Bundestages hierfür untauglich, Das Titelfoto stellte uns freundlicher liche Debatte in der Bundes-Arbeitsge- weil aus ihm weder Konzepte der prä- Weise Frau Dr. Cornelia Domaschke, meinschaft Rechtsextremismus/Antifa- ventiven Arbeit abzuleiten sind, noch Berlin, zur Verfügung. Sie hat es wäh- schismus der Partei DIE LINKE an, die die darin enthaltene Gleichsetzung un- rend einer Gedenkstättenfahrt von am 26. Juni diesen Jahres geführt wur- terschiedlicher so genannter Extremis- einem Wachturm des ehemaligen Kon- de (siehe hierzu den Tagungsbericht von men den realen Problemen entspricht.« zentrations- und Vernichtungslagers Roland Bach in dieser Ausgabe). Wenn die Leserinnen und Leser sich Auschwitz-Birkenau aufgenommen. Das Zwischenergebnis dieser und vieler die Mühe gemacht haben – und davon weiterer Diskussionen stimmt überein geht die Redaktion angesichts der Er- (Redaktionsschluss: 4. Oktober 2010, mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE fahrungen der sie erreichende Reso- Auflage: 1.400 Exemplare) an den Deutschen Bundestag »Ausei- nanz auf frühere Hefte des Rundbriefes nandersetzung mit Rechtsextremismus aus –, alle Beiträge dieses Heftes zu le- Dr. Reiner Zilkenat 5 AkTuELLEs .zu .rEcHTsExTrEmIsmus .uNd . ANTIfAscHIsmus Mehr als ein Schlagwort – Was ist »Rechtsextremismus«? Versuch einer definitorischen Annäherung Der Rechtsextremismus hat sich in den Ideo logie) basierender und oft aggres- und des Führerprinzips führt zu einer letzten Jahren in Deutschland immer siver Nationalismus und Chauvinismus. fast vollständigen Negierung demokra- mehr ausgebreitet. Er ist in allen gesell- Zweitens: Eine daraus resultierende an- tischer Verhaltensweisen. Viele rechts- schaftlichen Schichten, in allen Alters- tihumanistische Fremdenfeindlichkeit. extremistische Vereinigungen verfü- gruppen und Berufen anzutreffen. Kern dieser Ausländer ablehnenden Ein- gen über politische Programme, die In seiner heutigen Erscheinungsweise stellung ist ein rigoroser Rassismus mit von sympathisierenden Wissenschaft- ist er in der Regel kein Relikt der Ver- der abscheulichsten Variante des Anti- lern von allen »belastenden« Formulie- gangenheit, sondern eine pervertierte semitismus. rungen gesäubert und in den letzten Reflexion gegenwärtiger Realitäten. Da- Drittens: Eine mehr oder minder schroffe Jahren stärker den realen Bedingungen rauf sind unter anderem auch die po- Ablehnung aller Andersdenkenden, An- angepasst wurden. Diese völkischen sitiven Wahl-Ergebnisse der NPD 2004 derslebenden und anders aussehenden Programme sind so populistisch ange- und 2009 in Sachsen zurückzuführen. Menschen als »Undeutsche« und »le- legt, dass allen alles versprochen wird. Im Allgemeinen sind die Kenntnisse bensunwerte Kreaturen«. Grundsätzlich Seit einigen Jahren kopieren Rechts- über dieses Phänomen in der bundes- ist der Rechtsextremismus patriarcha- extremisten, vor allem der NPD und republikanischen Gesellschaft bis hi- lisch-sexistisch geprägt. der Neonazis, skrupellos viele linke Lo- nein in viele Medien zumeist recht naiv Viertens: Eine Ablehnung und Negati- sungen und agieren jetzt unter anderem und oberflächlich. Rechtsextremismus on aller grundlegenden Menschen- und mit Schlagworten wie »Antikapitalis- gibt es nicht nur in Gestalt von Par- Bürgerrechte, insbesondere der univer- mus«, »Volksfront«, »soziale Gerechtig- teien und neonazistischen »Kamerad- sellen Gleichheit aller Menschen. keit« und der Notwendigkeit der »Errich- schaften«, sondern weit mehr in der Fünftens: Eine völkische Verharm- tung eines sozialistischen Systems«. Form verschiedenartiger Theorien, in losung, Relativierung, Umdeutung bzw. Im Rahmen ihrer Strategie zur Erobe- den Aktivitäten von Neuen Rechten bis Leugnung aller Verbrechen des deut- rung einer »kulturellen Hegemonie« hin zu neuheidnischen Zirkeln. Rechts- schen und internationalen Faschismus. streben Neonazis, rechtsextrem ge- extremismus begegnet uns in Gestalt Sechstens: Ein Streben nach einer neu- sinnte Skinheads und Anhänger der von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, en politischen Ordnung (»Volksgemein- NPD nach Eroberung so genannter na- Liedertexten, im Lifestyle junger Men- schaft«) mit einem nach innen und tional befreiter Zonen in Kommunen, schen und zeigt sich im Denken und außen autoritären Staat, dem alle indivi- Freizeiteinrichtungen und ähnlichen Handeln nicht weniger Menschen – bis duellen Wünsche, Interessen und Rech- Bereichen. tief hinein in die Mitte der Gesellschaft. te unter zu ordnen sind. Von solchen Mit den »Pro«-Bewegungen in Nord- In der Vielfalt rechtsextremistischer Er- Positionen her reicht die Verteufelung rhein-Westfalen (»Pro Köln«) und anders- scheinungen ist der Neonazismus die der Bundesrepublik bis zum »jüdischen wo sind neue Kristallisationskerne des geistig und politisch gefährlichste Vari- Systemstaat«. Ungeachtet dieser Tatsa- Rechtsextremismus entstanden, die vor ante. Obwohl es keine allgemein akzep- che gibt es bei rechtsextremistischen allem den Kampf gegen die »Islamisie- tierte Definition des Rechtsextremis- Parteien, die an Parlamentswahlen teil- rung der Gesellschaft« auf ihrer Fahnen mus gibt, ja, der Begriff selbst höchst nehmen, ein verbales Bekenntnis zum geschrieben haben und nicht zuletzt auf umstritten ist, werden diesem dessen Grundgesetz der BRD. Anhänger und Wählerstimmen hoffen, ungeachtet zumeist folgende Elemente Siebtens: Eine Überbetonung aller mi- die auf dem rechten Flügel der CDU be- zugerechnet. litaristischen und soldatischen Werte heimatet sind. Erstens: Ein übersteigerter, auf biologis- und Verhaltensweisen. Die damit ver- tischer Grundlage (Blut-und-Boden- bundene Verherrlichung von Gewalt Dr. sc. Norbert Madloch 6 Erfolgreiche Bündnisse gegen rechts – aber wie? Wie wird erfolgreiche Bündnisarbeit ge- der (über 200 000 Euro!) es der NPD Wie arbeitet das Bündnis? leistet, woran machen sich Erfolge da- ermöglicht hatte, ein Haus in der See- Die eigene Homepage, die Kontakte, die bei fest? lenbinderstraße (!) zu kaufen, das nun Einladungen und Protokolle laufen über Was sind Erfolgskriterien? Elf solcher den Namen dieses Carl-Artur Bühring das Zentrum für Demokratie. Kriterien sollen präsentiert werden. trägt. In Treptow gab es schon seit Bündnisprinzipien sind die gleichbe- Hier geht es um ein überparteiliches, 1998 ein solches Bündnis, das in Re- rechtigte Teilnahme aller Beteiligten, bezirkliches Bündnis in Berlin, das Bünd- aktion auf Anschläge von Rechtsextre- das Offensein für weitere Beteiligte, kei- nis für Demokratie und Toleranz, gegen men entstanden war und sich deswegen ne Unterstellung oder Weisungsgebun- Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im auch Bündnis gegen Rechtsextremis- denheit. Wenn Mehrheitsbeschlüsse ge- Stadtbezirk Treptow-Köpenick, oftmals mus nannte und dann 2001 mit dem fasst werden, dann gelten sie für alle. verkürzt »Bündnis für Demokratie« ge- Köpenicker Bündnis fusionierte, wobei So haben wir beispielsweise 2008 die nannt. Das ist ein Zusammenschluss von hier ein von »oben« – durch das Bezirks- MLPD wegen sektiererischer, spalte- relevanten zivilgesellschaftlichen Ak- amt – geführtes Bündnis mit einem ba- rischer und bündnisschädigender Arbeit teuren des Bezirks, in den Augen der Me- sisdemokratischen, von unten gewach- aus dem Bündnis ausgeschlossen. Eine dien ein so genanntes Bürger-Bündnis. senen Bündnis »zusammenstieß«, das solche »Geschäftsordnung« ist für ein war kein einfacher Findungsprozess für Bündnis ein siebentes Erfolgskriterium. Wer gehört dazu? beide Seiten. Ein paar Beispiele für die praktische In diesem Bündnis sind demokratische Die Gründerinnen und Gründer aus bei- Bündnisarbeit, die auch die Aktions- Parteien (formal gesehen alle, in der den Bezirkshälften sind zum größten Teil formen zeigen. Regel aber doch nur die beiden stärks- heute noch dabei – ein drittes Erfolgs- Seit 2003 organisiert das Bündnis all- ten des Bezirks, nämlich SPD und Lin- kriterium, Erfahrung in der Bündnis- jährlich im Dezember Gegenaktionen ke, punktuell auch die kleineren wie arbeit, Kenntnis der Akteure. gegen Aufmärsche von rechtextremen Grüne und die noch kleinere DKP), de- Wenn es nicht schon bestanden hätte Kameradschaften, die anfangs von der mokratische Fraktionen der BVV, Fach- wäre ein solches Bündnis spätestens BASO angemeldet wurden, bis diese bereiche des Bezirksamtes, Kirchen- 2006 zu gründen gewesen, als es der 2005 verboten wurde. Unsere präven- gemeinden, Gewerkschaften wie Verdi NPD gelang über 6.000 Wählerstimmen tive Arbeit gegen diese Aufmärsche war und IG Metall, soziokulturelle Einrich- in Fraktionsstärke in die BVV Treptow- so gut, das die Aufmärsche ab 2007 tungen, Bürger-, Jugend- und Sportver- Köpenick einzuziehen. Ständiger Druck nicht mehr in unserem Bezirk stattfin- eine, Schüler- und Migrantinnen- und von außen ist vielleicht auch ein Kriteri- den konnten, sondern in Nachbarbe- Migranten-Netzwerke, politische, kul- um, das ein Bündnis herausfordert. Da zirke ausweichen mussten, erst nach turelle und lokale Projekte und ande- das aber kein Erfolgskriterium ist, zähle Neukölln, dann nach Lichtenberg und re Bündnisse (»Bunt statt Braun«), die ich es nicht mit. im letzten Dezember sogar nach Kö- Präventionsbeauftragten der drei Po- nigs Wusterhausen – überall waren wir lizeiabschnitte bzw. der Direktion, der Wie ist das Bündnis organisiert? an den dortigen Gegenaktionen betei- ASTA der HTW Berlin, das Dokumenta- Schirmherrin und damit Moderatorin ist ligt. Diese Verlässlichkeit würde ich als tionszentrum NS-Zwangsarbeiterlager, die Bezirksbürgermeisterin, Geschäfts- achtes Erfolgskriterium nennen. das Freiwilligenzentrum, die Gedenk- führer und damit Koordinator der Be- Dabei haben wir immer mit anderen stätte Köpenicker Blutwoche, die Lo- zirksstadtrat für Jugend und Schule. Bündnissen kooperiert, ebenso bei den kale Agenda 21 vertreten. Für mich ist Sprecher des Bündnisses bin ich als der Gegenaktionen zu Aufmärschen der das schon das erste Erfolgskriterium – Gründer des Treptower Teils, die beiden NPD am 1.Mai seit 2009 (wo sich z. B. die breite Mischung, das Vertretensein anderen kommen aus Köpenick, damit der gewaltbereite Frontbann 24 prä- der wichtigsten Einrichtungen, die Brei- ist gewissermaßen in der Führung die sentierte, der dann im November 2009 te der Teilnehmerschaft. Ich sage be- Parität gewahrt, auch was die Parteien verboten wurde, nur um zu zeigen, mit wusst Teilnehmerschaft und nicht Mit- angeht. Die beiden aus Köpenick ver- welchen hartgesottenen Gegnern wir glieder, denn im engeren Sinne gibt es treten die SPD, ich die Linke. Die klare es zu tun haben) – diese (bezirksüber- keine Mitglieder, die Teilnahme ist frei- und feste strukturelle Anbindung an Be- greifende) Vernetzung/Kooperation ist willig, wechselt zum Teil, ist aber trotz zirksamt und BVV ist für mich hier das das neunte Kriterium. Bündnispartner allem seit Jahren stabil und diese Stabi- vierte Erfolgskriterium, die fachliche waren und sind das Köpenicker Jugend- lität des Bündnisses ist ein zweites Er- und moralische Autorität der Leitungs- bündnis »Bunt statt braun«, das bezirk- folgskriterium. gremien bzw. des Bündnisses insge- liche Antifa-Bündnis ABSO und das ber- samt in seiner Ausstrahlung ein fünftes. linweite Bündnis »1. Mai nazifrei«. Wie entstand dieses Bündnis, Das Bündnis tagt in regelmäßigen Ab- Zu diesen Aufmärschen wurden auch was war der Auslöser für seine ständen etwa einmal im Quartal (zwi- alle erdenklichen rechtlichen Mit- Gründung? schenzeitlich gibt es noch mehrere tel ausgeschöpft wie Verbotsanträge Gegründet wurde es vor nunmehr zehn Arbeitsgruppen), um über aktuelle Er- (2004 – ohne Erfolg), Auftrittsverbote Jahren auf Initiative der damaligen Frak- scheinungsformen des Rechtsextremis- (2009 – mit Erfolg), offener Brief an den tion der PDS in der BVV Köpenick (Kö- mus zu informieren und zu diskutieren Innensenator (2004). penick fusionierte ein Jahre später mit und über Gegenstrategien zu beraten 2006 wurde im Angstraum am Bahnhof Treptow). Auslöser war der Protest ge- und wird seit 2003 beraten durch die Schöneweide ein großflächiges Graffiti- gen die Ansiedlung der Bundeszentrale Mobile Beratung gegen Rechtsextre- Projekt in einem Fußgänger-Tunnel aus- der NPD im Jahre 2000 in Köpenick, wo mismus Berlin. Diese Kontinuität ist das gelobt und eingeweiht, das sich der Aus- ein NPD-Ehrenmitglied und Großspen- sechste Erfolgskriterium. einandersetzung mit rechts widmet und 7 ständiger Angriffspunkt von rechten Szene einbrachte, wie auf Altermedia im siebzig nach einer Blockade in Bern- Schmierereien ist, was nur seine Aktu- Oktober 2009 als »erbärmlicher feiger au frustrierte Rechtsextreme auf ihrem alität unterstreicht. Krypto Jude und antideutscher Lump«, Weg zum Henker »besuchen«/heimsu- 2005/2006 wurde eine Kampagne was sich dann nach meiner Anzeige ge- chen/stören/bedrohen wollten. Dies gegen einen Nazi-Laden geführt, gen NPD-Chef Voigt Ende März (wegen wusste die Polizei zu verhindern. Dazu 2006/2007 gegen eine vorrangig von Volksverhetzung in der BVV) noch stei- hatte es vorher entsprechende Koope- Nazis besuchte Kneipe und seit einem gerte. Das macht ein dickes Fell nötig. rationsgespräche gegeben. Jahr führen wir eine Kampagne gegen Das aktuelle bzw. zeitnahe (und auch Zusammengefasst: Es gibt jedenfalls einen rechten Szenetreff namens »Zum öffentliche!) Reagieren auf neue Ent- weiterhin viel zu tun, wie man an den Henker«, der weit über unsreren Stadt- wicklungen ist jedenfalls das zehnte genannten Beispielen sehen kann. Wir bezirk hinausreichend für Aufsehen Kriterium. sind ja kein Bündnis für Einzelaktionen, sorgt durch die Vielzahl der Straftaten, Eine weitere Aktivität des Bündnisses sondern auf Dauer angelegt. Erfolge die von dort ausgingen. Dies fand auch und Beispiel für das eben genannte stellen sich in der Arbeit gegen rechts ein mediales Echo, was mir als einem Kriterium sind die jährlichen Feste für nur langfristig ein – dieser lange Atem der öffentlich sichtbaren »Drahtzieher« Demokratie am Bahnhof Schönewei- ist das 11. Kriterium. dieser Kampagne auch Beschimpfungen de, dieses Jahr haben wir gerade zum und Bedrohungen seitens der rechten sechsten Mal dort gefeiert, wobei uns Dr. Hans Erxleben n Wieder vollständig lieferbar! li r e b Karl Marx, Friedrich Engels: Werke Band 1 bis 43, gebunden, jeder Band 24,90 Euro z t (Band 26 in 3 Teilen 74,70 Euro) e Gesamt-ISBN 978-3-320-02208-2 i Gesamtpreis 1.120,50 Euro d Karl Marx: Das Kapital 1.1 Die Zusammenfassung des Ersten Bandes des »Kapitals« verfasst vom Autor, 176 Seiten, Pocketbuch, 9,90 Euro ISBN 978-3-320-02169-6 Karl Marx: Das Kapital 1.2 Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation 120 Seiten, Pocketbuch, 9,90 Euro, ISBN 978-3-320-02209-9 Karl Marx: Das Kapital 1.3 Briefe über das Kapital 192 Seiten, Pocketbuch, 9,90 Euro, ISBN 978-3-320-02225-9 Alle drei Bände mit einem Vorwort von Rolf Hecker (Hrsg.) CD mit Sachregister, Verzeichnis 1 u. 2 zu den MEW 14,90 Euro, ISBN 978-3-320-02204-4 8
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