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Aktuelle Theoriediskurse Sozialer Arbeit: Eine Einführung PDF

317 Pages·2010·1.284 MB·German
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Michael May Aktuelle Theoriediskurse Sozialer Arbeit Michael May Aktuelle Theoriediskurse Sozialer Arbeit Eine Einführung 3. Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2008 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2009 3. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Stefanie Laux VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesond ere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-17071-8 Inhalt Einleitung............................................................................................................9 1. Zum Theorie/Praxis-Verhältnis und Theorieverständnis in der Sozialen Arbeit....................................................................................17 1.1 Prolog zum Theorie/Praxis-Verhältnis in der Sozialen Arbeit – ein fingierter Dialog..................................................................17 1.2 Theorie der Professionellen/Theorie der Praxis........................21 1.3 Theorie der Sozialen Arbeit?.....................................................24 1.4 Theorie und Forschung..............................................................33 1.5 Theorie Sozialer Arbeit, zum Zweiten.......................................39 2. Alltags-, lebenswelt-, lebenslagen- und lebensbewältigungs- orientierte Ansätze..............................................................................41 2.1 Grundlagen der Alltagstheorie und Lebensweltorientierung.....41 2.2 Bedeutung der Alltagstheorie und -kritik für die Soziale Arbeit: Vermittlungsversuche zwischen kritischer Alltags- und Bildungstheorie..................................................................44 2.3 Thierschs Konzept alltags- und/oder lebensweltorientierter Sozialer Arbeit...........................................................................48 2.4 Habermas´ Begriff der Lebenswelt in seiner Bedeutung für die Theorie Sozialer Arbeit.......................................................51 2.5 Lothar Böhnischs sozialpädagogisches Konzept von Lebenslage und Lebensbewältigung..........................................53 2.6 Historische Bezüge von Lothar Böhnischs sozialpäda- gogischem Lebenslagenkonzept................................................55 2.7 Böhnischs bewältigungstheoretische Fassung Sozialer Arbeit..58 2.8 Zur Kritik der an Habermas Lebenswelt-Konzept orientierten Ansätze......................................................................................60 2.9 Zur Kritik des Lebenslagen orientierten Ansätze......................62 2.10 Zur Kritik an Böhnischs Neufassung des Anomieparadigmas..65 2.11 Zur Diskussion um das Norm- und Wissenschaftsverständnis der lebenswelt- und alltagsorientierten Ansätze........................66 3. Professionalisierungstheoretische Ansätze.......................................69 3.1 Strukturtheorie der Professionalisierung...................................69 3.2 Sozialpädagogisches Können, Soziale Arbeit als Profession oder Semiprofession: Die grundlegend unterschiedlichen Perspektiven verschiedener Professionalisierungstheorien.......72 3.3 Timm Kunstreichs Untersuchung von Professionalisierungsstrategien in der Sozialen Arbeit.............76 3.4 Zur reflexiv angelegten Professionalisierungsdiskussion in der Sozialen Arbeit..........................................................................79 3.5 Maja Heiners empirisches Handlungsmodell von Profes- sionalität in der Sozialen Arbeit...............................................82 3.6 Die Kontroverse um die Vermittlung differenter Wissens- strukturen mit den Strukturmerkmalen professionellen Handelns in der Sozialen Arbeit................................................86 3.7 Von der kommunalen Sozialarbeitspolitik zur Dienstleistungsorientierung.......................................................89 3.8 „Jenseits von Status und Expertise“: Ansätze zu einer Pädagogik des Sozialen.............................................................93 3.9 Zur Kontroverse um sozialpädagogisches Können und dessen Einbettung in eine (Professionalisierungs-)Theorie Sozialer Arbeit...........................................................................98 3.10 Zur Kritik der Dienstleistungsorientierung Sozialer Arbeit.....102 3.11 Zur Kontroverse um eine zukünftige Profilierung Sozialer Arbeit.......................................................................................104 4. Systemtheoretische und system(ist)ische Ansätze..........................107 4.1 Systemtheoretische Grundlagen..............................................107 4.2 Zum evolutionären Selbstverständnis der Luhmannschen Systemtheorie..........................................................................108 4.3 Zur Theorie autopoietischer Systeme – die Maturana/Luhmann-Kontroverse......................................110 4.4 Grundüberlegungen einer systemtheoretischen Erziehungswissenschaft...........................................................112 4.5 Zur Theorie funktionaler Teilsysteme.....................................114 4.6 Inklusion/Exklusion.................................................................114 4.7 Gesellschaftlicher Wandel des Helfens...................................115 4.8 Die Bezugsproblematik Sozialer Arbeit in systemtheoretisch- er Sicht: Zur Kontroverse ob Soziale Arbeit Teil eines eigenen autonomen Funktionssystems sozialer Hilfe ist.........118 4.9 Zum Selbst- und Wissenschaftsverständnis systemtheoretisch- er Analysen Sozialer Arbeit.....................................................121 4.10 Zur Spezifik der Hilfskommunikation auf der Ebene von Interaktionssystemen...............................................................122 4.11 Zur Problematik organisierter Hilfe........................................122 4.12 Hilfe auf gesellschaftlicher Ebene: Hilfe als operational geschlossenes eigenes Funktionssystem..................................123 4.13 Zur Kontroverse um den binären Code des Hilfesystems.......124 4.14 Analytische Bedeutung der systemtheoretischen Unter- scheidung zwischen helfenden Interaktionssystemen, Hilfs- organisationen und einem Funktionssystem sozialer Hilfe...127 4.15 Zur Differenz zwischen Ansätzen zu einer Systemtheorie Sozialer Arbeit und system(ist)ischen Konzepten Sozialer Arbeit.......................................................................................130 4.16 Das system(ist)ische Paradigma Sozialer Arbeit.....................131 4.17 Kritik der system(ist)ischen Konzepte Sozialer Arbeit...........134 4.18 Kritik der Ansätze zu einer Systemtheorie Sozialer Arbeit.....137 4.19 Cremer-Schäfers und Steinerts Analyse sozialer Aus- schließung als Kritik an der Systemtheorie Sozialer Arbeit....140 5. Diskursanalytische Ansätze.............................................................143 5.1 Zwei Grundrichtungen der Theoriebildung.............................143 5.2 Das Diskursmodell von Jürgen Habermas...............................143 5.3 Die Bedeutung des Habermasschen Diskursmodells für die Soziale Arbeit: Helmut Richters Pädagogik des Sozialen und seine Kommunalpädagogik..............................................145 5.4 Der (post-)strukturalistische Diskursbegriff............................151 5.5 Grundzüge strukturaler Erziehungswissenschaft von Dieter Lenzen.....................................................................................153 5.6 Michel Foucaults Diskursbegriff.............................................154 5.7 Zur Bedeutung der Studien zu einer Gouvernementalität für die Theorie sozialer Arbeit: Fabian Kessls Gouvernementalität Sozialer Arbeit.......................................168 5.8 Nancy Frasers Theorie des juristisch-administrativ- therapeutischen Staatsapparates..............................................175 5.9 Michael Winklers Begriff des sozialpädagogischen Diskurses.................................................................................180 5.10 Winklers Topologie des sozialen Sektors................................182 5.11 Winklers diskurstheoretische Historiographie der Sozialpädagogik......................................................................185 5.12 Winklers Sicht des Verhältnisses zwischen Theorie, Diskurs und Realität.............................................................................188 5.13 Winklers Sicht der Gestalt und Bestätigung einer Theorie der Sozialpädagogik......................................................................191 5.14 Kritik an den an Habermas Diskursbegriff orientierten Ansätzen..................................................................................197 5.15 Kritik an den an Foucaults Diskursbegriff orientierten Ansätzen..................................................................................199 5.16 Kritik an Winklers Ansatz.......................................................203 6. Psychoanalytische Sozialarbeit........................................................205 6.1 Zur Geschichte des Verhältnisses von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit.........................................................................205 6.2 Die Bedeutung des Unbewussten............................................210 6.3 Die Bedeutung der Übertragungs-, Gegenübertragungs- reaktionen bzw. Übertragungsidentifizierungen......................214 6.4 Die Bedeutung der Dynamik von Trauma, Wiederholungs- zwang und Projektiver Identifizierung für die Psycho- analytische Sozialarbeit...........................................................218 6.5 Die Bedeutung psychosozialer Abwehr für die Psycho- analytische Sozialarbeit...........................................................220 6.6 Zur Diskussion um die wissenschaftstheoretische Stand- ortbestimmung von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit.........222 6.7 Zur Kritik der Konzeption des Unbewussten in der psychoanalytischen Orthodoxie...............................................225 6.8 Zur Kritik der monadischen Sichtweise des Ichs ....................227 6.9 Zur Kritik des szenischen Verstehens.....................................230 7. Kristallisationspunkte professioneller und disziplinärer Theoriebildung..................................................................................233 7.1 Wissenschaftscharakter...........................................................233 7.2 Gegenstand..............................................................................243 7.3 Theorie/Praxis-Verhältnis........................................................255 7.4 Gesellschaftliche und soziale Voraussetzungen......................261 7.5 AdressatInnen..........................................................................275 7.6 Institutionen.............................................................................281 7.7 Professionalität........................................................................288 7.8 Ethik........................................................................................299 8. Literatur............................................................................................309 Einleitung Es scheint vermessen zu sein, ein Lehrbuch über aktuelle Theoriediskurse Sozia- ler Arbeit vorzulegen, angesichts dessen, dass im Rahmen Sozialer Arbeit allem Anschein nach „im Zusammenhang mit der Theoriefrage so gut wie nichts klar“ (Rauschenbach/Züchner 2002a: 141) ist. Nicht einmal über die Benennung des Gegenstandsbereiches, ob nun als soziale Arbeit (klein geschrieben) oder Soziale Arbeit (groß geschrieben) oder doch Sozialpädagogik, gibt es Einigkeit. Den- noch müssen Studierende, besonders in den neuen Masterstudiengängen, sich einen Überblick über die Diskussion verschaffen, um in dieser begründet eine eigene Position beziehen zu können. Vor dieser Problematik standen auch wir Kolleginnen und Kollegen der Fachhochschulen Fulda, Koblenz, Potsdam und Wiesbaden sowie der Uni Kob- lenz, als wir gemeinsam im Rahmen eines Bund/Länder-Kommissionsprojektes den berufsbegleitenden Masterstudiengang Soziale Arbeit (MAPS) auf der Basis eines blended-learning Konzeptes zu entwickeln begannen. Ich hatte in diesem Arbeitszusammenhang die Aufgabe übernommen, den Teil über aktuelle Theo- rien Sozialer Arbeit für die online-Lehre zu schreiben. Grundüberlegung bei der Konstruktion all unserer online Module in MAPS ist es, keine Lehrbriefe oder Lernprogramme ins Netz zu stellen, sondern – wie die Abkürzung MAPS schon andeutet – eher „Lernlandschaften“ mit dazu gehörigen „Landkarten“ zu produ- zieren, in denen sich die Studierenden auf der Basis individueller oder gruppen- bezogener Lernvereinbarungen selbständig sich bildend bewegen können. Von daher lag es für mich nahe, auf das von Cornelia Füssenhäuser sowohl in ihrem gemeinsam mit Hans Thiersch für das „Handbuch Sozialar- beit/Sozialpädagogik“ verfassten Grundlagenbeitrag „Theorie der Sozialen Ar- beit“ (2001: 1876 ff.), wie auch in ihrem Buch „Werkgeschichte[n] der Sozial- pädagogik“ (2005: 15 ff.) entwickelte Konzept einer „Topographie“ zurückzu- greifen. „Topographie“ meint dabei zunächst einmal ein Verfahren, welches – in Anlehnung an die Forschungsweise der Phänomenologie – „der Erkundung offe- ner und begrenzter Zusammenhänge“ (Waldenfels 1997:12) den Vorrang gibt gegenüber „jeder systematischen Verknüpfung“ (ebd.). Als „Topographie“ reali- siert sich dieses Vorgehen jedoch erst in der Form der Beschreibung, die „Wege, Grenzlinien, Verbindungen und Kreuzungsstellen aufzeichnet“ (ebd.). In ihrem Buch „Werkgeschichte[n] der Sozialpädagogik“ sucht Cornelia Füssenhäuser (2005: 14 f.) ihr Konzept der „Topographie“ darüber hinaus jedoch auch noch mit Hilfe der Wissenssoziologie Karl Mannheims zu begründen. So geht sie in dieser ihrer Art der „Vermessung geistiger Bewegung“ davon aus, dass „der Einzelne immer schon in eine Vielfalt von Denkstilen und Situations- deutungen eingebunden ist“ (ebd.). Mit Mannheims Begriff des „Denkstils“ zielt 10 Michael May Füssenhäuser in diesem Zusammenhang auf „solche Verschiedenheit des Den- kens, hinter denen eine Differenz der dahinter stehenden Weltanschauungen und der Beziehung zu dem erkennenden Gegenstand steht“ (ebd.). Mindestens ebenso wichtig für die Begründung ihrer neben „Grenzlinien“ eben auch auf „Verbindungen und Kreuzungsstellen“ zielenden Verfahrensweise einer „Topographie theoretisch relevanter Fragen“ ist für Füssenhäuser jedoch Mannheims Begriff des „Denkstandorts“. Mit diesem lassen sich für sie „Kno- tenpunkte“ fokussieren, „an denen sich historisch betrachtet eine besonders wichtige Synthese unterschiedlicher Denkströmungen (d.h. von Denkstilen) bildet, ´von denen aus also am besten, gleichsam wie von einer Bergspitze aus, die zu ihnen führenden Wege erfassbar sind`“ (Mannheim 1984 zit. nach Füs- senhäuser 2005: 14). Nun stellt sich allerdings sogleich die Frage, welche „Denkstile“ und „Denkstandorte“ sich bezüglich der aktuellen Theoriedebatte Sozialer Arbeit identifizieren lassen, zumal ja gegenwärtige „Denkstile“ – wenngleich in unter- schiedlichem Maße und unterschiedlicher Weise – sich auch mehr oder weniger explizit beziehen auf solche „Verbindungen und Kreuzungsstellen“, wie sie sich an historischen „Knotenpunkten“ der Vermittlung von Theorie- und Gegens- tandsgeschichte Sozialer Arbeit als spezifische „Denkstandorte“ herausgebildet haben. Dennoch gab es immer wieder Ansätze – in ähnlicher Weise wie dies Te- north (1994; 1997) für die Allgemeine Erziehungswissenschaft versucht hat –, auch die in der Theoriedebatte der Sozialen Arbeit deutlich werdenden verschie- denen „Denkstile“ nach ihren unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Zu- gängen zu differenzieren (vgl. z.B. Röhrs 1968, Marburger 1979, Thole 2002). Wie schon Thole in einer Fußnote zu seinem schematisierten Überblick be- züglich der Theorietraditionen Sozialer Arbeit selbstkritisch anmerkt, veränder- ten jedoch einige AutorInnen „im Verlauf der Jahre ihre theoretischen Bezugs- punkte oder entwickelten diese weiter“ (ebd.: 32 Anm. 2). Schon allein deshalb, aber auch weil sie spätestens ab den 70er Jahren verstärkt unterschiedliche „Denkstile“ zu synthetisieren versuch(t)en, lassen sich die ProtagonistInnen der jüngeren Theoriedebatte Sozialer Arbeit nur selten einer einzigen wissenschafts- theoretischen Position zuordnen. Vielmehr ist die Mehrzahl ihrer theoretischen Arbeiten geprägt „von vielfältigen Rekursen und methodologischen Prämissen“ (Füssenhäuser 2005: 9). Erst recht gilt dies für die Theoriediskussion ab den 80er Jahren, die durch ein Nebeneinander unterschiedlicher Zugänge gekennzeichnet ist (vgl. Füssen- häuser/Thiersch 2001: 1879). Tholes schematisierte Übersicht „neuerer Theorie- traditionen“, in denen er einen „systemtheoretischen“, einen „kritisch- subjektiven bzw. bildungstheoretischen“, einen „ökosozialen“, einen „dienst- Einleitung 11 leistungsorientierten“, einen „lebensweltlichen“ und einen „reflexiven Ansatz“ unterscheidet (vgl. 2002: 33), vermag dies kaum einzufangen. So gesteht er nicht nur zu, „dass eine präzise Zuordnung der einzelnen Ansätze zu Personen schwie- rig ist, auch weil eindeutige Theorieetiketten nur selten wie ein gut geschnittenes Passepartout zu personifizieren sind“ (ebd.: 30). Ebenso bereitwillig räumt er ein, dass „möglicherweise [...] sich noch andere theoretische Ansätze [finden] oder die […] genannten [...] unter einem anderen Etikett [firmieren]“ (ebd.). Unter dem Begriff „Variation der Theoriebildung“ hat Hans Gängler (vgl. 1995) dies auch als ein eigenes von insgesamt fünf Strukturmustern neuerer sozialpä- dagogischer Theorieproduktion identifiziert, neben der „Anschlussfähigkeit an Nachbardisziplinen“, der „historischen Rekonstruktion“ der „Theoriebildung durch Konstruktion“ sowie der „Selbstreferentialität der Theorieproduktion“. So war diese Theoriebildung im Zusammenhang mit der sich in den 70er Jahren erst herausbildenden Disziplin – bzw. je nach eingenommenem Stand- punkt auch Teildisziplin der Erziehungswissenschaften (vgl. Kap. 1.3) – zu- nächst ganz zentral mit ihrem Verhältnis zu den Theoriebildungen der Nachbar- disziplinen beschäftigt (= „Anschlussfähigkeit an Nachbardisziplinen“). Gerade in der Positionierung und Abgrenzung gegenüber anderen Disziplinen kam es in diesem Zusammenhang jedoch auch zu einer „Wiederaufnahme der vorüberge- hend verdrängten, nun aber in Bezug auf ihre kritischen Intentionen gelesenen Traditionen“ (Füssenhäuser/Thiersch 2001: 1879) (= „historische Rekonstrukti- on“). Neben der Frage der Wissenschaftlichkeit wurde durch die Akademisierung der Ausbildung jedoch zugleich die Frage der Verwissenschaftlichung der Praxis Sozialer Arbeit sehr stark diskutiert. Diese in den 70er Jahren beginnende Pro- fessionalisierungsdebatte (vgl. Otto/Utermann 1971) war zwar zunächst sehr stark vom Interesse eines Zugewinns an beruflicher Autonomie geprägt. Mehr und mehr transformierte sich diese Diskussion jedoch in eine Handlungskompe- tenzdebatte (Müller u.a. 1982 & 1984). Fragen des Könnens traten dabei in den Vordergrund. Und auch eine „kritisch-selbstkritische Auseinandersetzung mit den neueren Tendenzen des Ausbaus einer arbeitsteilig spezialisierten und exper- tenhaft verfachlichten Praxis“ (Füssenhäuser/Thiersch 2001: 1879) war nicht mehr zu umgehen (vgl. Kap.: 3.). Produktiv gewendet wurde diese Kritik in Konstruktionen einer „neuen Fachlichkeit“ (= „Theoriebildung durch Konstruktion“). Diese waren nicht nur durch ein Nebeneinander unterschiedlicher Zugänge gekennzeichnet. Der gesam- te Fachdiskurs wurde durch einen zunehmenden Theorienpluralismus bestimmt (= „Variation der Theoriebildung“). Und – wie dies der mit viel Witz gewählte Aufsatztitel von Hans Gängler (1995) treffend signalisiert – entstand in der „Be- obachtung der Beobachter beim Beobachten“ ein wachsend reflexiv und selbstre-

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