Fred Schell, Aktive Medienarbeit mitJugendlichen Schriftenreihe des Instituts Jugend Film Fernsehen, Munchen Band 10 Fred Schell Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen Theorie und Praxis Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1989 Der Autor: Dr. phil Frcd Schcll, gcb. 1948, Studium dcr Erzichungswisscn schaften, Hauptschullehrcr, Studium der P:.idagogik, Psychologic und Politik, langjahrige Tătigkeil in dcr Jugend- und Bildungsarbcit, scit 1981 Referent ftir Mcdicnpădagogik am Institut Jugend Film Fcrnschcn in Munchen. CIP-ntelaufnahmc dcr Dcutschcn Bibliothck Schell, Fred: Aktivc Mcdienarbeit mit Jugendlichen: Thcorie und Praxis 1 Frcd Schell. (Schriftcnrcihe des Instituts Jugend Film Fcrnschcn, Munchen; Bd. 10) Zugl.: Munchen, Univ., Diss. ISBN 978-3-8100-0725-4 ISBN 978-3-663-14514-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-14514-1 NE: Institut Jugend, Film, Fcmschen: Schriflenrcihc des Institut ... © 1989 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Leske Verlag + Budrich GmbH, Opladen 1989 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 6 Kapite1 1 : Kritische Bestandsaufnahme medienpadagogischer Bemi.ihungen 9 1.1 Medienpadagogische Positionen 16 1.2 Praxis der Medienpadagogik 29 1.3 Aufgaben einer hand1ungsorientierten Medien padagogik 39 1.4 Kriterien aktiver Medienarbeit in der Jugend arbeit 50 Kapite1 2: Grund1egungen aktiver Medienarbeit in der Jugendarbeit 55 2.1 Padagogische Grund1egungen 55 2.1.1 Interaktion a1s Lernprinzip 55 2.1.2 Leitzie1e 'Mi.indigkeit' und 'Emanzipation', 'authentische Erfahrung' 58 2.1.3 Anzustrebende Fahigkeiten: Hand1ungskompetenz und kommunikative Kompetenz 61 2.2 Jugend in der Theorie 66 2.2. 1 Die Sichtweise von Jugend1ichen in der Jugend forschung 67 2.2.2 Die Lebenswe1t Jugend1icher 74 2.2.3 Massenmedien in der Lebenswe1t Jugend1icher 97 2.2.4 Jugendarbeit a1s Freizeitbereich Jugend1icher 108 2.3 Medientheorie und Jugend 118 2 .3.1 Kritisch-ref1exive Medientheorie 119 2.3.2 Operative Medienkonzeption 129 Kapite1 3: Konzeption aktiver Medienarbeit 138 3.1 Zie1e und Bedingungen aktiver Medienarbeit 138 3.2 Prinzipien aktiver Medienarbeit 147 3.3 Medienarbeit am Beispie1 Video 180 3. 3.1 Aktive Videoarbeit a1s padagogische Methode 181 3.3.2 Zie1bereiche und Beispie1e aktiver Video arbeit 195 Zusammenfassung und Ausb1ick 218 Anmerkungen 220 Literatur 225 VORWORT Auch in unserer zunehmend mediatisierten Welt, in der die Nutzung einer breiten Palette von Medien lăngst zum alltăglichen Leben gehort, konzen triert sich ein Teil der Medienpădagogik nach wie vor auf Medienprodukte. Mehr ader weniger kritisch werden deren lnhalte begutachtet, und pădago gische MaBnahmen verfolgen - insbesondere wenn es um Film und Fernsehen und um jugendliche Rezipienten geht- immer noch das Ziel, zu schUtzen und zu bewahren. Der Rezipient gilt als Konsument und die vorrangige păda gogische Aufgabe wird darin gesehen, ihn zum 'richtigen' Konsum anzulei ten. Bereits seit den 20er und 30er Jahren gibt es jedoch eine andere Blickrich tung auf die Medien: Sie sieht die Medien zuvorderst als technische Mittel, deren Bestimmung sich nicht allein in der passiven Nutzung erschopft. Me dien konnen vielmehr - zumindest potentiell - von den Rezipienten selbst aktiv genutzt werden. BerUhmt fUr diese Blickrichtung ist die Forderung Bertolt Brechts geworden, den Radioapparat von einem Distributions- in einen Kommunikationsapparat umzuwandeln, ihn also fUr alle als ein Mittel der zweiseitigen Kommunikation verfUgbar zu machen. In einer Reihe theore tischer Ansătze wurde dieser Gedanke aufgegriffen und begrUndet. FuB fas sen konnten solche Ansătze in der Medienpădagogik jedoch ebensowenig wie vereinzelte Versuche, das theoretische Konzept in der pădagogischen Praxis zu konkretisieren. Die vorliegende Arbeit greift die Wurzeln einer aktiv orientierten Medien theorie auf und transferiert die theoretischen Gehalte in Prinzipien einer 'handlungsorientierten Medienpădagogik'. Nicht die Medien als Mittel der Unterhaltung, lnformation und Bildung und der Rezipient als Konsument ste hen im Mittelpunkt, sondern die Medien werden als Mittel begrUndet, mit denen die Rezipienten ihre lnteressen artikulieren und offentlich machen und so die Chancen ihrer Durchsetzung erhohen konnen. Die praktische Me thode fUr dieses pădagogische Programm ist 'aktive Medienarbeit', verstan den als selbsttătiger und selbstbestimmter Umgang mit allen Medien - von der Abzugsmaschine bis zur Videokamera. Als eine Methode der Er- und Bear beitung von Gegenstandsbereichen sozialer Realităt ist sie darauf gerich tet, 'authentische Erfahrung' als die eigentliche Erfahrung der Menschen zurUckzugewinnen, und die fUr folgenreiches Handeln notwendige Făhigkeit, 'kommunikative Kompetenz', zu erlangen. Sie zielt also letztlich auf das aktive gesellschaftliche Subjekt, das die verfUgbaren Medien fUr seine In teressen 'in Dienst nimmt' und kompetent am gesellschaftlichen ProzeB teil nimmt. Vor dem Hintergrund eigener langjăhriger Erfahrung mit der aktiven Verwen dung von Medien, insbesondere von Video, in der Jugend- und Bildungsarbeit, wird in dieser Arbeit aktive Medienarbeit als eine Methode konkretisiert, die mehr zu leisten vermag als eine kritische Auseinandersetzung mit mas senmedialen Inhalten, nămlich ein handelndes Eingreifen in gesellschaftli che Realităt und aktive Lebensbewăltigung. Die Arbeit nimmt ihren Ausgang in einer kritischen Bestandsaufnahme medien Positionen und praktischer BemUhungen in unterschiedlichen pădagogischer Feldern pădagogischer Praxis. Vor diesem Hintergrund werden das Aufgaben feld einer handlungsorientierten Medienpădagogik umrissen, und Kriterien der ihr adăquaten Methode, der aktiven Medienarbeit, entwickelt (Kapi- tel 1). 6 Theoretisch fundiert wird dieses Programm Uber die Auseinan pădagogische dersetzung mit relevanten Theoriekonzepten und empirischen Befunden: In teraktionistische des Lernens, die den Zielen 'Emanzipation' und Ansătze 'MUndigkeit' verpflichtet sind und das Erreichen von kommunikativen und handlungsorientierten anstreben, liefern die Făhigkeiten pădagogischen Grundlegungen fUr die Konzeption aktiver Medienarbeit. Die jugendtheoreti schen Grundlegungen erfolgen Uber solche der Jugendforschung, die Ansătze Jugendliche als Subjekte mit Handlungs- und ernst Bewăltigungskompetenzen nehmen, Uber empirische Befunde zu den gesellschaftlichen Problemlagen heutiger Jugendlicher und zur Bedeutung der Massenmedien im Leben von Ju gendlichen. Die Diskussion der Bedingungen von Jugendarbeit begrUndet die ses Feld als geeignet fUr eine emanzipatorische Arbeit mit Jugendlichen und damit als einen Ort, an dem das Konzept aktiver Medienarbeit einen Platz findet. Medientheorien, die der gesellschaftskritischen Richtung zu zuordnen sind und handlungsorientierte Aspekte der Nutzung von Medien ins Zentrum ihrer Reflexion stellen, liefern schlieBlich die medientheoreti schen Grundlegungen der Konzeption aktiver Medienarbeit (Kapitel 2). Auf der Grundlage der Bestandsaufnahme und der Auseinandersetzung mit theo retischen wird eine Konzeption aktiver Medienarbeit entwickelt Ansătzen und am Beispiel aktiver Videoarbeit konkretisiert. Unterschiedliche Pro jekte aus der Praxis veranschaulichen die Moglichkeiten, die pădagogischen die Methode der aktiven Medienarbeit in Prozessen eroffnet pădagogischen (Kapitel 3). Das mit dieser Arbeit verfolgte Ziel ist es einerseits, ein in der pădago gischen Praxis vorfindbares Handeln zu fundieren und praxisnah zu konkre tisieren. Ziel ist es aber andererseits auch, dazu beizutragen, der akti ven Medienarbeit in der Praxis einen groBeren Stellenwert pădagogischen zu verschaffen und dazu zu motivieren, die Vorteile dieser Methode fUr das eigene Handeln zu nutzen. pădagogische FUr anregende Diskussionen und konstruktive Kritik der Entstehung wăhrend dieser Arbeit, die als Dissertation an der MUnchen vorgelegt Universităt wurde, mochte ich vor allem Hans Schiefele, Helga Theunert und Bernd Schorb danken. 7 Kapitel 1: KRITISCHE BESTANDSAUFNAHME MEDIENPADAGOGISCHER BEMUHUNGEN Aktive Medienarbeit ist Bestandteil eines Gesamtkon medienpădagogischen zepts. Ebenso wie es diverse gibt, existieren jedoch unter Pădagogiken schiedliche Positionen von die auf der Basis von jeweils Medienpădagogik, anderen Wertvorstellungen verschiedene Zielsetzungen verfolgen. Diese Be standsaufnahme verfolgt als erstes Ziel, die unterschiedlichen aktuellen Positionen von in ihrem jeweiligen historischen Kontext Medienpădagogik zu skizzieren und zu werten, um so eine eigene Position begrUndet bezie hen zu konnen, aus der heraus eine Konzeption aktiver Medienarbeit zu ent wickeln ist. Da sich diese Arbeit mit dem aktiven Mediengebrauch Jugendlicher befaBt, wird in einem weiteren Schritt den derzeitigen Akti medienpădagogischen im Jugendbereich nachgegangen. Ein zweites Ziel dieser Bestands vităten aufnahme ist eine kritische Wertung aktueller im Jugend Medienpădagogik bereich, um Defizite und positive Erfahrungen fUr eine Konzeption aktiver Medienarbeit fruchtbar zu machen. Aus der gesamten Bestandsaufnahme werden dann in einem dritten Schritt Folgerungen gezogen und die Aufgabenstellung einer handlungsorientierten Medienpadagogik skizziert. In einem letzten Schritt werden Kriterien entwickelt, die aktive Medienar beit als Methode einer handlungsorientierten in der Ju Medienpădagogik gendarbeit kennzeichnen. Der Stellenwert der einzelnen Positionen und Aktivi medienpădagogischen in den Institutionen von Bildung und Erziehung ist wesentlich deter tăten miniert durch die historisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Medien padagogik unterliegt einer periodischen Aktualităt. Dies soll einleitend mit einer kritischen Betrachtung ihres derzeitigen Stellenwerts am Bei spiel der offentlichen und politischen Diskussion um die EinfUhrung und zunehmende Verbreitung der 'Neuen Medien' und um erste unerwUnschte Er scheinungen in diesem Bereich aufgezeigt werden. Medienpadagogik ist wieder einmal en vogue. Angesichts der politischen und okonomischen Entscheidungen und Entwicklungen, Kommunikation und In- 9 formation durch die EinfUhrung der 'Neuen Medien' bzw. lnformations- und Kommunikationstechniken in der Bundesrepublik grundlegend zu verandern, ist die Medienpadagogik in den Blickpunkt zumindest der politischen und padagogischen Fachoffentlichkeit gelangt. Praventiv wird die Medienpadagogik "von den Politikern, die in seltener Eintracht diese 'Neuen Medien' einfUhren wollen" (5chorb 1981,5.66), aufgerufen, sich mit den zu erwartenden negativen Fo1gen auseinanderzu setzen. Denn daB diese 'Neuen Medien' neben arbeitsmarktpolitischen auch gese11schaftspo1itische Probleme und negative Auswirkungen in den sozia1en und kommunikativen Beziehungen der Menschen zeitigen werden, ist auch im Lager der BefUrworter unbestritten.1) Die Frage, ob ihre EinfUhrung sinn vo11 ist, ob sie dem Gemeinwoh1 dient, ste11t sich bei ihnen jedoch nicht mehr. Auch die 5keptiker und Kritiker dieser Entwick1ung gehen davon aus, daB die Verbreitung der 'Neuen Medien' nicht mehr aufzuha1ten ist, ihren Nutzen fUr die Menschen stellen sie jedoch in Frage: "5o sicher (.) die · 'Neuen Medien' kommen werden, ist es ebenfal1s, daB fUr sie derzeit aus kommunikations- und damit aus gese11schaftspo1itischer 5icht keine exi stenzielle Notwendigkeit besteht." (HUther 1981,5. 75) Aktuell ist die Medienpadagogik von besorgten und nach Hilfe rufenden El tern, Lehrern, 5ozia1padagogen und Politikern dort aufgerufen, wo die vom Profitinteresse gepragte Medienwirklichkeit ihr brutales Gesicht (im dop pelten Worts.inn) zeigt, auf dem Videokassettenmarkt. 2) Die Mehrzahl der haufig von Jugendlichen, aber auch schon von Kindern genutzten Videokas setten hat extrem violente und pornografische lnhalte, nicht selten in der Mischung von 'sex and crime'. Der Konsum dieser Kassetten wird von vielen als jugendgefahrdend betrachtet. Ein weiteres mediales Prob1emfeld, das besorgte Eltern und Erzieher auf schreckt, ist die ansteigende Nutzung von Telespielen durch Jugendliche. Telespiele sind "ein junges Medium und ein Medium fUr die Jugend" (5chorb 1983a,5.198), von der es auch am haufigsten genutzt wird (vgl. Arbeits gemei nschaft Media Analyse 1982). Die Uberwiegend aggressiven 5pie le (Kampf- und KriegsspieleJ werden ebenfalls als jugendgefahrdend einge stuft. Zur Freizeitbeschaftigung Nummer eins der Jugendlichen - wie auch der Ubrigen BundesbUrger -, dem Fernsehen, sowie der extensiven Nutzung ande- 10