essentials Essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. Essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich • als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet • als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld • als Einblick, um zum Thema mitreden zu können. Die Bücher in elektronischer und gedruckter Form bringen das Expertenwissen von Springer-Fachautoren kompakt zur Darstellung. Sie sind besonders für die Nutzung als eBook auf Tablet-PCs, eBook-Readern und Smartphones geeignet. Essentials: Wissensbausteine aus Wirtschaft und Gesellschaft, Medizin, Psycho- logie und Gesundheitsberufen, Technik und Naturwissenschaften. Von renommier- ten Autoren der Verlagsmarken Springer Gabler, Springer VS, Springer Medizin, Springer Spektrum, Springer Vieweg und Springer Psychologie. Franz Petermann • Ute Koglin Aggressive Kinder und Jugendliche Prävention und Therapie – ein Überblick 2123 Franz Petermann Ute Koglin Universität Bremen Universität Oldenburg Deutschland Deutschland ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-658-08850-7 ISBN 978-3-658-08851-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-08851-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informatio- nen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Fachmedien Wiesbaden ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Was Sie in diesem Essential finden können • Eine aktuelle Übersicht über Ansatzpunkte zur Prävention aggressiven Verhaltens, • Informationen über wirksame Präventionsangebote, • die Darstellung von therapeutischen Grundprinzipien bei der Behandlung ag- gressiven Verhaltens sowie • eine Übersicht über wissenschaftlich überprüfte Therapieverfahren. V Vorwort Kann man aggressives Verhalten verhindern? Ist ein gewaltfreies Miteinander mög- lich? Und sind Kinder und Jugendliche nicht nur Opfer einer destruktiven Gesell- schaft? Diese und ähnliche Fragen verdeutlichen eine Grundposition im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die letztlich in der Aussage gipfelt: „Uns wird es wohl nie gelingen, Kinder und Jugendliche psychisch gesund durchs Leben zu begleiten!“ Im Umgang mit aggressiven Kindern und Jugendlichen benötigt man als Eltern- teil, als Pädagoge und Kinderpsychotherapeut eine optimistische Grundeinstellung Kindern gegenüber und Realitätssinn, der darauf baut, dass auch kleine Verhal- tensänderungen Erfolge bedeuten und Rückfälle (erneut auftretendes aggressives Verhalten) den Entwicklungsverlauf solcher Kinder kennzeichnen. Für die Prä- vention und Therapie aggressiver Kinder und Jugendlicher hat dies Konsequenzen in mehrfacher Hinsicht: Die Entwicklungsrisiken aggressionsgefährdeter Kinder müssen rechtzeitig erkannt, Präventionsprogramme universell in Kindergärten und Schulen angeboten und aufgrund der sich häufig einstellenden Rückschläge wie- derholt durchgeführt werden. Der Einbezug des sozialen Umfeldes (Eltern, Kin- dergarten, Schule) ist bei der Prävention und Behandlung aggressiven Verhaltens von großer Wichtigkeit. Unser kleines Buch kann nur Anregungen zu ausgewähl- ten wissenschaftlich begründeten Maßnahmen geben. Wir knüpfen dabei an unsere Monographie (F. Petermann und U. Koglin: Aggression und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen) an, die ebenfalls im Springer Verlag erschienen ist und zur ver- tiefenden Lektüre empfohlen werden kann. Selbstverständlich stehen wir unserer Leserschaft als Diskussionspartner zur Ver- fügung ([email protected] und [email protected]) und verweisen auch auf unser Nordwestdeutsches Präventionsforum im Internet (www.praeventi- ons-forum.de); dort halten wir weiterführende Informationen für Sie bereit. Bremen und Oldenburg, im Franz Petermann Januar 2015 Ute Koglin VII Inhaltsverzeichnis 1 Prävention aggressiven Verhaltens 1 11 Grundlagen der Prävention 1 12 Zielgruppen und Ebenen präventiven Handelns 3 13 W irksamkeit präventiver Maßnahmen 5 14 Programme für Schwangere und Kinder im Säuglingsalter 5 15 Kindorientierte Programme 7 16 Elternorientierte Programme 15 17 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 16 2 Therapie aggressiven Verhaltens 19 21 Grundlagen der Therapie 19 22 Soziales Kompetenztraining 20 23 Elterntraining 23 24 Intensivtherapeutischer Ansatz VIA 27 25 Multisystemische Therapie (MST) 28 26 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 30 Was Sie aus diesem Essential mitnehmen können 33 Literatur 35 IX Prävention aggressiven Verhaltens 1 In der täglichen Routine von Kindergärten, Schulen und weiteren Einrichtungen nimmt die Prävention aggressiven Verhaltens heute einen wichtigen Raum ein. Die Prävention wird von dem Gedanken geleitet, dass es besser ist, das Auftreten aggressiven Verhaltens zu verhindern, statt es zu therapieren. Die Präventionsfor- schung der letzten Jahrzehnte hat mittlerweile ein anspruchsvolles Niveau erreicht, da wirksame Präventionsprogramme zur Verfügung stehen (Durlak et al. 2011). Für den Anwender ist es jedoch nicht immer leicht, aus der Flut der Angebote diejenigen herauszufinden, die tatsächlich wirksam sind und zu den Möglichkei- ten und Bedürfnissen der Einrichtung passen. Zudem kann gefragt werden, was „Wirksamkeit“ im Rahmen von Präventionsmaßnahmen überhaupt bedeutet. Ag- gressives Verhalten aus unserem Alltag zu verdammen, ist ein unrealistisches Ziel – also sollte eine Prävention bescheidene Ziele verfolgen. In diesem Kapitel wird dargestellt, welche Möglichkeiten zur Prävention in den letzten Jahren entwickelt wurden. Es werden Maßnahmen vorgestellt, die wirksam sind und es wird aufge- zeigt, was Wirksamkeit in diesem Kontext bedeuten kann. 1.1 Grundlagen der Prävention Cicchetti und Hinshaw (2002) betonen nachdrücklich, dass sich die Konzeption präventiver Maßnahmen an theoretischen und empirisch fundierten Erklärungs- ansätzen sowie zentralen Risiko- und Schutzfaktoren orientieren müssen. Durch einen solchen Rahmen werden Informationen über sinnvolle Ansatzpunkte präven- tiven Handelns genutzt sowie Annahmen über die Wirkungsweise des Vorgehens © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 1 F. Petermann, U. Koglin, Aggressive Kinder und Jugendliche, essentials, DOI 10.1007/978-3-658-08851-4_1 2 1 Prävention aggressiven Verhaltens formuliert und systematisch überprüft werden. Das Wissen um altersangemessene Entwicklungsprozesse, die Bedeutung von Verhaltensproblemen in den verschie- denen Altersgruppen und die Rolle von Entwicklungsübergängen (wie den Schul- eintritt) liefern wichtige Informationen für die Gestaltung von Maßnahmen. Präventive Maßnahmen werden in der Regel nach der Zielgruppe kategorisiert. Unterschieden wird danach, ob eine Maßnahme sich an alle Personen richtet (z. B. alle Kindergartenkinder) oder nur an bestimmte Personen, die ein erhöhtes Risiko für aggressives Verhalten aufweisen oder bereits erste Anzeichen davon zeigen. Zur Begründung und Planung von Präventionsmaßnahmen ist die Kenntnis von Risiko- und Schutzfaktoren vonnöten. Eine besonders umfassende Zusammenstel- lung von Faktoren, die ein biopsychosoziales Entwicklungsmodell aggressiven Verhaltens konstituieren, stammt von Beelmann und Raabe (2007). Nach dieser Übersicht lassen sich aggressive Kinder, deren Problemverhalten vor dem zehnten Lebensjahr einsetzt, durch folgende Risiken kennzeichnen: • schwieriges Temperament, • Defizite in der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung, • harsche Erziehungspraktiken der Eltern, • psychische Beeinträchtigungen/Krankheiten der Mutter (vor allem eine Depres- sion), • aggressives Verhalten der Eltern, • häufige innerfamiliäre Konflikte, • ein niedriger sozioökonomischer Status und • das Aufwachsen in einem sozialen Brennpunkt (vgl. Petermann und Koglin 2015). Wichtig ist die Beachtung früh beobachtbarer Entwicklungsrisiken. So erhöhen Regulationsstörungen (Probleme der Nahrungsaufnahme, der Verdauung, der Schlaf-Wach-Rhythmus, häufiges Schreien) im ersten Lebensjahr und Störungen im Bindungsverhalten der Kinder das Risiko, aggressives Verhalten zu entwickeln. In diesem Kontext entstehen typische Störungen der Interaktion zwischen einem Kind und seiner Hauptbezugsperson, die für die Verstärkung und Aufrechterhal- tung der Symptomatik von großer Bedeutung sind (vgl. Schmidt 2013). Solche Interaktionsstörungen sind häufig die Folge inkonsistenter Erziehung und man- gelnder Kontrolle bzw. fehlender Wärme in der Eltern-Kind-Beziehung. In der Regel beachten in solchen Fällen die Hauptbezugspersonen nur unzureichend an- gemessenes Verhalten eines Kindes und „bekämpfen“ lediglich Problemverhalten (vgl. zusammenfassend Petermann und Petermann 2013).