p u Theod. Grotthuhe Lux lucet in Tenebris, quamuis nihilobfeuriustLauccee : Abhandlungen über Elektrizität und Licht Von Theodor von Grotthuß. Herausgegeben von R. Luther und A.v. Oettingen. Miteinem Bildnis und 5FigurenimText. Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1906. W X Y W W WU s ,s,soeg5o Die Zersetzung des Wassers und der in ihm gelösten Körper durch galvanische Elektrizität'). Von Theodor y. Grotthub. Erstes Kapitel. Wirkung der galvanischen Elektrizität auf einige in Wasser gelöste Stoffe. 1. Ohne mich bei der Erörterung einer Menge Hypo 点, *) thesen aufzuhalten, die zur Erklärung der Zersetzung des Was NY) sers durch den elektromotorischen Apparat erdacht worden sind, werde ich eine allgemeine Theorie der Zersetzung der Flüssigkeiten durch galvanische Elektrizität mitteilen, die mir ihre Wirkungen auf eine einfache und befriedigende Erklärung zurückzuführen scheint. Ich bin durch folgende Beobachtungen auf diese Theorie geführt worden. 2. Läßt man durch eine gesättigte Metallsalzlösung einen Strom galvanischer Elektrizität fließen, dessen Intensität der von der Flüssigkeit zwischen den Enden der Leitungsdrähte eingenommenen Strecke proportional ist, so beobachtet man merkwürdige Erscheinungen, die selbst für den, der sich in ihre Ursachen nicht versenken will, interessant sind. Am Ende des Drahtes, der mit der Zinkscheibe in Verbindung steht, > entwickelt sich Sauerstoff, während an dem mit der Kupfer scheibe verbundenen Drahte Metall reduziert wird, wobei es eine symmetrische Anordnung annimmt, die sich in der Rich tung des galvanischen Stromes erstreckt. 3. Diese Anordnung ist nichts als eine unvollkommene Kristallisation der metallischen Molekeln, völlig ähnlich der, 1* 179299 WU W Y Y Y Y * * * o s s o r ,g5o Die Zersetzung des Wassers und der in ihm gelösten Körper durch galvanische Elektrizität“). Von Theodor v. Grotthuß. 1 Erstes Kapitel. Wirkung der galvanischen Elektrizität auf einige in Wasser gelöste Stoffe. 1. Ohne mich bei der Erörterung einer Menge Hypo thesen aufzuhalten, die zur Erklärung der Zersetzung des Was 8 sers durch den elektromotorischen Apparat erdacht worden 3s sind, werde ich eine allgemeine Theorie der Zersetzung der .sa Flüssigkeiten durch galvanische Elektrizität mitteilen, die mir 3l 2focr ihre Wirkungen auf eine einfache und befriedigende Erklärung zurückzuführen scheint. Ich bin durch folgende Beobachtungen auf diese Theorie geführt worden. 2. Läßt man durch eine gesättigte Metallsalzlösung einen Strom galvanischer Elektrizität fließen, dessen Intensität der von der Flüssigkeit zwischen den Enden der Leitungsdrähte eingenommenen Strecke proportional ist, so beobachtet man merkwürdige Erscheinungen, die selbst für den, der sich in ihre Ursachen nicht versenken will, interessant sind. Am Ende des Drahtes, der mit der Zinkscheibe in Verbindung steht, entwickelt sich Sauerstoff, während an dem mit der Kupfer scheibe verbundenen Drahte Metall reduziert wird, wobei es eine symmetrische Anordnung annimmt, die sich in der Rich 7 tung des galvanischen Stromes erstreckt. 3. Diese Anordnung ist nichts als eine unvollkommene Kristallisation der metallischen Molekeln, völlig ähnlich der, 1 1* 179289 4 Theodor v. Grotthuß. die man unter dem Namen der metallischen Bäume kennt, die sich bilden, wenn man ein Metall durch ein anderes aus seiner Lösung fällt. Die Alten fügten dem Namen Arbor den des Gottes hinzu, dem das Metall geheiligt war; daher die Be nennung Arbor Dianae, Arbor Veneris usw. Von allen Er scheinungen, die uns der Galvanismus darbietet, ist keine so schön und fesselnd, wie eine derartige Vegetation, die sich unter unseren Augen bildet und uns allmählich das Bild eines schönen Baumes bietet, der mit seinem Laubwerk versehen und mit Metallglanz geschmückt ist. 4. Wollaston, ein berühmter englischer Physiker, hat be reits gesehen, daß bei Herstellung eines elektrischen Stromes in der Lösung eines Metalls dieses sich an der Seite des negativen Leiters reduziert findet; ich weiß aber nicht, ob er auch bemerkt hat, daß es fähig ist, eine symmetrische An ordnung anzunehmen, wenn die Wirkung stark genug ist und einige Zeit gedauert hat. (Bibl. brit. XVIII.) 5. Nicht alle gelösten Metalle werden durch galvanische Elektrizität zersetzt. Aus Mangannitrat erhielt ich Gasblasen am negativen Pol*), statt eines metallischen Niederschlages; es scheint, daß wenn unter gleichen Umständen das gelöste Metall mehr Affinität zum Sauerstoff hat als der Wasserstoff, das Wasser allein zersetzt wird. 6. Während der Bildung des Metallbaumes sieht man kein Gas sich entwickeln ; daraus schließe ich, daß sich der naszie rende Wassertoff mit dem Sauerstoff des Metalloxydes verbindet, oder daß die Wirkung allein auf das Oxyd und nicht auf das Wasser stattfindet. Der letztere Schluß muß der richtige sein, weil man nicht annehmen kann, daß der Wasserstoff den Oxy den des Zinkes und Eisens den Sauerstoff vollständig ent ziehen könne, oder gewissen Säuren ihr Gelöstes, da in ihnen die beiden Metalle erst dann gelöst sind, nachdem sie eine dieser Annahme entgegengesetzte Wirkung, die Zersetzung des Wassers, hervorgebracht haben. 7. Von allen Metallsalzen, die ich der Wirkung des elek tromotorischen Apparates unterwarf, haben Bleiacetat nnd salz saures Zinn mir die schönsten Vegetationen gegeben**). Die *) Ich werde den mit dem Zink verbundenen Pol positiv, den mit demKupfer verbundenen negativ nennen. **) Ich habe mehr oder weniger gute Resultate erzielt durch Gold- und Platinlösungen in Königswasser und von Zinn-, Kupfer-, Die Zersetzung des Wassers usw. 5 des Bleies ahmt die Gestalt des Farnkrautes nach; auf den Verzweigungen des Zinnes habe ich oft mit der Lupe oktaedri- sche Kristalle bemerkt. Es ist bemerkenswert, daß die Ver zweigung sich stets nach dem positiven Pole richtet, welches auch die gegenseitige Stellung der beiden Pole sei, und daß sie daher stets im Sinne des elektrischen Stromes geht. Das Wachstum eines Metalles durch Elektrizität scheint in gewisser Art das der natürlichen Pflanzen nachzuahmen, die sich be > ständig nach dem Lichte drehen und, von den Strahlen ge > troffen, Sauerstoff entwickeln lassen. 8. Hat sich der Metallbaum bis auf eine kleine Ent fernung vom positiven Pole erstreckt, so hört sein Wachstum auf,da seine nach allen Richtungen zerteilten Blätter die elek trische Wirkung vernichten, indem sie wie eine Unzahl von Spitzen wirken. Es scheint sogar, daß bei einer zu großen Annäherung der Pole jeder die elektrische Flüssigkeit vom andern aufnehmen kann, denn zuweilen haben die Spitzen der Verzweigungen angefangen, sich zu oxydieren, während am positiven Pole Desoxydation stattfand. Es ist wahrscheinlich, daß wenn die beiden Enden der leitenden Drähte sehr spitz sind und sich in einer Wassermasse sehr nahe gegenüber stehen, die von der Zersetzung herrührenden Gase miteinander vermischt entstehen werden. Hier ist, wenn ich mich nicht täusche, eine Analogie der Wasserzersetzung durch die Elek trisiermaschine mit der durch die Voltasche Säule vorhanden*). 9. Wenn der Strom der galvanischen Elektrizität auf reines Wasser oder solches wirkt, das mit irgend einer lös lichen Substanz beladen ist, so zieht der positive Pol das oxydierende Prinzip an, während der negative Pol das oxy dierte Prinzip der Flüssigkeit anzieht. Ist das Verhältnis ihrer Bestandteile veränderlich, so wird sie am Ende des mit dem Zink in Verbindung stehenden Drahtes oxydiert, und am Ende des Drahtes, der mit dem Kupfer verbunden ist, des oxydiert. Folgendes sind die Beweise dafür: 10. Salzsäure wird am negativen Pole dermaßen oxy diert, daß sie die Fähigkeit erhält, Gold aufzulösen, das sich am Ende des leitenden Drahtes befindet. Schwefelsäure und Quecksilber- und Kobaltnitraten, von Zinn- und Eisensulfat,Kalium zinnchlorid und Eisenchlorid. *) Wollaston, als erWasser mittels der gewöhnlichen Elektrisier maschine zersetzte, erhielt immer Sauerstoff und Wasserstoff bei sammen, während die Säule sie voneinander getrennt entwickelt. 6 Theodor v. Grotthuß. Salpetersäure werden durchsichtig und scheinen in der Nähe desselben Poles so mit Sauerstoff übersättigt, daß sie in die sem Zustande der Oxydation Wirkungen hervorbringen dürften, die uns noch nicht bekannt sind*). Am negativen Pole läßt Salzsäure sehr viel Gas entweichen**), Schwefelsäure gibt einen starken Geruch nach schwefliger Säure und scheidet Schwefel ab, Salpetersäure geht in salpetrige Säure über und > nimmt eine blaue Farbe an. Wechselt man die beiden Pole so, daß jeder von ihnen an den Ort gelangt, den vorher der andere einnahm, so geht jeder Teil der Säure allmählich in seinen früheren Zustand über, und die Wirkungen beginnen von neuem. 11. Eine Lösung von salzsaurem Zinn, durch die man einen galvanischen Strom leitet, läßt allmählich ein weißes Pulver fallen, das vom negativen Pole kommt. Wird dieser Niederschlag ។in Salzsäure wieder aufgelöst und mit Ätzsubli mat geprüft, so färbt er dieses weiß, während die Flüssigkeit am negativen Pole es schwarz färbte. Salzsaures Zinn ist daher an dem Ende des Drahtes, der die Sauerstoffentwicklung gibt, stärker oxydiert worden. 12. Nach längerer Einwirkung der galvanischen Elektri zität auf eine Lösung von Eisensulfat hat sich diese getrübt und am positiven Pole eine rote Färbung angenommen. Ich habe mich überzeugt, daß sie alsdann ein sehr stark oxydiertes schwefelsaures Eisenoxyd enthielt, indem sie mit Blutlaugen salz alsbald einen schönen Niederschlag von Preußischblau gab, während der Teil der Flüssigkeit, der den negativen Pol um gab, mit demselben Blutlaugensalz nur einen grünlichweißen Niederschlag erzeugte. 13. Wird Molybdänsäure in konzentrierter Schwefelsäure gelöst, so gibt sie eine sehr schön blaue Lösung, die sich jedesmal entfärbt, wenn man die Lösung erhitzt. Setzt man sie der Voltaschen Säule aus, so wirkt Glaselektrizität wie *) In diesem Oxydationsgrade scheint Schwefelsäureimstande zu sein,Gold aufzulösen; wenigstens hat die zu meinen Versuchen verwandte eine gelbe Farbe angenommen, in dem Maße,als sich das Ende desGolddrahtes aufgelöst hat, an dem sich Sauerstoff entwickelte. Als ich in dies Goldsulfat eine Lösung grünen Eisen sulfats goß, bildete sich ein Niederschlag, der dem Schwefelgold (sulfured'or) ähnlich war. **) Es wäre interessant, zu untersuchen, ob dies Gas nicht teilweise von der Zersetzun>g der Säure herrührt. Die Zersetzung des Wassers usw. 7 Wärme, während Harzelektrizität ähnlich wie Kälte wirkt; 7 am positiven Pole wird die Flüssigkeit allmählich durchsich tig, und die Molybdänsäure wird in Gestalt eines weißen Pul 7 vers gefällt, während sie um den negativen Pol eine immer dunklere und zugleich schmutzigere Farbe annimmt. Wechselt man die Stellung der Pole, so sieht man das entgegengesetzte eintreten: der klare Teil wird blau, und der blaue wird farblos. 14. Übt der galvanische Strom lange Zeit seine Wirkung auf das Salz einer Erde aus, so wird dessen Basis allmählich um das Ende des Drahtes gefällt, der die negative Elektrizität besitzt. Diese Niederschläge scheinen mir nicht daher zu rühren, daß das Salz durch das Alkali gefällt wird, das an diesem Punkte in unendlich kleiner Menge entsteht; viel mehr nehme ich an, daß die Säure des Salzes zerstört oder besser zersetzt wird, daher die Basis frei wird. Die Glasröhren, die zur Aufnahme der Lösungen in den 7 beschriebenen Versuchen gedient hatten, zeigten sich oft mit einem metallischen Überzug bedeckt, der auf die Glasober fläche im Röhreninneren aufgeschmolzen schien und von den Metallteilchen stammte, die durch die Wirkung des Apparates von den Leitungsdrähten losgelöst waren: so zeigten sich, wenn die Metallenden aus Gold oder Silber bestanden, die Röhren vollkommen vergoldet oder versilbert. Zweites Kapitel. Theorie der Zersetzung der Flüssig keiten durch galvanische Elektrizität. 15. Die Zersetzung des Wassers durch den elektromo torischen Apparat beansprucht seit langer Zeit den Scharfsinn der Chemiker und Physiker, denen die Erscheinung ein schwie rig zu lösendes Problem darbot, wenn sie mit der Theorie > bezüglich der Natur des Wassers in Einklang gebracht werden soll. Es handelt sich zunächst darum , zu wissen, ob die beiden Produkte an den Polen von derselben Molekel Wasser herrühren oder von verschiedenen; in diesem Falle fragt man, was aus dem Wasserstoff an dem Orte geworden ist, wo man nichts als Sauerstoff bemerkt, und was umgekehrt aus dem Sauerstoff an der Stelle wird, wo nur Wasserstoff auftritt*)? > *) Siehe Biblioth. Brit. XV: Statique chim. I, p. 206. 8 Theodor v. Grotthuß. 16. Die Säule Voltas, die das Genie ibres Erfinders un sterblich macht, ist ein elektrischer Magnet, von dem jedes Element (d. h. jedes Plattenpaar) seinen positiven und seinen negativen Pol besitzt. Die Betrachtung dieser Polarität hat in mir die Idee hervorgerufen, daß eine ähnliche Polarität sich zwischen den Molekeln des Wassers ausbilden könne, wenn es von dem gleichen elektrischen Agens beeinflußt wird; und ich muß gestehen, daß dies für mich ein Lichtstrahl war. 17. Nehmen wir also an, daß im Augenblicke des ab gesonderten Entstehens des Wasserstoffes und des Sauerstoffes zwischen diesen beiden Stoffen, sei es durch Berührung, sei es durch gegenseitige Reibung, eine Teilung ihrer natürlichen Elektrizität stattfindet, so daß der erste den positiven, der ܕ andere den negativen Zustand annimmt, so folgt, daß der Pol, von dem sich fortwährend die Harzelektrizität entwickelt, Wasserstoff anziehen und Sauerstoff abstoßen wird, während der mit Glaselektrizität ausgestattete Pol Sauerstoff anziehen und Wasserstoff abstoßen wird*). Wenn daher der galvanische Strom einen Anteil Wasser durchsetzt, so wird jedes seiner Bestandteile sowohl von einer anziehenden, wie von einer ab stoßenden Kraft getrieben, deren Wirkungszentra sich auf ent gegengesetzten Seiten befinden, und die durch ihre in gleichem Sinne erfolgende Wirkung die Zersetzung dieser Flüssigkeit bestimmen. 18. Die Wirkung jeder Kraft, bezüglich einer Wasser molekel, die sich im Wege des galvanischen Stromes befindet, verhält sich umgekehrt, wie das Quadrat des Abstandes, in dem sie ausgeübt wird. Da aber die Entfernung einer be liebigen Molekel, die sich zwischen den beiden Wirkungs zentren befindet, nie bezüglich des einen kleiner werden kann, ohne in gleichem Verhältnis bezüglich des andern zuzunehmen, so ist jedes Element einer solchen Molekel durch eine kon stante Kraft angegriffen, die von der anziehenden und der abstoßenden Kraft herrührt**). *) Mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Stoffe, die sich amnegativenPoleabsetzen, ist es vielleicht richtiger, nur eine auf Sauerstoff wirkende anziehende und abstoßende Kraft anzu nehmen, ohne eine solche den Polen bezüglich des Wasserstoffes zuzuschreiben. **) Ich nehme an, daß jede Kraft die gleiche Intensität hat, was tatsächlich stattfinden muß, da keinerder Pole des elektro motorischen Apparates Elektrizität anders aufnehmen kann, als auf Kosten desandern.