ISNM INTERNATIONAL SERIES OF NUMERICAL MATHEMATICS INTERNATIONALE SCHRIFTENREIHE ZUR NUMERISCHEN MATHEMATIK SERlE INTERNATIONALE D'ANALYSE NUMERIQUE Editors: Ch. Blanc, Lausanne; A. Ghizzetti, Roma; A. Ostrowski, Montagnola; }. Todd, Pasadena; H. Unger, Bonn; A. van Wijngaarden, Amsterdam VOL. 6 3· Colloquium tiber Automatentheorie vom 19. bis 22. Oktober 1965 in Hannover Prof. Dr. W. HANDLER Lehrstuhl fiir Elektronische Rechenanlagen der Technischen Hochschule Hannover Prof. Dr. E. PESCHL und Prof. Dr. Ing. H. UNGER Rheinisch-Westfiilisches Institut fiir Instrumentelle Mathematik, Bonn VORTRAGSAUSzDGE 1967 SPRINGER BASEL AG ISBN 978-3-0348-5880-9 ISBN 978-3-0348-5879-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-5879-3 Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen und der Reproduktion auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm, vorbehalten Springer Basel AG 1967 © Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag, Basel 1967 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1967 VORWORT 1m Zeitalter der Raumfahrt erscheint es notwendig, daB neben der 1nforma tionstheorie die junge Automatentheorie gepflegt wird. Die 1nformationstheo rie mit ihrem wahrscheinlichkeitstheoretischen Hintergrund ermoglicht die fehlerfreie Nachrichtenubertragung zum Raumfahrzeug und zurUck. Die Auto matentheorie schlieBlich kann in einem weiteren Stadium der Entwicklung dem Raumfahrzeug ein solches «Eigenleben» und eine solche «kunstliche 1ntel ligenz» verleihen, die notwendig sind, um dem Menschen in der Weite des Welt alls eine Uberlebenschance zu geben. Die gegenwartige Phase der Raumfahrt hat noch vomehmlich kontinuierlichen Charakter, gekennzeichnet durch bal listisch-stetige Bahnen, gelegentlich durch Eingriffe des Menschen modifiziert. Die nachste Phase wird moglicherweise neben groBeren Reaktionsgeschwindig keiten auch neuartige Steuerungsablaufe, ein gewisses «Lem»-Vermogen und Verhaltens-Schemata erfordem, die bisher noch unvollkommen erforscht sind. Die Notwendigkeit, Automatentheorie zu betreiben, ergibt sich allerdings nicht nur im Hinblick auf die Raumfahrt. Wir begegnen in unserer Welt auf Schritt und Tritt neuen Erscheinungen, neuen Geraten und neuen Systemen, fur deren Weiterentwicklung die Automatentheorie eine Voraussetzung sein durfte. Auch fur ein vertieftes Verstandnis der Funktionsweise im lebenden Organismus kann die Automatentheorie Arbeitshypothese und brauchbares Hilfsmittel sein. Es hat sich der mathematische Stil der Mitteilung in der Automatentheorie durchgesetzt. Der Autor beschrankt sich auf eine gewisse «Klasse von Auto maten» oder er beruft sich auf einen Autor, der eine ahnliche Klasse behandelt hat. Zunachst enthalt der erste Teil einer Arbeit Definitionen. Dann werden Satze formuliert, gegebenenfalls unter Benutzung von Hilfssatzen bewiesen, und es werden die Folgerungen gelegentlich an Beispielen interpretiert. Diese Art der Behandlung mag von manchen Lesem als zu abstrakt empfunden wer den. Sie muB jedoch dem emstlich Suchenden wie Balsam erscheinen, nachdem jahrelang (und gelegentlich auch noch heute) oft unter Berufung auf die «Kybemetib im Unverbindlichen spekuliert und philosophiert worden ist. So durfen wir mit einer gewissen Genugtuung feststellen daB, neuere Fachzeit schriften, wie die sowjetrussische «Kybemetika» (Kiew), der Automatentheorie den breitesten Raum in ihren Spalten offnet. Die Automatentheorie solI auch in diesem Band verstanden werden als der umgreifende Kalkul und die umgreifende Denkweise, in der im einzelnen fol gende Aspekte betrachtet werden konnen: die Algorithmentheorie, Probleme der Berechenbarkeit, die Theorie der Grarnmatiken, die verschiedensten Klas sen von Automaten, unter anderem z. B. Lern-Automaten oder Lern-Algo rithmen und z. B. Sprach-Obersetzungs-Algorithmen. Dem Begriff eines «Al gorithmus» stehen stets Typen von «AutomateOl) gegentiber, welche das Gleiche leisten. Dieser Gedanke war bereits bei TURING 1936 deutlich geworden. In diesem Gedanken ist auch ein anderes Gesetz zu erkennen, das gelegentlich etwas ungenau formuliert im Zusammenhang mit Betrachtungen tiber das «Programmieren» geauBert wird: Automatenstruktur und Programm (sprich Algorithmus) sind wesensgleich und konnen gegeneinander ausgetauscht wer den. Es ist gut, einen Kalktil zu besitzen, der diesen Sachverhalt neben anderen Dingen erkennbar macht. Der vorliegende Band faBt Vortrage zusammen, die anlaBlich der «Arbeits tagung tiber Automatentheorie» - einer Fortsetzung der bisher 1960 in Bonn und 1961 in Saarbrucken veranstalteten Kolloquien tiber Schaltkreis- und Schaltwerktheorie - in der Zeit vom 19.-22. Oktober 1965 an der Technischen Hochschule Hannover gehalten worden sind. Zu diesem Ereignis besuchten tiber 100 «Automatentheoretiken aus dem In- und Ausland Hannover. Einer der Altmeister dieser Disziplin, D. Huffman, USA, muBte im letzten Augen blick auf die Teilnahme verzichten, was allgemein bedauert wurde. Derartige Arbeitstagungen sollen ktinftig regelmaBig an den deutschen Hochschulen ab gehalten werden. Es konstituierte sich in Anlehnung an die Gesellschaft fUr Angewandte Mathematik ein kleiner «ArbeitsausschuB fUr Automatentheorie». Zum ersten Vorsitzenden des Arbeitsausschusses wurde einstimmig H. Unger (Bonn) gewiihlt. Die nachste Arbeitstagung solI in Mtinchen unter F. L. Bauer und K. Samelson stattfinden. w. Hannover, im Februar 1966 HANDLER INHALTSVERZEICHNIS K. H. BOHLING, Bonn: Dber eine Darstellungstheorie sequentieller Au- tomaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1 P. KANDZIA, Miinchen: Das Zyklenverhalten linearer Gruppenautomaten 26 P. DEUSSEN, Miinchen: Algebraische Untersuchungen iiber finite Auto- maten (Zusammenfassung) . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37 P. DEUSSEN und P. KANDZIA, Miinchen: Zur binaren Einbettung end- licher Automaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38 W. BAUTOR und A. SCHMITT, Hannover: Einfiihrung des Verb andes der homomorphen Zerlegungen der Zustandsmenge eines endlichen Automaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 47 W. HANDLER, Hannover: Einfache diagnostische Experimente bei end- lichen Automaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56 S. GERBER und H. ROHLEDER, Leipzig: Dber eine einheitliche Formali- sierung von Automaten und Algorithmen . . . . . . . . . . .. 76 K. BAHR, Darmstadt: Die Darstellung von Assoziation und Reflex in formalen N ervennetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 88 W. STUCKY, Saarbriicken: Untersuchungen iiber den Zustandsgraphen von Schwellenelementen mit Riickkopplung im autonomen Fall .. 112 C. A. PETRI, Bonn: Grundsatzliches zur Beschreibung diskreter Prozesse 121 J. BECVAR, Liberec (CSR): Eine behavioristische Konzeption der asyn- chronen Automaten (Zusammenfassung) . . . . . . . . . . .. 141 J. BECVAR, Liberec (CSR): Probleme der Komplexitat in der Theorie der Algorithmen und Automaten. . . . . . . . . . . 142 K. CULfK und I. HAVEL, Prag: On multiple finite automata . . . .. 158 H. FRANK, Berlin: Automatentheoretische Ansatze in der kyberneti- schenPadagogik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170 I. HAVEL, Prag: On the modification of normal algorithms of Markov 183 W. GOHRING, Hannover: Bemerkungen zur Klassifikation und Bewer- tung von Lernalgorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . .. 190 G. HOTZ, Saarbriicken: Homomorphie und Aquivalenz formaler Sprachen 204 F. SCHWENKEL, TUbingen: GrundzUge einer semantischen Theorie der Programmsprachen . . . . . . . . . . . . . . .. 212 H. J. SCHNEIDER, Hannover: Zur Beschreibung groBer contextfreier Grammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 J. EICKEL, MUnchen: Losung des Analyse-und Mehrdeutigkeitsproblems durch UberfUhrung formaler Sprachen in sackgassenfreie formale Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234 H. LANGMAACK und J. EICKEL, MUnchen: Prazisierung der Begriffe Phra- senstruktur und strukturelle Mehrdeutigkeit in CHOMSKY-Sprachen 263 C. P. SCHNORR, Saarbrucken: Zur Charakterisierung contextfreier Spra- chen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 ST. BRAUN, MUnchen: Grammatische Transformationen . . . . . .. 296 W. VOLLMERHAUS, SaarbrUcken: Einige Bemerkungen zur syntakti- schen Analyse deutscher Satze. . . . . . . . . . . . . . . .. 305 D. JURKSCH, SaarbrUcken: Analyse von Nominalausdriicken im Deut- schen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 311 tiBER EINE DARSTELLUNGSTHEORIE SEQUENTIELLER AUTOMATEN von K.H. Bohling 1. Einleitung 2. Anforderungen an ein Modell fUr sequentielle Automaten 3. Mengentheoretische Grundlagen fUr eine algebraische Darstellung 4. Mathematisches Modell 5. Ableitungs-Prozesse 6. Charakteristiken sequentieller Systeme 7. Klassen sequentieller Automaten 8. Wortbereiche bei Automaten 9. Leistungsfihigkeit von Automaten der Normaltyp-Klassen Literatur 1• EINLEITUNG Der Ursprung einer Theorie der Automaten li2t sich zuruckfUhren auf das Jahr 1936, als TURING zur exakten Definition des Begriffs Berechenbarkeit ein Mo dell beschrieb, welches als TURIN~schine bekannt geworden ist. Mit dem Auf kommen und der starken Verbreitung von elektronischen Datenverarbeitungsanla gen nahm auch die Untersuchung ihrer theoretischen Grundlagen starken Auf schwung. Seit der Mitte der 50er Jahre erscheinen dann laufend Veroffentli chungen mit Beitragen zur Automatentheorie. In der Literatur finden sich zahl reiche Definitionen von sequentiellen Maschinen oder Automaten, die einen Pro ze2 der Informationsverarbeitung beschreiben, fUr den der Begriff "sequentiell" fundamental ist. Man versteht darunter einen Vorgang, der in der Eingabe 2 K.H. Bohling einer Folge von Zeichen (Anweisungen, Daten) in einen solchen Automaten be steht, die dann schrittweise unter Zwischenspeicherung verarbeitet werden und als Ergebnis eine FolSe von Ausgabezeichen liefern. Die Definitionen solcher sequentieller Automaten sind entweder rein verbaler Natur oder sie verwenden logische bzw. mengentheoretische Grundbegriffe. In Hinblick auf die Auffassung von Automaten als mathematische Strukturen be steht der Wunsch nach einer exakten Fundierung der Grundlagen einer allge meinen Theorie. Dies ist ein Beitrag zu einer Darstellungstheorie auf alge braischer Grundlage, die der Methodik einer "allgemeinen Algebra" verwandt ist und auch der technischen Funktionsweise von Datenverarbeitungsanlagen Rechnung tragt. 2. ANFORDERUNGEN AN EIN MODELL FUR SEQUENTIELLE AurOMATEN Ein Modell zur Beschreibung der wesentlichsten Funktionen eines sequentiel len Automaten muS folgende Einrichtungen besitzen fUr die AusfUhrung von Transformat.ions-Prozessen mit Informationen. Erstens ist ein Speichermedium zur Speicherung von Ein- und Ausgabefolgen und Zwischenergebnissen erforderlich. Zur Beschreibung der prinzipiellen Arbeitsweise genugt es, linea re Speichermedien zu verwenden. Ein linearer Informationstrager kann gedacht werden als ein Band beliebiger Ausdehnung in einer Dimension, welches mit einer Feldeinteilung versehen ist (z.B. als Magnetband, Spur einer Magnetplatte oder Trammel). Jedes Feld tragt als Be legung ein Element eines geeigneten Informations-Alphabets. Zweitens sind zum ~ und Schreiben von Informationselementen aus bzw. in ein Feld Einrichtungen notwendig, welche die Verbindung zwischen Speicherme dium und Steuerteil eines solchen Modells herstellen. Man kann sich je Band einen i.a. kombinierten Lese- und Schreibkopf vorstellen, der einen Info~ mationsfluS in beiden Richtungen ermoglicht. Diese Kopfe sind versehen mit einer Vorschubeinrichtung zur Versetzung des Bandes um ein Feld. Drittens kann ein Steuerteil als eine Transitions-Struktur (Schaltwerk) an genommen werden, welche die Anderung innerer Zustande eines Automaten unter Einwirkung von Informationselementen (Eingabe-Zeichen, Zwischenwerte) bzw. mit einer Ausgabe von Informationselementen bewirkt.