Mark H. McCormack 110 Prozent MARK H. McCORMACK PROZENT SPITZENLEISTUNGEN AUS EIGENER KRAFT ~rtlnffurter ~19mrine ZEITUNG POR DEUTSCHLAND_ GABLER Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme MacCormack, Mark H.: 110 Prozent : Spitzenleistungen aus eigener Kraft / Mark H. McCormack. [Aus dem Eng!. iibers. von Ingrid Hy land]. - Wiesbaden : Gabler; Frankfurt am Main: Frank furter AUg. Zeitung, Ver!.-Bereich Wirtschaftsbiicher, 1992 Einheitssacht.: The 110 % solution <dt.> ISBN 978-3-322-89978-1 ISBN 978-3-322-84701-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-84701-0 NE: MacCormack, Mark H.: Hundertzehn Prozent Aus dem Englischen iibersetzt von Ingrid Hyland © Mark H. McCormack Enterprises 1990 Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1990 Die Originalausgabe ist erschienen bei Chapmans Publishers Ltd, 1990 © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main 1992 © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1992 Belichtung: FEMOSET, Wiesbaden Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Veri ages unzuHissig und stratbar. Das gilt insbe sondere flir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-322-89978-1 Einfuhrung Das 110%-Ideal Schon immer habe ich SportIer bewundert. Sie verkorpern ein Ideal, das viele von uns anstreben: im Leben alles zu geben, uns llOprozentig einzusetzen. Wenn Sie einmal beobachten, wie die Tennisspielerin Martina Navratilova ans Netz sttirmt, so erleben Sie pure Zielstrebigkeit, die so extrem ist, daB sie einem Schauer der Ehrfurcht iiber den Riicken jagt. Oder schauen Sie einmal genau hin, wenn der Golfer Greg Nor man sich darauf vorbereitet, einen Drive zu schlagen. Seine Konzentration ist dabei so intensiv, daB man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Oder denken Sie nur, wie Dennis Conner mit seinem Segelboot mit atemberaubender Geschwindigkeit und im Abstand von nur wenigen Zentimetern urn eine Boje halst; dieses Manover ist so prazise abgestimmt, daB man es fast korperlich fiihlen kann. Diese Menschen wissen, was es bedeutet, 110 Prozent zu geben, - erst das macht sie zum Champion. Natiirlich kann man nicht be streiten, daB sie auch das GlUck hatten, Fahigkeiten, Talente und Starken "in die Wiege gelegt" bekommen zu haben und Eigen schaften zu besitzen, mit denen sie sich von den meisten Men schen unterscheiden. Trotzdem gibt es eine groBe Zahl reaktions schneller Frauen mit einer guten Koordination ihrer Bewegungen, die eben keine Martina Navratilova sind, und eben so gibt es eine Menge sportlich-kraftvoller Manner, die kein Greg Norman oder Dennis Conner geworden sind. Talent allein reicht nicht aus. Dis ziplin, Konzentration und Entschlossenheit sind die Eigenschaften, durch die sich die GroBen gegeniiber anderen auszeichnen. 6 Eirifuhrung Diese Qualitaten kommen nicht von alleine tiber Nacht und lassen sich nicht auf schnellem Wege erreichen. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist allerdings, daB wir alle diese Ei genschaften entwickeln konnen, wenn wir die Geduld, den Willen und die Fiihigkeit zur realistischen Selbstkritik haben. Nicht nur im sportlichen Bereich kommt es darauf an, daB wir mit Verstand eine Strategie entwickeln und das Durchhaltevermogen besitzen, sie konsequent zu verfolgen. Dasselbe gilt fUr unsere per sonlichen Ziele. Jedoch gibt es bei all den Analogien zwischen der Welt des Sports und dem sogenannten Privatleben einen entschei denden Unterschied: In der Welt des Profisports gibt man entweder alles, oder man kann ebensogut zu Hause bleiben. Es gibt keine Alternative. In anderen Bereichen des Lebens jedoch gibt es Millionen von Menschen, die nie ins Schwitzen kommen, weder im wortlichen noch im tibertra genen Sinne, und es doch fertigbringen, ihre Nische zu finden und ihre Chance zu nutzen. Dies ist moglich, weil es keine objektive Norm gibt, an der sie sich messen konnen. Ihre Leistung wird nicht mit der Stoppuhr gemes sen, sondern mit vagen Aussagen wie: "Sally macht das ganz gut", oder: "Bob wird ein biBchen nachlassig". 1m Privatleben kann man es sich einmal erlauben, sich ein biBchen "hangenzulassen". Wenn sich jedoch der FuBballer des Jahres viele Fehlpasse lei stet oder der Golfer des Jahres immer mehr Schlage bis zum Einlochen braucht, dann ist es sofort offensichtlich, daB er nachliiBt. Wenn Joe Sowieso, der beste Rechtsanwalt oder Manager oder Rech nungspriifer in Irgendwo, allmahlich immer weniger gibt als das, was seiner Spitzenleistung entspricht, so werden es zunachst viel leicht nur einige seiner Kollegen merken. Es kann Jahrzehnte dau em, bis sein Ruf ruiniert ist. Wenn dieser erst einmal ruiniert ist, dann nattirlich fUr immer. Trotzdem entdecken die Menschen mit der Zeit, beispielsweise in Behorden, Amtern oder Schulen, daB sie sich alle, wenn sie es nur einigermaBen geschickt anstellen, durchwursteln konnen, ohne viel mehr als 50 Prozent des Moglichen aufzuwenden. Das 110%-ldeal 7 Investieren Sie 75 Prozent, und Sie werden mit ein biBchen Gltick gHinzend abschneiden. Es gibt gentigend Leerlauf im alltaglichen Leben, der Ihnen dieses Mehr an Engagement erlaubt. Es istjedoeh schon lange meine Uberzeugung, daB 50 oder 75 Pro zent einfaeh nicht gut genug sind. Es geht mir dabei nieht einmal urn den sogenannten "Erfolg". Ich meine das Glticklichsein. Naehdem ich 60 Lebensjahre auf dem Buckel habe, mehr als drei lahrzehnte lang mein eigenes Untemehmen gefUhrt und mit Men schen aus der ganzen Welt und aus vielen verschiedenen Lebens bereichen zu tun gehabt habe, erscheint mir diese Tatsaehe viel fach bestatigt: Die Menschen fUhlen sich am besten, wenn sie ihr Bestes geben. Mit hbchster Anstrengung kommt die h6chste Selbstachtung. Mit hbchster Konzentration kommt hbchstes Selbstvertrauen. Aus dem totalen Engagement erwachst Begeisterung. Vielleicht ist das sogar, genau betraehtet, der Grund, weshalb die Amerikaner so sportbesessen sind. Sie konnen den Femseher fast zu jeder Tages- oder Nachtstunde anschalten und sehen Manner und Frauen, die sich enorm anstrengen. Dieses Sehauspiel faszi niert Millionen, und viele identifizieren sich mit diesen Spitzensportlem. Es ist der Grundgedanke dieses Buehes, daB diese Faszination nicht nur den anderen tiberlassen zu werden, und sie auch nicht zu fiillig zu sein braueht. Wir aIle konnen die Faszination der llOprozentigen Anstrengung selbst erfahren. Wir aIle konnen spti ren, wie spannend und erftillend es ist, wenn man sein Ganzes gibt. Dazu sind nur Ubung, Disziplin und ein gewisses MaB an Wissen erforderlieh - sowie die Bereitschaft, tiber das hinauszugehen, was man fUr die eigenen personlichen Grenzen halt. Durch me in Verfeehten der 11O%-Losung provoziere ieh beim Le ser vielleicht die Frage, ob ich selbst in aller Aufrichtigkeit be- 8 Einfiihrung haupten kann, ich sei in meinem Leben diesem Ideal nahegekom men? Wie bei allen anderen kommt es auch bei mir vor, daB meine Aufmerksamkeit und meine Kraft einmal nachlassen. Wie aIle an deren erlebe ich Augenblicke der Sorge oder Miidigkeit, wenn ich trotz aller Bemiihungen in mir selbst nicht die Kraft fiir Spitzenlei stungen aufbringen kann. Hie und da unvollkommen zu sein, ist schlichtweg menschlich. Aber das bedeutet nicht, daB wir SHindig akzeptieren sollen, in unseren Leistungen immer unter dem zu blei ben, was wir eigentlich geben konnten. Wir sollten uns standig der Unterschiede zwischen 50-, 75- und llOprozentiger Anstrengung bewuBt sein. Dieses 50-75-110- Prozent-Raster HiBt sich auf fast jede Situation iibertragen. Ein Beispiel: Nehmen wir einmal an, es ware wichtig fOr Sie, den Direktor Ih rer Firma zu treffen. Die 50%-Losung ist der Gedanke, daB es nett ware, den Direk tor im Aufzug zu treffen. Die 75%-Losung besteht darin, sich auszudenken, was Sie sa gen mochten, wenn Sie den Direktor im Aufzug treffen. Die 11 O%-Losung besteht darin, zu planen, was Sie sagen wol len, und herauszufinden, wann der Direktor taglich den Aufzug benutzt. Konnen wir unsere Visionen in die Realitat umsetzen? Sind unsere Ideen durehfiihrbar? Auf diesem wiehtigen Gebiet glaube ich, von mir behaupten zu konnen, eine Menge Faehkenntnisse zu besitzen. Hierbei geht es mir nieht urn eine mogliehst positive Selbstdarstel lung. Vielmehr will ieh naehfolgend einiges von meiner personli chen Erfahrung weitergeben, weil ieh denke, Sie werden davon profitieren konnen. Vor etwa 30 Jahren verlieB ieh eine sichere und vielverspreehende Position bei Arter & Hadden, einem der fiihrenden Reehtsanwalts- Das J JO%-Jdea/ 9 buros in Ohio. Mit 500 Dollar Kapital griindete ich eine Firma, die Golfern helfen soUte, ihre geschaftlichen Angelegenheiten abzu wickeln. Das war der Grundstock, aus dem sich unsere Firmen gruppe, die International Management Group (IMG), entwickelte. Auch ich habe genugend Fehler begangen, aber wenn ich etwas Richtiges getan habe, so war es, von Anfang an in internationalen Dimensionen zu denken. IMG sah das Wachstum des Sports in der ganzen Welt voraus, und wir erkannten, daB wir, wenn wir diesem Wachstum gerecht werden woHten und unser Geschiift lebensfahig sein soUte, auf internationaler Ebene prasent sein muBten. Was das "Management" in unserem Firmennamen betrifft, so be ruht auch dies auf einer richtigen Vorahnung. Ich hatte den Ein druck, daB Spitzensportler immer mehr zu wichtigen Personlich keiten wurden. Daflir gab es drei Grunde: - Die zunehmende Freizeit, die den Menschen in vielen Teilen der Welt zur Verfugung steht; - der erstaunliche EinfluB des Fernsehens, das die sportlichen Spektakel in Millionen von W ohnzimmern bringt, und - die Moglichkeit, daB viele Unternehmen diese neuen Sportstars fur ihre Marketingstrategien anwerben wollen. Letzteres wiederum bedeutete, daB Profisportler hochqualifizierte Hilfe bei ihrer Karriereplanung und dem Management ihrer finan ziellen Angelegenheiten brauchen wurden. Damals, Mitte der sechziger Jahre, hatten Spitzensportler keine ei genen Agenten oder Interessenvertreter. Es gab ein paar Leute, die ihnen gelegentlich ein Investitionsgeschaft vermittelten, aber flir mich bedeutete der Begriff "Management" sehr viel mehr. Es bein haltete Vertragsverhandlungen, Steuerberatung, Investitionen, Ver sicherungen - und das aHes unter einem Dach. Ich glaubte felsenfest an die Vorteile dieses Konzepts. Zum Gluck gelang es mir, einen begabten jungen Golfer, Arnold Palmer, von den Vorteilen zu uberzeugen, und per Handschlag wurde er mein erster Klient. Ais nachstes war es selbstverstandlich, auch Kontak- 10 Einfiihrung te zu anderen vielversprechenden Spielern zu kntipfen. Der zweite und dritte Golfer, mit denen ich einen Vertrag abschloB, waren Jack Nicklaus und Gary Player. Einige Jahre spater fragten wir uns, ob dieses Konzept, das sich beim Golf als so erfolgreich erwiesen hatte, nicht auch beim Ten nis funktionieren konnte. Der Tennissport befand sich zu jener Zeit in einer schwierigen Obergangsphase. Seine "Macher" waren be strebt, dem weiBen Sport Zugang zu den Medien zu verschaffen. Wir hatten Gltick, das Vertrauen des Australiers Rod Laver zu ge winnen, und einige Jahre spater nahmen wir den damals 16jahrigen Schweden Bjorn Borg, der spater lange die Weltspitze dominierte, unter Vertrag. AuBerdem vertraten wir den damals besten Rennfah rer der Welt, Jackie Stewart, und den zu dieser Zeit weltbesten Ski fahrer, Jean-Claude Killy. Mit rasantem Tempo entwickelte sich IMG schlieBlich zu einem Unternehmen mit tiber einer Milliarde Dollar Umsatz, mehr als 1000 Mitarbeitern und Niederlassungen in 20 Liindern. Ich kann mit Stolz sagen, daB wir in unserem urspriinglichem Bereich - der Vertretung von Profisportlern - immer noch Branchenfiihrer sind, daB wir im Laufe der Jahrzehnte aber auch diversifiziert haben. So vertreten wir die Nobel Foundation. Wir haben an der kommerziel len Entwicklung von klassischen Ereignissen wie Wimbledon, dem British Open und dem Kentucky Derby teilgenommen. Unser TV Zweig, Trans World International, ist zur groBten unabhiingigen Produktions- und Vertriebsgesellschaft von Sportprogrammen ge worden. Doch nicht nur im Sport stehen wir an der Seite vieler Stars und Talente. Unsere Classical-Music-Division vertritt inter national anerkannte Ktinstler wie den Geiger Itzhak Perlman und die Sangerin Kiri Te Kanawa. Insgesamt gesehen ist die Entwicklung von IMG gliicklich verlau fen. Trotzdem haben auch wir unsere Rtickschlage erlebt und muB ten einige schwierige Lektionen lemen, und ich schame mich nicht, dariiber auf diesen Seiten zu berichten. Immerhin kann man schlecht sagen, was eine gute Idee kennzeichnet, wenn man nicht beschreiben kann, was eine schlechte Idee ausmacht. Das 11O%-Ideal 11 Ich habe erlebt, wie vielversprechende Fiihrungskrafte ein be stimmtes Niveau von Kompetenz und Verantwortung erreichten und dann zum Stillstand gekommen sind. Warum? Waren sie weniger intelligent oder besaBen sie geringere Fahigkeiten als die jenigen, von denen sie iiberfliigelt wurden? Nicht unbedingt. Ich habe Sportier mit wunderbaren Begabungen gesehen, die auf schmerzliche Weise nie ihr voIles Potential erreichten. Eine Trago die, die nicht nur nach finanziellen Kriterien beurteilt werden darf - vielmehr geht es hier urn die Verschwendung etlicher Zeit und Energie eines Lebens. Warum aber passiert das? Und wie kann man es verrneiden? Gut ist nicht gut genug! Inzwischen habe ich gelernt, daB es zwei Arten von Fehlern gibt: Fehler, die darauf beruhen, daB man sich zu sehr anstrengt, und Fehler, die daher riihren, daB man sich nicht geniigend Miihe gibt. Sie haben richtig gelesen, man kann auch Fehler machen, indem man sich zu sehr anstrengt. Durch Bemiihungen, die nicht in die richtige Richtung zielen. Das wird Ihnen jeder bestatigen konnen, der einmal eine Gefalligkeit getan hat, die kein biBchen honoriert wurde. Sicher sind auch Sie schon einmal in einer Verhandlung iiberrnaBig aggressiv aufgetreten. Ubereifer muB nicht immer loh nen, oft werden andere verprellt, haufig geht die Energie am Ob jekt einfach vorbei. Allerdings sollte man dabei bedenken: Fehler, die daher riihren, daB man sich zu stark anstrengt, sind FehIer, von denen man sich wieder erholt. Man profitiert sogar davon, wei I sie einen lehren, die Muskeln mit mehr Uberlegung anzuspannen, groBe Aktivitaten gezielt vorzunehmen und seine Energie konzentriert einzusetzen. Aus solchen Fehlern gewinnt man neue Erkenntnisse. Fehler, die auf ungeniigender Anstrengung beruhen, sind dagegen schlicht und einfach verpaBte Gelegenheiten. Man lernt nichts dar aus. Alles, was iibrig bleibt, ist der schale Nachgeschmack von