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Zur Lebenssituation von Körperbehinderten: Eine Erhebung in Berlin PDF

91 Pages·1962·4.395 MB·German
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ABHANDLUNGEN AUS DEM BUNDESGESUNDHEITSAMT HEFTS ZUR LEBENSSITUATION VON KORPERBEHINDERTEN EINE ERHEBUNG IN BERLIN VON DR. MED. P. V. LUNDT DIREKTOR UND PROFESSOR 1M BUNDESGESUNDHEITSAMT MIT 35 TABELLEN SPRINGER-VERLAG BERLIN· GOTTINGEN . HEIDELBERG 1962 ISBN-13: 978-3-540-02781-2 e-ISBN-13: 978-3-642-88746-8 DOl: 10.1007/978-3-642-88746-8 Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbebalten Ohne ausdriickliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervieifaltigen © by Springer-Verlag, OHG., Berlin/Gottingen/Heidelberg 1962 Library of Congress Catalog Card Number 62-18596 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dies em Buche berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Vorwort Der Plan der hier gesehiLderten Erhebung entstand im Zusammenhang mit Voral'heiten des Bundesgesundhffits'amtes zu del' in § 5 Aus. 2 Buchst. g des Korperbehindertengesetzes vom 27. 2.1957 (Bundesges'etzbl. I S. 147) bzw. § 125 Abs.2 Ziff.3 des Bundessozj,alhilfegesetzes vom 30.6.1961 (Bundesgesetzbl. I S. 815) gefordel'ten El'folgsstatistik del' Kol'pel'behindertenfiirsorge und aus zahl reichen Begegnungen mit Korpel1behinderten aUer Kategorien. Jahl'elange Aus einandersetzung mit del' oalbei erlebten Pl'oblemat1k l'ief den Wunsch hervol', anhand einer Stichprobe einen unmitteIharen Einblick in die Lebenssituation diesel' Mensehen zu gewinnen und die dabei gewonnenen Erfahrungen, soweit moglieh, fUr die gesundheitspflegerisehe und soziale Betreuung del' Korperbehin derten nutzihar zu machen. Wenn es gelungen sein soUte, einen bescheidenen Beitl'ag zu dem vielschicht~­ gen Fragenkomplex zu leisten, so danke ieh dies der verS'tandnisvoUen Unter stiitzung dureh die Senatsverwaltung fUr Arbeit und Soziales sowie die Sozial amter del' beteiMgten Bezirke in Berlin, VOl' aHem jedoeh del' Bereitwilligkeit der Probanden, von denen viele einen erhebliehen Teil ihrer Freizeit opferten, urn dem Befrager in zuweilen mehrstiindigen Gesprachen Rede und Antwort zu stehen. reh widme diese Arbeit meiner Frau. P. V. LUNDT Inhaltsverzeichnis Seite I. Einleitung II. Allgemeiner Teil 5 1. Das Erhebungsprogramm 5 2. Durchfiihrung des Erhebungsprogramms 7 3. Die Probanden . . . . . 9 a) Diagnostische Merkmale 9 b) Familienstand 11 c) Wohnverhiiltnisse . . . 11 d) Ausbildung und Berufstatigkeit 14 e) Einkommensverhiiltnisse 14 III. Spezieller Teil 19 1. Vorbemerkung 19 2. Das Initialerlebnis 20 3. Die Zwischenphase . 30 4. Die Integrationsphase 36 5. Die Lebenssituation der Probanden im Zeitpunkt der Befragung . 54 IV. Zusammenfassuug uud Schlutibemerkuug 78 V. Literatur . . . . . . . . . . 83 Anhaug: Der Erhebungs-Fragebogen . 86 I. Einleitung Kliniker UDid praktischer Arzt treten dem einzelnen Kranken am Kr,ankenbett gegenWher und finden hier ihre diagnostischen und therapeutischen Alufgaben; der Arbeitsbereich des 'Sozi,almediziners erstreckt sich auf den Gesundheits- oder Krankheits!Zustand von BevoLkerungsgruppen. Diese Bevolkerungsgruppen gren zen sich voneinand.er und von der Gesamtheit der Bevolkerung durch wero.selnde Merkmale aib. In einigen Fallen ist das Leben.sa,lter das entscheidende Kriterium, Wlie bei der Ges'Illldheitspflege fiir Sauglinge, Kleinkinder, Jugendliche und Greise, ein anderes Mal eine bestimmte LebeDisphase (Scb.uLkinder, Berufsschiiler), im dritten Fall ein bestimmter Korper- oder KrankheitBzustand (Schwangerscb:aIts-, Tu!berkulose-, Diabetikerfiirsorge usw.). In die letztgenannte Gruppe fallen die Korperoehinderten. Die Merkmale der dritten Gruppe unterscheiden sich von denen der beiden anderen. Die nach dem. Lebenswter oder nach einer Auslbildungsphase IlIUSge wahlten Bevolkerun~santeile haiben neben diesem die Einteilung bestimmenden Kriterium noch andere gemeinsam, namlich das korperliche sow.i.e geistig-seeUsche EntwicklungslStadium, die aus diesen sich ergebenden Reaktions- und Lebens weisen und deren Entwicklungstendenzen. In zivilisierten Limdem gehort jeder Mensch in bes'timmten Abscbnitten seines Lebens einer dieser Gruppen an; dem gegeniilier beziOOt die dritte Gruppe ihr Merkmal von einem besonderen Akzidens, das unabhiingig von Lebensalter und BiLdungsrweg das individuelle Dasein be einfluJlt. Diese Gruppe gOOt alIso Wher die vergleichsweise "natiirLichen" Ein teilungsprinzipien Dlach Lebensalter oder Bildungsweg hinweg. Gemeinsam ist allen drei Gruppen die Notwendigkeit besonderer gesundheitspflegerischer Ma.B naJunen, die sicb. aus alLgemeinen arztlich-h'llJIIlanitiiren uDid/oder aus gesundheits politischen Gesichtspunkten ergibt. Der Eintritt in die dritte Gruppe vollzieht sich nicb.t im Gefolge der normalen Entwicklung, sondem in Form eines mehr oder minder plOtzlichen, nicht selten dramatischen Ereignisses, sei es die A:ufdeckung einer 'fubeflkuiose, eines Dlwbetes mellitus oder - von atngeborenen Leiden dieser Art ,abgesehen - eine Verletzung, ein Unfall oder atndere Urs,achen, die eine Korperbehinderung verurs.achen. Die Korperhehinderung geht au.Berdem fast stets mit einer sichtbaren, oft erheblichen Veranderung der au.Beren Gestalt einher. Die begrifflichen und tatsachlichen Unterschiede sifid bier aus didaktischen Griinden ebwas scharfer herausgearbeitet, als sie sich im Alltag darstellen. Sie sind zu beachten, wenn matn als Arzt schlechthin wie auch yom Standpunkt der Gesl\lUdheitspflege Studienan Menschen dieser Gruppe unternimmt. Sofern matn tiber rein statistische El1hebungen hinausgehen will, kommen unausweichlich indi vitduelle Schicksa.le und VeI'lhaltensweisen ins Spiel, welche doie fibertr/l@hal'keit der atn einer Stichpmbe g6Wonnenen Resultate auf die Gesa;mtheit der Gruppe a priori fr,agwiil'dig machen. So konnen auch die im folgeDiden dargestellten Ergeb nisse einer Erhebung iiJber die Lebenssituation KorpeI1behinderter in Berlin 2 1. Einleitung (West) nicht den Anspruch el'hehen, in irgendeiner Weise "reprasent'ativ" zu sein. Dem steht zunachst die verhaltnismaBig kleine Zahl der Untersuchten ent gegen, dieallein BiIliS personellen Grunden nicht uberschritten werden konnte. Der Mangel 'an allgemeiner Gultigkeit uber den Kreis der Untersuchten hinaus hat noch einen tieferen Grund: Aus der Individualitat seelischer Reaktionsweisen ergibt sich die Einzigartigkeit jedes einzelnen Falles selbst innel'halb von Grup pen gleichen medizinischen Befundes. Wieweit es moglich ist, "spezifische" Ver haltensweisen oder "den" Typ des KorpeJ1behinderten herauszuaI'lbeiten, wird sich daran erweisen mussen (und kann somit nicM vorausgesetzt werden), ob e,s dieser Gruppe eigentumliche Reaktions- und Vel'haltensweisen gibt - mit anderen Worten: ob aus Einzelbeobachtungen fiir das Gesamtkollektiv giiltige Feststellun gen hergeleitet werden duden. Dieses Problem hat H. FICKERT [27] schon vor einem Jahrzehnt seinen Ausfiih rungen tiber die Soziologie der Versehrten vorangestellt, llldem er die Frage auf warf, "oib es ubel'haupt einen soziologisch* f,a13b.aren Typ des ,,scMveJ1beschadigten' gibt, ob eine korperliche .... EinbuBe fiir die Personlichkeitsstruktur des Be troffenen cine so starke pragende Kraft besitzt, daB hieraus, ungeachtet aller sonstigen individuellen Verschiedenheiten, ein geseUschaftlicher Typus und im Ganzen gesehen eine soziologische Gruppe .... hervorgehen kann". Dieses Problem ist nicht durch Untersuchungen uber den Reprasentationswert einer Sticlrpl'Obe zu lOsen, sondern miindet in die Grundfrage, ob im Bereich des Menschlichen, des Geistig-Seelischen Kollektivurteile moglich sind. Andererseits darf man sich nicht aus Furcht vor Verallgemeinerungen mit der Feststellung und Rubrizierung individueller Tatbestande und Sachverhalte begnugen. Dann nam lich bliebe eine reine Kasuistik ubrig, die aLs solche unanfechtbar sein mag, deren wissenschaftlicher Aus1sa.gewert aber nicht hoch zu veranschlagen ist, denn eines der Kennzeichen wissenschaftlicher Darstellung ist der Versuch,das Ge meinsrame von Einzelbeobachtungen herauszuarbeiten und daraus ein logisches Gedankengebaude zu errichten, dessen Anwendbarkeit bei der Deutung empiri scher Sachverhalte das wesentliche Kriterium fiir seinen Wahrheitsgehalt und damit fiir seinen w:issenschaftlichen Wert ist. Somit sah sich Verf. vor die Aufgabe gestellt, soweit moglich Gemeinsamkeiten des Denkens, F'iihlens und Verhaltens der hefmgten Individuen herauszufinden, die - gunstigenfalls - zu einer Typenreihe fuhl'en konnten. Die Bezeichnung " Typus" wird hier in enger Anlehnung an KRETSCHMER verwendet. Auf die er kenntnistheoretische und biologische Problematik, die mit den Worten Indivi duum, Typus und Begriff veI1bunden ist, kann hier nicht eingegangen werden. Arber im Hinblick auf diese Uberlegungen erscheint die Erreichung des Zieles als eine Utopie, das FURSTENHEIM [28] 1914 in der Terminologie dieser Zeit der "gemeinschaftspsychologischen Forschung" setzte, "nicht einen Kruppel, sondern den Kriippel als Grattungs- und Gesamtbegriff" zu erforschen. Ein wei teres Ziel der Erheibung war es, aus der Kenntnis der Lebensverha.lt nisse der Probanden Hinweise fijr die Praxis der gesundheits- und sozialpflege ris'chen Betreuung zu gewinnen. Die Untersuchungen wurden also unter sozial medizinischen Aspekten durchgefiihrt. Sie zielten nicht auf arztliche Fragen im * Vor mir gesperrt. I. Einleitung 3 engeren Sinn (Diagnostik und Behandlung), sondern auf die weehselseitigen Be ziehungen zwischen Prahand und Umwelt alb, soweit sie von der Tatsaehe der K5rperbehinderung beriihrt oder gar bestimmt werden. SchlieBlieh erscheinen einige Bemerkungen zur Nomenklatur angezeigt. Der Begriff "K5rperbehinderte" wurde nicht nur mit Riieksieht auf das K5rperbehin dertengesetz gewahlt; er soU auch aI'S Oberbegriff fUr die beiden Hauptgruppen "Kriegsbescha,digte" und "Zivilbesehadigte" dienen. Die altere Literatur, insbe sondere die Ver5ffen tlichungen aus der Zeit vor 1914 kennen den Begriff "K5r perhehinderte" nicht. In Ihnen dominiert die Bezeichnung "Kriippel". Hier mag entsehe1dend gewesen sein, daB bei der graBen Mehrzahl der Betroffenen die Ur sachen der Behinderung angeborene oder in friiher Kindheit erworbene Fehl bildungen Older Fehlfunktionen waren. Vielleieht haftete zu dieser Zeit dem Wort Kriippel noeh nicht jener veraehtliehe Unterton an, der heute im allgemeinen Sprachgebraueh und vor aHem fUr viele K5rperbehinderte untrennbar damit ver bunden ist, wie das folgende Ereignis beispielhaft zeigt: Ein Oberschenkelamputierter hiirte auf der StraLle hinter sich das Wort "Kriippel". Er drehte sich auf clem Absatz urn und schlug den "Beleidiger" (ipsissima verba) nieder. Wahrend des erst1en Weltkrieges scheint man sich de'S eigenartigen Doppelsinnes des Wortes bewuBt geworden zu sein. BIESALSKI [9], der Vater der "Kriippelfiir sorge", der sieh wiederholt fUr die Bezeiehnung "Kriippel" eingesetzt hatte, schuf unter dem Eindrucl( der Krieg,s'erfahrungen das Wort "Kriegskriippel" mit folgen der Begriindung: "Dureh die Wahl des Wortes "Kriippel" sollte zum Ausdruck ge bracht werden, daB er zu jener Klasse von Menschen geh5rt, die z,war eine Beein traehtigung ihrer Bewegungsfreiheit haben, aber nach den uralten Erfahrungen der Friedenskriippelfiirsorge unter allen Umstiinden ...... imstande sind, sieh ihr eigen Brot zu erwerben ...... Das Wort Kriippel bringt also zugleich mit * dem anseheinend niederdriiekenden (Namen die neue Botschaft, dafJ es kein Krilppeltum gibt, wenn der eiserne Wille vorhanden ist, es zu ilberwinden". Uns Heutigen will diese Begriindung nieht reeht einleuehten. BIESALSKI sah sieh aber 1915 bewogen, naeh anderen Bezeiehnungen zu suchen. Zwar betonte er selbst: "Die Behinderung im Gebraueh des Rumpfes und der GliedmaBen ist das Wesen des Kriippeltums, niehts weiter", aber einem im Umgamg mit K5rperhehinderten so erfahrenen Mann konnte nieht entgehen, daB fiir diese die Definition nieht im Einklang mit dem allgemeinen Bpraehgebrauch stand. So griff er, naehdem seine eigenen Bemiihungen urn einen nicht'S prajudizierenden und nicht diskriminieren den Ersatz des alten Wortes gescheitert waren, den von WALZ gepriigten Ausdruek "Kriegsbeschiidigte" auf, der zumindest fUr einen klar abgegrenzten Teil der "Kriippel" eine vergleiehsweise neutrale Bezeiehnung darstellte. Diese hat denn aueh Jahrzehnte iiberdauert, naehdem sie Bestandteil der Gesetzessprache ge worden war, und ist der Ausgangspunkt weiterer Wortbildungen wie "Sehwer beschiidigte", "Zivilbesehadigte" usw. geworden. Sie bleibt jedoeh unbefriedigend. Man mag auch das Best:l"Cben naeh EinfUhrung anderer Bezeiehnungen einen Kampf gegem Windmiihlenfliigel nennen - dem Spraehsinn naeh darf das Wort "hBschadi gen" nur auf S'acllen, aber nicht auf Individuen angewendet werden. Kann man nun schon nicht von einem "besehadigten Tier" sprechen, um wieviel weniger diirfte vom "beschadigten Mensehen" gesprochen werden! Da es sieh bei einem nicht ge- * 1m Original nicht gesperrt. 4 1. Einleitung ringen Teil der Zustande, die funktionell als Korperbehinderung erscheinen, nicht um VerIetzungs-, sondern um Krankheitsfolgen handelt (Tuberkulose, spinale Kinderlahmung), trifft der Ausdruck "Kriegs- oder Unfallverletzte" nur einen Teil des Sachverhalts. Darum diirfte - trotz einiger VOl"behalte - d~e Bezeich nung "Korperbehinderte" Bowohl der Mensch,enwiirde wie den sachlichen Anfor derungen noch ·am besten entsprechen. Sie ist auch dem AuBenstehenden ver standlich und geliilufig. Als Ausweg Hir eine weitere Aufgliooerong bieten sich die schon lange gebrauchlichen Ausdriicke "Kriegs- und Zivilversehrte" an. FUr die Erhebung, deren Ergebnisse im folgenden mitgeteilt werden, erwies sich eine gewisse Einengung des Begriffs "Korpel'behinderte" als notwendig. Aus der - spatel'hin bestati'gten - Annahme hemus, daB S'ichtbarikeit und Auffallig keit der Behinderung fUr dIllS Verihalten des Behinderten und der Umwelt eine Rolle spielen, wurden ausschlieB:lich Behinderte mit Gliedverlusten oder schrweren, dem Verllllst gleichkommenden Liihmungen herangezogen. Dieses Verfahren bot zudem den Vorteil, daB medizinisch-,diagnostische Schwierigkeiten daJbei nicht oder kwum auftreten. BUnde wul'lden nicht beriicksichtigt, da sie einer Sonder fiirsol'ge unterliegen, fiir die andere MaBstiiibe anzulegen sind. Die Betrachtung von Gruppen,die vers:chiedenen Wertrungen unterliegen, hiitte die Einheitlic1rkeit der Damtellung beeintriichtigt. Dies gilt Ibis zu einem gewissen GrBld auch fUr die Hirnverletzten, doch war hier fiir die Ausschaltung aus' dem Erhrebungsprogramm die 'Oiberlegung entscheiden,d, daB bei ,diesen hiiufig verletzungsbedingte psychi sche Storungen vorliegen, die einen Vergleich mit Korpel"behinderten im engeren S'inne nicht zulassen. Entsprechendes gilt fUr die Spastiker. Die El'hebung erstreckte sich in erster Linie auf Menschen, bei denen die Be hinderung erst im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter eingetreten war. Nur bei einem Viertel der Prooanden fiel dieses 'Ereignis in das 1. Lebensjahrzehnt. Diese Ausrwahl griindete sich auf das Bestreben, von ,den Befragten ein moglichst deut liches BUd ihrer Erfahrungen und Erlebni,sse unmittelbar nach der Verletzung oder Erkrankung zu erhalten; denn es war anzunehmen, daB dieser Zeitraum hesondere Belastungen und Gefahl'ldungen mit sich bringt, deren Kenntnis fiir ·die Praxisder Korpel'lbehindertenbetreuung nicht ohne Wertsein diirfte. Der andere Teil der Probanden solIte - falls moglich - als eine Art GegenbeispieI dienen, insbesondere die Bedeutung des Altersfaktol's beim Eintritt der Korperbehinde rung fUr das Verhalten der Betroffenen belegen. II. Allgemeiner T eil 1. Das Erhebungsprogramm Ziele der Erhebung waren cine moglichst objektive Erfassung der gesundheit lichen, sozialen, familiaren und beruflichen Verhaltnis,se von Korperbehinderten beiderlei Geschlechts und verschiedener Altersgruppen sowie ein Einblick in die seelische Einstellung der Probanden zu sich sellbst, ihrer Behinderung und zu ihrer Umwelt. Dieses Vorhaben war nur durchfiihrbar, wenn der Untersucher sich s-elos't einen Eindruck von der Personlichkeit der Behinderten sowie vonderen Umwelt verschaffte. Deshalb erschien die Befragung del' Probanden in ihrer ge wohnlichen privaten Umwelt, d. h. in ihrer Wohnung und innerhalb ihrer F,amilie alsdas zweckmaBigste Verfahren. Dies setzte die freiwillige, 3iktive Mitwirkung der Proibanden voraus. Allein dersha;lb muBte sich die Erhebung in a11ererster Linie auf Erwachsene und altere Jugendliche erstrecken; Geistesslchwache und Geistesikranke sowie Menschen mit organischen Hirnschaden konnten nicht in die Erhebung einbezogen werden (s. 0.). Manner und Frauen sollten in gleicher Zahl und gleicher Verteilung auf Alters und Di,agnosengruppen 'beriicksichtigt weDden, weil die speziellen Probleme der korpeDbehinderten Fr,auen bisher - soweit die Literatur zuganglieh war - in Deutschland noeh wenig gewiirdigt und bearbeitet zu sein scheinen. Leider war diese GleichmaBigkeit der Diagnosenverteilung schon deshalb nicht erreichhar, weil -angesichts der aJbsoluten Freiwilligkeit der Beteiligung - die urspriingliche Planung durch Absagen erheblich modifiziert wurde, zumal es nicht immer gelang, fUr einen Absagenden einen Probanden gleichen Alters und Geschlechts' und mit der gleichen Diagnose Zll gewinnen. Hier wirkt sieh aueh die 'I1ats,ache aus, daB dem Heerder kriegsverletzten Manner erfreulicherweise kein Kollektiv vergleich barer GroBe ibei den Frauen gegeniibersteht. Mit Riicksicht auf das Prinzip der personlichen Befragung, das streng einge halten wurde, war von Beginn an mit einem ziemlich hohen Zeitaufwand fUr die Erfassung, Befragung und Beurteilung jedes einzelnen Behinderten zu rechnen. Das erzwang eine Beschrankung hinsichtlich der Zruhl der Probanden. Urspriing lich sol1te sich die Erhebungauf 100 Manner und 100 Frauen erstrecken. Die Hindernisse, die sich der praktisehen DurehfUhrung entgegenstellten, lieBen je doch den anfangs gehegten Optimismus in eine realistischere Beurteilung der Ziele und Moglichkeiten umschlagen, die eine Beschrankung auf je 50 Probanden beider Geschlechter erz,wang. Es ware sonst nicht moglich gewesen, die Erhebung in einer zumutbaren Zeitspanne a:hzuwickeln. Die raumliche Ausdehnung von West-Berlin (15705 ha heh3iute Flache) lieB es im Interesse der unerlaBlichen Zeitersparnis geraten erseheinen, die Probanden nicht nach dem Grundsatz der gleichmaBigen Verteilung iiber das gesamte Wohn gehiet au szusuchen , sondern Schwerpunkte der Erheibung in bestimmten Stadt teilen zu bilden. Damit wurde allerdings angesiehts der groBen Unterschiede der 6 II. Allgemeiner Teil Bezirke West-Berlins hinsichtlich Einwohner2iahl, Bev01kerungs- und Bebauungs dichte -Bowie sozialer Schichtung die Ge£ahr einer unfreiwilligen Auslese herBiuf beschworen. Urn dem soweit wie moglich zu begegnen, wurden auf Amaten der Senatsverwaltung fiir AI'Ibeit und Soziales 4 Verwaltungsbezirke ausgewahlt, die in ihrer Gesamtheit hinsichtlich Einwohnerzahl und Anteil an der Siedlungs flache dem Durchschnitt aller Bezirke weitgehend entsprechen, allerdings· eine wes·entliche hohere Siedlungsdichte aufweisen. Die Bezirke werden im folgenden mit A, B, C und D bezeichnet. Die nachstehende TaJbelle 1 gibt einige bevOlke rungsstatistische Daten dieser Bezirke aus dem J a:hre 1958: Tabelle 1 Einwohnerzahl Siedlungsfliiche BevOlkerung Bezirk i. Tsd. abs. 0/0 auf 1 ha bebaute Fliiche A 198,8 931 3,8 325,3 B 282,3 2079 8,6 241,4 C 183,1 2529 10,4 95,6 D 97,6 3079 12,8 49,7 Durchsclmitt A, B, C, D 190,4 2125 8,9 178,0 Durchschnitt aller Bezirke 185,5 201O 9,3 92,2 West-Berlins West-Berlin 2226,0 24119 100,0 141,5 Quelle: Statist. Jahrb. Berlin 1959. Zur Charakterisierung dieser Bezirke ist noch folgendes hinZlUZufiigen: Die Bezirke A und B wel1den vorwiegend von finanzschwacheren BevOlkerungs s'chichten bewohnt. Rein optisch sind sie charakter1siert durch das Vorherrschen der Mietskasernen aus der Zeit der J ahl'hundertwende, bei denen der Mangel an Komfort in eklatantem Gegensatz zum protzigen Stilgemisch der Fassaden steht. Dazwischen sind zahlreiche Industriegrundstiicke eingestreut. Die Angaben iiber die Bevolkerungsdichte weisen auf die erhebliche Pferchung hin. 1m Gegen satz zu A verliert sich der Bezirk B nach dern Sta.dtl1and hin in Wohngebiete mit stark aufgelockerter Behamung, LlIlubenkolonien und modernen Stadtrandsiedlun gen. Der Booirk C enthiilt ausgedehnte Villenbezirke, bietet jedoch in seinen zentl1al gelegenen Anteilen das charakteristische Bild einer modernen GroBsta,dt. 1m Bezirk D herrscht die stark aufgelockerte Behauung - sei es in Form von modernen Reihenhausern, sei es in Fol'ID von Villen - vor. Er bildete von Be ginn seiner Bebauung an eines der "vornehmen Villenviertel" von Berlin und er streckt sich in die Randgebiete des groBten im Stadtbereich gelegenen Waldbe zirks. Er weist nur in einem Randstreifen groBere Industriewerke auf. Der Prozentsatz der von Kriegs,schiilden hetroffenen "Normalwohngebaude" be trug Dach der Wohnungsziilhlung von 1950 im Bezirk A 78,5 0/0, im Bezirk B 69,3 0/0, im Bezirk C 77,0 0/0, im Bezirk D 58,20/0, in allen 4 Bezirken zusammen 70,4 Ofo und in ganz West-iBerlin 68,7 Ofo (Stat. Jahrb. Berlin 1952, S.142).

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