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Wandlungen der Kindheit: Theoretische Überlegungen zum Strukturwandel der Kindheit heute PDF

209 Pages·1992·10.105 MB·German
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Wandlungen der Kindheit Reihe Kindheitsforschung Im Auftrag des Zentrums für Kindheits- und Jugendforschung der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld herausgegeben von Wolfgang Melzer Georg Neubauer Uwe Sander Ingrid Volkmer Band 1 Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung (Hrsg.) Wandlungen der Kindheit Theoretische Überlegungen zum Strukturwandel der Kindheit heute + Leske Budrich, Opladen 1993 ISBN 978-3-322-97260-6 ISBN 978-3-322-97259-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97259-0 © 1993 by Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung au ßerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmungdes Verlags unzu lässig und strafbar. Das gilt insbesondere rur Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil mungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Vorwort zur Buchreihe Dieses ist der erste Band einer neuen Buchreihe zur "Kindheitsforschung" , die das "Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung" der Universität Bielefeld herausgibt Die in dieser Institution zusammengeschlossenen Pädagogen, Soziologen und Psychologen haben sich seit 1985 in dem damals gegründeten "For schungsschwerpunkt Jugendforschung" um interdisziplinär und sozialökolo gisch angelegte Analysen der Jugendphase bemüht. Es ging vornehmlich darum, Aspekte der Entwicklung junger Menschen, Problemlagen und Kon fliktbereiche zu untersuchen. In den Fragestellungen werden sowohl soziale, kulturelle, institutionelle und ökonomische Bedingungskonstellationen als auch subjektive Interpretationsmuster und Selbstzeugnisse Heranwachsender behandelt. Die Forschungen, die z.T. über eine rein wissenschaftliche Analyse hinausweisen und pädagogisch-praktische bzw. sozialpolitische Konsequenzen einbeziehen, wurden u.a. in einer Buchreihe "Jugendforschung" der Fachöf fentlichkeit präsentiert. In den einzelnen Projekten, bei den organisierten internationalen Tagungen oder auch anläßlich gemeinsamer theorieproduktiver Ambitionen, z.B. zur "Individualisierung von Jugend" wurde immer wieder die Frage der zeitlichen Limitierung von Jugend angesprochen. Trotz zahlreicher Versuche, die offensichtlich zwischen den drei Lebensphasen Kindheit - Jugend - Erwach sensein bestehenden Unterschiede theoretisch und empirisch abzusichern, z.B. durch bio-physische (Pubertät), juristische (Volljährigkeit, Rechtsmündigkeit), soziologische (Übernahme der Elternrolle) oder entwicklungspsychologische Kriterien (Erreichen von "Altersnormen", Lösung von "Entwicklungsauf gaben"), fehlt der Jugendforschung in dieser Frage bis heute ein paradigmati sches Konzept. Im Gegenteil, die Konturen der Jugendphase sind im Zuge gesellschaftlicher Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse sowohl gegenüber dem Erwachsenenstatus als auch der Kindheitsphase undeutlicher geworden. Es besteht eine zeitliche Ausdehnung in beide Richtungen, durch eine Vorverlagerung bestimmter Lebenslaufstationen (z.B. Verselbständi gungsprozesse, biophysische Entwicklung) und eine Verzögerung anderer (z.B. Schulabschluß, Berufseintritt. Familiengründung). Dieses Hinüberchan gieren von der Kindheits- in die Jugendphase ist eines der Motive, dem Gesamtkonzept des Aufwachsens in unserer Gesellschaft bei jüngeren und 5 älteren Heranwachsenden Aufmerksamkeit zu widmen. Institutionell wurde dem 1990 durch eine Umbenennung des Forschungs schwerpunktes in "Zentrum für Kindheits-und Jugendforschung" entsprochen. Das Zentrum bietet ca. 25 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein selbstorganisiertes Arbeits-, Diskussions-und Publikationsforum sozialwissen schaftlicher, pädagogischer und psychologischer Aspekte des Aufwachsens und ist nach der Idee universitärer Institute aufgebaut, um der gemeinsamen Arbeit organisatorische Kontinuität zu geben. Geblieben ist jedoch die ur sprüngliche und effektive Arbeitsform einer kollegialen und gleichberechtig ten Zusammenarbeit aller Mitglieder. Turnusmäßig wird ein dreiköpfiger Zentrumsvorstand gewählt, der nach außen hin als Ansprechpartner fungiert. "Jugend" drängt sich wegen ihrer präfigurativen, also die Gesamtgesell schaft mitgestaltenden Rolle und auch weil sie häufig durch Problemgruppen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt wird, als Forschungsgegenstand auf und kann durch zahlreiche wissenschaftliche Diskurse bereits als etabliert gelten, während sich "Kindheit" eher stiller vollzieht, und dementsprechend die wissenschaftliche Kindheitsforschung noch am Anfang steht. Ein weiterer Grund hierfür liegt möglicherweise darin, daß bestimmte, in der Jugendfor schung bewährte Verfahren - z.B. Interviews, schriftliche Befragungen, Einstellungsuntersuchungen -alters-und entwicklungsbedingt für Kinder noch nicht in Frage kommen und somit auf diesem Gebiet methodische Unsicher heiten vorherrschend sind. In wissenschaftlicher und sozial-politischer Perspektive sind Forschungs anstrengungen aber dringend notwendig, um die Folgen der sich verändernden Kindheit, etwa durch den Wandel der Familienstruktur und der elterlichen Rollenverteilung, die Marginalisierung kindlicher Lebens- und Erfahrungs räume, die Pluralisierung der Maßstäbe moralischen, ästhetischen und kom munikativen Handelns, das Anwachsen der Partizipationswünsche etc., ab schätzen und Präventions-bzw. Interventionskonzepte entwickeln zu können. Mit der neuen Buchreihe wurde für derartige Diskurse über Kindheit ein interdisziplinäres Forum eingerichtet, zu dem hiermit auch ausdrücklich Kolleginnen und Kollegen anderer Universitäten bzw. wissenschaftsorientier ter Institutionen im Kindheitsbereich eingeladen werden. 6 Die beiden ersten Bände der Reihe sind folgenden Fragen gewidmet, zum einen welche Tragfahigkeit das Individualisierungskonzept für die Kindheits forschung besitzt, - hierzu gibt unsere kollektive Produktion von "Wandlun gen der Kindheit" erste Antworten - zum anderen, einem eher pädagogischen und sozialpolitischen Thema. dem der "Gefährdungen von Kindern", bei dem es im wesentlichen um eine Aufarbeitung neuer Forschungsergebnisse für die präventive Arbeit zur Vermeidung und Minderung von Gefährdungen im Kindesalter geht. Bielefeld, im Juli 1992 Die Herausgeber der Buchreihe "Kindheitsforschung": Wolfg ang Melzer, Georg Neubauer, Uwe Sander, Ingrid Volkmer 7 Inhaltsverzeichnis Zur Konzeption und zum Aufbau des Buches 11 Heinz Sünker 15 Kindheit zwischen Individualisierung und Institutio nalisierung Dieter Timmermann/Wolfgang Melzer 32 Wandel von Kindheit und öffentliche Erziehung. (Selbst-)Kritische Reflexionen über Ansätze der Kindheitsforschung Man/red H olodynski 49 Individualisierung im Vorschulalter. Vom autoritären zum konsensuellen Modus der Motivkoordinierung Klaus Hurrelmann/Jürgen Mansei 77 Individualisierung in der Freizeit? Uwe Sander/Ralf Vollbrecht 94 Kinderkultur in individualisierten Gesellschaften 9 Klaus Peter Treumann/lngrid Volkmer 115 Die Toncassette im kindlichen Medienalltag. Rekonstruktionsversuche parzellierter Lebens räume durch Medien Georg Neubauer/lnge Emmerich/Dirk Achterwinter 163 Gefährdungslagen in 'verinselten' Lebensräumen: Sexueller Mißbrauch Wilfried Ferchhoff 182 Kindheit und Sport Literaturverzeichnis 199 10 Zur Konzeption und zum Aufbau des Buches Im Vordergrund dieses Buches steht die Frage, inwieweit ein konstatierter Wandel der Gesellschaft einen Wandel von "Kindheit" hervorgebracht hat bzw. inwieweit konstatierte Wandlungsprozesse kindlicher Alltagswelten auf Wandlungen in der Gesellschaft zurückgeführt werden können. Die Autoren beziehen sich bei der Herangehensweise an diese Fragestel lung auf das Individualisierungstheorem und diskutieren Aspekte der Kindheit im Zusammenhang mit der These, daß der sozioökonomische Wandel eine Pluralisierung von Wertorientierungen und Lebensstilen hervorgebracht hat, die das Individuum nun jenseits von tradierten Lebensmustern für sich frucht bar und individuell bearbeiten kann und muß. Mit Hilfe dieses Theorems, und das macht auch seine Faszination aus, lassen sich sowohl gesellschaftstheoretische Diskurse über "Kindheit(en)" führen als auch sozialisations- und identitätstheoretische Fragestellungen bearbeiten. Das Theorem verknüpft somit gesellschaftliche Veränderungen und strukturell vorgegebene Verhaltensanforderungen mit subjektiven Sicht weisen und eigenständigen Lebensplänen. Diese Herangehensweise erscheint zuerst auf die Kindheitsforschung nicht übertragbar, da gerade Kinder in ihrer Handlungsautonomie sehr stark von der Außenwelt eingeschränkt zu sein scheinen und ihnen eine eigene Hand Iungskompetenz und erst recht keine vollständige Ich-Identität zugeschrieben wird. Demgegenüber sensibilisiert die Debatte um die aktuellen Strukturver änderungen, daß voraussichtlich die gesellschaftlichen Veränderungen den Zwang zur Fähigkeit auch im Kindesalter erhöht haben und Kinder nötigen, sich zunehmd eigenständig mit der inneren und äußeren Realität auseinander zusetzen, um das eigene Leben zu bewältigen. Die ersten vier Beiträge beschäftigen sich nun damit, inwieweit indivi dualisierungstheoretische Analysen zu einer angemessenen Gegenwartsdiagno se von "Kindheit(en)" führen. Heinz Sünker arbeitet die sozialen Figurationen von Bestimmungsgrößen und Bedingungsfaktoren des heutigen Kinder-Lebens heraus und stellt sich der Frage nach Möglichkeiten und Grenzen kindlicher Subjektivität und Sub jekthaftigkeit. Gesellschaftliche Entwicklungen, die speziell mit den Katego rien 'Individualisierung' und 'Institutionalisierung' benannt werden können, bilden dabei einen Hintergrund für das, was sich als Pluralisierung von Kinder-Leben in den Dimensionen einer sozialen, kulturellen und materiellen Analyse darstellen läßt. 11

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