GRUNDRISSE ZUM ALTEN TESTAMENT A.H.J.G unneweg VomV erstehen desA ltenT estaments EineH ermeneutik ATD Ergänzungsreihe 5 Vandenhoeck& Ruprechti n Göttingen Mit welchem Recht gehört das Alte Testament in den christlichen Kanon? Diese Frage ist von der alten Kirche bis in unser Jahr hundert immer wieder gestellt worden . An ihrer Beantwortung entscheidet sich das Gesamtverständnis des Alten Testaments; sie berührt aber auch alle anderen theologischen Fragen, wenn die Schrift als ganze die Grundlage christlichen Lebens, Fundament der Kirche und Medium von Gottes Offenbarung ist. Der Verfasser läßt den Leser nicht nur historisch miterleben, wie das Alte Testament von den Anfängen der Kirche bis heute - oft sehr gegensätzlich-verstanden worden ist, sondern er orientiert seine Darstellung vor allem an den theologischen Hauptpro blemen: Ist das Alte Testament „Gesetz", ist es Dokument einer Fremdreligion oder Buch einer Geschichte auf Christus hin? Es ergibt sich, daß bei diesem Bemühen das Alte Testament wieder deutlicher als ein Buch hervortritt, das die christliche Kirche mit Recht in Unterricht und Verkündigung verwendet. Insbesondere diesen Aspekt: das Alte Testament als Text für christliche Pre digt hat der Verfasser, der selber lange Zeit Pfarrer war, ständig im Blick. Grundrisse zum Alten Testament Das Alte Testament Deutsch · Ergänzungsreihe Herausgegeben von Walter Beyerlin Band5 Vom Verstehen des Alten Testaments Eine Hermeneutik Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen Vom Verstehen des Alten Testaments Eine Hermeneutik von A. H. J.G unneweg Zweite, durchgesehene und ergänzte Auflage Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen Meinen Täuflingenu nd Patenkindern Claus und Jochen Gasteyer, Sixta Sehmithals sei dies Buch gewidmet CIP-Tiulaufn,,hme der O..utschen Bibliothek Gunneweg, Antonius H. J.: Vom Verstehen des Alten Testaments : e. Her meneutik/ von A. H. J.Gunneweg. - 2., durch ges. u. erg. Aufl. - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht, 1988 (Grundrisse zum Alten Testament; Bd. 5) ISBN3 -525-51660-6 NE:GT 2. Auflage 1988 C Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 19n. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Ver lages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen. Inhalt 1. Kapitel: Das Alte Testament als hermeneutisches Problem . 7 II. Kapitel: Das Alte Testament als Erbe . 13 1. Der Kanon der Väter . . . . . . . . . 13 2. Die Haltung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Das Alte Testament in den nachösterlichen Gemeinden. . . . . . . 19 4. Der Bruch mit der jüdischen Vergangenheit. 21 5. Verheißung, Weissagung, Typos . 23 6. Die Allegorese . . . . . . . . . 32 7. Das „Alte Testament" . . . . . . . 35 8. Die Einheit von Alt und Neu . . . 37 9. Die dogmatische Verdrängung des Problems . . 39 III. Kapitel: Das Alte Testament im Licht der Reformation und im Feuer der historischen Kritik. . . . . . . . . . . . . 42 1. Die sakramentale Vergegenwärtigung . . . 42 2. Die Wiederentdeckung der Schrift . . . . . . . . 44 3. Luther und das Alte Testament . . . . . . . . . . 46 4. Dogmatisches System und kirchliche Restauration 52 5. Das Inspirationsdogma und die Vorherrschaft der Dogmatik 56 6. Die Anfänge der Geschichtstheologie . . . . . . 58 7. Die philologische und historische Wissenschaft . . . . . . . . 60 8. Die Infragestellung der „biblischen Geschichte" . . . . . . . 70 9. Versuche einer neuen „T heologie" des Alten Testaments 74 10. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 82 IV. Kapitel: Das Alte Testament als Gesetz und Bundesurkunde . 85 1. Kanon und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Das Alte Testament als Gesetz und Grundordnung der Kirche . . 92 3. Die Ablehnung des „Judengesetzes" . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Das „prophetische" Kanonverständnis und die RelativierungdesGesetzcs 104 5. Gesetz und Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 6. Die Ambivalenz und Mehrdeutigkeit des Gesetzes . . . . . . 110 V. Kapitel: Das Alte Testament als Dokument einer Fremdreligion. 121 1. Entdeckung und Betonung der religiösen Fremdheit . . . . . 121 2. Abwertung und Verwerfung des Alten Testaments . . . . . . 126 3. Fremdheit als Ärgernis und „Zuchtmeister" 131 4. Kritik der Kritik am Alten Testament . . . 134 5. Die Frage nach dem wahren Wesen Israels 140 6 Inhalt VI. Kapitel: Das Alte Testament als Geschichtsbuch . 146 1. Göttliche und menschliche Heilsökonomie . . . 146 2. Heilsgeschichte, Verheißungsgeschichte, Typologie 150 3. Geschichtsprozeß und Offenbarung . . . . . . . . 159 4. Geschichte und Wort: Kritik der Heilsgeschichte . 164 5. Kritik des Weissagungsbeweises und der Typologie. 175 6. Die Strukturanalogie der Testamente 178 7. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . 180 VII. Kapitel: Das Alte Testament als Teil des christlichen Kanons. 183 1. Das Neue Testament als Kriterium der kanonischen Geltung des Alten 183 2. Schrift, Sprache, Monotheismus . . . . 187 3. Die Sprache der Christusverkündigung . 195 Abkürzungsverzeichnis 199 Literaturverzeichnis . . 201 Register . . . . . . 214 Sachregister . . 214 Personenregister 217 Bibelstellenregister 220 Nachwort zur zweiten Auflage 224 1. KAPITEL Vorbemerkungen: Das Alte Testament als hermeneutisches Problem Der Begriff der Hermeneutik ist schillernd. Er hat mit dem Verstehen, dem Verständnis, dem nicht oder wohl Verstandenen zu tun, ist aber selbst nicht so eindeutig definiert, daß Mißverständnisse ausgeschlossen wären. Dieser Umstand macht es erforderlich, vorab zu erklären, in welchem Sinne hier von Hermeneutik und hermeneutisch die Rede sein soll. Dieser Band will keine Hermeneutik im Sinne Friedrich Schleiermachers und Wilhelm Diltheys als Kunstlehre des Verstehens des Alten Testaments bieten. Für eine Einführung in die Methodik der Exegese kann hier verwiesen werden auf die im Literatur verzeichnis aufgeführten Arbeiten von Otto Kaiser u. a., Hermann Barth - Odil Hannes Steck, Georg Fohrer u.a., Wolfgang Richter und Klaus Koch. Auch eine Theologie des Aken Testaments ist nicht beabsichtigt; sie ist einem anderen Band in dieser Reihe vorbehalten. Ebensowenig soll eine vollständige Geschichte der Rezeption des Alten Testaments in der Kirche geschrieben wer den, wie sie in dem großen, immer noch unentbehrlichen, aber leider in man chen Hinsichten überholten Werk von Ludwig Diestel und dem lediglich die Zeit seit der Reformation berücksichtigenden Buch von Emil G.Kraeling entfaltet wird. Für eine Geschichte der biblischen Theologie schließlich kann auf das einschlägige Werk von Hans-Joachim Kraus verwiesen werden. Die hier gestellte Aufgabe ist anderer Art: Es sollen die verschiedenen, auch widersprüchlichen Möglichkeiten, das Alte Testament als Teil des christ lichen Kanons zu verstehen - oder auch es zu verwerfen -, dargestellt und kritisch gewürdigt werden. [)iese Aufgabe ist eine hermeneutische, weil sie sich um ein Gesamtver ständnis des Alten Testaments und dessen Voraussetzungen bemüht. Sie ist eine theologische, weil jede Theologie des Alten Testaments und alle Theolo gie überhaupt implizit oder explizit von bestimmten Verstehensvoraus setzungen und einem bestimmten Gesamtverständnis des Kanons Alten und Neuen Testaments und des Verhältnisses der beiden Testamente zueinander ausgeht. Ja, es ist keine Übertreibung, wenn man das hermeneutische Problem des Alten Testaments nicht bloß als ein, sondern als das Problem christlicher Theologie betrachtet, von dessen Lösung so oder so alle anderen theologischen Fragen berührt werden. Ist Auslegung der Heiligen Schrift wesentliche Auf gabe der Theologie und gilt die Schrift als Grundlage christlichen Lebens, Fundament der Kirche und Medium von Offenbarung, so ist die Frage, ob und warum die Sammlung israelitisch-jüdischer Schriften, die im Bereich 8 Das Alte Testament als hermeneutisches Problem der christlichen Kirche als Altes Testament bezeichnet wird, Teil und gar der umfangreichste Bestandteil des Schriftenkanons sei und welche theologische Bedeutung ihm zukomme, von fundamentaler theologischer Relevanz. Sie betrifft ja den Umfang und damit zugleich auch qualitativ den Inhalt dessen, was als christlich zu gelten hat. Eine fundamentalere Frage läßt sich im Bereich der Theologie nicht stellen; ihre Beantwortung bestimmt selbst den Bereich, in welchem Theologie sich zu vollziehen ha.t! Die hier gestellte hermeneutische und theologische Aufgabe ist freilich auch eine historische: Die verschiedenen und teilweise widersprüchlichen Möglichkeiten, das Alte Testament als Teil des Kanons zu verstehen oder auch ihm als nicht-christlich die Anerkennung zu verweigern, finden ihren Niederschlag nicht erst heute in unterschiedlichen theologischen Entwürfen, sondern sind selbst in einer langen Geschichte historisch gewachsen. Manche kehren im laufe der Geschichte in mehr oder weniger stark verwandelter Gestalt und auf anderer Reflexionsstufe wieder. Andere verschärfen sich oder tauchen neu auf als Folge der von der Reformation und insbesondere der historisch-kritischen Wissenschaft verwandelten Geisteslage und Fragehin sichten. So kann eine Darstellung und Würdigung der verschiedenen Ver stehensmöglichkeiten des Alten Testaments, wenn sie nicht völlig abstrakt theologisch bleiben soll, nicht umhin, die Geschichte zu berücksichtigen. Dies nötigt freilich noch nicht zu einer rein chronologischen Darstellungs weise und zu einer Konzeption, welche derjenigen von L. Dies tel oder E. G. Kraeling ähnlich wäre; beide wollen ja die verschiedenen hermeneutischen Ansätze und Entwürfe in chronologischer Reihenfolge schildern. Für die hier zu bewältigende Aufgabe empfiehlt sich viel eher eine problemorientierte Verfahrensweise, welche die diachronen und synchronen Aspekte, also die historischen Entwicklungen ebenso wie die sich der Sache nach gleichblei benden Fragen und Antworten gleichermaßen zu berücksichtigen bestrebt ist. Dies empfiehlt sich einmal deshalb, weil in einer Einführung in die herme neutische Problematik ohnehin keine Vollständigkeit der Problemschattierun gen in ihrer langen Geschichte und der um Lösungen bemühten Personen in ihrer Vielfältigkeit angestrebt werden soll - dazu sei auf Diestel, Kraeling und Kraus verwiesen -, und zum anderen aus sachbezogenen Gründen, weil des öfteren unterschiedliche und einander widersprechende, ja bestreitende hermeneutische Ansätze - man denke nur an die polemische Ablehnung des Alten Testaments durch Marcion oder an den theologischen Pluralismus der Gegenwart! - gleichzeitig auftreten können. Auch der Umstand, daß manche Fragestellungen und Konzeptionen, wenn auch mit gewissen Modifikationen, sich in der Geschichte wiederholen, legt ein Verfahren, das mehr systematisch als chronologisch ist, nahe. Das Wiederauftauchen gleicher oder doch vergleichbarer Probleme und Lösungen zeigt deutlich, daß das hermeneutische Problem des Alten Testa ments mit seinen vielfältigen Aspekten nicht zuerst durch die Zufälligkeiten der Geschichte oder die Willkür der Theologen bedingt, sondern mit der Sache des Alten Testaments selbst vorgegeben ist. Die Vorgegebenheit selbst