n e i s „Verständnis des Sowjetischen in Zentralasien“ a l ist eine Sammlung von Texten der kirgisischen a r t NGO Shtab, die aus einer regionalen Perspektive n e auf die Geschichte der Sowjetunion blicken. Die Z n Autor*innen diskutieren sowohl emanzipatorische i V E R S T Ä N D N I S wie auch repressive Aspekte des sowjetischen n e Projekts und schauen dabei insbesondere auf h c D E S S O W J E T I S C H E N seine lokalen Ausformungen. Die hier aus ver- s i t schiedenen Blickwinkeln beschriebenen Ideen, e j I N Z E N T R A L A S I E N Praxen und Utopien verweisen auf auch im w o 21. Jahrhundert noch ungelöste Probleme und S s Widersprüche in der Gesellschaft allgemein und e d in linken Bewegungen im Speziellen. s i n d n HERAUSGEGEBEN VON ä t s OKSANA ŠATALOVA r e V GEORGIJ MAMEDOV ) . g s r H ( v o d e m a M j i g r o e G · a v o l a t a Š a n a s k O ISBN: 978-3-86331-618-1 Satalova_Mamedov_Verstaendnis_Cover.indd 1 12.10.21 00:01 Verständnis des Sowjetischen in Zentralasien Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 1 12.10.21 00:53 Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 2 12.10.21 00:53 Oksana Šatalova · Georgij Mamedov (Hrsg.) VERSTÄNDNIS DES SOWJETISCHEN IN ZENTRALASIEN Aus dem Russischen übersetzt von Anna Brixa Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 3 12.10.21 00:53 Herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stift ung Straße der Pariser Kommune 8a 10243 Berlin www.rosalux.de Umschlagabbildung: Zaunbetonplatte PO-2. Redaktion: Lutz Brangsch, Leonie Schiff auer, Fabian Wisotzky, Yana Kravtsova Lektorat: Sarah Langwald, Gegensatz Translation Collective Gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaft liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für diese Publikation ist allein der Herausgeber verantwortlich. Die dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt des BMZ wieder. ISBN: 978-3-86331-618-1 ISBN: 978-3-86331-619-8 (E-Book) © 2021 Metropol Verlag Ansbacher Str. 70, D–10777 Berlin www.metropol-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Druck: Arta Druck, Berlin Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 4 12.10.21 00:53 Inhalt Zu dieser Ausgabe und über die Originalpublikation sowie Shtab ... 7 Bini Adamczak Vorwort .............................................................................. 9 Sergej Abašin Sowjetisch = kolonial? (Pro und Contra) .................................................................... 19 Tat’jana Ščurko „Die Frau des Ostens“ Sowjetische Geschlechterordnung in Zentralasien zwischen Kolonialisierung und Emanzipation ............................. 37 Anara Moldoševa „Seien Sie mutig und lesen Sie alles!“ Der Briefwechsel zwischen Mitarbeiterinnen der Frauenabteilungen der Kommunistischen Partei (Ženotdely) in Kirgistan in den 1920er-Jahren .............................................................. 66 Oksana Šatalova Die helle Vergangenheit Das Phantasma der Defamilialisierung in der sowjetischen Science-Fiction-Literatur der 1950er- bis 1970er-Jahre .................. 118 Georgij Mamedov Das Sowjetische politisch ergründen Kommunistische Versprechungen ............................................ 156 Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 5 12.10.21 11:13 Mohira Sujarkulova Die fortschrittliche Peripherie Das „Sternenbüro“ in Frunse als „absehbarer Zufall“ spätsowjetischer Entwicklung ............................................... 177 Michail Mylnikov Die Utopie des sowjetischen Öko-Projekts ............................. 203 Die Autor:innen ................................................................. 235 Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 6 12.10.21 00:53 Zu dieser Ausgabe und über die Originalpublikation sowie Shtab Das im Jahr 2016 in Bischkek, der Hauptstadt der Kirgisischen Republik, erschienene Buch, dem die Beiträge entnommen sind, ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Moskauer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der NGO Shtab. Übersetzt lautet der Name „Schule der schöpferischen Aktualisierung der Zukunft“. In ihren Projekten verschmelzen geisteswis- senschaftliche, kulturelle und künstlerische Aspekte Theorie und Praxis auf ungewöhnliche Weise. Die Kooperation begann im Jahr 2014 mit dem Projekt „Die ideolo- gische Verallgemeinerung sozialistischer Erfahrung. Akademische und künstlerische Erforschung der postsowjetischen Städte“. Für die Stiftung wurde diese Zusammenarbeit zu einer neuen Etappe des Nachdenkens über die Natur der sowjetischen Utopie und Hegemonie sowie der Aneignung der Geschichte. Die von Shtab entwickelten Ideen beeindruckten durch ihren Mut und die Herausforderung der kolonialen Perspektive. Begin- nend mit der Idee der „Kirgisisch-russischen Sprache“, die nicht nur den Russ:innen, sondern auch den Bewohner:innen Kirgisiens gehört, da das ihre Muttersprache in der dritten Generation und hier die erste Schrift- sprache ist, bis dahin, dass der sowjetische Philosoph Il’enkov als queer- Theoretiker betrachtet werden sollte. Das Projekt „Die Erforschung des Sowjetischen in Zentralasien“, das eines der zentralen der gemeinsamen Arbeit wurde, provoziert dazu, aus anderer Perspektive auf die Geschichte der Sowjetunion zu blicken. Es ist ein Versuch, sich angesichts der Politik der Dekommunisierung und der Kritik der Nationalitätenpolitik der UdSSR auf der einen Seite und kritik- loser Romantisierung und Nostalgie bezüglich der sowjetischen Vergangen- heit auf der anderen Seite in all diesen Erscheinungen zurechtzufinden und eine eigene Sicht auf die Dinge zu entwickeln. So kommt es, dass die im entstandenen Buch abgedruckten Texte sehr vielfältig sind und sich nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt reduzieren Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 7 12.10.21 00:53 8 Zu dieser Ausgabe und über die Originalpublikation sowie Shtab lassen. Die Originalpublikation umfasst insgesamt vierzehn Beiträge. In den Abschnitten „Kolonialfrage“, „Geschlechterordnung“ und „Kommu- nistische Versprechen“ werden, so der Titel, „Konzepte Sowjetischen in Zentralasien“ diskutiert. Alle hätten es verdient, übersetzt zu werden. Das war aus vielerlei Gründen nicht möglich. Die Beiträge sind streitbar, und die Herausgeber der Übersetzung ent- halten sich einer Bewertung. Es ging darum, eine Reihe von Positionen zu präsentieren, die aus unserer Sicht auch für die Debatten in Westeuropa von Interesse sind. Zudem soll die Auswahl dazu anregen, eigene Sichtweisen auf den postsowjetischen Raum selbstkritisch zu hinterfragen. Bei genauer Betrachtung verweist die hier aus verschiedenen Blickwinkeln entwickelte Kritik sich emanzipatorisch verstehender Praxen in der Sowjetunion auf auch im 21. Jahrhundert noch ungelöste Probleme und Widersprüche in der Gesellschaft überhaupt und in den linken Bewegungen im Speziellen. Wir hoffen, mit diesem Band Linke in Westeuropa dazu anzuregen, stärker als bisher Kontakte zu Linken im postsowjetischen Raum zu suchen. Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 8 12.10.21 00:53 Bini Adamczak Vorwort Der Tag, an dem der historische Prozess, der unter dem Namen Russische Revolution bekannt werden sollte, seinen Anfang nahm, war der 23.Feb- ruar, nach westlicher Zeitrechnung der 8. März 1917. Die Revolution begann am internationalen Frauenkampftag und führte in schneller Folge zu all- gemeinem Frauenwahlrecht, Entkriminalisierung von Homosexualität und Legalisierung von Abtreibung sowie zur fortschrittlichsten Ehe- und Scheidungs-Gesetzgebung der modernen Welt. Für die nahe Zukunft zielte sie auf die Abschaffung von Familie und Geschlecht. Die Russische Revo- lution war zweifelsohne feministisch, sie war allerdings nicht russisch – zumindest nicht ihrem Selbstverständnis nach. Die revolutionären Theo- rien, die sie beeinflussten, ebenso wie viele der Revolutionär:innen, die sie vorantrieben, kamen aus dem Ausland. Der Befreiungsprozess, den sie anstieß, verlangte, alle nationalen Grenzen zu überschreiten, mindestens so global wie der Kapitalismus und seine imperialistische Herrschaft. Bereits zwischen 1917 und 1919 inspirierte die Revolution Rebellionen in Spanien und Deutschland, Argentinien und Mexiko, China, Indonesien und Australien. Sie verlangte, nicht auf eine besondere Region beschränkt zu bleiben, sondern Weltrevolution zu sein. Schließlich ist der Kommunis- mus, der durch sie verwirklicht werden sollte, kein Privileg einer Minder- heit, sondern ein Geschenk an die Menschheit (von der Menschheit). Dieser Anspruch wurde in aller Deutlichkeit mit der Gründung der Kommunis- tischen Internationale im März 1919 formuliert. Ihr Manifest verurteilte Imperialismus wie Kolonialismus scharf und rief zum gemeinsamen Kampf von Lohnarbeiter:innen der Metropolen und versklavten Arbeiter:innen der Kolonien auf. Die im Folgejahr formulierten Bedingungen für eine Mitgliedschaft in der Komintern wurden sogar noch deutlicher: Parteien, die in den Zentren der Kolonialmächte aktiv waren, verpflichteten sich, „die Machinationen ‚ihrer‘ Imperialisten in den Kolonien rücksichtslos zu entlarven, jede Freiheitsbewegung in den Kolonien nicht nur mit Worten, Verstaendnis_Sowjetischen_Zentralasien.indd 9 12.10.21 00:53