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Umwelt zur Sprache bringen: Über umweltverantwortliches Handeln, die Wahrnehmung der Waldsterbensdiskussion und den Umgang mit Unsicherheit PDF

390 Pages·1993·15.415 MB·German
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Dagmar Reichert . Wolfgang Zierhofer Umwelt zur Sprache bringen Dagmar Reichert· Wolfgang Zierhofer unter Mitarbeit von Christoph Bättig, Huib Ernste, Dieter Steiner und Markus Vetterli Umwelt zur Sprache bringen Über umweltverantwortliches Handeln, die Wahrnehmung der Waldsterbensdiskussion und den Umgang mit Unsicherheit Westdeu tscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Reichert, Dagmar: Umwelt zur Sprache bringen: über umweltverantwortliches Handeln, die Wahrnehmung der Waldsterbensdiskussion und den Umgang mit Unsicherheit / Dagmar Reichert; Wolfgang Zierhofer. Unter Mitarb. von Christoph Bättig ... - Opladen: Westdt. Verl., 1993 ISBN 978-3-531-12459-9 ISBN 978-3-322-94223-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-94223-4 NE: Zierhofer, Wolfgang: Die Studie ist ein Ergebnis des Forschungsprojekts: "Formen umweltbezogenen Handelns in Situationen von Unsicherheit. Eine Untersuchung am Beispiel des Handelns der Schweizer Bevölkerung in bezug auf den Wald." Das Projekt wurde von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und dem Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft finanziert und am Geographischen Institut der ETH Zürich ausgeführt. Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Alle Rechte vorbehalten © 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Umschlagbild: Eva Künzler Karikaturen im Text: Eva Künzler Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12459-9 Zum Geleit Vor vielen Jahren fand ich mich anläßlich der Maturprüfung in der Situation, einen Aufsatz zum Thema "Bildung" schreiben zu müssen. Ich vertrat die Ansicht, daß zu wahrhafter Bildung nur gelangen könne, wer vorher durch eine Krise gegangen sei, ein Vorgang, der die Enge des bisher Selbstverständlichen aufbrechen und eine neue Orientierung in einem erweiterten Hori zont ermöglichen würde. Eine Krise war für mich damals etwas, das einzelne Personen als Fol ge eines verlustig gegangenen Sinnzusammenhanges in der für sie maßgeblichen Welt befallen kann. Entsprechend stellte ich mir vor, daß die Krise durch den Gewinn von neuem Sinn in ei ner Art Weltöffnung zu überwinden wäre. Unterdessen ist mir klar geworden, daß es nicht nur persönliche Krisen, sondern auch kollektive Krisen der Gesellschaft geben kann. Ich zweifle nicht daran, daß wir heute in einer Krise dieser Art stecken, und zwar einer fundamentalen, de ren äußeres Resultat die Ungeheuerlichkeit der immer noch wachsenden Umweltzerstörung ist. Wir sind versucht, diese aus dem Bewußtsein zu verdrängen, um einigermaßen zufrieden leben zu können. Glücklicherweise gelingt dies nicht auf immer: Früher oder später sehen wir, daß wir nicht nur selbst davon betroffen, sondern auch selbst durch unser Tun in der einen oder andern Form mitverantwortlich sind. Dann aber wird auch deutlich, daß gerade deshalb. wie im Fall der einzelnen Person. die Krise zum Ausgangspunkt von etwas Neuern. Besserem werden kann. Aus ihr mag sich der Prozeß der Aufklärung weiterentwickeln. der unseren Blick für das Pathologische in unserer Zivilisation schärft. Die Krise der Gesellschaft ist auch zur Krise der Wissenschaft geworden. Die Entwicklung der letzteren hat lange Zeit die fraglose Bedeutung von "Fortschritt" gehabt. oder hat sie zum Teil heute noch: Wir feiern Nobelpreise nach wie vor als Marksteine auf dem Weg der menschlichen Wissensakkumulation. Andererseits dämmert uns langsam, daß die Wissenschaft zu einem Unternehmen geworden ist, das immer mehr Probleme entdeckt. an deren Zustande kommen sie selbst als Zulieferantin der Technik nicht unschuldig ist. Die in diesem Buch angesprochenen "neuartigen Waldschäden" sind ein Beispiel für ein solches Problem. Logi scherweise gerät die Wissenschaft in Legitimationsschwierigkeiten. wenn sie nun behauptet, sie könne diese Probleme auch wieder lösen. Daß die Wissenschaft nicht ein Unternehmen ist, das zu einem konstant wachsenden Arsenal von "draußen" entdeckten, von uns unabhängigen Gültigkeiten führt. sondern ein gesellschaftlich-historisches Konstrukt, das ist uns spätestens seit Kuhns "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" klar geworden. Daß das aber auch bedeutet, daß ihre Problemlösungskompetenz recht beschränkt ist, daran müssen wir uns erst noch richtig gewöhnen. Wenn wir nicht überheblich und anmaßend sein wollen, dann können wir Wissenschaft nur in einer Form weiter betreiben, bei der ihre eigenen Grenzen ständig im Blickwinkel stehen. Zu sagen. daß diese Auffassung schon eine weite Verbreitung erfahren hätte. wäre wohl stark übertrieben. Tatsächlich scheint es oft, als ob, um es bösartig auszudrücken, viele die Exi stenz der Umweltprobleme begrüßen, weil damit herkömmliches wissenschaftliches Arbeiten eine Ausweitung auf neue Untersuchungsgebiete mit entsprechenden Forschungsgeldern er fährt. Dazu kommt. daß die Auffassung. Umweltforschung bedeute notgedrungen naturwissen schaftliche Forschung. immer noch zu großes Gewicht hat. Zugegeben. langsam wird uns klar, daß die sog. Umweltkrise eben nicht eine Umweltkrise, sondern eine Krise der menschlichen Gesellschaft ist. In einem ersten Schritt versuchen wir dann immerhin, Umweltschädigungen v bis an die technisch erfaßbare Quelle der Verursachung zurückzuverfolgen. Dagegen fällt es uns immer noch schwer, die weitere, rückwärtige Verlängerung in die gesellschaftlichen Hin tergründe, d.h. die Frage, wieso es diese Quelle überhaupt gibt, anzupacken. Ein uns allen be kanntes Beispiel ist die Erkenntnis, daß Motorfahrzeuge Luftverschmutzung bewirken, worauf eine emissionshemmende Katalysatortechnik entwickelt wird, ohne daß aber das Phänomen Motorfahrzeugverkehr prinzipiell in Frage gestellt würde. Das Motto "zuerst muß der Verkehr rollen, erst danach ist es sinnvoll, sich zu überlegen, wie seine schädigenden Auswirkungen ge mildert werden könnten" findet auch von juristischer Seite seine Unterstützung, wie der kürz liche Entscheid des Schweizer Bundesgerichtes zur Frage des Ausbaus der Grauholz-Autobahn von 4 auf 6 Spuren demonstriert. Die Fähigkeit der (Natur-)Wissenschaft, bei der Lösung anstehender Probleme einen Exper tenstatus übernehmen zu können, wird insofern noch fragwürdiger, als die Umweltprobleme (wie z.B. das Phänomen der Waldschäden) einen Grad von Komplexität erreicht haben, der es verunmöglicht, lückenlose und umfassende Kausalmodelle zu entwickeln. Die Folge ist das in zwischen bekannte Schauspiel des Expertenstreites: In (mehr oder weniger) guten Treuen kann die eine oder andere These verfochten werden, wobei dann natürlich auch klar wird, daß es nicht mehr um Wissen, sondern um Meinungen geht. Wie Klaus Meyer-Abich es ausdrückt: Die WissenschaftlerInnen können sich nicht um das streiten, was einwandfrei festliegt, sondern nur um das, was nicht gewußt wird. Parallel dazu bilden sich in der politischen Diskussion die bekannten Polarisierungen, wobei beide Seiten ihre "Experten" auf Lager haben. Wenn es zu diesem Zustand eine positive Interpretation gibt, dann die, daß hier ein erster Schritt zu einer Verflüssigung des Dogmas von der Wissenschaft als sicherem Zufluchtsort erkennbar wird. Ob wir es wollen oder nicht, wir werden immer mehr lernen müssen, mit Nicht-Wissen statt mit Wissen umzugehen. Auf die üblichen umweltbezogenen Problemfragen gibt es also keine Antworten, die einfach abrufbar sind. Statt dessen muß zuerst überlegt werden, welches überhaupt die richtigen Fragen sein könnten. Diese müssen nach meiner Ansicht den Bereich menschlichen Tuns und mensch licher Verantwortung betreffen, aber über ein relativ zaghaftes Herumtasten sind wir bisher kaum hinausgekommen. Natürlich ist es schwierig, das Selbstverständnis der neuzeitlichen Entwicklung grundSätzlich in Frage zu stellen, und typischerweise kommen die Antworten zu den wenigen Fragen, die ernsthaft gestellt werden, dann etwas voreilig in relativ technokrati scher Form daher. Ich meine damit Vorschläge und Bestrebungen zur Umwelterziehung einerseits und zu umweltökonomischen Maßnahmen andererseits. Mit beiden ist eine grundle gende Schwierigkeit verknüpft: Es wird die Möglichkeit eines punktuellen Eingreifens gewis sermaßen von außen her postuliert, entweder auf der Ebene der Individuen oder auf der Ebene von Strukturen. Es ist aber nicht wahrscheinlich, daß umwelterzieherische Maßnahmen einen großen Effekt haben werden, wenn die Strukturen so bleiben, wie sie sind, und es den Indivi duen zum Teil unmöglich machen oder mindestens erschweren, ihren vielleicht neu erworbe nen Einsichten zu folgen. Umgekehrt ist es ebenso unwahrscheinlich, daß eine Änderung von Strukturen, auch wenn sie die Individuen zu einem alternativen Handeln zwingen, längerfristig von Erfolg gekrönt sein kann, wenn nicht gleichzeitig eine Einsicht über die Angemessenheit dieser Änderung bei den betreffenden Individuen um sich greift. Auch beim Versuch, umwelt erzieherische und strukturverändernde Maßnahmen aufeinander abzustimmen, bleibt das Pro blem bestehen, daß wir es hier im Grunde genommen mit einem Glauben an das Unmögliche, nämlich an Sozialtechnik, zu tun haben. Das Dilemma ist offensichtlich: Eine Veränderung der Gesellschaft ist nicht planbar; aber vi sie muß sich verändern, wenn sie umweltverträglich werden soll. Was soll in dieser Situation geschehen? Lassen wir die Dinge laufen, bis sie sich von selbst geändert haben? In einem ge wissen Sinne ja: Wir setzen auf das endogene Transformationspotential, das in jeder Gesell schaft vorhanden ist, d.h. auf die Möglichkeit von Selbstorganisation im Zirkel zwischen han delnden Personen und Strukturen, und wir rechnen damit, daß sich ein solcher Prozeß von der Basis her von kleinen zu großen Strukturen fortpflanzen kann. Für den wirtschaftlichen Be reich hat der Unternehmer Stephan Schmidheiny den Begriff der "Selbstregulierung" geprägt. Da die auslösende Triebkraft letztlich bei den Individuen liegt, stellt sich die Frage, wie es mit deren Bewußtseinszustand steht. Wie die vorliegende Studie ergibt, ist den meisten Menschen heute irgendwie klar, daß wir ökologisch unverträglich geworden sind. Heißt dies, daß wir hinsichtlich der notwendigen Veränderung von einem guten Menschenbild ausgehen können? Ich selbst möchte daran glauben können und damit an den Spruch, den ich einmal zu Beginn des in diesem Buch beschriebenen Projektes machte: "Wahrscheinlich werden wir finden, daß die Schweizerinnen und Schweizer o.k. sind, daß aber mit der Schweiz etwas nicht stimmt." Dann aber habe ich wieder meine Zweifel an dieser Optik. Wenn ich dem Straßenverkehr zuschaue, eine Tätigkeit, für die sich mein gegenwärtiger Wohnplatz bestens eignet, dann bin ich geneigt, Denis de Rougemont zuzustimmen, der von der Geschichte des Autos als einer "Geschichte des Wahnsinns" redet. Weitverbreitetes Umweltbewußtsein und kollektiver Moto risierungs-und Mobilitätswahnsinn, wie paßt das zusammen? In dieser Situation von kognitiver Unsicherheit und emotionaler Ambivalenz haben wir vor einigen Jahren begonnen, eine Humanökologie mit dem Anliegen zu entwickeln, zu einer mö glichst zusammenhängenden Perspektive auf die Mensch-Umwelt-Situation zu gelangen. Es zeigte sich, daß der Wunsch nach Zusammenhang nur erfüllbar ist, wenn diese Perspektive auch außerwissenschaftliche, d.h. philosophische und lebensweltliche, Aspekte einschließen darf. Humanökologie wird damit zu einem Unternehmen, das nicht neue und bessere Rezepte zur Bewältigung der Umweltkrise liefert, sondern zuerst einmal herkömmliche Rezepte und damit gleichzeitig auch den Primat der Praxis in Frage stellt. "Die Zeit drängt", wenn dieser Planet noch gerettet werden soll, aber je weniger wir tun, desto mehr Zeit gewinnen wir. Hu manökologie fordert den Ersatz von Rezeptwissen durch übergeordnetes Orientierungswissen (z.B. im Sinne der "Bewahrung der Schöpfung") und die Entwicklung des letzteren in einem allseitigen kommunikativen Prozeß. Sie möchte in diesem Prozeß eine wichtige Stimme sein und zwecks Erleichterung des Diskurses zur Situationsaufhellung und zur Kommunikations kultur beitragen. Wichtig ist dabei ferner, daß die Humanökologie auch die Fragen an sich selbst immer mit sich trägt. Der Boden unter den Füßen ist schwankend geworden. Ich vermute aber, daß wir ihn wieder befestigen können, wenn es uns klar wird, daß wir überall von Ver wandten umgeben sind, z.B. von den Bäumen im Wald. Unser Kommunikationsprozeß muß auch sie einschließen, und hier wird klar, daß, wenn wir von Kommunikation reden, sich diese nicht auf Verbales beschränken darf. Die vorliegende Studie ist in einem derartigen geistigen und emotionalen Umfeld entstan den. Ich hoffe, daß weitere folgen werden. Dieter Steiner, Zürich, September, 1992 vii Vorwort Es ist nach Mitternacht, der Schnee vom Regen fast weggeschmolzen, der Park menschenleer. An der Baustelle flattert ein Band, die breite Fassade wirkt grauer als sonst In zwei Fenstern brennt Licht. "Die Fußnoten im Teil 2?" "Hast du die Tabellen?" "Bei den Leadtexten paßt jetzt alles." "Schreibt man Maßstab mit zwei 's'?" "Gut, daß du zurück bist, ich brauche dich noch für die Verweise." Markus sitzt am Boden und sortiert Texte. Christoph und Huib kontrollieren eine Grafik. "Das ist die letzte." "Wie schaut's mit deinem Vorwort aus?" "Ich bin dabeil" Wolfgang sitzt hinter mir am Computer. "Da stimmt noch etwas mit der Formulierung nicht." Nun sind wir mit unserem Buch bald fertig. Mit dem "Waldprojektbuch". "Waldprojekt", weil die Geschichte des Forschungsprojektes hinter diesem Buch auf eine Betroffenheit von den Waldsterbensmeldungen Anfang der Achtzigerjahre zurückgeht. Damals war es für Dieter Steiner, der den Antrag zu diesem Projekt gestellt hat, klar, daß man die soge nannten "Umwelt"-, und eigentlich Mensch-Umwelt-, oder Gesellschaft-Umwelt-Probleme auch von sozialwissenschaftlicher Seite her angehen müßte. Inzwischen hat sich die sozialwissenschamiche Umweltforschung etabliert, und in der Öf fentlichkeit haben Diskussionen über den Umweltzustand längst ein Gewicht, das anderen ge seIlschaftspolitischen Themen entspricht. Der Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion ver schob sich dabei im Laufe der Jahre allmählich. Zunächst lag er in der Frage, wie schlimm es tatsächlich um unsere Umwelt oder im speziellen Fall den Wald stehe, und welche politischen Entscheidungen unter solcher Unsicherheit zu treffen wären. Später ging es hauptsächlich da rum, auf welche Weise wir umweltverantwortlicher handeln können und wie wir unsere frag würdig gewordenen Gewohnheiten ablegen könnten. Heute ist dagegen die Frage, ob es unter zunehmend polarisierten Interessen noch gemeinsame Ziele für die Umweltpolitik gibt, bzw. wie sie im Umfeld verschärfter gesellschamicher Konflikte gefunden werden können, sodaß sie von möglichst vielen Menschen geteilt werden. Dieser Prozeß hat eine eigene Logik. Wir haben sie in der Geschichte dieses Forschungspro jektes miterlebt, und ihre Konturen spiegeln sich in den unterschiedlichen Fragestellungen die ses Buches. Wir haben aber auch versucht, sie explizit zu thematisieren, und das bildet den ro ten Faden dieser Arbeit: Die Umweltdiskussion verstehen wir als gesellschaftlichen Rationali sierungsprozeß und die Abfolge der verschiedenen Fragestellungen als Phasen dieses Prozes ses. Geknüpft ist dieser rote Faden an ein Ziel, das heißt: Umwelt zur Sprache bringen. Damit meinen wir nicht einfach noch mehr reden, sondern eher im gemeinsamen Gespräch Lösungen für die Mensch-Umwelt-Probleme suchen. In diesem Buch ist häufig von Weltbildern und Sichtweisen die Rede. Das Nebeneinander vieler und sehr unterschiedlicher Weltbilder scheint mir ein wesentliches Merkmal der heuti gen Gesellschaft zu sein. Ein Reichtum, aber auch eine Schwierigkeit: Verständigung wird zum Problem, wenn die Dinge keine für alle gemeinsame Bedeutung haben. Intoleranz, Schuldzuweisung und gesellschaftliche Polarisierung steigen. Das Buch ist in einem solchen Kontext zu sehen. Wir wollen das Bewußtsein für die Unterschiedlichkeit von Weltbildern ver größern, um damit gegenseitiges Verständnis zu erleichtern. Die Suche von Kommunikation geht uns vor Versuchen der Kontrolle. Gerade angesichts des bedrohlichen Ausmaßes der Um weltzerstörung. viii Markus hat seine Blätter sortiert. Christoph versucht, den Überblick zu wahren (sonst hat ihn niemand mehr). Huib sucht nach den letzten Angaben für die Literaturliste. Wolfgang sitzt im mer noch hinter mir am Computer. "Hast du das Vorwort fertig?" Nein, noch nicht ganz. Ich möchte noch schreiben, was ich mit dieser Arbeit verbinde, wie ich meinte, ins kalte Wasser zu springen, als mir Dieter Steiner die Projektleitung anbot, und wie es mich doch reizte. Als eine, die zumindest genau wußte, wie sie es nicht machen wolle, die im Männerbetrieb der technischen Hochschule insbesondere auch andere Zusammen arbeitsformen suchen wollte, als Frau, einfach als ich. Ganz so leicht war das nicht, aber einer der besten Entscheide war es, Wolfgang Zierhofer um seine Mitarbeit zu fragen. Ohne unsere Freundschaft und ohne die Offenheit im Verhältnis zu ihm und zu Dieter wäre ich wirklich im kalten Wasser gelandet. Allmählich wuchs unser Team, Huib, Christoph und Markus kamen dazu, alle mit großer Bereitschaft, für ihre Arbeit selbst Verantwortung zu tragen. Nicht immer hatten wir dieselben Ideen, aber das war gut. Vielleicht, nein, sicher haben wir einander mit unseren Ansprüchen das Leben nicht leicht gemacht. Die Tatsache, daß wir das schnellste Forschungsteam West- und Mitteleuropas sind (mit dem Fahrrad auf der Strecke zwischen dem Institut und dem Bahnhof treten wir den Beweis jederzeit an), hat uns nicht davor bewahrt, mit der Fertigstellung des Projektes den Termin um ein halbes Jahr zu überziehen. Dabei haben wir bei weitem nicht alles gemacht, was wir gerne getan hätten und was unser empirisches Material erlaubt hätte. Ohne eine ganze Reihe anderer wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Wir wurden von einer wissenschaftlichen Begleitgruppe beraten, und ich möchte mich an dieser Stelle bei Beat Brunner, Dr. Mark Egger, Dr. Carlo Jaeger, Prof. Peter Knoepfel, Dr. Gerhard Eichenberger, Dipl.Ing. Frank Haemmerli, Prof. Franz Schmithüsen und Dipl.Ing. Christoph Tranchet dafür bedanken. Christoph Tranchet war es auch, der am Zustandekommen dieses Projektes wesent lich beteiligt war. Claudia Nielsen und Rico Maggi waren gleichzeitig mit uns an einem kom plementären Projekt beschäftigt und tauschten ihre Erfahrungen mit uns aus. Viele Leute arbeiteten im einen oder anderen Zusammenhang für dieses Buch. Ich wußte, daß ihre Hilfe wiChtig war, doch erst jetzt, da ich sie aufzähle, merke ich ihre wirkliche Bedeu tung: Da waren am Anfang Theres Brunner und Pia Serena, um uns Italienisch beizubringen, Lotti Nelson, Monika Jäggi und Doris Keller für das Transkribieren der deutschsprachigen, und Elena David und Tap Tettamanti für die italienischsprachigen Interviews. Stefano Zanini korrigierte den italienischen Fragebogen, Barbara Büttel erfaßte den Großteil der Adressen und der Daten. Stefan Schmidhofer half bei der Bereinigung der Interviewtexte und leistete den Großteil der endgültigen Formatierung, Gabi ZumbühI. Regula Bücheler und Marco Pronk hal fen bei den Tabellen. Ihnen und allen anderen, die uns unterstützten möchte ich herzlich dan ken! Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit auch unserer Karikaturistin Eva Künzler und Anne Hoffmann für eine Grafik, die wir in der Endfassung aus verlagstechnischen Gründen leider nur teilweise umsetzen konnten. A. Diem, N. Bischoff, Greenpeace und Mc Donalds stellten uns freundlicherweise die Photos für dieses Buch zur Verfügung. Einen ganz wesentlichen Beitrag zu unserer Arbeit leistete Chiara Buletti. Sie konnte sich in unsere Ziele gut einfühlen und führte die italienischsprachigen Interviews mindestens so gut, wenn nicht besser als wir diejenigen in der deutschen Schweiz! Danken mächte ich schließlich auch unseren InterviewpartnerInnen für ihr Interesse und ihre Offenheit, sowie auch all jenen, die sich die Zeit und Mühe genommen haben, unseren Frage bogen auszufüllen. Dagmar Reichert, Zürich, Februar 1992 ix Kurzzusammenfassung: Umwelt zur Sprache bringen In diesem Buch geht es um eine Bestandesaufnahme zu umweltverantwortlichem Handeln und um Ansatzmöglichkeiten zu gesellschaftlichen und politischen Veränderungen angesichts der Umweltzerstörung. Dazu erweitern wir die in der Umweltdiskussion heute dominierende Fra ge. wie man Menschen dazu bringen könnte. umweltverantwortlicher zu sein. Eine solche Fra ge kann nicht mehr Ausgangspunkt sein. impliziert sie doch gerade jene Verabsolutierung eigener Zielsetzungen und jenen instrumentellen Zugriff auf die Mitwelt. die wir für die Umweltzerstörung verantwortlich machen. Statt dessen plädieren wir mit diesem Buch für eine verständigungsorientierte Umweltpolitik. Eine verständigungsorientierte Umweltpolitik betrachtet menschliche Umweltbeziehungen im Rahmen des jeweils spezifischen. Lebensalltags von Personen. Sie berücksichtigt neben äußerlichen sichtbarem Verhalten auch die eigentlichen Intentionen handelnder Menschen und versucht. die möglicherweise sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Bewertungen offenzule gen und zur Sprache zu bringen. Einer verständigungsorientierten Umweltpolitik geht es um einen demokratischen Diskurs um verantwortbare Handlungsweisen. um Vertrauen auf Verant wortungsfähigkeit. um die Schaffung von Verständnis und die Bewahrung von Vielfalt. Dazu soll dieses Buch der Umweltpolitik keine Rezepte. wohl aber Denkanstöße liefern. Sein Inhalt gliedert sich in drei Teile: Im ersten Teil wird ein möglicher konzeptueller Rahmen für das Verständnis von Mensch-Umweltbeziehungen vorgestellt. Vorstellungen von rationa lem Handeln. von Umweltverantwortlichkeit, oder von gesellschaftlicher Veränderung werden präzisiert. Allen jenen. die für die Umweltdiskussion oder Umweltforschung eine differenzierte Begrifflichkeit benötigen. wird hier ein sehr ausgearbeiteter Vorschlag unterbreitet. Der zweite. und Hauptteil des Buches ist einer Darstellung der aktuellen Umweltbeziehun gen verschiedener Menschen. ihren diesbezüglichen Auffassungen. Idealvorstellungen und Schwierigkeiten gewidmet. Themen wie "Was bedeutet umweltverantwortliches Handeln'!". "Wie geht man mit Unsicherheit über die Umweltsituation und Handlungsmöglichkeiten um'!". oder "Welche Beziehung haben die Befragten heute. nach der Waldsterbensdiskussion zum Wald?" standen dabei im Vordergrund. Unsere GesprächspartnerInnen und die AdressatInnen einer repräsentativen Befragung waren dabei Personen aus der deutschen und italienischspra chigen Schweiz. Ein großer Abschnitt dieses zweiten Teil des Buches ist verschiedenen umweltpolitischen Optionen gewidmet. Neben einer kritischen Betrachtung der bekannten Strategien von Umweltökomomie und Umwelterziehung wird dabei die Möglichkeit der "insti tutionellen Innovationen" diskutiert und in einer Fallstudie verdeutlicht Um unsere Forschungsergebnisse nachvollziehbar zu machen. stellen wir im kurz gehalte nen dritten Teil des Buches unsere methodische Vorgangsweise. eine in der Umweltforschung neuartige Kombination qualitativer und quantiativ-statistischer Verfahren dar. Insgesamt richtet sich dieser Text nicht nur an ein rein wissenschaftliches Publikum. sondern an alle' • die sich für Umweltfragen interessieren. Gegen eine ideologisch verfestigte und moralisierende Umweltdiskussion soll er neue Möglichkeiten zur Diskussion stellen und Anregungen zum selber Weiterdenken geben. Dazu heben wir am Ende jedes Kapitels "Denk anstöße ... " speziell hervor. Wir wünschen uns LeserInnen. die unseren Überlegungen aktiv be gegnen und hoffen. daß ihnen durch solche Auseinandersetzung bei ihren spezifischen Frage stellungen und konkreten Entscheidungssituationen neue Möglichkeiten erlc.ennbar werden. x INHALT ZUM GELEIT v VORWORT vIII KURZZUSAMMENfASSUNG: UMWELT ZUR SPRACHE BRINGEN x Teil 1 MENSCHEN UND UMWELT: KOMPLEXE BEZIEHUNGEN ERfASSEN 1.1 Erkenntnis IIId IlteresH: G. ... den Mythos VII der polItIscI.. Unscl.uId der Wissenschaft Dogmar Reichert 3 1.2 UnHr Forscl.ungsprojektil Überlllck Wol/gang Zierhofer 8 """elf. 1.3 Meucl.-u.welt"'ziehungetl Wol/gang Zierhofer 13 1.3.1 Wie das Tun verstanden wird Wol/gang Zierhofer 15 1.3.2 Wie das Tun verstanden wird und was das Tun bewirkt Dagmar Reichert 22 1.3.3 Die ökologische Unvernunft der gegenwärtigen Vernunft Wol/gang Zierhofer 30 1.3.4 Begriffe auf der Abfallhalde: Was heißt hier noch umweltbewußt? Wol/gang Zierhofer 44 1.4 "Slirbt der W"d oder sllrbt er .khtT Dogmar Reichert 49 Teil 2 UMWELTVERANTWORTLICHES HANDELN DER SCHWEIZER/INNEN 62 2.1 Herr Bulelll, Fr. Meier, Herr CoIII, Herr Mospooli und kh: V. . Ru. 11 eine .. Boot Dogmar Reichert 63 2.1.1 Umweltverantwortliches Handeln, das heißt .. Dagmar Reichert 86 2.1.2 Barriere oder Übergang? Wol/gang Zierhofer 111 2.1.3 "Die BürgerInnen" und "die da oben" Wol/gang Zierhofer 133 2.1.4 " ... für die Umwelt? Ja, da müssen sie meine Frau fragen ... " Dogmar Reichert 141 2.2 SicIMr"t .... UlslcI. .....t Dogmar Reichert 151 2.2.1 Diffuse "Unsicherheit" Dogmar Reichert 159 2.2.2 Verunsicherung durch unnötige Unsicherheit? Dogmar Reichert 166 2.2.3 Konsequenzen der Unsicherheit Dogmar Reichert 184 2.3 Der W"d: Eil Präzedenzfall? Wol/gang Zierhofer 198 2.3.1 Vom Waldrand, der quer durch die Gesellschaft verläuft Wol/gang Zierhofer 199 xi

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