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Trachten der Schweiz PDF

232 Pages·1984·63.587 MB·German
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TRACHTEN Lotti Schtirch - Louise Witzig DER Wissenschaftliche Mitarbeit: Anna Rapp Die Trachten fotografierte: Rolf Weiss SCHWEIZ Springer Basel AG Die erste Auflage dieses Werkes erschien 1978 bei der Edition Colibri, Bern Die Trachten fotografierte Rolf Weiss. Fotonachweis: S. Eigstler S. 64, 126 Giegel/Verkehrszentrale S.46, 160, 176 H. Keusen S.84 H. Schlapfer S.206 P.Studer S.141 W.Studer S.18,24,34,4O,58,72,88,96,108,112,144, 166,198 Das Umschlagbild wurde in der Carigiet-Stube des Hotels «Stern» in Chur aufgenommen. ISBN 978-3-0348-6752-8 ISBN 978-3-0348-6751-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-6751-1 CIP - Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Trachten der Schweiz / Lotti Schürch ; Louise Witzig. Wiss. Mitarb.: Anna Rapp. Die Trachten fotogr.: Rolf Weiss. - 2., erw. u. überarb. Aufl. - Basel; Boston; Stuttgart : Birkhäuser, 1984. I. Aufl. in d. Ed. Colibri, Bern ISBN 978-3-0348-6752-8 NE: Schürch, Lotti [Mitverf.]; Weiss, Rolf [III.] Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren reproduziert werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk-und Fernsehsendung, im Magnettonverfahren oder auf ähnliche Wege bleiben vorbehalten. © Springer Basel AG 1984 Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1984 Softcover reprint of the hardcover Ist edition 1984 Umschlaggestaltung: Albert Gomm Graphische Unternehmen, Basel INHALT 6 Zum Geleit 7 Trachtenkunde 7 Die alte Trachtenzeit 8 Tracht und Mode 15 Untergang der alten Bauernkultur 217 Die Wende 218 Die Erneuerung der Volkstrachten 220 Die schweizerische Trachtenbewegung 17 Die Trachten der Kantone 18 Zentralschweiz 19 Uri 25 Schwyz 35 Nidwalden 41 Obwalden 47 Luzern 53 Zug 58 Ostschweiz 59 Appenzell AR 65 Appenzell AI 73 St. Gallen 85 Glarus 89 Thurgau 92 Nordostschweiz 93 Schaffhausen 95 Zürich 108 Nordwestschweiz 109 Basel-Stadt 113 Basel-Land 119 Aargau 127 Bern 141 Jura 145 Solothurn 150 Welsch land 151 Freiburg 161 Neuenburg 167 Waadt 173 Genf 177 Wallis 199 Tessin 207 Graubünden 222 Sachregister 231 Literaturverzeichnis 5 ZUM GELEIT Dieses Buch ist das dritte grundlegende und umfassende chivmaterial verzichtet werden. 400 von den Kantonalver Werk über die Trachten der Schweiz. Das erste dieser Art einigungen eigens und sorgfältig ausgewählte Trachtenleute veröffentlichte die Zürcherin Julie Heierli zwischen 1922 reisten in ihrer eigenen Tracht nach Bern, um sich in einem und 1932 in einer fünfbändigen Reihe «Die Volkstrachten besonders hergerichteten Studio vom Fotografen Rolf der Schweiz», die längst vergriffen ist. Die Autorin wollte Weiss aufnehmen zu lassen. Ohne diese große, bereitwillige damit der Nachwelt ein Dokument über ein im Verschwin und uneigennützige Mitarbeit unserer Trachtenleute und den begriffenes und zum Teil bereits untergegangenes Kul Kantonalvereinigungen wäre diese Bildbeschaffung, die mit turgut unseres Landes hinterlassen. Mitten in jene Jahre fie großen zusätzlichen Kosten verbunden war, kaum möglich len die Gründung und die Anfänge der Schweizerischen gewesen. Die neuen Bilder werden sinnvoll ergänzt durch Trachtenvereinigung. Fachleute der damaligen Zeit, die ihre historische Darstellungen bekannter Kupferstecher, Zeich düstere Prognose vom zu erwartenden Zerfall der einheimi ner und Lithographen aus der Zeit. schen Volkskultur mit dem Fortschreiten der alles nivel Die erste Auflage erschien 1978 in deutscher Sprache in der lierenden wissenschaftlich-technischen Entwicklung begrün «Edition Colibri» (Verlag Hallwag) und wenig später in deten, wurden bald danach eines anderen belehrt. Die am französischer Sprache im Eigenverlag der Schweizerischen Horizont aufsteigenden Gewitterwolken des großen, welt Trachtenvereinigung. Die Ausgaben bei der Sprachen waren umspannenden Völkerringens, der Krieg 1939-1945 und die rasch vergriffen. Die rege Nachfrage in den eigenen Reihen Nachkriegszeit mahnten unsere Bevölkerung zur Besinnung sowie im Buchhandel rechtfertigte eine Neuauflage. Bezüg auf die überlieferten volkskulturellen Werte unseres Vier lich Konzept und Inhalt hat sich wenig verändert: Dem in kulturenlandes mit seinen damals 25 Ständen. Es war ein der Zwischenzeit entstandenen Kanton Jura ist ein beson Gebot der Zeit, dass sie alle ihre Eigenheiten in Sprache, derer Abschnitt gewidmet. Im weiteren sind zehn seit 1978 Lied, Tanz, Musik, Tracht und Brauchtum zu erhalten und neu geschaffene Trachten aus verschiedenen Kantonen auf zu erneuern suchten. genommen sowie einige kleine Textberichtigungen und Farb In diese für die schweizerische Trachtenbewegung so frucht korrekturen vorgenommen worden. bare Zeit fällt die Herausgabe der zweiten wichtigen Publi Es besteht kein Zweifel, daß auch diese zweite Auflage der kation über unsere Volkstrachten und deren Erneuerung, «Trachten der Schweiz» vorab unter unseren eigenen und das «Schweizerische Trachtenbuch» von Louise Witzig, das bei den Mitgliedern der zielverwandten befreundeten Orga ebenfalls seit Jahren vergriffen ist. nisationen willkommen sein wird. Möge es in gleichem Maße Seit ihrer Gründung durfte sich die Schweizerische Trach in anderen Kreisen des In- und Auslandes, bei allen Freun tenvereinigung einer wachsenden Anerkennung im kulturel den des überlieferten Kulturgutes unseres Landes Verständ len Leben unseres Landes erfreuen. In neuerer Zeit lebt nis für unsere Eigenart und unsere kulturelle Eigenständig sie in einem ausgesprochenen Aufwind. Sie spürt den all keit wecken und damit zu ihrer Förderung und Erhaltung gemeinen Zug zum Volkstümlichen und zur Besinnung auf beitragen. Dies wäre der schönste Dank an alle, die an die überlieferte einheimische kulturelle Werte. Als äußerer Hin sem Werk mitarbeiten durften. weis für diese Zeiterscheinung darf die Entwicklung der Mitgliederzahl gewertet werden, die innert eines Jahrzehnts von 20000 auf heute 25000 anwuchs. Wie es sich in der Folge bestätigte, handelte die Schweize rische Trachtenvereinigung richtig, als sie sich zur Schaf fung eines neuen Trachtenbuches entschloß: zeitgemäß illu striert, umfassend und auch jüngste Erneuerungen von Emanuel Dettwiler Trachten einschließend. In den herausgebenden Verlagshäu Obmann der Schweizerischen Trachtenvereinigung sern fand sie sowohl bei der ersten als auch bei der nun vor liegenden zweiten Auflage der «Trachten der Schweiz» im Birkhäuser Verlag kompetente und verständnisvolle Partner. Als Grundlage diente den Herausgebern der Text von Louise Witzig, der in seinen Hauptzügen heute noch volle Gültigkeit hat. Die kantonalen Texte wurden von Lotti Schürch, einer langjährigen Mitarbeiterin von Louise Witzig, in Zusammen arbeit mit den Kantonalvereinigungen neu überarbeitet und ergänzt. Für die Bearbeitung der historischen Einleitung und des umfassenden, für den besonders Interessierten unentbehrlichen Glossars, konnte die Spezialistin Dr. Anna Rapp, damals Konservatorin am Schweizerischen Landes museum, gewonnen werden. Das größte Problem bildete die Bildbeschaffung. Um auch dem dokumentarischen Charakter des Werkes gerecht zu werden, mußte auf die Benützung von vorhandenem Ar- 6 ~CHTENKUNDE DIE ALTE TRACH1ENZEIT gewerbe, das für die Kirche arbeitete, auch für die Trach tin Anspruch genommen: in Klöstern ließ man Stickereien herstellen, und die Maler, welche Heiligenbilder schufen, Aus den einfachen und zweckmäßigen Gewandformen, lieferten solche in kleinem und kleinstem Format als Mit die seit dem Mittelalter allen Bauern in Mitteleuropa im telstück für Kleinode oder «Deli», wie der Volksmund die großen und ganzen gemein waren, entwickelten sich mit Trachtenanhänger nannte. Wir ersehen daraus Zusam wachsendem Standesbewußtsein und Wohlstand im menhänge mit allgemeinen Kulturerscheinungen. Dabei 18. Jahrhundert landschaftlich gebundene Bauerntrach darf der starke Einfluß der Mode nicht vergessen werden. ten. Waren sie ursprünglich mit groben Händen aus gro Er wird in einem besonderen Abschnitt aufgezeigt. bem Zeug für harte Arbeit in Feld und Stall, zu Berg und Unser Land erlebte im 17. und 18. Jahrhundert einen nie Tal geschaffen, aus eigenem Flachs und eigener Wolle «sel gekannten wirtschaftlichen Aufschwung, der sich auf das ber gspunnen und selber gmacht», wie es im Liede heißt, so Volksleben kulturfördernd auswirkte. Von verheerenden kam mit dem Aufblühen von Handel und Gewerbe allerart Kriegen verschont, konnten sich Landwirtschaft und Indu Zierat und verfeinertes Gewebe zur Anwendung, nament strie reichlich entfalten, während die geistige Aufklärung lich für feiertägliche Gewänder. Söldnerdienst brachte die jener Zeit die Wissenschaften förderte. Zunächst brachte Bauernsöhne in fremde Länder, aus denen sie nicht nur ein aufgeschlossenes, arbeitsames Bürgertum verschie klingende Taler, sondern auch neue Moden und Lebens dene Gewerbe zum Erfolg: in Zürich die Seidenindustrie, anschauungen sowie manchen schönen Kram heimbrach in St. Gallen das Leinengewerbe, in Appenzell die Weiß ten. Die Putzsucht der Frauen und der Trieb zur Nachah stickerei, in Basel die Bandweberei und Posamenterie, in mung der obern Stände, der Burger und Patrizier, trug das Glarus die Zeugdruckerei. Schließlich erlangte die N eu weitere dazu bei, daß sich im 18. Jahrhundert in ganz enburger und Genfer Uhrmacherei Weltruf. Weil die Ar Europa die mannigfaltigsten Bauerntrachten entfalteten. beit fast ausschließlich von Hand und weitgehend in Heim Auch die Schweiz, welche von bedeutenden europäischen arbeit ausgeführt wurde, hatte auch die ländliche Bevölke Handelswegen durchzogen war und an der Geschichte des rung daran Anteil. So fanden Dorfweber und Posamenter, Abendlandes kraftvollen Anteil hatte, machte diese Ent Stickerinnen und Klöpplerinnen willkommenen Ver wicklung auf engem Raume mit. Wie ein Haus verschie dienst. Mit zunehmender Geschicklichkeit entfaltete sich dene Stuben und Kammern hat, so hat auch unser Schwei der Kunstsinn der Werktätigen. Was Wunder, wenn von zerland mancherlei Stuben und Kammern; breite, von den schönen Erzeugnissen für das Bekleidungsgewerbe der verschwundenen Gletschern ausgeschliffene Talböden, Welt auch etwas an die eigene Tracht überging. Dies umso fruchtbare Ebenen und Moränenhügel, heitere Seebecken mehr, als gleichzeitig der Bauernstand erstarkte, zu Anse und tiefe Bergtäler. In diesen in sich abgeschlossenen Le hen gelangte und sein Standesbewußtsein in der Kleidung bensräumen bildeten sich von alters her aus gemeinsamer manifestieren wollte. Arbeit und gemeinsamem Schicksal Gemeinschaften mit Rousseaus Ruf «Zurück zur N atun> weckte damals in der eigenen Sitten und Gebräuchen. gebildeten Welt ein neues Interesse für die Landwirtschaft. In ihrem Wirkungsbereich formte und vererbte sich von Nun befassten sich auch Schweizer Patrizier und Gutsher Geschlecht zu Geschlecht ein bodenständiger Bau- und ren damit und gründeten ökonomische Gesellschaften, Lebensstil und zugleich eine eigene, durch die Sitte und welche Versuche aller Art in Ackerbau, Obst- und Vieh Überlieferung beherrschte Bekleidungsart, die wir zucht anstellten und neue Geräte erprobten. Es wurden «Tracht» nennen. Wir bewundern heute die verschieden Musterbetriebe geschaffen, in denen die Erträgnisse bis auf artigen, charaktervollen Bauernhäuser in allen unsern das Sechsfache gesteigert werden konnten. Berühmt war Gauen vom Boden-bis zum Genfersee und vom Jura bis in seinerzeit der Zürcher Musterbauer Kleinjogg, der in die Hochalpen, und wir pflegen als Nachgeborene noch die einem beflissenen Zürcher Junkerkreise landwirtschaft Mundarten unserer Vorfahren. Diese Mannigfaltigkeit liche Gespräche führte und in die Schweizer Literatur ein wiesen auch die Volkstrachten auf, die ebenso landschaft gegangen ist. lich gebunden waren. An ihren Trachten und an ihrer Das neue Interesse an der Natur und den Naturwissen Mundart erkannte man die Herkunft der Leute; sie trugen schaften brachte der Schweiz auch einen aufblühenden ihren Heimatschein gewissermaßen auf dem Leib und auf Fremdenverkehr. Alpenreisen, Molken- und Badekuren der Zunge. Wie die Landschaft und das Herkommen den wurden Mode. Mit dem Fremdenstrom floß Geld ins Land, Charakter der verschiedenen Volksstämme geprägt hat, so und das Volk sah neue Kleidermoden und feine Lebensart. hat ihre Lebensart, ihr Glaube und Schönheitssinn die Die einheimischen Bauerntrachten, die gegen Ende des Eigenart ihrer Trachten bestimmt. In protestantischen Ge 18. Jahrhunderts in voller Blüte standen, erweckten die bieten zum Beispiel waren die Trachten, der puritanischen Neugier der fremden Gäste. Diese begehrten Abbild ungen Lebensauffassung gemäß, schlichter und nüchterner als in davon als Reiseandenken. So entstanden viele kolorierte katholischen Landen, wo der Prunk der Kirche den Kunst Stiche von Künstierhand, die den Ruhm der Schweizer sinn des Volkes anregte und die hohen Kirchenfeste und Trachten über die Landesgrenzen trugen. Wir erwähnen feierlichen Prozessionen Anlaß zum Tragen farben- und hier nur die bekannten Kleinmeister Franz Niklaus König, schmuckreicher Festtrachten boten. Hierwurde das Kunst- Vater und Sohn Lory, Sigmund Freudenberger, Wolfg ang- 7 Adam Toepffer, Emanuel Locher, Markus Dinkel, Georg 1450--1490 Frührenaissance, Italien Volmar, Jakob Suter. 1500--1550 Hochrenaissance, Reformation, Landsknecht- Von unschätzbarem Wert für die Trachtenforschung ist das tracht Werk des Luzerner Malers Joseph Reinhart. Im Auftrag 1550--1650 Spanische Mode, Gegenreformation des Aarauer Seidenbandfabrikanten Johann Rudolf 1618-1648 Dreißigjähriger Krieg Meyer stellte er zwischen 1788 und 1800 140 naturalistische 1650--1715 Barock, Louis XIV Trachtenbildnisse her, von denen heute noch 127 im Berni 1715-1730 Regence schen Historischen Museum zu sehen sind. Name und 1730--1770 Rokoko, Louis XV Wohnort der porträtierten Paare - es sind meistens Ehegat 1770--1790 Zopfzeit, Louis XVI ten oder Vater und Tochter - hielt Reinhart auf der Rück 1789-1795 Französische Revolution seite der Ölgemälde fest. 1795-1815 Directoire und Empire Für die schweizerische Trachtenkunde des frühen 19. J ahr 1815-1840 Restauration und Biedermeier hunderts stellt das zeichnerische Werk des Historienmalers 1840--1870 Krinolinenmode Ludwig Vogel ein wichtiges Dokument dar. Mit großer 1870--1890 Gründerzeit Vorlie be fürs Detail hielt er die meisten Schweizer Trachten in Skizzen und kolorierten Zeichnungen fest. Nachdem im Mittelalter lange, fließende Gewänder die Bald nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die menschliche Gestalt verhüllten, brachte die Renaissance Trachten auf dem Land vermehrt durch die städtische Mode als bedeutende modische Neuerung die Unterteilung des verdrängt. Allein die vielen Stiche der Kleinmeister und Frauengewandes in Rock und Leibchen und schuf damit Ahnenbildnisse in der regionalen Tracht hielten die Erin die Grundform zur Miedertracht. Dem damaligen Schön nerung und die Liebe zu den Trachten weiterhin wach. heitssinn entsprechend unterstrich diese Mode die Umrisse der weiblichen Figur. Das weiche, sich an den Oberkörper anschmiegende Leibchen wurde über der Brust mit Brisne TRACHT UND MODE steIn schlicht verschnürt. Auch die langen, engen Ärmel wurden mit Nesteln und Bändern am Oberteil festgebunden Die charakteristischen Schnitt- und Zierformen der (S. 30, 201, 203). In der Hochrenaissance wurde das schmieg Schweizer Trachten lassen sich auf verschiedene Epochen same Mieder durch reichen Zierat wie Borten und bestickte der europäischen Kostümgeschichte zurückführen. Zwar Einsätze betont. Zur Zeit der spanischen Mode versteifte es waren die überlieferten Trachten alle Fest- oder Alltags sich zum engen Schnürleib und erhielt zur optischen Ver kleider der Landbevölkerung. Die Vorbilder zu den einzel längerung der Taille eine Schneppe. Im Barock wurde der nen Gewandformen suchte sich diese aber in den modi Miedereinsatz (Brustlatz) zum hohen, spitzen Vorstecker, schen Kostümen des Landadels und der Städter. Während der mit harten Einlagen verstärkt wurde. Der Vorstecker sich die städtische Mode in rascher Folge stets verändert hatte sich zu einem wichtigen Zierstück entwickelt, das und erneuert hat, blieben die von den Landleuten einmal bald reich bestickt, bald aus kostbarsten Stoffen wie Seide angenommenen Formen und Farben über Jahrzehnte hin und Brokat hergestellt war. Schnürrnieder mit verzierten aus erhalten. Von der herrschenden Mode wurde meist nur Vorsteckern sind uns von den Rokokotrachten her vertrau t, ein Detail, ein besonders typisches Kleidungsstück oder. die Joseph Reinhart in den 1790er Jahren getreu festgehal eine besondere Schnittform der bestehenden Tracht beige ten hat. fügt, ohne diese dabei in ihrem Grundcharakter zu verän Neben dem Schnürrnieder waren im 18. Jahrhundert auch dern. Daraus erklärt sich die Vielfalt der schweizerischen taillierte Schoßjäckchen, die sogenannten Caracos, mo Trachten: Injeder einzelnen sind modische Elemente ver disch. Sie gehörten vor allem zum eleganten bürgerlichen schiedener Epochen zu einem einheitlichen Gewand zu Kleid. Auf dieses Kostümstück des 18. Jahrhunderts sind sammengewachsen. die Ärmeltaillen der welschen Trachten zurückzuführen. Hier muß noch auf die verwendeten Materialien hingewie Im alemannischen Gebiet der Schweiz hielt man dagegen sen werden. Das Volk konnte und durfte wegen der obrig stärker am ärmellosen Schnürrnieder fest. keitlichen Kleiderverordnungen nicht denselben Aufwand Der weite Rock war im Verlaufd er Kostümgeschich te nich t treiben wie die höheren Stände. So waren die Bauern in immer mit dem Leibchen verbunden. Oftmals galt er als erster Linie auf die Erzeugnisse der eigenen Hausspinne selbständiges Kleidungsstück. Schrieb die Weltmode weit rei-, -weberei und -färberei angewiesen, während in der abstehende, sich über Gestelle bauschende Röcke vor, Stadt feinste Textilerzeugnisse des Welthandels verarbeitet dann behalfen sich die Bäuerinnen mit mehreren dicken werden konnten. Bunt bedruckte Baumwollschürzen, Unterröcken. Die J üppen wurden in der Taille dicht gereih t Schultertücher und Schürzen aus feiner Seide waren stets oder gefältelt. An Stelle der modischen «paniers», mit besonders kostbare Trachtenstücke. Fischbein oder Holz verstärkte runde Gestelle, die im spä Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen der Ent ten 18. Jahrhundert unter den Röcken getragen wurden, wicklung der Tracht und der Geschichte der Mode an ein nähten sich die Bäuerinnen kleine Hüftpolster, die sie mit zelnen Beispielen beleuchtet werden. Hier die wichtigsten Sägemehl oder Roßhaar stopften und selbst «W yberspeck» Zeitabschnitte in Stichworten: nannten. Solche Sitten dauerten auf dem Land viel länger 8 an als in der Stadt, wo die Mode gepflegt worden ist. Dies stellte die Bauerntrachten manchmal in lächerlichen Ge gensatz zur herrschenden Stadtmode, was Anlaß zu Spott und Geringschätzung bot. Im 17. Jahrhundert lag ein feines Leinenhemd im weiten Brustausschnitt der dunklen Frauenkleider. Kunstvoll gefältelt wurde die ganze Stoffweite am Hals mit einem Bündchen zusammengefaßt. Bündchen und vordere Hemdöffnung waren meistens sorgfältig bestickt. Schon damals wurde aus dieser sichtbaren Hemdpartie ein selb ständiges Kleidungsstück, das Vorhemd, geschaffen. Das gefältelte Mänteli der Berner Tschöplitracht erinnert heute noch an das Vorhemd des 17. Jahrhunderts. Bildnis der Anna Margaretha Steinfels in Weinfelden, 1782. Hohe weiße Rüschenhaube, Fichu aus feinstem Batist mit Weißstickerei, Spitzenbesatz an Halsausschnitt und Man schetten. Öl auf Leinwand von J oh. Georg DeIser, 79,2 X 61,5 cm. Schweiz. Landesmuseum, Zürich. Mode um 1845. Tailliertes Oberteil mit abfallender Schulter linie und kleinem Spitzenkragen. Der kreisrund ausstehende Rock wird von der Krinoline gestützt. Links: Modekupfer aus der «Damenzeitung», Verlag Fr. Schultheß, in Zürich, 1846. Schweiz. Landesmuseum, Zürich. 9 Die steife Halskrause, «das Krös» des 16. Jahrhunderts, wurde in der Schweiz nur langsam durch den flachen Lei nenkragen, «das Göllen), abgelöst. Nachdem sich dieses allgemein durchgesetzt hatte, stand das Krös allerdings noch weiterhin als besondere Zierde der Kirchen- und Hochzeitstracht im Gebrauch. Zur überlieferten Prozes sionstracht des Sensebezirks wird das blaue, steife Krös heute noch über dem Göller getragen (S.154). Das Modegebot der Zopfzeit, zu jeder eleganten Robe ein kleines besticktes Schultertuch zu tragen, erhielt auch für die Trachten Gültigkeit. Auch hier bestand die ältere neben der neueren Form zunächst weiter, indem das Fichu über das Göller geschlagen wurde. In der Tracht von Uznach hat sich diese Tragweise bis heute erhalten (S. 83). Interessant ist auch, den Farbwechsel der Göller einzelner Trachten zu beobachten: In Zug und im Freiam ttrugen die Mädchen bis ins frühe 19. Jahrhundert bunte, sehr oft schwarze Göller, während die verheirateten Frauen zu ihren weißen Hauben das weiße Leinengöller als Standes zeichen bei behielten. Unter dem Einfluß der duftigen Spi t zenkragen des Biedermeier schmückten sich auch die Ledi gen mit leichten, weißen Rüschengöllern (S. 56). Eine große Schürze aus weißem Leinen reichte schon zur Reformationszeit den ehrbaren Bürgerinnen zur Zierde. Aus schwerer Seide gefertigt, mit Spitzen und Goldborten umrandet und reich bestickt, wurde sie im 17. Jahrhundert ein Prunkstück des Kleides. Seit der Mitte des 18. Jahrhun derts kamen weiße Mousselineschürzen, mit Stickereien und Spitzen besetzt, auf. Ebenso beliebt waren damals Schürzen aus bunt bedruckter Baumwolle. Schürzen mit Latz, der mit Stecknadeln am Oberteil festgeheftet wird, gab es seit dem 17. Jahrhundert. In den l860er Jahren verbreitete der Handel Schürzen aus Schillerseide mit eingewobenen Blumenranken und abge paßten Bordüren. Mit entsprechenden Halstüchern wur- Brautkleid, um 1770. Um die Silhouette der Figur in der Taille zu verbreitern, sind unter dem weiten Jupe sog. paniers, korbfärmige Stützen, getragen worden. Robe bestehend aus Jupe und Manteau, weiße Taftseide mit bunt broschierten Blumenbouquets, aus dem Kanton Graubünden. Schweiz. Landesmuseum, Zürich. Damenkleid, um 1785. Enges Caracojäckchen mit lockeren Falten, die aufd em gebauschten Jupe aufliegen. Robe beste hend aus Jupe, Mieder und Jäckchen. Blauer Wolldamast mit bunt broschierten Blumenranken, aus dem Kanton Zürich. Schweiz. Landesmuseum, Zürich. Ballrobe, um 1820. Großer Halsausschnitt, hohe Taille, kurze Puffärmel und gerade fallender Rock. Rosa M oireseide, aus dem Kanton Graubünden. Schweiz. Landesmuseum, Zürich. 10

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