Technische Stromu ngslehre Von Dr.-lng. Bruno Eck Mit 278 Abbildungen Berlin Verlag von J uli us Springer 1941 AIle Rechte, insbesondere das der iJbersetzung. in fremde Sprachen, vorbehalten. Copyright 1941 by Julius Springer in Berlin. ISBN-13: 978-3-642-98713-7 e-ISBN-13: 978-3-642-99528-6 DOl: 10.1007/978-3-642-99528-6 Vorwort. Del' seit elillger Zeit vergriffenen "Einfiihrung in die technische Stromungslehre", die in erster Linie fiir den Physiklehrer bestimmt war folgt nunmehr ein tiefer gehendes Werk, das sich an Ingenieure, Stu denten, die Industrie und andere Interessenten del' Flugphysik wendet. Dem Aufbau des Buches liegen folgende Gesichtspunkte zugrunde: 1. Welches ist die einfachste Form, in del' die Hauptgesetze del' Stro mungslehre abgeleitet und dargestellt werden konnen? 2. Welche Er gebnisse del' theoretischen und experimentellen Forschung sind in erster Linie von praktischem Nutzen? Zur Erreichung dieses Zieles wurden die mathematischen Hilfsmittel auf das unbedingt Notwendige be schrankt (Infinitesimalrechnung), durch zahlreiche Versuchs- und Zah lenbeispiele die Anwendung der Gesetze gezeigt, wahrend Anschauungs mittel del' verschiedensten Art zum besseren Verstandnisschwieriger Erscheinungen herangezogen wurden. Von einer "Technischen Stromungslehre" wird del' Ingenieur ebenso wie del' Studierende VOl' allem eine quantitative und qualitative Be schreibung del' Reibungsauswirkungen erwarten. Diese Fragen sind aus· fiihrlicher behandelt und bilden den Kernpunkt des Buches. So ist z. B. dem Ablosungsproblem, mit dem del' Praktiker wohl von allen Gebieten del' Stromungslehre am meisten zu tun hat, ein weiter Raum gewidmet. Da wir in diesem Zentralproblem del' Stromungslehre noch sehr weit gehend auf den Versuch angewiesen sind, ist eine den Ingenieur inter essierende Darstellung ohne Dadegung vieleI' Versuchsergebnisse und Anschauungsmittel unmoglich. Es wurde versucht, die wichtigsten phy sikalischen Erscheinungen in Reinkultur zu zeigen, wobei besonders ty pische technische FaIle als Beispiele gewahIt wurden. Eine Reihe vom Verfasser entwickelter Hilfsmittelleistete dabei gute Dienste. Wahrend eine groBe FiiIle von mehr mathematisch ausgerichteten Werken del' Stromungslehre zur Verfiigung steht, fehlte bisher eine mehr dem Techniker zusagende knappe Darstellung. Vielleicht kann das vor liegendeBuch hier etwas ausgleichend wirken und gleichzeitig den weiter strebenden Leser schonend auf weitergehende Darstellungen vorbereiten. Dazu sind im Kleindruck etwas schwierigere und zunachst nicht sehr wichtige Probleme angeschnitten, wahrend zahlreiche Literaturangaben und ein Literaturverzeichnis am SchluB des Buches mit dem Schrifttum bekannt machen. IV Vorwort. Von den 278 Abbildungen des Buches stammen 220 aus eigenen Ver suchen und Entwiirfen. Der Rest ist mit Quellenangabe entlehnt. Der Verfasser beabsichtigt, diesem Werk eine Versuchs- und Labo ratoriumstechnik der Stromungslehre folgen zu lassen, die ebenfalls in erster Linie fiir den Praktiker und die Industrie bestimmt ist. Die Her ausgabe dieses Buches wird allerdings erst nach Kriegsende erfolgen konnen. Bei der Durchsicht der Korrekturen fand ich sehr wertvolle Unter stiitzung beiden Herren Studienrat Fritz Friedrichs, Detmold und Studienrat Dr. phil. Kirchhoff, Koln. Fiir ihre Hilfe und mannig fachen RatschHige darf ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank zum Ausdruck bringen. Der Verlag sorgte in vorbildlicher Weise fiir die Ausstattung des Bu ches, insbesondere bei der Herstellung des umfangreichen Bildmateriales und beriicksichtigte meine zahlreichen Wiinsche, was ich mit bestem Dank betonen mochte. Koln, im Oktober 1940. Bruno Eck. Inhaltsverzeichnis. Seite I. Hydrostatik . . . I 1. Der statische Druck I 2. Messung des Druckes 2 3. Gleichgewicht der Atmosphii-re 4 II. BewegliDgslehre . . . . . . . . 9 4. Vergleich mit der Bewegung fester Korper . 9 5. Allgemeine Bewegungsgleichungen. . . . . 14 a} Stationare Bewegung . . . . . . . . . 15 b} Die Bemoullische Gleichung fUr die Rotationsbewegung 17 c} Nichtstationare Bewegung. . . . . 17 d} Ableitung bei veranderlichem Druck. 18 e} Unterdruck . . . . . . . . . 18 f} Staudruck. . . . . . . . . . 20 g} GasausfluB aus einem ;Behalter . 21 h} Weitere Beispiele. . . . . . . 22 i} AbreiBen der Stromung in einem Abfallrohr . 23 k} Beispiel fiir nichtstationare Stromung. . . . 24 6. Krafte senkrecht zur Stromungsrichtung. . . . . . 26 7. "Obergang von einer Stromlinie zur Gesamtstromung 27 8. Drehungsfreie Kreisbewegung. . . . . . 28 9. Mittlere Drehung eines kleinen Teilchens . 31 10. Zirkulation . . . . 31 ll. Das Potential. . . . . . . . . . . . . 33 12. Energiebetrachtung . . . . . . . . . . 34 13. Weitere Betrachtungen fiber Wirbelbewegungen 36 14. Dicke des Wirbelkemes . . . . . . . . . . . 37 15. Stellen der groBten und kleinsten Geschwindigkeiten . 38 16. Quellen und Senken. . 38 a} Grundsatzliches . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b} "Oberlagerungsgesetz . .. . . . . . . . . . . . . 39 c} Zusammensetzung einer Parallelstromung mit einer Quelle 39 d} Zusammensetzung von Quelle und Senke . . . . . . . 40 e} Doppelquelle. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 41 f} Uberlagerung von Doppelquelle und Quelle und Senke . 42 g} Zusammensetzung von Quelle und Wh:bel (Wirbelquelle) 43 h} Doppelquelle und Parallelstromung. . . . . . 44 17. Graphische Konstruktion von Stromungsbildem . . . 46 18. Genauere Verfahren ............... 48 19. Besonderheiten der rotationssymmetrischen Stromung . 52 20. Genauere mathematische Betrachtung. . . . . . . . 53 21. Konstruktion von Stromungsbildem mit Hilfe der Stromfunktion. 55 22. Experimentelle Darstellung der reibungsfreien Stromung. . . . . 56 VI InhaltBverzeichnis. Selte 23. Impulssatz . . . . . . . . . . . . 59 a) Ableitung . . . . . . . . . . . 59 b) Die Kugel im scbragen Luftstrahl . 61 c) Ablenkung eines Strahles durch eine Schneide . 62 d) Wirkung eines Schaufeigitters . . . . . . . . 63 e) Berechnung des Sto.Bverlustes . . . . . . . . 65 f) Anwendung des Impulssatzes bei beliebigen freien Stromungen 68 g) Auftrieb ............. . 69 h) Impulsmomente (Flachensatz) . . . . . 72 24. Reibungsfreie Stromung in offenen Rinnen 73 m. EinDuB der Reibung bei ablOsungsfreien 8tromungen 76 25. Innere Reibung infolge Zahigkeit ... . 76 26. Ahnlichkeitsgesetz ......... . 79 27. Bewegungsgleichungen mit Reibungsglied 83 28. Stromungsformen . . . . . . . 84 29. Stromungswiderstand in Rohren 87 a) Allgemeine Bemerkungen .. 87 b) Das glatte Rohr . . . . . . 88 c) Das rauhe Rohr ..... . 89 d) Geschwindigkeitsverteilung bei der Rohrstromung 93 e) Korrektur des GeschwindigkeitsgIiedes in der Bernoullischen . "Gieichung . . . . . . . . . . . . . 95 30. Eingehendere Betrachtung der Turbulenz. . . 96 a) GrundsatzIiches . . . . . . . . . . . . 96 b) Einflu.B der Wandrauhigkeit ...... . 98 c) Besondere Betrachtungen iiber die Rohrstromung 98 d) Glattes Robr. . . . . . . . . . . . . 99 31. Begriff der hydraulischen Glatte . . . . . 100 32. Besondere Angaben fiir gewalzte Stahlrohre 102 33. Druckverlust in geschichteten Stoffen. . . 103 34. Besondere Bemerkungen . . . . . . . . . . 103 35. Rohrreibungswiderstand bei pulsierender Durchflu.Bstromung . 103 36. Aufwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 37. Anlaufstrecke .................... . 107 38. Stromung in geraden Rohren nicht~ kreisformigen Querschnittes . 109 39. Rohrreibung bei Expansion der Gase im Rohr . 109 40. Vermischung eines freien Strahles . III 41. Oberflachenwiderstand 114 a) Grenzschichtbet;achtungen 114 b) Impulsverfahren nach Betz 119 IV: Das AblOsungsproblem 121 42. Allgemeines ....... . 121 43. Ablosung an schaden Kante~ 122 44. Ablosung in divergenten Kanii.Ien (Diffusoren) 123 45. Ablosung in rotierenden Kanii.len. . . . . 132 46. Dimensionslose Edassung des Widerstandes 133 47. Kugeistromung . . 134 48. Kriimmer . . . . . . . . . . . . . . . 138 49. Ablosung in Diisen . . . . . . . . . . . 145 50. Trennung und Vereinigung von Rohrverzweigungen . 149 Inhaltsverzeichnis. VII Seite 51. Ventile und Absperrmittel ............... . 150 52. Stromungsverluste infolge scharfer Kanten; Kontraktion usw. 151 53. Unstetige Querschnittserweiterung . . . 152 54. Unstetige Rohrverengung . . . . . . . . 153 55. Formwiderstand, Oberflachenwiderstand. . 154 56. Bewegung im Totwasserraum. . . . . . . 155 57. Druckverteilung bei Kugeln und Zylindem . 158 58. Beeinflussung des Widerstandes durch die Ausbildung der Vorder- kante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159· 59. Fiihrt sehr starke Verzogerung immer zur Ablosung? 160 60. Widerstand von Luftschiffkorpem 161 61. Widerstand von Fahrzeugen . . . . . . . 163 62. Schwebende Korper .......... 164 63. Zusammenstellung von Widerstandsziffem . 165 64. Die Hauptgesetze der Ablosung (Zusammenstellung) 166 V. Der Tragflfigel • . . . . 167 65. Allgemein:es 167 66. Das Polardiagramm 169 67. Ents~hung der Auftriebskraft 170 68. Der unendlich lange Flugel . 175 69. Druckpunkt ....... . 176 70. Der endlich lange Fliigel. . . 177 71. Bestiitigung der Tragfliigeltheorie durch den Versuch . 182 72. EinfluB der UmriBform des Flugels. . . . . . 184 73. Polare des ganzen Flugzeuges. . . . . . . . . 186 74. Mittel zur Auftriebserhohung eines Tragfliigels . 187 75. Druckverteilung am Tragflugel ....... . 188 76. Versuchswerte .............. . 189 77. AbreiBen der Stromung, Kennzahl, Turbulenzeinfliisse . 192 VI. Hllfsmittel zur Vermeidung der AblOsung . 196 78. Grenzschichtabsaugung . 196 79. Mitbewegte Wand. . . . 198 80. Ausblasen von Druckluft . 199 81. Leitschaufeln . 199 Vll. Kavitation. . . . 205 82. Allgemeines 205 83. Praktische Auswirkungen 205 84. Physikalische Erganzungen • 208 85. Erosion durch Tropfenschlag . 211 VIlI. Gasdyruunik . . . . . . . . . . 211 86. Physikalische Ableitung der Schallgeschwindigkeit 211 87. Technische Ableitung der Schallgeschwindigkeit. . 212 88. Der Machsche Winkel. . . . . . . . . . . . . 213 89. Allgemeine thermodynamische Beziehungen .......... 215 90. Konstruktion ebener Stromungsbilder bei 1Jberschallgeschwindigkeit 217 91. Der VerdichtungsstoB . . . . . . . . . . . . . . . . 220 92. Lavaldiisen .................... 222 93. EinfluB der Kompressibilitat bei Unterschallstromungen 224 94. Tragfliigeleigenschaften bei Vberschallstromungen. . . . 226 VIII Inhaltsverzeichnis. Seite IX. Stromungstoohnische Messungen . . . . . . . . . . . . . . .. 228 95. DruckmeBgel'ate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 228 96. Messung von Druck und Geschwindigkeit in offener Stl'iimung. 231 97. Feststellung del' Striimungsrichtung mit Staugeraten . 235 98. Messung mit Diisen, Blenden und Venturirohren . 237 99. GefiiBmessungen . . . . . . . . . 243 100. 'Oberfallmessungen . . . . . . . . . . 244 101. Direkt anzeigende DurchfluBmesser. . . . . . 245 102. 1m Fliissigkeitsstl'om sich drehende MeBgerat.e . 246 Literaturverzeichnis . . . . 248 Namen- und Sachverzeichnis 250 I. Hydrostatik. 1. Der statische Druck. Die meisten Erscheinungen del' Rydrostatik lassen sich durch eine genaue Betrachtung des Begriffes "Druck" leicht erklaren. Diesel' Be griff, del' bei del' Bewegung von Fliissigkeiten eine groBe Rolle spielt, sei deshalb hier etwas genauer behandelt. Wir setzen Reibungslosigkeit del' Fliissigkeit voraus. Reibungslos wollen wir eine Fliissigkeit dannnennen, wenn beispielsweise auf ein wiirfel£ormiges Teilchen nul' Normalkrafte un~keine Tangentialkrafte wirken (Abb. 1). In Anlehnung an die aus del' Festigkeitslehre bekannten Begri££e nennen WIT die Normalkraft je Fla cheneinheit den Druck p; eine Tangentialkraft dagegen, die wir ebenfalls auf die Flacheneinheit beziehen (deren Behandlung spateI' erfolgen solI), nennen wir SchubspamlUng 7:. Abb.l. Abb.2. Wir betrachten ein GefaB mit einer Fliissigkeit (Abb. 2) und wollen die Krafte bzw. Driicke kennenlernen, die von del' Fliissigkeit auf die GefaBwand ausgeiibt. werden. Beginnen wir mit dem Boden. Ein etwa in ihn eingesetztes Kolbchen gestattet Ieicht die Auswiegung del' Krafte. Die hierbei wirkende Gesamtkraft ist offensichtlich gleich dem Ge wicht des Fliissigkeitszylinders tiber dem Kolben. Ist F die Kolben £Iache und y das spez. Gewicht del' Fliissigkeit, so ist F . p = F .71, • y , d. h. p=h·y. (1) Nun machen wir denselben Versuch an einer Seite des GefaBes, etwa in del' Rohe 71,' von del' Oberflache. Mit einem kleinen reibungsfreien KOlbchen ist die Messung in del' gleichen Weise leicht durchfiihrbar. Bei del' Berechnung kommen wir jedoch sofort in einige Verlegenheit. Eine Eck, Stromungslehre. I 2 Hydrostatik. Gewichtsberechnung wie vorhin ist hier nicht moglich. Wohl ist in der Tiefe hi der Druck senkrecht nach unten aus Gl. (1) leicht zu ermitteln. Aber es drangt sich die Frage auf: wie andert sich der Druck, wenn bei Beibehaltung der Tiefe die Bezugsebene ihre Richtung andert 1 Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir ein beliebig kleines Teilchen, dem wir aus ZweckmaBigkeitsgriinden die Form eines Prismas geben, dessen Grundflache ein rechtwinkliges Dreieck ist (Abb.2). An der stark vergroBerten Darstellung dieses Teilchens (Abb.3) unter- suchen wir die" Gleichgewichtsbedingun gen. Auf der waagerechten Seite AB 8 A ist der Druck pi = hi . y, auf den anderen Seiten AC und BC ist er unbekannt. Wir bezeichnen den Druck auf AC mit p" und auf CB mit PIX' Die Hypotenuse des Drei ecks habe die Lange LI b. Da nur Nor- 'C malkrafte vorhanden sind, ist das Gleich Abb.3. gewicht von drei Kraften zu untersuchen. Die Lange des Prismas senkrecht zur Zeichenebene sei l. Krafte auf Seite AB: pi . LI b . cos IX ·l , C B : PIX • LI b ·l, AC: pIt ·Llb . sin IX·l. Wir setzen die Summe der Krafte in horizontaler und vertikaler Richtung gleich: senkrechte Krafte: pi . LI b . l . cos IX = PIX • LI b . l . cos IX , horizontale Krafte: p". LI b·l . sin IX = PIX • LI b ·l . sin IX ; hieraus folgt: pi = p" = PIX • Wir finden somit den wichtigen Satz: Der Druck ist, auBer vom spez. Gewicht der Fliissigkeit, nur abhangig von der Hohe, aber unabhangig von der Richtungl (Pascal). Mit Riicksicht auf spatere Anwendungen sei als Beispiel im folgenden die Druckmessung behandelt. 2; Messung des Druckes. Verbindet man ein GefaB (Abb. 4;) mit einer seitlichen Steigrohre, so muB in ihr aus den oben angefiihrten Griinden die Fliissigkeit so hoch steigen wie im GefaB. Die Steigrohre kann also zur Feststellung des Wanddruckes benutzt werden. Da das MeBrohr nichts davon weiB, wie 1 Bei fast allen bekannten Fliissigkeiten trifft dieser Satz zu. Sobald jedoch eine "Reibung der Ruhe" vorhanden ist, verliert der Satz selbstverstandlich seine Giiltigkeit. Diese Bemerkung bedarf deshalb einer besonderen Betonung, weil es praktisch nicht unwichtige fliissigkeitsahnliche Gebilde gibt, die merkliche Schub spannungen iibertragen. Hierzu gehort z. B. Kohlenstaub, iiberhaupt feinkorni ges Material.