Horst Kunhardt (Hrsg.) Systemisches Management im Gesundheitswesen Horst Kunhardt (Hrsg.) Systemisches Management im Gesundheitswesen Innovative Konzepte und Praxisbeispiele • GABLER BibliografischeInformation der Deutschen Nationalbibliothek DieDeutsche Nationalbibliothekverzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie; detailliertebibliografischeDatensind imInternet über <http://dnb.d-nb.de>abrufbar. 1.Auflage2011 AlleRechtevorbehalten ©GablerVerlagISpringerFachmedienWiesbadenGmbH2011 Lektorat: MargitSchlomski GablerVerlagisteineMarkevonSpringerFachmedien. SpringerFachmedienistTeilderFachverlagsgruppeSpringerScience+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung inelektronischenSystemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auchohnebesondereKennzeichnungnicht zuderAnnahme,dasssolcheNamenimSinneder Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung alsfreizu betrachten wären und dahervonjedermann benutztwerdendürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopkaMedienentwicklung, Heidelberg Gedruckt aufsäurefreiemundchlorfreigebleichtem Papier PrintedinGermany ISBN978-3-8349-1066-0 Vorwort Gesundheitsversorgungist ein komplexer, nichtlinearerProzess, der durchzahlreicheOrd nungsparameter (rechtlich, organisatorisch, kulturell, religiös, ökonomisch, informatisch) bestimmt wird. Die hohe Komplexität führt zu den bekannten schwer vorhersagbaren Er gebnissen und der hohen Sensitivität des Systems durch interne und externe geänderte Ordnungsparameter.Das zurzeitvorherrschendeParadigmaderweitgehendenHandlungs autonomie des Arztes und der geringen Beteiligung des Patienten beim Behandlungspro zess führt zu den bekannten Problemen der Compliance, zu Redundanzen bei Untersu chungen und zu geringerBeachtungvonexterner Evidenz oderkollegialer Unterstützung. Der Patient ist im aktuellen Gesundheitssystem nicht gleichberechtigter Co-Produzent der Behandlungsleistung, sondern häufig ein "Störfaktor" der Prozesse in Klinik und Praxis. DabeizeigenBefragungenvonPatienten, dass sich Ärztehäufig zu wenigZeit für das Ge sprächmit demPatientenunddessenInformationzu seinerErkrankungundTherapiemög lichkeitennehmen. DieüberauswichtigeBedeutungeinersachgerechten"Kommunikation" sowie die BeachtungderbesonderenUmstände, in denensich Patientund Angehörigebe finden, werdenimArzt-Patienten-GesprächausZeit- odervermeintlichenEffizienzgründen häufignichtgesehen. Aber auchärztlicheundpflegendeMitarbeitersehensich an Kliniken häufigals "Schnittstellenprobleme"in eineran dermechanistischenSichtweiseausgerichte tenKlinikorganisation. Entlang der starren Prozessorganisation einer Klinik oder Praxis bzw. der individuellen InterpretationdieserProzessorganisationkommenSituationen,in denenesummenschliche und menschenwürdige Kommunikation und gegenseitiges Verständnis geht, sehr oft zu kurz. Hierinliegt einerderGründe,warumPatientendie Leistungsfähigkeitunseresderzei tigen Gesundheitssystems mit einer großen "gefühlten Unsicherheit" beschreiben. Aus weichtendenzendieserUnsicherheitundOrientierungslosigkeitsowie die Empfindungund häufigauchBestätigungdereigenenMachtlosigkeitangesichtseinerzunehmendkomplexer undnichtmehrfür denEinzelnenzudurchschauendenSystemkomplexitätzeigendie große NachfragenachLeistungenderAlternativmedizin. Was muss nun einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitsversorgung auslösen? Die traditionellen Mechanismen des Controllings und Managements von betriebswirtschaftli chen Kenngrößen, wie z.B.Fallzahl, Mindestrnengen, Schweregrade, reichen offensichtlich für die Steuerung des komplexen Gesundheitssystems nicht mehr aus. Wenn auch häufig vonder"Gesundheitswirtschaft"gesprochenwird,unterliegtdie Gesundheits-oderKrank heitsversorgung eigenen Gesetzen und Regelungsmechanismen. Die Patienten sehen sich häufig nicht als "Kunden" des Systems, sondern als Individuenmit eigenenWünschen in einervielleichtbedrohlichenLebenssituation. Eine modeme, umfassende GesundheitsversorgungsetztaufKollaborationund Kommuni kation der Beteiligten. Traditionelle Managementmethodenund Hierarchienwirken dieser systemischenSichtweiseaufunserGesundheitssystemhäufigentgegen.UnserGesundheits systemmuss als nichtlineares, komplexes System mit vielenWechselwirkungenund Rück kopplungsschleifen verstanden werden. Starre Organisations- und Prozessgrenzen dürfen 6 Vorwort nicht die Chancen von Innovation und Emergenz neuer Strukturen der Zusammenarbeit (Kollaboration) behindern. Die Fähigkeiten sozialer Netzwerke mit gegenseitiger Wert schätzung der Netzwerkpartner, wie z.B.die Selbstorganisationinnerhalb der Netzwerke, werden aus ökonomischenZwängenoderAbschottungvor Konkurrenz zu weniggenutzt. In den Organisationen des Gesundheitssystems werden vielfach nur "Daten verarbeitet" aber zu selten "Informationen genutzt". Somit sind "Wissensmanagement" und "lernende Organisationen"die Ausnahmen. Das vorliegendeBuchsoll dabei helfen, die Überführung einertraditionellen Gesundheits versorgung mitstarrenOrdnungsparameternin einsystemisches Gesundheitsmanagement mit dynamischen Ordnungsparametern, angepasst an die Versorgungsrealität zu entwi ckeln. BesondereBeachtung finden dabei die komplexenWechselwirkungenzwischen den Erbringern der Leistung, den Empfängern der Leistung und deren Angehörigensowie der Lebens- und Arbeitswelt der Menschen. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Steue rungsmöglichkeitenvonKrankenkassenals Partnerin diesemSystem. Die interdisziplinäre MultikompetenzderunterschiedlichenProjektpartner(Leistungserbringer,Leistungsnutzer, Pharmabereich, IT-Lösungsanbieter, Hochschulen, Politik, Berufsverbände, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Ethikgremien) trägtzueinersystemischen, realitätsnahenSystementwick lung entscheidendbei Kollaborative IT-Systeme lieferneine transparente, redundanzarme Prozessunterstützungund ermöglichenauch die Steuerung an Netzübergängenund deren Evaluation sowie die kontinuierliche Anpassung der Ordnungsparameter. Das dabei ent stehende Netzwerk basiert auf Kollaboration, Kommunikation und Wissensmanagement mit dem Bewusstsein einer komplexen, nichtlinearen, dissipativen und selbstorganisieren denStruktur. HorstKunhardt Inhalt Vorwort 5 Gesundheitspolitik 9 1 Gesundheitswesenund-politikim internationalenVergleich- einÜberblickübertheoretischeundmethodischeAnsätze 11 MargittaBeil-Hildebrand Managementinstrumente 27 2 SystemischesManagementim Gesundheitswesen 29 FelixTretter 3 Medizin-Controllingund KennzahlensystemeamBeispieldes DRG-Systems.....53 MartinZeuner 4 Führungsverhalten 69 RainerWaldmann 5 ÄrztlichesFührungsverhaltenimKrankenhaus- eine qualitativeAnalyse derSichtweisenvonÄrztenverschiedenerKlinikeninBayern 103 MartinSteinberger 6 InternationalesProjektmanagement 127 lohantiNagengast Informations-,Prozess-undQualitätsmanagement 141 7 IT-Einsatz imGesundheitswesen:"Evidence-basedIT" 143 HorstKunhardt 8 WissensmanagementinmedizinischenPraxisnetzen- Erfahrungenaus demGesundheitsnetzQualitätundEffizienz- QuE Nürnberg 159 JÖTgLindenthai 9 RisikomanagementinKliniken-EinführungeinerSicherheitskultur indieAnästhesie-Abteilungeines Krankenhauses 187 Hans-GüntherHenrich 8 Inhalt NeueVersorgungsformen 197 10 GesundheitsbildungundGesundheitsförderunginsozialenNetzwerken 199 HorstKunhardt 11 Modeme,vemetzteVersorgungsformen 205 StephanBesl 12 "Männermedizin"- eine Rentabilitätsbetrachtung 221 MathiasBeste Praxisnachfolge 231 13 DieBewertungvonArzt-undZalmarztpraxen. 233 WilfriedBridts Ethikund Medizin 297 14 EthischeGrundlageninderMedizin 299 PeterSchmieder 15 DieRolleklinischerEhtik-KomiteesausSicht konfessionellgetragenerKrankenhäuser 321 TobiasBöcker Rechtsfragen 331 16 Arzthaftungsrecht 333 IrisFelicitasKoller 17 ÄrztlicheKooperationsformen 347 IrisFelicitasKoller 18 Grundzügedes Medizinproduktegesetzes 359 IrisFelicitasKoller 19 Krankenhausrecht- einkurzeÜbersicht 365 WalterFörtsch DerHerausgeber 371 DieAutoren 373 I Gesundheitspolitik 1 Gesundheitswesen und -politik im 'internationalen Vergleich - ein Überblick über theoretische und methodische Ansätze MargittaBeil-Hildebrand 1.1 E'inführung Die Gesundheitspolitik gehört in fast allen industrialisierten Ländern zu den besonders kontrovers diskutierenPolitikfeldern. Das liegtunter andereman der enormenBedeutung, die das Gesundheitswesenfür die Länder sowohl als Kostenfaktor als auchals Organisati ons- und Regulierungsbereich darstellt. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem internationalen Vergleich von Gesundheitswesen und -politikund verfolgt dabei das Ziel, dassderpotenzielleLeserdie politischgewünschteAngleichungderSystemekritischunter Bezugnahme auf ausgewählte theoretische und methodische Grundsätze einordnen und beurteilenkann. Aus diesem Blickwinkelheraus orientiert sich dieser Beitragnicht an ein zelnen internationalen Gesundheitswesen und deren Gesundheitspolitik sondern bezieht sich aufanalytischeRahmenbedingungensowiedie Überprüfungvonausgewähltentheore tischenundmethodischenGerüsten. 1.2 Defizite der gesundheitspolitischen Debatte der pragmatische Ansatz Die Besonderheiten des deutschen Gesundheitswesens führen den interessiertenLeser un mittelbar zur vergleichenden Gesundheitssystemforschung und dem Lernen von anderen Ländern. Ein internationalerVergleichvonGesundheitswesenund-politikermöglichtinte ressante Einblicke und die deutsche Gesundheitspolitik als auch die damit beauftragten Körperschaftenbeschäftigensich regelmäßiginnerhalbihreroffiziellenReformdebattenmit internationalen Erfahrungen und Erkenntnissen. Die Ergebnisse dieser Debatten lassen gewisseTendenzenerkennenundin derEinschätzungdergegenwärtigenSituationberufen sich die politischenAkteure gerne auf unterschiedliche Bemühungen aus dem außer- und inner-europäischenAuslandfür die dauerhafte Umgestaltungund Reformierung des deut schenGesundheitswesens.DieserEinschätzungpasstsichauchaktuelldie Bundesregierung in der 17.Legislaturperiode an, wenn es die in den USA und anderswo in Europa bereits intensiv erprobtenVersuche von mehr Wettbewerb bzw. Markt zur internen Organisation desGesundheitswesensin denMittelpunktderdeutschenReformabsichtenstellt: H. Kunhardt (Hrsg.), Systemisches Management im Gesundheitswesen, DOI 10.1007/978-3-8349-6440-3_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011