JANUA LINGUARUM STUDIA MEMORIAE NICOLAI VAN WIJK DEDICATA edenda curat C. H. VAN SCHOONEVELD Indiana University Series Practica, 246 SYSTEM DER PARADIGMATISCHEN SUFFIXMORPHEME DES WOGULISCHEN DIALEKTES AN DER TAWDA von LÁSZLÓ HONTI 1975 MOUTON DEN HAAG · PARIS © Akadémiai Kiadô, Budapest 1975 Gemeinschaftsausgabe des Verlages Mouton, Den Haag, Paris und des Akadémiai Kiadó, Budapest No part of this book may be translated or reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without u/ritten permission from the publishers. Aus dem Ungarischen übersetzt von REGINA HESSKY LIBRARY OF CONGRESS CATALOG CARD NUMBER: 78-189712 Gesamtgestûltung: Akadémiai Nyomda, Budapest V., Gerlòczy utca 2. Printed in Hungary INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 7 I. Einleitung 9 A. Zielsetzung der Arbeit 9 B. Der wogulische Dialekt an der Tawda 9 1. Quellen des Dialektes 10 2. Die bisherigen Forschungen 11 3. Der Phonembestand des Dialektes 12 II. Darstellung der Forschungsmethode und ihre Anwendung bei der Unter- suchimg des wogulischen Dialektes an der Tawda 23 A. Darstellung der in der Arbeit angewandten morphologischen Forschungs- methode 23 B. Abgrenzung der paradigmatischen Suffixmorpheme des Tawda-Wogulischen 26 III. Morphonologie 29 A. Beschreibung der Stammtypen beim Verb und beim Nomen 29 1. Verbalstämme 29 a) Unveränderte Stämme 29 b) Veränderliche Stämme 30 2. Nominalstämme 33 a) Unveränderte Stämme 33 b) Veränderliche Stämme 33 B. Alternationstypen der paradigmatischen Suffixmorpheme 36 1. Automatische Alternation 36 a) Alternanten mit und ohne Vorlaut 36 b) Alternanten mit palatalem und velarem Vokal 37 c) Alternanten mit und ohne Vokalharmonie 37 d) Alternanten bei den ein- bzw. mehrsilbigen Stämmen 37 2. Freie Alternation 38 3. Grammatische (und zugleich suppletive) Alternation 38 6 INHALTSVERZEICHNIS 4. Suppletive (und zugleich grammatische) Alternation 38 5. Unregelmäßige Alternation 39 IV. Morphologie 41 A. Beschreibung der paradigmatischen Suffixmorpheme beim Verb 41 1. Die Zeichenmorpheme 41 a) Die Genuszeichen 41 b) Die Moduszeichen 43 c) Die Tempuszeichen 49 d) Verbale Zeichen, die auf die Beschaffenheit des verbalen Objekts hinweisen 57 e) Verbale Zeichen, die auf den Numerus des Objekts hinweisen .... 60 2. Die Suffixmorpheme 61 a) Das Suffix der 1. Person Singular 62 b) Das Suffix der 2. Person Singular 63 c) Das Suffix der 3. Person Singular 64 d) Das Suffix der 1. Person Plural 65 e) Das Suffix der 2. Person Plural 66 f) Das Suffix der 3. Person Plural 68 B. Darstellung der nominalen Zeichen- und Suffixmorpheme 72 1. Die Zeichenmorpheme 72 a) Die Numeruszeichen 73 b) Die possessiven Personalendungen 74 c) Das Kollektivzeichen 80 2. Die Suffixmorpheme 81 a) Die Suffixmorpheme des Substantivs 81 b) Das adjektivische (Modalis-) Suffixmorphem 87 c) Die Suffixmorpheme der Personalpronomen 87 V. Das vollständige Paradigma des Verbs und des Nomens 91 A. Die in den Quellen vorhandenen Verbformen 91 B. Das vollständige Paradigma des Verbs 114 C. Die in den Quellen vorhandenen nominalen Formen 117 D. Das vollständige Paradigma des Nomens 136 E. Das vollständige Paradigma des Personalpronomens 138 VI. Anhang 141 Abkürzungen 153 Abkürzungen der Literaturquellen 155 Literaturverzeichnis 157 VORWORT Die vorliegende Arbeit war ursprünglich als Promotionsarbeit gedacht ; ich promovierte 1970 in Budapest an der Philologischen Fakultät der Loránd- Eötvös-Universität. Auch an dieser Stelle möchte ich den damaligen Oppo- nenten meiner Arbeit, Dozentin MAGDOLNA SZ. KISPÁL und JÓZSEF ERDODI, herzlich danken. In einer früheren Phase meiner Arbeit stand mir Professor GYÖRGY LAKÓ mit Ratschlägen zur Seite, deshalb bin ich auch ihm gegenüber zu Dank verpflichtet. Mein Dank gilt auch Professor MATTI LUMOLA, von dem ich während meines Studiums in Turku wertvolle Hilfe und einige unver- öffentlichte KANNISTO-Angaben erhalten habe. Professor BÉLA KÁLMÁN zeigte sich bereit, das Manuskript meiner Arbeit zu lesen, ich bin für seine nützlichen Bemerkungen und die unveröffentlichten MuNKÁcsi-Angaben sehr dankbar. Schließlich gilt mein Dank noch ÈVA KORENCHY für die Ausarbeitung der lateinischen Terminologie und die Abkürzungen. I. EINLEITUNG Α. ZIELSETZUNG DER ARBEIT Ich behandle in dieser Arbeit die paradigmatischen Suffixmorpheme des wogulischen Dialektes am Fluß Tawda vom beschreibenden Aspekt. Ich stelle fest, welche Morpheme in diese Kategorie gehören. Außerdem werden die alternierenden Formen zu den einzelnen Morphemen gesammelt. Ich stelle weiterhin die Typen der Morphemkomplexe der Stamm- und der paradigma- tischen Suffixmorpheme dar. Zur komplexen Darstellung des Paradigmen- systems ist es unerläßlich, daß ich mich nicht nur mit den Suffixen beschäftige, sondern auch den Änderungen Aufmerksamkeit schenke, die sich im Laufe der paradigmatischen Änderungen bei den Verbal- und Nominalstämmen eventuell ergeben. Ich möchte ein komplexes Bild des Flexionssystems dieses Dialekts entwerfen, dazu stelle ich die paradigmatische Reihe der Deklination und der Konjugation dar. Die unvollständigen Reihen, die mit Hilfe von Angaben aus Texten und Studien zusammengestellt werden können, ergänze ich durch er- schlossene Formen. Vor der deskriptiven morphologischen Untersuchung stelle ich kurz den Phonembestand des Dialekts dar. B. DER WOGULISCHE DIALEKT AN DER TAWDA Die Sprache der am Fluß Tawda und in dessen unmittelbarer Umgebung lebenden Wogulen bildet die südliche Gruppe der wogulischen Dialekte. Von ihren weiter im Norden lebenden Brüdern haben sie sich längst getrennt, sie sind zu einer Sprachinsel geworden : ihre Nachbarn sind Russen und Tataren. Teils infolge der Trennung von den übrigen Wogulen und der selbständigen Entwicklung, teils wegen der starken sprachlichen und kulturellen Einwirkung der fremden Umgebung, könnte sie schon fast als selbständige Sprache betrachtet werden. Das Tawda-Wogulische besteht aus drei Subdialekten, Mundarten : die Mundart in Janyökowa (TJ), in Candyri (TC) und in Gorodok (TG). Zwischen den Dialekten TJ und TC gibt es nur geringere, unwesentliche Unterschiede, so behandle ich diese als Repräsentanten desselben Sprachzustandes. Die Mund- 10 EINLEITUNG art von Gorodok weicht von den beiden anderen zumindest phonetisch ab, ob- wohl wir wenig über sie wissen, denn Kannisto sprach im Dorf Gorodok nur mit zwei alten Männern, die einigermaßen das Wogulische noch beherrschten, aber wegen ihrer mangelhaften Sprachkenntnisse und fehlerhaften Sprech- organe nicht fähig waren, Angaben und Texte in größerer Menge zu liefern (s. Kannisto : JSFOu. 24/3 : 2). Kannistos Bericht nach betrug die Zahl der wogulisch Sprechenden Anfang dieses Jahrhunderts in den sieben wogulischen Dörfern an der Tawda insgesamt etwa 330 (s. Kannisto : JSFOu. 24/3 : 1, Nevalainen : JSFOu. 70/4 : 9—17). Der Sammler berichtete über diese kleine und nicht einheitliche Gemeinschaft folgenderweise : »Ihren Gewohnheiten und -ihrer Mentalität nach scheinen sie sehr russifiziert zu sein«. »Die Wirkung der tatarischen Sprache ist groß ge- wesen, wie auch die große Menge der Lehnwörter darin beweist« (JSFOu! 24/3 : 1, 2). Dieser wogulische Dialekt kann heute schon als ausgestorben be- trachtet werden, obwohl — wie das von Professor V. I. Lytkin zur Zeit seines Aufenthaltes in Budapest 1969 erwähnt wurde — noch ein paar alte Menschen leben, die den wogulischen Dialekt an der Tawda sprechen. Auf das dauerhafte Zusammenleben und die sprachlichen Kontakte der Tawda-Wogulen und der Tataren weist nicht nur die große Zahl der tatarischen Lehnwörter hin, sondern auch Erscheinungen aus dem Bereiche der arealen Linguistik, die beweisen, daß die tatarische Sprache auf das Phonemsystem, die Morphologie und Syntax des Tawda-Wogulischen einwirkte. Von geringerem Ausmaß als die des Tatarischen ist die Wirkung der russischen Sprache auf den wogulischen Dialekt an der Tawda. 1. QUELLEN DES WOGULISCHEN DIALEKTES AN DER TAWDA Ende des vorigen Jahrhunderts besuchte Bernât Mttnkácsi, am Anfang dieses Jahrhunderts Artttjri Kannisto die Heimat der Tawda-Wogulen. Sehr wenig Zeit, etwa anderthalb Jahrzehnte sind zwischen den Reisen der beiden For- scher vergangen, die in der untersuchten Sprache keine wesentlichen Änderun- gen hat verursachen können. Der von ihnen gesammelte Text von etwa hundert Seiten und ihre Wortsammlung bedeuten für die heutigen Finno- ugristen einen unermeßlich großen Schatz, denn anderes Quellenmaterial steht den Forschern nicht zur Verfügung. So dienten diese Sammlungen als erste und zugleich letzte Botschaft einer zum Aussterben verurteilten Sprache. Die Texte von Munkácsi sind in Budapest zwischen 1892—1921 in vier Bänden unter dem Titel Vogul népkôltési gyujtemény (Sammlung wogulischer Volksdichtung) erschienen. Nur der IV. Band enthält Tawda-Material im Umfang von etwa 30 Seiten. Béla Kálmán hat zum III. und IV. Band zu- sätzliche Bände herausgebracht, die aber keine Texte, nur Erklärungen und Verbesserungen enthalten. Kannistob Sammlung wurde in Helsinki von