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Syphilis und Auge PDF

524 Pages·1928·31.961 MB·German
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HANDBUCH DER HAUT UND ~ GESCHLECHTSKRANKHEITEN BEARBEITET VON A. ALEXANDER· G. ALEXANDER· J. ALMKVIST· K. ALTMANN· L. ARZT· J. BARNEWITZ C.BECK • F.BERING . S.BETTMANN ·1i.BIBERSTEIN • K. BIERBAUM· G.BIRNBAUM • A.BITTORF B.BLOCH. FR.BLUMENTHAL· H.BOAS· R.BRANDT. C BRUCK· C BRUHNS ·ST.R.BRuNAUER A.BUSCHKE . F.CALLOMON . E.CHRISTELLER· H.v.DECHEND· E.DELBANCO· 0 DITTRICH J. DoRFFEL • S. EHRMANNt • J. FABRY· O. FEHR • J. v. FICKt E. FINGER· H FISCHER F.FISCHL. P.FRANGENHEIM· W. FImI· W FREUDENTHAL· M. v. FREY· R FROHWALD D. FUCHS • H. FUHS • F. FOLLEBORN • E. GALEWSKY • O. GANS • C. J. <1AUSS • A. GIGON H. GOTTRON • A. GROENOUW • K. GRON • O. GRUTZ . R. HABERMANN· L. HALBERSTAEDTER F. HAMMER· L. HAUCK· H. HAUSTEIN • H. HECHT . J. HELLER· G. HERXHEIMER • K. HERX HEIMER· W. HEUCK • W.HILGERS . R. HIRSCHFELD· C. HOCHSINGER· H.HOEPKE· C A. HOFF MANN· E. HOFFMANN· H. HOFFMANN· V. HOFFMANN· E. HOFMANN • J. IGERSHEIMER F JACOBI . F. JACOBSOHN • E. JACOBSTHAL • J. JADASSOHN • F. JAHNEL • M. }ESSNER S. JESSNER • W. JOEL· A. JOSEPH· F. JULIUSBERG . V KAFKA· C. KAISERLING • PH. KELLER W.KERL· O.KIESS· E.KLAUSNER· L.KLEEBERG· W.KLESTADT· V KLiNGMULLER6· A. KNICK A. KOLLMANN • H. KONIGSTEIN • P. KRANZ· A. KRAUS· C. KREIBICH • H. KRO • O. KREN L. KUMER • L. KuPFERLE • E. KUZNITZKY . E. LANGER . R. LEDERMANN . C. LEINER F. LESSER· A. v. LICHTENBERG· P LINSER· B. LIPSCHuTZ· H. LoHE • S. LOMHOLT • O. LONING W.LUTZ· P.MANTEUFEL· H.MARTENSTEIN· H.MARTIN· E MARTINI· R MATZENAUER M MAYER· J. K. MAYR·E MEIROWSKY·L. MERKt· J. M.MICHAEL·G.MIESCHER· C. MON CORPS. G. MORA WETZ • A. MORGENSTERN· F. MRAS . V. MUCHA. ERICH MOLLER· HUGO MOLLER· RUDOLF MuLLER· P. MULZER . O. NAEGELI· G. NOBL • F. W. OELZE • M. OPPEN HElM· E. PASCHEN· B. PEISER· A. PERUTZ • E. PICK· W. PICK· F. PINKUS· H. v. PLANNER F. PLAUT· A. POEHLMANN • J. POHL • R. POLLAND· C. POSNER· L. PULVERMACHER H. REIN· P. RICHTER· E. RIECKE· G. RIEHL· H. RIETSCHEL· J. H. RILLE· H. DA ROCHA LIMA· K. ROSCHER· O. ROSENTHAL· G. A. ROST • ST. ROTHMAN· A RUETE • E. SAALFELD U. SAALFELD • H. SACHS • 0 SACHS t • F. SCHAAF • G. SCHERBER • H. SCHLESINGER E. SCHMIDT· S. SCHOENHOF . W. SCHOLTZ· W SCHoNFELD· H. TH. SCHREUS . R. SIEBECK C. SIEBERT· H. W.SIEMENS . E SIGERIST . B.SKLARRK· G SOBERNHEIM • W. SPALTEHOLZ K. SPIRO. R. SPITZER· O. SPRINZ • R. O. STEIN· G. STEINER· J. STRANDBERG· A STUHMER G. STOMPKE . P. T ACHAU . L. TORoK· K. TOUTON • K. ULLMANN· P. G. UNNA . P. UNNA Jr. E. URBACH· F VEIEL· R. VOLK. C.WEGELIN • W.WEISE· J.WERTHER . L.WERTHEIM • P WICH MANN • F. WINKLER • M. WINKLER • R WINTERNITZ • F WIRZ • W. WORMS . H ZIEMANN F. ZINSSER • L. v. ZUMBUSCH • E. ZURHELLE 1M AUFTRAGE DER DEUTSCHEN DERMATOLOGISCHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN GEMEINSAM MIT G. ARNDT • B. BLOCH . A. BUSCHKE . E. FINGER . E. HOFFMANN C. KREIBICH • F. PINKUS . G. RIEHL • L v. ZUMBUSCH VON J. JADASSOHN SCHRIFTLEITUNG: O. SPRINZ SIEBZEHNTER BAND . ZWEITER TElL Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH SYPHILIS UND AUGE VON PROFESSOR DR. J. IGERSHEIMER FRANKFURT A. M. ZWEITE AUFLAGE MI'f 185 MEI5T FARBIGEN ABBILDUNGEN Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH ISBN 978-3-540-01069-2 ISBN 978-3-662-00927-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-00927-7 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1928 BY SPRINGER·VERLAG BERLIN HEIDELBERG URSPRUNGLICH ERSCHIENEN BEl JULIUS SPRINGER IN BERLIN 1928 Vorwort. Der vorliegende Band stellt die zweite Auflage meiner 1m Jahre 1918 erschienenen Monographie "Syphilis und Auge" dar. Wenn auch die An ordnung des Stoffes im wesentlichen dieselbe geblieben ist wie bei der ersten Auflage, so erwies sich doch innerhalb der einzelnen Kapitel auf Grund neuer Erkenntnisse und der umfangreichen Literatur vielfach eine Umanderung als erforderlich. Auch die eigenen in der Zwischenzeit angestellten Studien zur Aufklarung der Keratitis parenchymatosa und der tabischen Opticusatrophie wurden eingehend dargestellt und mit Abbildungen versehen, die bisher zum Teil noch nicht verOffentlicht sind. In Anbetracht der Tatsache, daB die Dar stellung diesmal im Rahmen des "Handbuches der Haut- und Geschlechts krankheiten" erfolgt, wurde der allgemeine Teil mbglichst kurz gefaBt, besonders soweit er in den anderen Abschnitten dieses Handbuches genauer erortert ist; ganz auf ihn zu verzichten war wegen der vielfachen Beziehungen der allgemeinen Syphilisprobleme zum Auge unmoglich. Auch den speziellen Teil habe ich insofern kiirzer gefaBt, als ich mich in der Wiedergabe von Kranken geschichten sehr beschrankt habe. Dagegen hat sich die Zahl der Abbild~!lgen sicher wohl zum Vorteil der Darstellung wesentlich vermehrt. FUr die Uber lassung des Bildermaterials, das grbBtenteils dem Besitz der Gbttinger Uni versitats-Augenklinik entstammt, bin ich meinem verehrten Freund und ehe maligen Chef, Herrn Geheimrat Prof. Dr. EUGEN v. HIPPEL, zu groBem Dank verpflichtet. Frankfurt a. M., Februar 1928. IGERSHEIMER. Inhal fsverzeichnis. Allgemcincr Teil. 8Clte I. Die syphilitische Infektion . . . . . . 1 II. Die modernen Methoden der Syphilisdiagnostik . (j 1. Spirochatennachweis. . . . . . . 7 2. Die Wassermann-ReaktlOn. .. . .. II 3. Die Ausflockungsreaktionen nach SACHS-GEOlWI und MEINWKE 12 4. Cutanreaktion . . . . . . . . . 13 5. Augen- und Hodenimpfung . . . 16 6. Die serologische Familienforschung 16 7. Liquordiagnostik . . . . 16 8. Kammerwasserdiagnostik 34 III. Experimentelle Syphilis. . . .. . . . . 35 Experimentelle Untersuchungen zur SyphilIs des Auges . 39 Die experimentelle KeratItIs . . . . . . . . 41 Die Hornhaut als Pradilektionsorgan. . 51 Inkubationszeit. . . . . . . . . . . . . 52 Generalisierung der Syphilis vom Auge aus 53 Auge und Immunitatserscheinungen . 53 Uber Rezidive . . . . . . . . . . . . 55 Uber die Wirkungsweise der Spirochaten. . . . . 55 Uber die Entstehungsart der experimentellen KeratItIs. (Infektion von der Vorderkammer aus?) ..... . 59 Experimentelle Keratitis und Trauma ... .. HI Antiluetische Allgemeinbehandlung bei experimenteller Keratitis U1 SpezIfische Lokaltherapie bei experimenteller KeratItis H2 Sonstige experimentelle luetische Manifestationen am Augo U6 IV. Angeborene Syphilis . . . . . . . . . . . . . . 79 Fetale SyphilIs . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Syphilis der Sauglmgspenode . . . . . 82 Syphiliserscheinungen in den ersten KmderJahren 83 Kongenitale Spatsyphilis. . . . . . . . . . . 83 Prognose ........ . 88 Behandlung der Eltern. .. . 89 Behandlung der kindhchen Fruhsyphihs 92 Folgen der angeborenen SyphilIs . . 93 N achkommenschaft 96 V. Therapie . . 100 Quecksilber . 100 Salvarsan 103 Wismut 108 Spezieller Teil. I. Lider nnd Bindehaut lIO Lider llO Bindehaut .. 123 II. Tranenapparat. 130 Tranendruse . . . . 130 Tranenableitende Wege 134 III. Cornea und Sklera. . . 137 A. Cornea ..... . 137 Keratitis parenchymatosa 138 Inhaltsverzeichnis. VII Seite a) Verlaui ............... . 138 b) EigenartIge Verlaufsformen . . . . . . . 153 1. Keratitis annularis . . . . . . . . . 153 2. Radiare Faltentrubungen der Descemet 155 3. Kn6tchenformige parenchymatose KeratItis . . . . . . . . 155 4. Phlyktanenahnliche Affektionen bei typischer KeratItis parenchy- matosa .................. . 156 5. Keratitis gummosa . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Ausgange, Komplikationen und Folgeerschemungen .. 158 d) Auftreten und Dauer der Keratitis parenchymatosa in BezIehung zu Lebensdauer und Geschlecht . . . . . . . . . . . . 165 e) Rezidive . . . . . . . . . . .. .............. . 167 £) Bedeutung der Wa.R. fur die KeratItis parenchymatosa ..... . 171 g) Erworbene Lues. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 h) Das Trauma als auslosendes Moment der luetischen KeratitIs parenchy- matosa ............ . 179 i) Pathologische Anatomie . . . . . . . . 181 k) Pathogenese. . . . . . . . . . . . . . 189 1) Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 194 n) Soziale und sozIal.hygIenische Bedeutung 201 B. Sklera ..... 203 IV. Iris und Ciliarkiirper. . 205 Iritis luetica . . . . 205 Symptomatologie . 205 Pathologische AnatomIe 208 Atiologie ...... . 209 Komplikationen. . . . . . . . . . .. . 212 Folgezustande der Intrs und Schicksal der Patienten . 219 Therapie ........ . 225 Gumma der Iris ...... . 227 Iridocyclitis bei kongellltaler Lues 227 Irisatrophie. . . . . . . . 233 Syphilom des Crliarkorpers . 234 V. Chorioidea und Retina . . . . 238 A. Chorioretinitische Prozesse 238 1. Krankheitsbild 238 a) bei erworbener Lues 238 b) bei angeborener Lues 244 2. Atiologische Untersuchungen 253 3. Pathologische Anatomie 255 4. Pathogenese. .. . 263 5. Komplikationen ..... . 266 6. Schicksal . . . . . . . . . 269 7. Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 B. Affektionen unter dem klinischen Bilde rein retmaler Erkrankung 272 Retinitis ............ . 273 Hamorrhagische Prozesse . . . . . . . 275 Thrombose der Zentralvene . . . . . . 276 Embolie der Arteria centralis retinae . 279 Exsudative und proliferative Vorgange . 283 Gummen der Retina 283 VI. Glaukom . . . . . 285 VII. Augennerven . . . . 286 A. Vorbemerkungen . . 286 B. Optischer Leitungsapparat ...... . . . . 296 1. Entzundhche Erkrankungen des optischen Leitungsapparates, Ink!. Stauungspapille . . . .. ............. . 296 Erste Gruppe: Opticusprozesse ohne Lertungsstorung (meningeale Form der Opticuserkrankung) ................... . 303 Zweite Gruppe: Opticusprozesse mit Leitungsstorung . . . . . . . . 311 a) Opticuserkrankungen mit peripheren Gesichtsfeldbeschrankungen. 314 b) Opticuserkrankungen mit zentralen und intermediaren Gesichts feldstorungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Dritte Gruppe: Entzundliche Prozesse mit Isoliertem oder vorwiegendem Sitz am Sehnerveneintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . • . 326 VIII Inhaltsverzeichnis. Seite Vierte Gruppe: Entzundliche Erkrankungen am Chiasma und weiter cerebralwarts . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Papillitische Erscheinungen bei Tabes und Paralyse. 338 Sehnervenentzundung beim Sauglmg . 343 2. Die atrophischen Zustande des OptlCUS 346 Der tabische SehnervenprozeB. 347 Ophthalmoskopischer Befund 349 GeslChtsfeldstorungen . . 350 Pathologische Anatomie . 358 Pathogenese. . . . . . . . 366 Therapie . . . . . . ... . 378 C. Pupillenphanomene . . . . . . . 386 Anatomische und physiologische Vorbemerkungen 386 a) Reflektorische Pupillenstarre . . . . . . . 390 b) Absolute (totale) Pupillenstarre . . . . . . . . .. ... 398 c) Ophthalmoplegia interna und isoherte AkkommodatlOnsparese 401 d) Pupillen- und Akkommodationsanomalien bel kongenitaler Lues 407 D. Augenmuskellahmungen . 414 Symptomatologie. . . . . 418 Atiologie, Verlauf 424 Theraple und Schicksal. .. .... 429 Augenmuskellahmungen bm kongemtaler Lues 43] E. Trigemmus. 434 F. Facialis . . 438 G. Nystagmus 440 VIII. Orbita . . 445 Anatomische Verhaltmsse 445 Symptomatologie . . . . . . . 445 1. PeriostItIs des Orbitalrandes 445 2. AffektlOnen m der Tiefe der OrbIta, 446 Pathoiogische AnatomlC . 448 AtiologlC und Pathogenese 449 Therapie und Ausgang 450 IX. Syphilis und Blindheit 452 Literatur . . . . . 457 Namen verzei chnis 498 Sachverzeichnis 506 Allgemeiner Teil. I. Die syphilitische Infektion. Die 1905 von FRITZ SCHAUDINN und E. HOFFMANN entdeckte Spirochaeta pallida gilt heute unwidersprochen als der Erreger der menschlichen Syphilis. Sie wurde nicht nur in den Produkten und im Blut aller Syphilisstadien sowie bei der kongenitalen Lues festgestellt, sondern schlieBlich auch im Gehirn der als metaluetischer ProzeB aufgefaBten Paralyse (NOGUCHI). Bei Augenprozessen hat man na.turgemaB selten Gelegenheit, nach den Parasiten zu suchen, wenn man von den Lid- und Bindehautaffektionen, bei denen sie jetzt schon ziemlich haufig gefunden wurden, absieht. Immerhin wurden Spirochaten nachgewiesen in der klaren Hornhaut und in anderen Augenmembranen kongenital-luetischer Feten und Neugeborener (SCHLIMPERT, BAB, STOCK, GIERKE, STEPHENSON, WAETZOLD) ebenso in der entzundeten Hornhaut Kongenital-luetischer (E. v. HIPPEL, CLAUSEN), bei der Spatform der Keratitis parenchymatosa (IGERS HEIMER, WEVE), bei Keratomalacie (STEPHENSON, E. v. HIPPEL), in der Iris bei der Iritis luetica (KRUCKMANN), im Ciliarsyphilom bei angeborener und erworbener Lues (ROSENSTEIN), im Kammerwasser bei Keratitis parenchy matosa (CLAUSEN) und bei luetischer Iridocyclitis (ZUR NEDDEN, STEPHENSON, SCHWENKER, ROSENSTEIN), bei einer gummosen Sehnervenerkrankung (VER HOEFF), in der entzundeten Pia und Arachnoidea, vereinzelt auch in den Randsepten des Optic us bei Paralyse und Tabes (IGERSHEIMER). Auch die Bestrebungen, die Pallida reinzuziichten, gelangen, aJlerdings ist die Kultivierung schwierig. Den Methoden von SCHERESCHEWSKI, NOGUCHI, SOWA DE u. a. schlieBt sich in neuerer Zeit die von WASSERMANN und FICKER an. WASSERMANN betont, daB seine Reinkulturen auch pathogen seien. Die Pathogenitat der bisherigen Kulturspirochaten ist nicht sehr groB. Immerhin ist es mir durch Impfung von SOWADE schen Reinkulturen in die Blutbahn gelungen, am Auge eine Reihe von Erkrankungen zu erzielen (Lidprozesse, Keratitis parenchymatosa, Iritis, Chorioiditis, Opticusatrophie) (s. Abschnitt exper. Syphilis). Wahrend die Kulturspirochaten anscheinend kein langes Leben fristen, zum mindesten ihre pathogenen Eigenschaften schnell einbiiBen, kann die Spirochate des menschlichen Organismus offenbar sehr lange leben. Aus Tertiarprodukten konnten selbst noch 45 Jahre nach der Infektion Pallidae gezuchtet werden. An fruher spezifisch erkrankten Organen konnen die Mikro organismen oft noch lange Zeit nachgewiesen werden, wenn klinisch keinerlei Erscheinungen mehr vorhanden sind. Ein beliebter Spirochatenschlupfwinkel scheinen Knochensystem (SCHNEIDER) und Lymphdriisen beim Menschen (BUSCHKE, FISCHER, FRUHWALD) wie beim Tier (BROWN und PEARCE) zu sein. So lange sie beweglich sind, sind sie dann auch noch als virulent zu betrachten. Eine brennende und viel erbrterte Frage ist die, ob es verschiedenartige Pallidastamme gibt. Manche allgemeinen und speziellen Erfahrungen lassen Handbuch der Haut· u. GeschlechtskrankheJten. XVII. 2. I 2 Die syphilitische Infektion. es als durchaus moglich erschemen, daB tatsachlich dIe Syphlhsspirochate 1m Menschen Umwandlungen durchmacht, (he sie dann vIelleicht in Ihren Beziehungen zu verschIedenen Organsystemen beemfluBt Vom allgemeinen Standpunkt ist zu betonen, daB dIe VariatlOnsbreite bei allen klemen Lebe wesen unter verschIedenen Bedingungen sehr zu wechseln schemt, besonden; lassen ungewohnhche, hemmende oder gar schadlgende Lebensbedmgungen die Starke abwelChender Vananten vielmehr hervortreten (GOTSOHLICH). Dureh EHRLICH und seme Mltarbelter ist es auBerdem erwiesen, daB man Krankhmtserreger dureh ehemlsche MIttel erheblich verandern kann, so daB Sle auf dieselben therapeutlschen MaBnahmen zu verschledenen Zmten gam; verschieden reagieren. So bestehen also allgememe Momente, dIe fur eme Ver anderlichkeit auch der Spirochaten 1m menschhchen Organismus unter vcr schiedenen Bedmgungen sprechen. DIe mehr spezlellen Momente, dIe in diesem Sinn zu verwerten sind, entstammen den Erfahrungen auf dem Gebiet der experimentellen Kaninehensyphllis LEVADITI und MARIE unterscheiden em ,.dermotropes" und eln "neurotropes" Virus. Das neurotrope VIrus f>tammte aus dem Blute eines Paralytlkers, das dermotrope Vuus war der aus einem gewohnlichen Pnmaraffekt gezuchtete und VIel benutzte Truffistamm. Das Uberraschende an den Versuchen dieser Autoren war, daB TIere, dIe eine Infek tion mit Paralysevuus oder dem Truffistamm uberstanden hatten, gegen eme Neuinfektion desselben Virus zwar Immun waren, aber bei wechselseitigcr Infektion keine Immunitatsersehemungen zeigten. LEVADITI hielt an diescm Resultat fest trotz des Einwandes von JAHNEL, der Ihm entgegnete, daB wohl eine Verwechslung des nervosen Virus mIt dem Virus der O1iginaren Kaninchen spirochatose vorhege. Zwelfellos mussen ja aIle experimentellen Feststellungen beim Kaninchen durch die kntische Lupe angesehen werden, smtdem festgestellt 1st, daB beim Kaninchen eine selbstandige, dureh den Gesehleehtsverkehr ubertragbare Syphlhs vorkommt (ARzT und KERL, KOLLE, RUPPERT unci MOBUS, NOGUOHI u. a.). Eme typisehe Orehitis und Keratltis konnte mit diesem Treponema cuniculi jedoch nicht erzeugt werden, von sekundaren Erl:lchel nungen wurden an den Augen Papeln der Lider und Conjunctivltll:l evtl. mIt Ubergang auf die Hornhaut beobachtet (FREI). Von groBer Wichtigkeit fur dIe Frage verschiedener Pallidastamme schienen die Untersuchungen von PLAUT und MULZER. Sie erhielten mit dem Truffl stamm Pnmaraffekte, Drusenschwellungen, aber so gut wie me Liquorvemnde rungen, wahrend mit dem sog. Munchener Stamm kleine oder gar keine Pnmar affekte entstanden waren, aber regelmaBlg schwere Llquorvemnderungen nachgewiesen werden konnten. Auch dleses sehr beachtenswerte Ergebnis kann aber dIe Frage zunachst doch mcht zur Losung brmgen, well man bei weiterem Studmm gefunden hat, daB bei Kanmchen nicht selten spontan, d. h. ohne luetische Infektion, starke, encephahtlsche Vemnderungen 1m Gehirn und auch Llquorveranderungen vorkommen. Am meisten sprachen fur das Bestehen verschiedenartiger Pallidastamme "Kreuzimpfungen", wie sie KOLLE vorgenommen hat. Infizierte er Tiere mIt den in vlelen Generationen weitergezuchteten Stammen, die ursprunglich TRUFFI, NICHOLS, KUZNITZKY gezuchtet hatten, und superinfizierte nun wechsel weise, so entwickelten sich bei den mit heterologen Stammen superinfizierten Tieren in etwa :30% typischer Schanker, wahrend dIe Superinfektion mit homo logen Stammen nach einem gewissen Termm nie erfolgrelCh war. Wenn es tatsachlich Pallidastamme glbt, die slCh expenmentell und immunbiologisch sehr verschieden verhalten, so kann es slCh urn ursprunglich gleichartige, im menschlichen Organismus allmahlich abgewandelte Stamme handeln. Diese Annahme wurde die klinische Beobachtung, daB manche Volker Reaktion des Organismus. Superinfektion. 3 und Rassen eine ganz ungleichartige Verlaufsform der Syphilis darbieten, erklaren konnen. So ist es ja bekannt und in letzter Zeit ganz besonders durch GLUCK an der bosnischen Bevolkerung nachgewiesen worden, daB die bosnische endemIsche Syplulisinfektion durch das Fehlen eines Primaraffektes, durch Seltenheit von allgemeinen Fruherscheinungen, Haufigkmt von Schleim hauterscheinungen, starke tertIare Prozesse, aber volliges Fehlen von Tabes und Paralyse ausgezeichnet ist (zit. nach ROTTMANN). Die Syphilitischen in Bosnien und auch sonst auf dem Balkan leiden also so gut wie nie an tabischer Opticusatrophie, dagegen haufig an besondersartigen und schweren Iridocycli tiden (BLATT). Neurorezidive mit oder ohne Salvarsan sind nach GLUCK in keinem einzigen Fall beobachtet worden. Sobald aber ein Bewohner dieser Gegenden mit endemischer Syphilis sich mit der gewohnlichen Syphilis der Kultur lander infiziert, ist der Verlauf derselbe, wie wir ihn in unseren Landen zu sehen gewohnt sind. Auch in dieser Frage herrscht allerdings keine Einigkeit; denn SWARD und COMBY sprechen sich ebenso wie LEVADITI und MARIE dahin aus, daB die von eingeborenen Afrikanern auf Europaer ubertragene Syphilis nicht anders verlaufe als die europalsche. Die Beziehungen zwischen Parasiten und Organismus drucken sich nun nicht nur in einer Veranderungsmoghchkeit dieser Parasiten aus, sondern viel eklatanter sind die Veranderungen, die "Umstimmung" (NEISSER), dIe der von Spirochaten infizierte Organismus durchmacht. Der "jungfrauliche" Korper reagiert auf die lokale Infektion mit einer Lokalerkrankung, dem Primiuaffekt. Aus dieser Initialsklerose dringen die Spirochaten sehr schnell zu den regionaren Drusen vor, so daB die Drusenpunktion diagnostisch oft bessere Resultate gibt als die des Primaraffektes - was auch fur die Augenschanker zu beachten ist -, aber viel schneller, als man fruher wohl annahm, erfolgt auch ein Uber gang der Parasiten ins Blut und den ubrigen Korper. Sei es aber, daB die Zahl der in den Organismus ubergehenden Spirochaten noch relativ kleiner ist oder daB die Verankerung eme geringe ist, auf jeden Fall scheint in diesem sero negativen ersten Stadium der Lues I eine vollige Heilung, eine Sterilisatio magna im Sinne EHRLICHS moglich zu sein, so daB eine echte "Reinfektion" einige Zeit spater erfolgen kann. Vlel schwieriger werden aber die Verhaltnisse, sobald das luetIsche Virus langere Zeit mit dem Organismus in Beruhrung war und es erregt besonderes Interesse vom theoretischen sowohl wie vom prakti schen Standpunkt aus die Frage, wie sich der syphilitlsche Korper in diesem Stadium neuen speziflschen Infektionen gegenuber verhalt. Aus den grundlegenden Untersuchungen von LAND STEINER und FINGER wissen wir, daB eine Superinfektion in den verschiedenen Perioden der Syphilis ganz verschieden ausfallt. Bei Primarsyphilitikern erfolgt auf eine neue, kunst liche Inokulation von syphihtischem VIrUS eine primaraffektahnliche Affektion, bei Sekundar-luetischen kann es zu papulosen Prozessen kommen, jedoch ein sehr seltenes Ermgllls, und in der tertiaren Periode kann ein zerfallendes Ulcus entstehen. NEISSER hat allerdings schon Zweifel ausgesprochen, ob es sich hier um Superlnfektionen und nicht vielmehr um artifizielle Lasionen handelt, die zur Ansiedlung von bereits im Korper anwesenden Spirochaten flihrten. Besonders interessant sind mnige FaIle, die ROSTAINE (nach NEISSER) beob achtet hat. Dreimal fand er bei Kongenital-syphihtischen einerseits noch beste hende gummose Prozesse, andrerseits Symptome einer ganz frischen Infektion. Diese Beobachtung 1St besonders fur uns Ophthalmologen mit Rucksicht auf solche FaIle von Interesse, dIe eine zweifellos angeborene Lues hatten, die dann eine Lues akqUlrieren und in diesem Stadium eine Keratitis parenchymatosa bekommen. Es smd jetzt bereits eine Relie von Fallen der an sich so seltenen Keratitis parenchymatosa bei akquirIerter Lues bekannt, wo auch 1*

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