James Risen State of War Die geheime Geschichte der CIA und der Bush Regierung Das Programm Im Februar 1999 wurde Michael Hayden, ein ruhiger, freundlicher Generalleutnant der Luftwaffe, von Präsident Clinton alsDirektor der National Security Agency (NSA) ernannt. Sie ist doppelt so groß wie die CIA und ohne Zweifel der führende elektronische Spionagedienst der Welt. Hayden war Aufklärungsoffizier beim Militär und hatte seine Laufbahn mitten im kalten Krieg beim Strategic Air Command begonnen. Der neue Posten war für ihn die Belohnung für die Mühe, mit der er sich fast dreißig Jahre lang durch die Hierarchie nach oben gearbeitet, für die Zähigkeit, mit der er eine Karriere vorangetrieben hatte, die ihm zeitweise als Sackgasse erschienen sein muss, insbesondere während seiner vierjährigen Tätigkeit im hintersten Winkel der gesamten Air Force, nämlich als Dozentdes Reserve Officers’ Training Corps des Heeres (ROTC) am winzigen St. Michael’s College in Winooski, Vermont. Als er den Ruf erhielt, war Hayden in führender Position in Korea stationiert. Dort lief gerade Der Staatsfeind Nr. 1, ein Hollywoodreißer über die NSA. Mike Hayden konnte es sich nicht verkneifen, sich den Film mit Will Smith und Gene Hackman in den Hauptrollen anzuschauen. Er war entsetzt. In dem Film wird die NSA als eine bösartige und skrupellose Organisation dargestellt, die mittels modernsterTechnik ahnungslose Amerikaner ausspioniert und verfolgt. Will Smith spielt einen Anwalt in Washington, den die NSA Bosse im Verdacht haben, er wisse zu viel über ihre dunklen Machenschaften. Nachdem sein Leben bis ins letzte Detail von NSA-Agenten durchleuchtet worden ist, wird ein Killerkommando auf ihn angesetzt. Er kann seine Haut nur dank eines von Gene Hackman gespielten ehemaligen Technik Freaks der NSA retten, der den Spieß umdreht und ihm hilft, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Die Botschaft des Films ließ Hayden erschauern: Die NSA ist ein unbeherrschbares, von einem Kader eiskalter Bürokraten geführtes Ungeheuer, das die Bürgerrechte von Amerikanern insgeheim mit Füßen tritt? Der Staatsfeind Nr. 1 gab den schlimmsten Alpträumen der amerikanischen Öffentlichkeit über den streng geheimen Bespitzelungs-und Entschlüsselungsapparatder Regierung neue Nahrung. Als der Film anlief, erhob sich auch in Europa gerade einP rotest gegen die NSA. Er richtete sich gegen das unter dem Namen Echelon bekannte Uberwachungsprogramm, das esder NSA erlauben soll, das gesamte weltweite Kommunikationsaufkommenzu belauschen. Mit Ausnahme der Briten,deren Government Communications Headquarters (GCHQ)der NSA entsprechen und bei Abhörprogrammen mit den USA kooperieren, waren europäische Politiker verärgert darüber, dass die gigantische Abhörmaschinerie der VereinigtenStaaten sie ins Fadenkreuz nahm, und ihre Empörung veranlasstewiederum einige Amerikaner, sich zu fragen, ob Echelonnicht auch innerhalb der Vereinigten Staaten gegen politischAndersdenkende eingesetzt werde. Das Electronic Privacy InformationCenter, eine Washingtoner Organisation, die dieAktivitäten der NSA beobachtet, ging vor Gericht, um zu klä-ren, ob Echelon oder ähnliche Programme zur Bespitzelungvon Amerikanern verwendet wurden. Für einen Geheimdienstbürokraten reagierte Hayden aufDer Staatsfeind Nr. 1 außerordentlich kreativ. Anstatt die Bedeutungdes Films für die öffentliche Meinung und die Bedenkengegen die Macht der NSA zu bestreiten, erkannte er, dasssich die Behörde mehr in die Karten sehen lassen musste, um Verschwörungstheorien den Wind aus den Segeln zu nehmen. 51 Einst war schon die Existenz der NSA ein Staatsgeheimnis gewesen. Nun musste sie sich selbst ins Gespräch bringen undlernen, mit den Medien umzugehen. Das war natürlich Neuland für die NSA. Es verunsicherteund schockierte die alten Hasen der Behörde, denen beigebrachtworden war, selbst mit ihren Ehepartnern niemals überihre Arbeit zu sprechen. Als Spionagebehörde kam die NSAeher hemdsärmelig daher. Sie hielt die Abhörmaschinerie inGang und war daher beliebt bei ruhigen Technikern, Mathematik-und Entschlüsselungsspezialisten sowie den bürokratischenMitläufern unter den militärischen und zivilen Abteilungsleitern. Keiner von ihnen konnte verstehen, warumHayden sich mit der Außenwelt, ja sogar mit der Presse auseinandersetzen wollte. Ihnen war klar, dass das Bild, das sich dieöffendichkeit von der NSA machte, eine Karikatur war unddass die Behörde erstaunliche und politisch riskante Erfolgezum Nutzen der Vereinigten Staaten vorweisen konnte, die jedochkaum jemals bekannt geworden waren. Zum Beispiel stahlen CIA und NSA 1990 gemeinsam praktischalle von der Sowjetunion benutzten Verschlüsselungsmaschinensamt Bedienungsanleitungen und verhalfen den CodeSpezialistender NSA damit gegenüber Moskau zu einembedeutenden Vorteil. Die Mitarbeiter von CIA und NSA erhieltendie Verschlüsselungsmaschinen in Prag und brachtensie ins NSA- Hauptquartier in Fort Meade, Maryland. DieOperation war ein Triumph für die Spionage, doch hätten dieFunktionäre der NSA niemals öffentlich darüber gesprochen,selbst Jahre später nicht. Lieber ließen sie die öffentlichen Fehleinschätzungenhinsichtlich der NSA ins Kraut schießen, alsihre Erfolge preiszugeben. Doch wenn die NSA nicht selbst den Diskurs eröffnete,fürchtete Hayden, dann würden sich die Legenden im Bewusstseinder Bevölkerung festsetzen und der Rückhalt fürdie Behörde und ihre Aufgabe schwinden. »Ich bin zu derάberzeugung gelangt, dass wir nicht überleben können, solange das Bild dieser Behörde in der öffentlichkeit durch denletzten Film mit Will Smith bestimmt wird«, ließ Hayden aufC NN vernehmen. Die Behörde, versicherte er, habe aus dendunklen Zeiten der siebziger Jahre gelernt. Damals war derMachtmissbrauch von FBI, CIA - und NSA - von Kongresskomiteesunter Leitung des Senators von Idaho, Frank Church,und des New Yorker Abgeordneten Otis Pike enthüllt worden. Church und Pike hatten aufgedeckt, dass neben dem FBI auchdie NSA an der Bespitzelung von Aktivisten der BürgerrechtsundAnti-Vietnamkriegsbewegung beteiligt gewesen war. Präsident Harry Truman hatte die Behörde 1952 geschaffen,um die mit der Kodierung und Entschlüsselung befassten Einsatzgruppender Regierung zu bündeln. Ursprünglich warendie Möglichkeiten der NSA bei der elektronischen άberwachunginnerhalb der USA kaum eingeschränkt. Erst aufgrundder Dossiers von Church und Pike verabschiedete der Kongress1978 ein Gesetz, das für Abhörmaßnahmen im Inlandbei Gefährdung der nationalen Sicherheit das Einholen vonάberwachungsgenehmigungen, ausgestellt von einem geheimenGericht, zur Bedingung machte. Zusammen mit weiteren,in den siebziger und achtziger Jahren erlassenen Regelnund Bestimmungen für die Geheimdienste bedeutete dieserForeign Intelligence Surveillance Act (FISA) das Ende der Beteiligungder NSA an άberwachungseinsätzen im Inland. Nun war das FBI dafür verantwortlich, für staatssicherndeAbhörmaßnahmen innerhalb der USA die Bewilligung bei einemspeziellen FISAGericht einzuholen. Die Rolle der NSAim Inland beschränkte sich im Großen und Ganzen auf Sondereinsätzewie das Verwanzen ausländischer Botschaften unddiplomatischer Vertretungen in Washington, New York undanderen Städten. Doch auch diese Einsätze erforderten FISAVollmachten. Hayden wollte die Amerikaner davon überzeugen, dass sichdie NSA an die Regeln hielt. »Könnte es einen Missbrauch geben?Natürlich wäre das möglich, aber ich sehe Ihnen und den amerikanischen Bürgern in die Augen und sage: Es gibt keinen«,verkündete Hayden auf CNN. »Wir sind sehr, sehr vorsichtig. Wir können den Menschen in Amerika nicht kommenmit: >Oh, nun, da ist noch was, das uns Leid tut. < Und wir habengroßen Respekt vor dem Fourth Amendment [den ViertenZusatzartikel zur Verfassung, der die Persönlichkeitsrechteund die Privatsphäre garantiert]. «Hayden kümmerte sich intensiv um die Offentlichkeitsar-0beit. Er hielt Reden, er trat im Fernsehen auf, er sprach mit Zeitungsreporternund Autoren, die Bücher über die Behördeschrieben. In seinem Hauptquartier in Fort Meade gab er sogarinformelle Abendessen für die Presse. Ein wichtiges Element inseiner Kampagne war die These, die NSA habe Mühe, mit demraschen Wandel in einer Zeit überbordender Informationsmengen,einer neuen Welt voller Mobiltelefone, BlackberryPager und Internet-Telefonie fertig zu werden. Die NSAsammle mehr Daten, als jemals irgendwer verarbeiten könne;selbst ihre Supercomputer schafften es kaum, die Spreu vomWeizen zu trennen. Hayden spielte die Fähigkeiten der NSAgern herunter und erzählte, früher sei die NSA eine Organisationdes Informationszeitalters im Industriezeitalter gewesen,während sie heute eine Organisation des Informationszeitaltersim Informationszeitalter sei. Ihr Vorsprung sei zusammengeschrumpft. Frei verkäufliche Kommunikationsmittel holtenauf. Haydens indirekte Botschaft: Die NSA sei eigentlich garnicht in der Lage, Amerika auszuspionieren! Er sagte zwarnicht, die NSA sei ein zahnloser Riese, doch wollte er mit Sicherheitjeden glauben machen, niemand habe etwas von ihrzu befürchten. »Was auch immer Sie im Fernsehen gesehen habenmögen, unsere Behörde nimmt keine Autopsien an Außerirdischenvor, wir verfolgen Ihr Auto nicht mit Satelliten undhaben auch keine Killerkommandos«, beruhigte er im Jahr2000 seine Hörer an der American University in Washington. Doch das war der Michael Hayden vor dem 11. September2001. Seit den Angriffen ist die NSA, an deren Spitze Hayden bis2(X)5 stand, von der BushRegierung umgeformt worden ineiner Art, über die Hayden und andere Mitglieder der Administrationnicht gern sprechen. Zum ersten Mal seit der Watergate-Arawerden von der NSA wieder Amerikaner abgehört,und das in großem Stil. Die Regierung Bush hat geltende Regeln und Bestimmungenaus fast dreißig Jahren beiseite gewischt und die NSA imGeheimen wieder zurück ins inländische Spionagegeschäftbugsiert. Die NSA bespitzelt in jedem gegebenen Momentrund fünfhundert Bürger der Vereinigten Staaten und hatpotenziell Zugang zu Millionen von Anschlüssen in denKommunikationsnetzen. Bush hat die NSA autorisiert, großeMengen von Telefongesprächen, EMail-Nachrichten und anderemInternetverkehr innerhalb der Vereinigten Staaten aufder Suche nach möglichen Beweisen für terroristische Aktivitätenzu belauschen, und das ohne gerichtliche Vollmacht undohne neue Gesetze, die das klammheimliche Sammeln von Informationenim Inland gestatten würden. In einer geheimen,Anfang 2002 und somit nur kurz nach den Anschlägen vom11. September unterzeichneten Anordnung ermächtigte Bushdie NSA, den Datenfluss innerhalb der Vereinigten Staaten zuüberwachen. Dadurch erhielt die Behörde in bisher ungekanntemAusmaß und mit neuen, erschreckenden MethodenZugriff auf das inländische Telekommunikationsnetz derUSA, eine radikale Abkehr von bisher geltenden Bestimmungenund herkömmlichen Praktiken der USGeheimdienste. Seit die NSA direkten Zugang zu dem wichtigsten Vermittlungsknotenpunkthat, horcht sie am Herzen der nationalenComputer-und Telefonnetze, über die viele der täglichen Telefonateund E-Mails in Amerika laufen. Mehrere mit den Tätigkeiten der NSA vertraute Regierungsmitarbeiter sind inzwischenan die öffentlichkeit getreten aus Sorge, sie würdendurch weiteres Schweigen zu Komplizen deijenigen werden,die für diese Machenschaften verantwortlich sind. Sie sind fest davon überzeugt, dass die geheime Anordnung des Präsidentengegen das Fourth Amendment of the Constitution verstößt,das unbegründete Verletzungen der Privatsphäre verbietet. Einigesind der Meinung, dass eine Untersuchung klären solle,inwieweit die BushAdministration die wirksamsten Werkzeugeder Geheimdienste gegen die Amerikaner selbst einsetzt. Der Reporter Eric Lichtblau erfuhr von einem über die Inlands- άberwachungsoperationder NSA unterrichteten Rechtsberaterder Regierung, sie werde von den wenigen, die im Justizministeriumüberhaupt Kenntnis davon hätten, nur »dasProgramm« genannt. Es handelt sich möglicherweise um dieumfangreichste inländische Abhörmaßnahme seit den sechzigerJahren, größer als alles, was FBI oder CIA seit dem Vietnamkrieginnerhalb der Vereinigten Staaten durchgeführt haben. In der Absicht, das mit dem FI SA 1978 eingeführte Kontrollsystemabzuschaffen, haben Anwälte der Regierung eine Reihegeheimer Rechtsgutachten verfasst, gleich jenen, mit denendie gegen Gefangene aus dem Irak und Afghanistan angewendetenharten Verhörmethoden abgesichert werden sollten. Diejuristischen Argumente der Regierung Bush, die der Anwendungrabiater Verhörpraktiken gegen Al-QaidaMitglieder dasWort reden, sind jedoch bei Verbündeten der USA, bei Verfechternder Freiheitsrechte und auch bei den Gerichten aufstarken Widerstand gestoßen. Den ersten Rückschlag musstedie BushAdministration im Juni 2004 hinnehmen, als der SupremeCourt die Regierungspraxis, »feindliche Kämpfer«ohne Anhörung festzuhalten, für rechtswidrig erklärte. DasGericht warnte, ein Kriegszustand bedeute »keinen Blankoscheckfür den Präsidenten«. Für »das Programm« müsste eigentlich das Gleiche gelten. Und doch ist der Spionage-Einsatz der NSA im Inland geheimgeblieben, was bedeutet, dass Unterlagen wie Rechtsgutachtenzum Vorgehen der NSA noch immer der Geheimhaltungspflichtunterliegen. Die Regierung verfügt offenbar über mehrereGutachten zur Rechtfertigung des Abhörprogramms, verfasst von Rechtsberatern im Weißen Haus, in der CIA, der NSAund imjustizministerium. Sie stützen sich alle vor allem auf einegroßzügige Auslegung von Artikel zwei der Verfassung, derdem Präsidenten als Oberbefehlshaber der Streitkräfte die Entscheidungsgewaltüberträgt. Insbesondere auf der Basis diesesVerfassungsartikels verabschiedete der Kongress wenige Tagenach dem 11. September eine Resolution, die den Präsidentenermächtigte, weltweit Krieg gegen den Terrorismus zu fuhren. Später entschieden Anwälte der BushAdministration, dass dieKriegsresolution auch die rechdiche Grundlage lieferte, die benötigtwurde, um die Lauschangriffe auf amerikanische Bürgerzu rechtfertigen. Während die BushAdministration nie öffentlich über denEinsatz der NSA gesprochen hat, kam aus dem Justizministeriumein kleiner Hinweis darauf, was die Regierung über dasinneramerikanische Spionageprogramm dachte. In einem wenigbeachteten Schriftsatz aus einem nicht mit dem Programmzusammenhängenden Gerichtsverfahren von 2002 stand: »DieVerfassung gibt dem Präsidenten die Befugnis, die geheimdienstlicheάberwachung (elektronisch oder anderer Art) ausländischerMächte und ihrer Vertreter anzuordnen, ohne einegerichtliche Vollmacht einzuholen, und der Kongress hat nichtdas Recht, diese verfassungsmäßige Weisungsbefugnis aufzuheben. «Die Suche nach »Vertretern« ausländischer »Mächte«hat die NSA dazu gebracht, auch die inländischen Datenströ-me unter die Lupe zu nehmen. Innerhalb der Regierung wurden die moralischen und juristischenGesichtspunkte des NSA-Projekts kaum diskutiert,weil nur eine Hand voll hoher Regierungsmitglieder überhauptvon der Existenz des Lauschprogramms wusste. »Es warein strikt abgeschottetes Programm«, sagte ein sehr hoherRegierungsbeamter. »Auch Leuten, die normalerweise eingeweihtwerden, blieb es verborgen. «Der damalige Justizminister John Ashcroft gehörte zu denwenigen, die informiert waren, und er setzte eine handverlesene gieichgesinnte Gruppe konservativer Rechtsanwälte daraufan, die Sache juristisch wasserdicht zu machen. Möglicherweisewaren wieder die gleichen Anwälte dabei, die auch schondie Gutachten zur Rechtmäßigkeit rabiater Verhörmethodenabgefasst hatten. Das Uberwachungsprogramm der NSA wurde in einem»special access program« versteckt, der Geheimhaltungsstufefür die heikelsten verdeckten Einsätze auf Regierungsbefehl,»Das ist das größte Geheimnis, von dem ich weiß«, sagte einBeteiligter, dem dieses Wissen sehr zu schaffen machte,Beamte der BushAdministration rechtfertigen den Befehldes Präsidenten mit dem Argument, die Einschränkung der inländischenTätigkeiten der NSA und der CIA hätten die USAbeim Aufspüren und Verhüten von TerrorangrifFen behindertIhrer Meinung nach spielt die Inlandsüberwachung durch dieNSA im weltweiten Krieg gegen den Terrorismus eine entscheidendeRolle, doch konkrete Beispiele, die diese Ansichtuntermauern, sind sie weitgehend schuldig geblieben. Sie habenbis jetzt nicht erklärt, warum ein Terrorist so naiv sein solltezu glauben, seine elektronischen Nachrichten könnten nichtabgefangen werden. Die wenigen Experten fiir Rechtsfragen der nationalen Sicherheitin der Regierung, die in das NSAProgramm eingeweihtsind, glauben, es habe die öffentliche Debatte über denPatriot Act zur Farce werden lassen. Der Name des Gesetzesvon 2001 besteht aus den Anfangsbuchstaben des zweiten Teilsvon »LJniting and Strengthening America by Providing AppropriateTools Required to Intercept and Obstruct Terrorism«(Gesetz zur Einigung und Stärkung Amerikas durch Bereitstellunggeeigneter Mittel, die benötigt werden, um den Terrorismuszu stören und zu blockieren). Durch den Patriot Act wurdendie Möglichkeiten der nationalen Geheimdienste undErmittlungsbehörden ausgeweitet, mit Zustimmung des FiSAGerichtsden Telefon-und Internetverkehr von Terrorver- 58 dächtigen zu überwachen. Aber nach wie vor muss das FBI fürjeden einzelnen innerstaatlichen LauschangrifF auf Telefon-,E-Mail- oder andere Formen der Kommunikation beim FI SAGerichteine Vollmacht erwirken. Um diese zu bekommen,muss das FBI den Nachweis erbringen, dass die ZielpersonVerbindungen zu einer Terrororganisation, einem ausländischenAgenten oder einer fremden Macht unterhält. Dochselbst dann hat das FBI im Vergleich zur NSA nur bescheidenetechnische Möglichkeiten und ist keinesfalls in der Lage, ganzeDaten-und Telefonnetze zu überwachen. Dazu fehlt ihm dasin Fort Meade versammelte Arsenal von Supercomputern, dasals die weltweit größte Ballung von Rechenkapazität gilt. Neu e Befugnisse für die NSA sind im Patriot Act nicht enthalten. Die Regierung Bush strebte absichtlich nicht die Zu -stimmung des Kongresses zum Lauscheinsatz der NSA an offenbarherrschte im Weißen Haus die Einsicht vor, dass derPlan eine hitzige Debatte auslösen und schließlich doch abgewiesenwerden würde. »Im Patriot Act wird die NSA nicht erwähnt«,sagte ein früherer Berater des Kongresses, der an derAusarbeitung des Patriot Act beteiligt war, vom Einsatz derNSA aber nichts wusste. »Ihr Auftrag ist die άberwachungvon Zielen außerhalb der Vereinigten Staaten. «Inzwischen ist klar, dass sich das Weiße Haus durch die öffentlicheDebatte über den Patriot Act in dem vollen Bewusstseinschlug, dass die Geheimdienste inzwischen längst eineweitaus aggressivere Lauschkampagne durchführten. »Diesgeht über den Patriot Act weit hinaus«, sagte ein ehemaligerFunktionär, der über die Aktivitäten der NSA informiert war. Aufgrund der geheimen Anordnung von Präsident Bushstand es der NSA frei, auf ihren Computern äußerst leistungsfähige,ursprünglich zur Analyse ausländischer Kommunikationsdatenentwickelte Suchprogramme zur Durchleuchtunggroßer Mengen amerikanischer Daten einzusetzen. άber dasgenaue Ausmaß der Abhöraktionen der NSA ist wenig bekannt,doch lassen äußerungen von Regierungsmitgliedern59 auf einen riesigen Maßstab schließen. Man habe, berichten sie,auf gerichtliche Bevollmächtigung unter anderem deshalb verzichtet,weil die große Menge überwachter Telefongesprächeund E- Mails eine zügige Genehmigung unmöglich gemachthätte. Als das FISAGericht geschaffen wurde, hatte der Kongresstatsächlich keinen Grund zu der Annahme, dass die NSAeines Tages im eigenen Land eine gewaltige Lauschkampagnebetreiben würde. In den siebziger Jahren war weder die enormeZunahme des Telefon-und Nachrichtenverkehrs noch dierasch wachsende Abhängigkeit der Amerikaner von digitalerelektronischer Kommunikation abzusehen gewesen. Heuteschätzen Fachleute, dass in den USA