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Staatskanzleien: Funktionen und Organisation PDF

60 Pages·1993·3.731 MB·German
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Klaus Konig, Staatskanzleien Klaus Konig Staatskanzleien Funktionen und Organisation Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1993 ISBN 978-3-663-11472-7 ISBN 978-3-663-11471-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11471-0 © 1993 by Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprQDglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 1993 Das Werk einschlie8lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung au8er halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimrnung des Verlags unzulăssig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Vorwort Diese Abhandlung ist im Zusamrnenbang mit Werkstattgesprachen fiber "Staatskanzleien der Lander - Aufgaben, Arbeitsweisen, Organisations und Personalprobleme" entstanden, die ich rur leitende Mitarbeiter von Regierungszentralen der neuen BundesUinder im Rahmen der Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer und meines Lehrstuhls rur Verwal tungswissenschaft, Regierungslehre und Offentliches Recht veranstaltet habe. Ich mOchte mich bei den KoUegen aus westdeutschen Staatskanz leien rur die gute Zusammenarbeit, bei meinem wissenschaftlichen Mitar beiter, Oberregierungsrat Otto HauBer, rur seine Unterstfitzung auch bei dieser Ausarbeitung bedanken. Speyer, im Herbst 1992 Klaus Konig 5 Inhalt I. Staatskanzleien in der Transformation .......................... 9 ll. Funktionen von Staatskanzleien .................................. 15 1lI. Organisation von Staatskanzleien ................................ 31 IV. Einrichtung neuer Staatskanzleien ............................... 45 7 I. Staatskanzleien in der Transformation Die neuen BundesUinder legen die Staatlichkeit des realen Sozialismus ab und befinden sich auch bei den informalen Handlungsmustem in einem Ubergangsproze6 zu einem parlamentarischen Regierungssystem und ei ner ldassisch-europiiischen Verwaltung. Blickt man auf die in Branden burg, Mecldenburg-Vorpommem, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thiirin gen neu errichteten Staatskanzleien, so erscheinen sie gleichsam als ein Fokus, in dem sich die Probleme einer Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Administration umfassenden Transformation vereinigen. Diese Regie I rungszentralen sind Hauptakteure auf Landesebene, wenn es darum geht, jenen Etatismus in allen Lebensfragen aufzugeben, wie er aus der Instru mentalisierung des Staates durch den Marxismus-Leninismus und seiner Partei in der ehemaligen DDR erwachsen ist, und Uinderaufgaben in einer Weise zu defmieren, wie sie dem liberalen und sozialen Rechtsstaat ange messen sind. Die neuen Staatskanzleien miissen die informalen Uberreste des "demo kratischen Zentralismus" der ehemaligen DDR abstreifen und den Sinn fur die Leistungsfiihigkeit horizontaler und vertikaler Differenzierungen der Staatsorganisation, also etwa des Ressortprinzips bzw. der kommuna len Selbstverwaltung stiirken.2 Sie sind nicht einfach hierarchisch vorge ordnete Instanzen. Sie miissen lemen, daB es nicht mehr urn die Transmis sion parteilicher Macht nach Art des Marxismus-Leninismus geht, son dem urn Staatsgeschiifte fur alle Biirger, wie sie in der eigenen prozedura len Rationalitiit der Geschaftsordnungen fur Regierung und Ministerien zu erledigen sind. Und gerade well es urn die Zentren der Macht geht, muB sich die Maxime des Berufsbeamtentums, niimlich einer Grundqualifika tion nach fachlichen Kenntnissen, Fertigkeiten und Haltungen bewiihren, wie sie klassisch in Deutschland, Frankreich oder auch der Europiiischen 9 Gemeinschaft vorausgesetzt ist. Der Primat der politisch-ideologischen Qualifikation der alten Kaderverwaltung gilt nicht mehr.3 Den Schwierig keiten des Ubergangsprozesses ist Rechnung zu tragen. Man kann auch hier nieht nur auf Personal transfer aus dem Westen und auf die nachwach sende Generation setzen. Fur eine Ubergangszeit sind die strengen berufli chen Befiihigungsmuster zu mildern und Proben praktischer Bewiihrung zusammen mit Formen der Nachqualiftkation zu akzeptieren.4 Die Griindung der neuen Bundeslander wirft angesichts der fooeralisti schen Verfassungsgeschichte Deutschlands einschlie6lich ihrer territoria len Auspragungen in den ostliehen Teilen interessante Fragen von Konti nuitiit und Diskontinuitiit auf.5 Gerade im Hinblick auf die Staatskanz leien wird man feststellen mussen, daB der historische Graben, den Partei und Staat des Marxismus-Leninismus mit der Auflosung der Lander in der DDR Anfang der 50er Jahre aufgerissen haben, so tief und breit ist, daB man vom "Weg des Neuanfangs, -autbaus" sprechen kann.6 Das andert freilich nichts daran, daB auch die Errichtung der neuen Staatskanzleien Teil einer Veranderung ist, die wir als Transformation einer real sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europaische Verwaltung be zeichnet haben.7 Aufs neue beginnt die offentliche Verwaltung auch nach jeder systemimmanenten Reform von BehOrdenorganisation, offentlichem Dienst, Verwaltungsgebiet, mag sie in China, in den Vereinigten Staaten von Amerika oder im Jemen stattfmden. Wir haben bisher zur Verwaltungstransformation herausgestellt, daB es sieh erstens nicht urn eine Veranderung von Teilstrukturen oder Teilfunk tionen, sondern urn einen systemischen Ubergang handelt und daB zwei tens der Systemwandel sich nicht einfach naturwiichsig hinter dem Rucken der historischen Akteure vollzieht, sondern der Weg in die neue Beschaf fenheit zumindest auch durch aktive Politik gebahnt wird.8 Wir mussen nun drittens daraufverweisen, daB Transformation durch bestimmte Abn lichkeitsbeziehungen zwischen altern und neuem System charakterisiert ist. Von "Umwandlung, Umformung oder Umgestaltung" kann man nur sprechen, wenn es bei allen systemischen Unterschieden auch gewisse kontinuierliche Gr06en gibt. 9 Sie sind unschwer in der Geschichte des modernen Staates und seiner Verwaltung zu finden. Die ehemalige DDR umfa6te Kernlande PreuBens, dessen Name geradezu flir den Verwaltungs staat der Neuzeit steht. Bei allen historischen Briichen und Riickfiillen hin ter die in der Weimarer Republik erreichten Verhiiltnisse verfiel man doch nieht in Zustiiode der Handhabung offentlicher Angelegenheiten, wie sie flir die funktional diffuse Sozialstruktur einer traditional en Gesellschaft 10 kennzeichnend sind. Wenn wir insoweit im Hinblick auf stidliche Lan 10 der von Entwicklungsverwaltung - Verwaltung der Entwicklung und Ent wicklung der Verwaltung - sprechen, haben wir eine prinzipiell andere Ubergangssituation im Auge. Die traditionalen Verhaltensmuster gemein schaftlicher Problemlosung, wie man sie in arabischen Uindem noch bis in die 50er Jahre antreffen konnte, und das Stadium der Mischung von tra ditionalen, para-traditionalen und modemen Formen der Verwaltung sind andere soziale Phanomene. II Der Marxismus-Leninismus indessen setzte beim Aufbau der real-so zialistischen Gesellschaft und ihres Staatsapparates durchaus bei den funk tional und strukturell differenzierten VerhaItnissen okzidentaler Zivilisa tion an. Es wurde nicht einmal das einfache Modell ratedemokratischer Verwaltung verwirklicht. 12 Partei und Staat wurden von Berufs wegen be trieben, und das hie6: Verwaltung durch Verwalter, nicht durch Verwaltete. Neben solcher Professionalisierung der Staatsfunktionare - freilich dann in systemischen Unterschied zum kontinentaleuropaischen Berufsbeam tentum - wurde das Organisatorische bedeutungsvoll, und zwar mit Grundsatzen wie "demokratischer Zentralismus" oder "doppelte Unter stellung".13 Selbst auf das Verwaltungsrecht als Steuerungsmedium in Staat und Gesellschaft wurde letztlich nicht verzichtet, weil man die Vor ztige seiner Positivitat - Setzung, Verbindlichkeit, Sanktionierung - fUr staatliche Lenkungen brauchte, ohne freilich rechtsstaatliche Qualitat zu erreichen.14 Solche Ahnlichkeitsbeziehungen - von der Vergangenheit tiber die Ge genwart in die Zukunft fortgeschrieben - sind nur Beispiele. Sie verdeut lichen aber, da6 sich die neuen Landesregierungen weder in ihrer Perso nalpolitik im Hinblick auf alte Verwaltungskader noch etwa in ihrer Terri torialpolitik im Hinblick auf tradierte Verwaltungsraume au6erhalb historischer Zusammenhange befmden. Das wird noch deutlicher, wenn man als viertes Merkmal der Transformation das einbezieht, was als "Le galismus der Revolution" bezeichnet wird, IS namIich da6 die Abwechs lung des realen Sozialismus in einer Art und Weise erfolgt, die das Mono pol der Rechtsetzung wie Rechtsverwirklichung und das Monopol physi scher Gewalt den Staatsinstanzen erhalten und Gesellschafts-und Staats ordnung im Wege des Gesetzes umgestalten lassen. Man kann die Verwal tungstransformation als eine positiv-gesetzte kennzeichnen. Die Verande rung der administrativen Verhaltnisse erfolgt durch Verfassungs-und Ver waltungsgesetze, durch Verordnungen, Vorschriften, Anweisungen, durch Haushalts- und Finanzplane, Organigramme, Stellenplane, nicht durch 11 Gewaltanwendung, ideologische Steuerung, sondem eben positive Set zung. Der Transfonnation durch aktive Politik und positive Setzung eignet trotz der professionellen, organisatorischen usw. AhnJ.ichkeitsbeziehun gen ein Zug der Institutionalisierung, der letztlich seinen Grund im Sy stemwechsel hat. In der Arbeitsverwaltung, in der Umweltschutzverwal tung und eben mit den Staatskanzleien der neuen BundesHinder verfestigen sich Stabilisationskeme politisch-administrativen Handelns, die dem alten System fremd, dem neuen angemessen und die dann doch im Kontext mo demer Verwaltung fUr beide hier als Regierungszentralen verstandlich sind.16 Solche Neueinrichtungen diirfen nicht mit dem Institution Buil ding der Entwicldungsverwaltungl7 auf eine Stufe gestellt werden. Denn damit wird auf einen grundlegenden Mangelzustand in EntwicklungsHin dem, die allgemeine Knappheit an solchen Institutionen hingewiesen, die iiberhaupt in der Lage sind, offentliche Leistungen angesichts sich wan delnder sozio-okonomischer Umweltanforderungen zu erbringen.18 Wenn so Institutionenbildung in Uindem der Dritten Welt und Institutio nalisierung in Uindem des ehemaligen Realsozialismus zu unterscheiden sind, so ergeben sich doch gewisse parallele Fragestellungen. In der Ver waltungszusammenarbeit zwischen sozialtechnologisch entwickelten und sozialtechnologisch weniger entwickelten Uindem liegt es gerade im Be reich von BehOrdenorganisation, offentlichem Personalwesen, Haushalts gebaren usw. nahe, sich die Handlungsmuster des fortgeschritteneren Part ners zum Vorbild zu nehmen. Man hat einen solchen Transfer oft mit gu 19 ten Griinden als "Blau-Pausen-Export" - ein amerikanisches Planungs-, Programmierungs-, Budgetierungssystem fUr einen Himalaya-Staat - kri tisiert, weil an den sozialen, okonomischen, politischen, letztlich kulturel len Gegebenheiten vor Ort vorbeigegangen wird. Indessen weist die Ver waltungsgeschichte eine Fiille interkultureller Ubertragungen auf, so im Falle Deutschlands z. B. von Frankreich her - Verwaltungsrecht, diplo matischer Dienst usw. - und dann von hier z. B. nach Japan - etwa im Be reich des offentlichen Dienstes - und dann mittelbar nach Korea. insbe sondere die alten Kolonialmachte und die neuen Weltmachte haben vieler orts in der Verwaltungswelt ihre Spuren hinterlassen. Wenn nun im Rahmen der Verwaltungstransfonnation in Brandenburg, Mecldenburg-Vorpommem, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thiiringen nach westdeutschen Leitbildem Ausschau gehalten wird, so mu6 erstens festge halten werden, da6 die Verwaltung in den Uindem nicht uniform ist. 20 Zwar sollte man nicht sagen, da6 eine Verwaltungslehre fUr die gesamte 12 staatliche Verwaltung Deutschlands heute nicht mOglich sei. Indessen trifft es ZU, daB trotz vielfacher sachlicher Anpassungszwange, die sich in den letzten Jahrzehnten verstiirkt haben, die geschichtlich gewordenen unter schiedlichen Organisationsformen nach wie vor von entscheidender Be deutung sind.21 Das bedeutet fUr viele Verwaltungsebenen und -zweige und dann auch fUr die neuen Regierungszentralen, da6 sie mit konkurrie renden Leitbildem konfrontiert werden. Der intemationalen Zusammen arbeit ahnlich werden Ausgangspunkte, Transferwege, Wirkungen und Folgen des Ruckgriffs auf Vorbilder so kompliziert. Entsprechend mag man geneigt sein, manches was neu entsteht, als von unausgewogenen Einflussen gepragt anzusehen. An der einen Stelle mag man Spuren nach Bayem, an anderer Stelle nach Nordrhein-Westfalen usw. zuriickverfolgen konnen. Insofem ist es von Interesse, institutionelle Aspekte von Staatskanzleien breiter zu studieren. Dabei konzentrieren wir uns auf die Gesichtspunkte von Funktionen und Organisation. Die Regie rungszentralen westdeutscher Lander bieten insofem ein reiches Erfah rungsmaterial. Mit ibm folgen wir dem positiven Grundzug des Transfor rnationsprozesses. Wie allerdings Regierungspraxis und Institutionenpoli tik "faktische Rationalisierung" darstellen, so mussen Regierungs- und Verwaltungslehre Orientierungswissen zu Rationalitiiten und Norrnativitii ten einschUigigen offentlichen Handelns vermitteln.22 13

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