Karl-Heinz Plattig Spürnasen und Feinschmecker Die chemischen Sinne des Menschen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH Mit 32 Abbildungen, davon 14 in Farbe ISBN 978-3-540-59092-7 ISBN 978-3-642-57808-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-57808-3 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbe sondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Verviel fältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen diese Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbe stimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1995 Redaktion: Ilse Wittig, Heidelberg Umschlaggestaltung: Bayerl & Ost, Frankfutt unter Verwendung einer Illustration von Jerzy Kolacz, The Image Bank Innengestaltung: Andreas Gösling, Bärbel Wehner, Heidelberg Herstellung: Andreas Gösling, Heidelberg Satz: Datenkonvertierung durch Springer-Verlag Bindearbeiten: J. Schäffer GmbH & Co. KG, Grünstadt 67/3130 - 5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier Fur Gerda, Bernhard und Martha mit Reza und Lea Inhaltsverzeichnis Vorwort IX 1 Diefunf Sinne, dieman beisammen haben muB, sind inWirklichkeit sieben oder mehr . .. .. . . .. . . . . .. .. . . . . . 1 Die Sinnesmodalitaten 1 Riechen und Schmecken alschemische Sinne 3 Geruch dient der Fernorientierung, Geschmack ist ein Nahsinn . . . . .. . .. . . . . .. 6 Geruch und Geschmack sprechen die Affekte an . . . . . . . . .. . . . . . . .. 7 Riechzellen sind empfindlicher als Geschmackszellen 8 2 Von Geruchs- undGeschmackszellen .... 11 Nase und Mundhohle .. . .. . . . . . . . . . . . . .. 11 Riech- und Schmeckzellen . . .. . . . . . . . . . . .. 16 3 Spurnasen und Feinschmecker 30 Vom Reiz zur Empfindung 34 Geruchs- und Geschmacksqualitiiten 36 Geruchs- und Geschmacksschwellen " 50 Kann man Geruchs- und Geschmackssinn trainieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. 58 VII 4 Wohlgeruch undWohlgeschmack . . . ... 64 Was gut schmecken solI, muB in erster Linie gut riechen 66 Was unterscheidet Duft von Gestank? . . . . .. 70 Was ist erworben, was angeboren? 74 5 Storungen von Geruchs- und Geschmackssinn , 85 Ursachen von Geruchs- und Geschmacksstorungen 90 Gibt es Behandlungsmoglichkeiten? 94 6 AromastoHe beeinflussen das Verhalten 97 Hunger und Durst. . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. 98 Wenn uns das Wasser im Mund zusammenlauft 104 Kommunikation durch Diifte 108 Die sogenannte Aromatherapie . . . . . .. .. .. 123 7 Parfumierte Welt. .. . . . . . . . . . . . .. . .. 130 Geschmacksverstarker und -modifikatoren .. 130 Wie riecht der Mensch? . .. . . . . . . . . . . . ... 135 Parfiims, Deos und Lotions 143 Glossar- Erklarungen derwissenschaftlichen BegriHe . . . . . . . ... 161 Ausgewahlte Literatur , 174 Sachverzeichnis 187 VIII Vorwort ... der Leibbestehtnichtnurauseinem Glied, sondernaus vielen Gliedern. Wenn das Ohrsagt:ich bin kein Auge, ichgehorenichtzum Leib!, sogehortes doch zum Leib. Wenn derganze LeibnurAugeware, wo bliebedann das Gehor? Wenn ernur Gehorware, wo bliebedann der Geruchssinn? Nun aber hat Gatt jedes einzelne Glied so in den Leibeingefugt, wieesseinerAbsichtentsprach. 1. Kor. 12,14-18 Die »chemischen« Sinne Geruch und Geschmack kann man auch »vernachlassigte« Sinne nennen: man weiRwenigvon ihnen und haltsie fiir ziemlich unwichtig. Diese Fehleinschatzung korrigieren zu helfen ist das Hauptanliegen dieses Buches. Es soli sachliche Informati on in verstandlicher Form bieten und mit Hinweisen auf vertiefende Lektiire Appetit auf weiterfiihrende Beschaf tigung mit den Funktionen, vor allem aber auch mit den kulturgeschichtlichen Auswirkungen der chemischen Sin ne Geruch und Geschmack wecken. DaR dieses Buch zustandekommen konnte, ist in erster Linie Frau IlseWittig, der Leiterin der Sachbuchre- IX daktion des Springer Verlags, zu verdanken. Als Sie mich vor ca. 2 Jahren telefonisch fragte, ob ich wohl etwas Allgemeinverstandliches iiber Geruch und Geschmack schreiben konne, glaubte ich zunachst, ihren Vorschlag unbedingt ablehnen zu miissen: Ihm war bei der derzeiti gen Oberfiillung der deutschen Universitaten und dem dadurch bedingten ObermaR an Belastung nur auf Ko sten der Forschung oder der Studierenden oder auch beider nachzukommen! DaR meine Befiirchtungen nicht ganz grundlos wa ren, hat sich, als ich trotz aller Bedenken doch zuge stimmt hatte, im Laufe der Arbeit an diesem Band ge zeigt, und es ist eigentlich nur der unerschopflichen Ge duld von Frau Wittig und ihres Redaktionsteams zu verdanken, daR das Werk so weit gedeihen konnte. So muRte sich mancher Mitarbeiter des Springer Verlages mit darum bemiihen, meine oft hastigen Formulierungen fur die nicht mit der Erforschung der chemischen Sinne vertrauten Leser verstandlich zu machen oder klare Ab bildungsvorschlage auszuwahlen. Dafiir bin ich Frau Wittig und ihrem Team ganz besonders dankbar. Dank gebiihrt weiter allen, die mir mit Sachinfor mationen, Sonderdrucken ihrer Arbeiten und vielen Dis kussionen behilflich waren, vor allem aber auch meiner Familie und meinen Mitarbeitern in Erlangen. Aile muR ten sich nicht selten mit meiner Ungeduld und Kurzange bundenheitherumschlagen, und ichkann nur hoHen,daR sie mir nicht bleibend bose sind und daR ich Ihnen jetzt wenigstens bei der Lektiire des fertigen Bandes ein gedul diger und angenehmerer Zuhorer und Gesprachspartner sein kann. Karl-Heinz Plattig x 1 Die fiinf Sinne, die man beisammen haben muB, sind in Wirklichkeit sieben oder mehr Mit ihren Sinnesorganen nehmen Tiere und Men schen Informationen aus ihrer Umwelt auf und orientie ren sich in ihr. Biologisch haben Sinnesorgane die Aufga be der Reiz-Erregungs-Transduktion. Mit speziell an den jeweiligen Sinnesreiz angepafSten Einrichtungen, die wir heute Sensoren (oder auch Rezeptorzellen) nennen, tiber ftihren sie den aus der Umwelt oderaus dem Korperinne ren einwirkenden Reiz in eine organismuseigene Erre gung. LetztereenthiiltInformation tiberdie Quantitiitdes Reizes, die Reizintensitat, und aus der Art der erregten Zellen erkennt der Organismus, urn welche Reizart es sich handeIt, also die Reizqualitat. Diese Qualitiitsent scheidungtrifftdas Gehirn mitseinemWahrnehmungssy stem. In der Physiologie werden die Begriffe Reiz und Erregung streng voneinander getrennt gebraucht. Eine simple, aber treffende Definition von A. Bethe (1952) sagt: »Reiz istdie Ursache einer Erregung, Erregung die Folge eines Reizes.« Erregung stellt also die durch innere oder auRere Reize be dingte metabolische (Stoffwechsel-) Zustandsanderung ei ner Zelle oder eines Zellkomplexes dar; sie ist am besten faRbar durch e1ektrophysiologische Messungen (Akti onspotentiale). 1 Fur die ganz verschiedenartigen Reize in unserer Umwelt muB es auch verschiedene Sensoren geben, und jeder von ihnen muB an eine ganz bestimmte Reizart speziell angepaBt sein. Die fur einen Sensor optimal pas sende Reizart nennt man seinen adiiquaten Reiz, und dieser kann »seinen«, den zu ihm optimal passenden Sensormit der geringstmoglichen Reizintensitiitzur Erre gung bringen. Licht ist fur die Sensoren des Auges ad iiquat, Schall fur das Ohr, und chemische Stoffe stellen die adiiquaten Reize fur Geruch und Geschmack, aber auch fur die Schmerzempfindung dar. Sensoren und Sin neskanale konnen aber auch »inadiiquat« zur Erregung gebracht werden. Am bekanntesten sind das »Sternchen sehen« nach einem Schlag auf das Auge oder die Haut empfindungen im Bereich des Kleinfingers nach einem Schlag auf den »Musikantenknochen« am Ellbogen. In beiden Fallen haben mechanischeReize die Erregungaus gelost. Sensoren und die fur die Reizauswertung zustiindi gen Gebiete im menschlichen oder tierischen Gehirn sind durch Nervenstrukturen miteinander verbunden, die wir in Anlehnung an die Nachrichtentechnik heute Sinneska niile nennen. Vom damit identischen und fruher ubliche ren, aber auch heute noch gebrauchten Wort Sinnesbahn benutzen wir heute noch den zweiten Teil in Horbahn, Sehbahn, Riechbahn und Geschmacksbahn. Aus der Sinneserfahrung wurde der Begriffdes Sin nesorgans bzw. der Sinnesmodalitiit gepriigt: Sinn oder Modalitat bezeichnet jeweilseine Gruppe einanderiihnli cher Sinneseindrucke, die uber einen bestimmten Sinnes kanal vermittelt werden, und zwar im Normalfall durch dessen adiiquate Anregung. Je nach der auslosenden Reizstiirke konnen die Sinneseindriicke verschieden stark ausgepriigt sein; in ihrer Art iihneln sie einander aber Immer. 2