Heidelberger Taschenbiicher Band 251 Hermann Weyl Raum ·Z eit · Materie Vorlesungen tiber allgemeine Relativitatstheorie Siebente Auflage, herausgegeben und erganzt von Jiirgen Ehlers Mit 23 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Professor Dr. Jiirgen Ehlers Max-Planck-Institut fUr Physik und Astrophysik Institut fUr Astrophysik Karl-Schwarzschild-StraBe 1 8046 Garching bei Miinchen Die sechste, unveranderte Auflage erschien 1970 monographisch unter dem Titel: Hermann Weyl, Raum' Zeit· Materie, Titel-Nr. 1405 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Weyl, Hermann: Raum, Zeit, Materie: Vorlesungen iiber al1g. Relativitiitstheorie I Hermann Weyl. 7. Aufl. I hrsg. u. erg. von Jiirgen Ehlers. Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo: Springer, 1988 (Heidelberger Taschenbiicher; Bd. 251) ISBN-13: 978-3-540-18290-0 e-ISBN-13: 978-3-642-97861-6 DOl: 10.1007/978-3-642-97861-6 NE:GT Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabel1en, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der VervielfaItigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor behalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzel fall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesre publik Deutschland vom 9. September 1965 in der Fassung vom 24. Juni 1985 zuiassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1923, 1970, 1988 Vorwort des Herausgebers zur siebenten Auflage Seit dem Erscheinen von Weyls "Raum, Zeit, Materie" im Friihjahr 1918 wurde die Physik wesentlich umgestaltet. Die zwischen 1925 und 1930 im we sentlichen endgiiltig formulierte Quantenmechanik hat nicht nur den atomaren Feinbau der Materie verstehen gelehrt, sondern eine neue Auffassung von Na turgesetzlichkeit mit sich gebracht. Die immer noch nicht ganz gegliickte Ver kniipfung der Quantentheorie mit der speziellen Relativitatstheorie in der Quan tenfeldtheorie hat in Wechselwirkung mit immer raffinierteren und aufwendige ren Experimenten den Weg in die seltsame Welt der subnuklearen Teilchen ge bahnt. Neue Begriffsbildungen und Methoden in der Nichtgleichgewichts-Ther modynamik und statistischen Mechanik haben das Zustandekommen kompli zierter Vorgange in der makroskopischen Materie wie spontane Gestaltbildun gen und Phaseniibergange verstandlich gemacht. Die Astrophysiker haben u. a. den Bau und die Entwicklung der Sterne weitgehend aufgeklart, und sogar Sternsysteme und das Weltall als Ganzes sind in Zusammenarbeit von Beobach tern und Theoretikern Gegenstande naturwissenschaftlicher Forschung gewor den. Wahrend all dieser Umgestaltungen der Beschreibung der Materie in ihren vieIen Erscheinungsformen blieb jedoch das raumzeitliche Geriist, das allen Ma teriebeschreibungen zugrunde lag und noch liegt, unangetastet: Die Quanten mechanik stiitzt sich wie die "vorrelativistische" Physik auf die Galilei - New tonsche, die Quantenfeldtheorie iiberwiegend auf die Einstein - Minkowskische Raumzeitstruktur und laBt die Gravitation unberiicksichtigt. Die klassische Gravitationstheorie Einsteins schlieBlich faBt das Raumzeitkontinuum als eine vierdimensionale Lorentzmannigfaltigkeit auf, deren Metrik mit der Materie wechselwirkt. In dieser Theorie ist der Gegensatz zwischen der fest vorgegebe nen, absoluten Raumzeitstruktur und den dynamischen Gesetzen unterworfenen Materiefeldern erstmals aufgehoben; auch Metrik und Zusammenhang sind dy namische Felder geworden. Wenn man eine (nichtflache) Metrik als vorgegebe nes, au Beres Feld auffaBt, lassen sich auch Quantenfelder darin beschreiben. Erst eine Quantentheorie des Gravitationsfeldes selbst verlangt wohl den Ver zicht auf eine Raumzeitgeometrie im klassischen Sinn - wie die Quantenme chanik den Begriff der Teilchenbahnen aufgeben muBte. Was an ihre Stelle tritt, ist zur Zeit noch durchaus unklar, wenn es auch viele Versuche in dieser Rich tung gibt. Die angedeutete Entwicklung der Physik macht verstandlich, warum ein so "altes" Werk wie "Raum, Zeit, Materie" noch aktuell ist: Die Riemann-Ein steinsche Raumzeitstruktur, die von Weyl so meisterhaft beschrieben und aus ihren mathematischen und physikalischen Wurzeln hervorwachsend dargestellt wird, ist immer noch die physikalisch umfassendste und erfolgreichste Raum- VI Vorwort des Herausgebers zur siebenten Auflage zeittheorie, die bisher entwickelt und mit der Erfahrung konfrontiert wurde. Dariiber hinaus hat das Bediirfnis, die Grundziige der allgemeinen Relativitats theorie griindlich kennenzulemen, unter Physikem in den letzten 20 Jahren stark zugenommen, weil sich erstens gezeigt hat, daB Quantenfeldtheorien, deren klas sische Basis allgemeinrelativistische Strukturen enthalten - namlich Zusammen hlinge in Hauptfaserbiindeln - zu wesentlich brauchbareren Theorien der schwachen und starken Wechselwirkungen zwischen subatomaren Teilchen fiih ren als friihere Theorien, und weil zweitens die Aufstellung einer noch weiterge henden, umfassenden Theorie aller Teilchen und Wechselwirkungen augenblick lich nicht mehr als so aussichtslos beurteilt wird wie etwa vor 20 Jahren. Vnd: Wer an den Bemiihungen urn eine solche Theorie teilnehmen will, kommt urn ein Studium der Einsteinschen Theorie nicht herum. Nun gibt es natiirlich inzwischen viele und darunter auch sehr gute Lehrbii cher und Monographien iiber die allgemeine Relativitatstheorie, die neuere Er gebnisse und zuweilen methodische Vereinfachungen gegeniiber Weyls Darstel lung enthaIten. Andererseits hat "Raum, Zeit, Materie" demgegeniiber minde stens zwei wichtige Vorziige. Als erstes Lehrbuch der noch neuen Theorie setzt es sich griindlicher als spatere Biicher mit den historischen Wurzeln und den sachlichen Motiven auseinander, die zur Einfiihrung der damals neuen Begriffe wie Zusammenhang und Kriimmung in die Physik gefiihrt haben. Zweitens ist es von dem vielleicht letzten Vniversalisten geschrieben worden, der aile wesent lichen Entwicklungen der Mathematik und Physik seiner Zeit nicht nur fiber blickte, sondem in wesentlichen Teilen mitgestaltete. Das Studium dieses Wer kes vennitteIt nicht nur die Grundzfige der beiden ReIativitatstheorien, sondern zeigt Zusammenhange mit anderen Ideen, nicht zuletzt auch der Naturphilo sophie auf. Weyl gibt ein groBes Beispiel fiir eine Auffassung der theoretischen Physik, die weder die EinzeIheiten vernachlassigt noch sich in ihnen verliert, die den mathematischen HilfsmitteIn dieseIbe Sorgfalt zuwendet wie dem Zusam menhang der Theorie mit der Erfahrung, fiir die Beobachtungsdaten, Kalkiile und Fonneln nicht Selbstzweck sind, sondern Mittel zum Aufspiiren und Dar stell en von Strukturen der Wirklichkeit. Die vorliegende siebte Auflage von Raum, Zeit, Materie unterscheidet sich von den zwei gleichen vorangehenden auBer durch eine Reihe kleiner Korrektu ren durch folgende Anderungen: I) Anhang I aus der vierten Auflage ist als Anhang V eingefiigt worden. 2) Derjenige Teil aus § 34 der vierten Auflage, der sich auf das Anfangswertpro blem und die relativistische Kausalitat bezieht, bildet jetzt Anhang VI. 3) Ais Anhang VII wurde ein Text aus § 31 der ersten Auflage angefiigt, der von elektrostatischen Losungen und der Schwarzschildlosung in 'kanonischen Zy linderkoordinaten handelt. 4) In etlichen Anmerkungen des Herausgebers werden kurze Erlauterungen, Er ganzungen und Hinweise aufspatere Entwicklungen gegeben. In die erste An merkung wurde eine Passage aus § 31 der ersten Auflage iiber die sogenannte Schwarzschildsingularitat aufgenommen. Die Textstellen, auf die sich die Anmerkungen beziehen, sind durch Randziffern gekennzeichnet. Diese Vorwort des Herausgebers zur siebenten Auflage VII Randziffem sind zusammen mit den Seitenangaben den betreffenden Anmer kungen vorangestellt, die nach Kapiteln unterteilt sind. 5) Das Schriftenverzeichnis wurde urn die Angabe einiger neuerer Bucher und Zeitschriftenartikel erganzt. Es wurden nur solche Schriften zitiert, auf die in Anmerkungen des Herausgebers Bezug genommen wird. 6) Die Weylschen Vorworte fruherer Auflagen des Werkes sind im AnschluB an dieses Vorwort wieder abgedruckt, da sie einen Einblick in die Entwicklung der Theorie selbst und insbesondere in Anderungen des Weylschen Stand punktes zu grundsatzlichen Fragen der Theorie und ihrer Darstellung ver deutlichen. Garching, im Mai 1988 Jurgen Ehlers Vorwort zur fdnften Auflage Mit der Einsteinschen Relativitatstheorie hat das menschliche Denken tiber den Kosmos eine neue Stufe erklommen. Es ist, als ware plOtzlich eine Wand zusammengebrochen, die uns von der Wahrheit trennte: nun liegen Weiten und Tiefen vor unserm Erkenntnisblick entriegelt da, deren Moglichkeit wir vorher nicht einmal ahnten. Der Erfassung der Vernunft, welche dem physischen Weltgeschehen innewohnt, sind wir einen gewaltigen Schritt naher gekommen. Dies Buch ging aus Vorlesungen hervor, die ich im Sommersemester 19 I 7 an der Eidgenossischen Technischen Hochschule Ztirich gehalten habe, nnd erschien zum ersten Male Frtihjahr 1918. Es lockte mich, an dies em groJ3en Thema ein Beispiel zu geben flir die gegenseitige Durch dringung philosophischen, mathematischen und physikalischen Denkens. Damals war die Re1ativitatstheorie nur erst im Kreise der Zunft, derer, die taglich mit Integral und Feldstiirke umgehen, bekannt. Seither ward sie popular wie selten eine wissenschaftliche Theorie und zum Gegenstand leidenschaftlicher, nicat immer sachlichen Grtinden entspringender Partei nahme. Trotz mancher minder schonen Zoge, die dabei in Erscheinung traten, und ohne naher zu untersuchen, wie weit das wirkliche Verstandnis geht, auf welches die Relativitatstheorie in der »offentlichen Meinungc gestoJ3en ist, scheint es mir im ganzen doch eine aul3erordentlich erfreuliche Tatsache zu sein, da/3 tiefe Erkenntnisprobleme bei unsern vielverschrieenen Zeitgenossen so lebendiges Interesse zu erregen vermochten. Der Theorie hat weder ihre Popularitat noch die Kritik geschadet; beide haben nur dazu geflihrt, ihren gedanklichen Aufbau immer einfacher und deutlicher herauszustellen. Die Literatur tiber Relativitatstheorie ist in den letzten Jahren ins Untibersehbare gewachsen; an guten Darstellungen ftir alle Stufen der mathematisch-physikalischen Vorbildung ist heute kein Mangel. Ich erwahne hier nur von Werken deutscher Sprache das an einen breiteren Kreis sich wendende prachtvolle Buch von Born »Die Relativitatstheorie Einsteins und ihre physikalischen Grundlagen« (in 3. Auflage 1922 erschienen bei Julius Springer) und den meisterhaften Artike1 in der Encyklopadie der Mathematischen Wissenschaften (V 191 von W. Pauli jr. Daneben, hoffe ich, wird auch diese Darstellung flir das systematische Studium weiter ihren Wert behalten und ihre Leser tin den , obschon sie vor den GenuJ3 der Erkenntnisfrucht den SchweiJ3 des Tensorkalkiils gesetzt hat. An dieser Anordnung habe ich auch in der neuen Ausgabe nichts geiindert. War es doch meine Absicht gewesen, nicht blol3 eine Darstellung der Relativitatstheorie zu geben, sondern das ganze Problem von Raum und Zeit zu entrollen, wie es sich in der Geschichte von Mathematik und Physik entwicke1t hat; und da ist die Mathematik vorangegangen! So ist namentlich das II. Kapitel nicht mehr-als Vorbereitung zu betrachten, sondern steht schon mitten im Thema selbst. AuBerdem sollten hier alle Vorwort zur fUnften Auflage IX Mittel an die Hand gegeben werden, die notig sind, urn auf Schritt und Tritt den Dbergang vollziehen zu konnen von den allgemeinen Ideen zur begrifflich strengen Fassung def Theorie und zur konkreten Anwendung auf Einzelprobleme. Trotzdem verleugnet das Buch nicht seine philo sophische Grundeinstellung: auf die gedankliche Analyse kommt es ihm an; die Physik liefert die Enfahrungsgrundlage, die Mathematik das scharfe Werkzeug. In der neuen Ausgabe ist diese Tendenz noch ver starkt worden; zwar das Geranke der Spekulation wurde beschnitten, aber die tragenden Grundgedanken wurden anschaulicher, sorgfaltiger und voll standiger herausgearbeitet und zergliedert. So erwahne ich: den neu eingeflihrten § 12 iiber Parallelverschiebung und Kriimmung; die genaue Analyse der Grundlagen der speziellen und der allgemeinen Relativitats theorie in § 23 und § 29. Vor allem ist die Mechanik ganz anders zur Geltung gekommen (§§ 27 und 37, 38). Endlich habe ich versucht, soviel Klarheit in das Bewegungsproblem zu bringen, als es bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse moglich ist (§§ 36, 39). Es erscheint mir ver fehIt, die allgemeine Relativitatstheorie von Ursprung her unlOslich mit einer Kosmologie zu verquicken, weIche die WeItmassen flir die Tragheit verantwortlich macht. Denn das ist eine Hypothese, deren Durehflihrbarkeit. heute durchaus nicht erwiesen ist. Auch hat man nicht immer geniigencl beachtet, daB auf dem Standpunkt der allgemeinen Relativitat der Begriff der relativen Bewegung zweier Korper zueinander nicht minder bedeutungslos ist als der der absoluten Bewegung eines einzigen. Den eigentlichen physikalisehen Inhalt der Einsteinschen Theorie mochte ich so formulieren: Die Bewegung eines Korpers kommt dynamisch zustande durch den Kampf zwischen Kraft und Fiihrung; das Fiihrungsfeld ist eine mit der Materie in Wechselwirkung stehende Realitat; die Gravitation gehOrt zur Fiihrung und nicht zur Kraft. Meine Auffassung des Verhaltnisses von Feld und Materie, welche Raum schafft fiir die quantentheoretisch-statistische Physik der Materie, habe ieh konsequenter der Mieschen Feldtheorie gegeniiber gestellt, als es in der 4. Auflage geschehen war; die Benutzung .fingierter Felder« zur Ausflillung des Gebietes, in dem ein materielles Teilchen sieh befintiet, erweist sich als eine bequem zu handhabende und durchschlagende Methode (§ 38). Die gruppentheoretisehe Untersuehung der Raumstruktur ist in Kapitel II nur fllichtig berlihrt worden; in dieser Hinsicht verweise ich zur Erganzung auf meine spal1ischen Vorlesungen iiber die Mathe l> matische Analyse des Raumproblemsc, welche "von dem Institut d'Estudis Catalans (Barcelona) herausgegeben werden (sie werden wahrscheinlich auch in deutscher Sprache erscheinen). Von der 4. Auflage dieses Buches ist eine franzosische und eine englische Ubersetzung herausgekommen. Die erste ist allerdings stellenweise so »[rei«, da/3 ich mich genotigt sehe, fUr ihren Inhalt jede Verantwortung abzulehnen. Ziirich, Herbst 1922 H. Weyl Vorwort zur vierten Auflage Das Buch hat in der neuen Auflage im ganzen diejenige Gestalt bewahrt, die ich ihm in der vorigen gegeben hatte j doch erfuhr es im einzelnen mancherlei Anderungen und Zusatze. Die wichtigeren derselben seien hier namhaft gemacht. I. Dem II. Kapitel ist: ein Paragraph hinzugefligt worden, in welchem das Raumproblem eine tiefere gruppentheoretische Formulierung findetj es handelt sich darum, die innere Notwendigkeit und Einzigartig keit der auf einer quadratischen Differentialform beruhenden Pythagoreischen Raummetrik zu begreifen. 2. Der Grund dafiir, daB Einstein zwangsweise zu eindeutig bestimmten Gravitationsgleichungen gefiihrt wurde, Iiegt darin, daB der Kriimmungsskalar die einzige Invariante im Riemannschen Raum von gewissem Charakter ist; flir diesen Satz ist ein Beweis im Anhang skizziert worden. 3. 1m IV. KapiteI werden die neueren experimentellen Untersuchungen zur aIIgemeinen Relativitatstheorie beriicksichtigt, insbe sondere die Beobachtungen der Lichtablenkung durch das GravitationsfeId der Sonne bei GeIegenheit der Sonnenfillsternis vom 29. Mai 1919, deren Ergebnisse jiingst das Interesse der weitesten Kreise flir die Relativitats theorie so machtig angeregt haben. 4. Der Mie schen Auffassung der Materie stelle ich eine andere gegeniibet (siehe namentlich § 32 und § 36), nach welcher die Materie als Grenzsingularitat des FeIdes erscheint, Ladung und Masse aber als Kraftfliisse im Felde. Damit ist eine veranderte und vorsichtigere Stellungnahme zu dem ganzen Problem der Materie ver bunden. Fiir den Hinweis auf kleinere wiinschenswerte Ausbesserungen bin ich manchem bekannten und unbekannten Leser, flir Durchsicht der Korrekturbogen Herrn Prof. Nielsen (Breslau) zu Dank verbunden. Ziirich, November 1920 Hermann Weyl Vorwort zur dritten Auflage Obschon dies Buch die Frucht der Erkenntnis in harter Schale bietet, ist es doch manchem, wie mir verschiedene Zuschriften zeigten, ein Trost bUchlein in wirrer Zeit gewesen; ein Aufblick aus dem TrUmmerfeld der uns unmittelbar bedrangenden Gegenwart zu den Stemen, das ist: der unzerbrechlichen WeIt der Gesetze; Bekraftigung des Glaubens an die Vernunft und eine alle Erscheinungen umspannende, nie gestOrte, nie zu stOrende »harmonia mundi«. Den Zusammenklang noch reiner zu stimmen, ist mein Bestreben in der neuen, dritten Auflage gewesen. Wahrend die zweite ein unveranderter Abdruck der ersten war - bis auf die Korrektur eines Versehens auf pag. 183 -, habe ich jetzt eine grUndliche Umarbeitung vorgenommen, von der vor allem das II. und III. Kapitel betroffen wurden. Die von Herrn Levi-Civita im Jahre 1917 gemachte Entdeckung des Begriffs der infinitesimalen Parallelverschiebung gab den Ansto.B zu einer emeuten Unter suchung der mathematischen Grundlagen der Riemannschen Geometrie. Der hier in Kapitel II gegebene Aufbau der reinen Infinitesimalgeometrie, bei welchem sich jeder Schritt in voller NatUrIichkeit, Anschaulichkeit und Notwendigkeit vollzieht, ist, glaube ich, das in allen wesentlichen StUcken endgiiltige Ergebnis dieser Untersuchung. Einige Unvollkommenheiten, welche meiner ersten Darstellung in der Mathematischen Zeitschrift (Bd. 2, 1918) noch anhafteten, sind beseitigt worden. Das IV. Kapitel, dessen Hauptteil der Einsteinschen Gravitationstheorie gewidmet ist, hat zunachst durch BerUcksichtigung der in der Zwischenzeit erschienenen wichtigeren Arbeiten, namentlich derjenigen, welche sich auf das Energie-Impulsprinzip beziehen, eine ziemlich tiefgreifende Umgestaltung erfahren. Dann aber ist eine neue, vom Verfasser herrUhrende Theorie hinzugefiigt worden, welche aus der in Kapitel II vollzogenen Erweiterung der geometrischen Grundlage Uber den Riemannschen Standpunkt hinaus die physikalischen Konsequenzen zieht und sich anheischig macht, aus der Weltgeometrie nicht nur die Gravitations-, sondem auch die elektromagnetischen Erscheinungen abzu leiten. Steckt diese Theorie auch gegenwartig noch in den Kinderschuhen, so bin ich doch Uberzeugt, daB ihr der gleiche Wahrheitswert zukommt wie der Einsteinschen Gravitationstheorie - mag nun dieser Wahrheits wert ein unbegrenzter sein oder, wie es wohl wahrscheinlicher ist, begrenzt werden mUssen durch die Quantentheorie. - Herm Weinstein danke ich fUr seine mir bei der Durchsicht der Korrekturbogen gewahrte Hilfe. Ac1a Pozzoli bei Samaden, August 1919
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