„Prominente Wörter“ im öffentlichen und privaten Sprachgebrauch −−−− Wortsemantische Aspekte und empirische Analysen zu Schlüsselwörtern des öffentlichen Sprachgebrauchs Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von M. A. Lennart Oheim geboren am 25.10.1973 in Hannover 2007 Referent: Prof. Wolfgang Sauer Koreferent: Prof. Chris Bezzel Tag der mündlichen Prüfung: 27.06.2007 2 Zusammenfassung Der Gebrauch von Schlüsselwörtern zählt zu den gängigen Strategien jeder öffentlichen Kommunikation, was zur Folge hat, dass bestimmte Wortschatzeinheiten im öffentlichen Sprachgebrauch extrem häufig und stark exponiert zum Einsatz kommen. Viele dieser Lexeme weisen das gemeinsame besondere Merkmal auf, dass sich ihre Bedeutungen auf umfangreiche komplexe theoretische Konzepte beziehen. Aufgrund dieser Eigenschaft tragen sie entscheidend zur Konstituierung der Aussage eines Textes bei und sind daher für das Verständnis der Kontexte, in denen sie stehen, unabdinglich. Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich in Theorie und Praxis mit den Eigenschaften der Bedeutungen solcher „Prominenten Wörter“. Deren allgemeine Charakterisierung erfolgt zunächst entlang semantischer Kategorien, wobei der Schwerpunkt auf Erkenntnissen zur semantischen Unbestimmtheit, zum Einfluss von Kontexten und zur Struktur sowie einzelnen Komponenten ihrer Bedeutungen liegt. Daran schließt eine Übersicht zu den Bedingungen des Sprachgebrauchs und den Umgang mit Wörtern in einer von Massenmedien geprägten Öffentlichkeit an. Im Anschluss werden auf dieser Grundlage weitere spezifische Merkmale von „Prominenten Wörtern“ erläutert. Im empirischen Teil der Arbeit kommen stellvertretend für die Gruppe der „Prominenten Wörter“ die Lexeme „Solidarität“, „ökologisch“, „Globalisierung“, „Sozialstaat“, „Wellness“ und „Wirtschaftswachstum“ zur Untersuchung. Einige ihrer gängigsten Definitionen sowie außergewöhnliche Interpretationen werden auf Grundlage von exemplarischen qualitativen Inhaltsanalysen der Äußerungen von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft herausgearbeitet. Diese Korpusanalyse wird ergänzt durch exemplarische Untersuchungen von individualsprachlichen Repräsentationen der fraglichen Wortbedeutungen. Diese wurden in einer Umfrage ermittelt, bei der Informanten aufgefordert wurden, die ihrer Meinung nach relevanten Merkmale der Begriffe anzugeben. Als Ergebnis der theoretischen Überlegungen und praktischen Analysen lässt sich für die „Prominenten Wörter“ festhalten, dass diese einige spezifische semantische Eigenheiten (u. a. Variabilität in der Bedeutung, Komplexität des Begriffs, Kontextunabhängigkeit) aufweisen, dabei häufig gleichzeitig im Dienste von Sprach-Strategien stehen und verschiedenste Aufgaben – deren Bandbreite von rein textstrukturellen bis hin zu manipulativen Funktionen geht – erfüllen. Zudem deuten die empirischen Analysen der individualsprachlichen Repräsentationen der Wortbedeutungen darauf hin, dass diese deutlicher von subjektiv- individuellem Wissensstand, Assoziationen und Emotionen geprägt sind als von intersubjektiven und objektiven „Kernbedeutungen“. 3 Abstract The use of keywords is one of the usual strategies of every public communication, with the consequence of certain words being used frequently and prominently in public. It is a special feature of many of these lexemes to have meanings which base on complex theoretical concepts and to be essential for the constitution of the complete meaning of a text and for the understanding as well. This doctoral thesis deals in theory and practice with the qualities of the meaning of such “prominent words”. The general characterization is carried out along certain semantic categories: semantic uncertainty, influence of context, structure and components of word meaning. Moreover, other specific features of “prominent words” are worked out by focusing the conditions for the usage and the way single lexemes are used in a public which is determined by mass media. The empirical chapters of this thesis content the examination of the lexemes “Solidarität” (“solidarity”), “ökologisch” (“ecological”), “Globalisierung” (“globalisation”), “Sozialstaat” (“welfare state”), “Wellness” (“wellness”) and “Wirtschaftswachstum” (“economic growth”). Some of their typical definitions as well as unusual interpretations are worked out on basis of qualitative content analysis of the public remarks from representatives of politics, economy, science and society. The corpus analysis is followed by examinations of some idiolectal representations of these lexemes. This analysis bases on the data of a survey, in which informants were asked to mention relevant features they associate with the words. The result of these theoretical considerations and practical analysis is, that certain keywords in public usage combine specific semantic qualities (e. g. variability in meaning, complexity of concept, context independence), but simultaneously fulfill other tasks of different language strategies – not only text-structural but also manipulative functions. Moreover, the empirical analysis of idiolectal representations indicates that word meanings are characterized rather by individual-subjective knowledge, associations and emotions than by common and objective contents. Schlagwörter / Keywords: Öffentlicher Sprachgebrauch / Language In Mass Media Wortsemantik / Lexical Semantics Empirische Ermittlung von Wortinhalten / Empirical Analysis Of Word Content 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...........................................................................................................................9 2. Zur Wortsemantik: Perspektiven zur „Bedeutung“ aktualisierter Lexeme..............20 2.1 Die Bedeutung von „Bedeutung“ in verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven..............................................................................................................21 2.2 Bedeutungsbegriff für die Korpusanalyse: „Bedeutung“ und Gebrauch..................26 2.3 Bedeutungsbegriff für die Informantenbefragung.....................................................32 2.3.1 Semantische Grundlagen: Mentalistische Theorien.......................................32 2.3.2 Sprachwissen – Sachwissen – Explikation....................................................35 2.3.2.1 Sprachwissen vs. Sachwissen..........................................................36 2.3.2.2 Explikationen als „Bedeutung“........................................................41 2.4 Kontextfreie Definitionen von Wortbedeutungen.....................................................44 2.5 Exkurs: Stadien der Determinierung einer Wortbedeutung......................................46 3. Pragmatische Semantik für Lexeme mit „theoretisch-konzeptuellen“ Begriffen.....49 3.1 Spezifische semantische Eigenschaften „Prominenter Wörter“................................49 3.1.1 „Theoretisch-konzeptuelle“ Begriffe.............................................................50 3.1.2 Variabilität der Wortbedeutung......................................................................53 3.1.3 Determinierende Funktion des Kontextes......................................................56 3.1.3.1 Der „Kontext“-Begriff in der Theorie..............................................57 3.1.3.1.1 Innersprachlicher Kontext..............................................58 3.1.3.1.2 Außersprachlicher Kontext............................................59 3.1.3.2 Effektivität der Kontexte und Kontextunabhängigkeit....................62 3.1.3.3 Unbestimmtheit der Wortbedeutung in Kontexten..........................65 3.1.4 Struktur und Komponenten der aktuellen Bedeutung....................................69 3.1.4.1 „Hauptbedeutung“ und invariante Komponenten der Bedeutung...70 3.1.4.2 Konnotationen..................................................................................73 3.2 Instrument zur Wortbedeutungsbeschreibung...........................................................78 3.2.1 Methoden der Bedeutungsbeschreibung........................................................79 3.2.1.1 Erweiterte kompositionelle Konzepte..............................................81 3.2.1.2 Leistungsfähigkeit und Grenzen kompositioneller Konzepte..........84 5 3.2.2 Merkmals-Klassen zur Bedeutungsbeschreibung theoretisch-konzeptueller Begriffe..........................................................................................................86 3.2.3 Besonderheiten bei der Beschreibung von theoretisch-konzeptuellen Begriffen........................................................................................................89 4. Charakteristika der Verwendung einzelner Lexeme im öffentlichen Sprachgebrauch....................................................................................91 4.1 Zum Begriff des „öffentlichen Sprachgebrauchs“....................................................93 4.1.1 Reichweite des Begriffs „öffentlich“.............................................................93 4.1.2 Öffentlicher Sprachgebrauch: Kommunikationswege und Verfasser............98 4.1.3 Öffentlicher Sprachgebrauch in der wissenschaftlichen Betrachtung.........101 4.1.4 „Sprachliche Merkmale“ des öffentlichen Sprachgebrauchs.......................103 4.2 Eigenschaften von „Prominenten Wörtern“ des öffentlichen Sprachgebrauchs.....105 4.2.1 Relevanz.......................................................................................................107 4.2.2 Hohe Frequenz.............................................................................................108 4.2.3 Bekanntheitsgrad/Aufmerksamkeit..............................................................108 4.2.4 „Theoretisch-konzeptuelle“ Begriffe...........................................................109 4.3 Entwicklung eines Lexems zu einem „Prominenten Wort“....................................110 4.3.1 Politischer Sprachgebrauch: „Semantische Hoheitskämpfe“.......................111 4.3.1.1 Schlagwörter..................................................................................112 4.3.1.2 Wörter im „semantischen Kampf“.................................................114 4.3.2 Verbindung mit einem aktuellen Ereignis....................................................117 4.3.3 Prominenter Sprecher oder prominente Äußerung......................................118 4.3.4 Bezeichnungen für Elemente des Status quo...............................................118 4.3.5 Schlagzeilen, Slogans und Titel...................................................................119 4.3.6 Modewörter – Moderne Wörter...................................................................121 4.4 Öffentlicher vs. idiolektaler Sprachgebrauch..........................................................124 5. Verfahren zur Bedeutungsermittlung.........................................................................129 5.1 Qualitative Verfahren I: Informantenbefragung......................................................130 5.1.1 Methoden der informantengestützten Bedeutungsermittlung......................133 5.1.1.1 Direkte Frage nach der Bedeutung eines Wortes...........................134 5.1.1.2 Semantische Tests..........................................................................138 5.1.1.3 Benennung/Bezeichnung eines Objekts.........................................141 5.1.1.4 Semantisches Differential..............................................................142 6 5.1.1.5 Demoskopische Verfahren und Assoziationstests.........................144 5.1.2 Auswahl und Qualifikation der Informanten...............................................146 5.1.2.1 Allgemeine Anhaltspunkte für die Auswahl von Informanten......146 5.1.2.2 Beispiele aus der Literatur: Qualitative und quantitative Faktoren bei der Informantenauswahl...........................................................148 5.1.2.3 Probleme bei der Datenerhebung...................................................151 5.2 Qualitative Verfahren II: Die Ermittlung der aktuellen Bedeutungen von Wörtern auf Basis sprachlicher Korpora...............................................................................155 5.2.1 Qualitative Inhaltsanalysen in der Praxis.....................................................157 5.2.1.1 Analysen des intralingualen Kontextes..........................................159 5.2.1.2 Analyse von intra- und extralingualen Kontexten.........................161 5.2.2 Zusammenfassung........................................................................................165 6. Empirische Analysen von „Prominenten Wörtern“ I: Qualitative Inhaltsanalyse............................................................................................167 6.1 Auswahl der Lexeme und Quellen..........................................................................168 6.2 Ergebnisse der Ermittlung von Wortbedeutungen auf Basis von Inhaltsanalyse und Lexikoneinträgen..............................................................................................170 6.2.1 „Solidarität“..................................................................................................170 6.2.2 „Globalisierung“..........................................................................................175 6.2.3 „ökologisch“.................................................................................................183 6.2.4 „Sozialstaat“.................................................................................................190 6.2.5 „Wellness“....................................................................................................194 6.2.6 „Wirtschaftswachstum“................................................................................199 7. Empirische Analysen von „Prominenten Wörtern“ II: Informantenbefragung.....205 7.1 Tests möglicher Befragungsformen........................................................................205 7.2 Design des Fragebuchs............................................................................................207 7.3 Auswahl der Informanten........................................................................................210 7.4 Durchführung der Umfrage.....................................................................................211 7.5 Auswertung der Fragebögen....................................................................................213 7.5.1 „Solidarität“..................................................................................................215 7.5.2 „Globalisierung“..........................................................................................221 7.5.3 „ökologisch“.................................................................................................229 7.5.4 „Sozialstaat“.................................................................................................234 7 7.5.5 „Wellness“....................................................................................................239 7.5.6 „Wirtschaftswachstum“................................................................................245 7.6 Interpretation und Auswertung der Ergebnisse.......................................................252 7.6.1 „Solidarität“..................................................................................................252 7.6.2 „Globalisierung“..........................................................................................254 7.6.3 „ökologisch“.................................................................................................255 7.6.4 „Sozialstaat“.................................................................................................256 7.6.5 „Wellness“....................................................................................................257 7.6.6 „Wirtschaftswachstum“................................................................................257 7.7 Zur Konstituierung der idiolektalen Bedeutung „Prominenter Wörter“.................259 8. Resümee..........................................................................................................................262 9. Literaturverzeichnis......................................................................................................268 10. Quellenverzeichnis.........................................................................................................274 10.1 Internet-Websites...................................................................................................274 10.2 Redebeiträge aus dem Deutschen Bundestag........................................................275 10.3 Weitere Veröffentlichungen..................................................................................276 11. Anhang............................................................................................................................277 11.1 Anhang I: Fragebögen der Umfrage.....................................................................277 11.2 Anhang II: Fragebögen zu Tests von Elizitierungstechniken ...............................280 8 1. Einleitung Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit Bedeutungen von Schlüsselwörtern aus dem öffentlichen Sprachgebrauch. Theoretische Überlegungen zur Wortsemantik wie auch exemplarische empirische Analysen − sowohl von Wortverwendungen in der Öffentlichkeit als auch von individualsprachlichen Repräsentationen der Wortbedeutungen − sollen dazu beitragen, die spezifischen Charakteristika eines „Wortschatzes“ zu bestimmen, der wichtige Funktionen innerhalb der öffentlichen Kommunikation erfüllt. Damit nimmt sich diese Arbeit im Kern eines populären und häufig untersuchten Themas an. In der sprachwissenschaftlichen wie auch der politikwissenschaftlichen Literatur herrscht weitestgehend Übereinstimmung über die Diagnose, dass im Rahmen öffentlicher Kommunikation ein nachhaltiger Trend zur Zuspitzung auf wenige Vokabeln feststellbar sei bzw. dass allgemein dem einzelnen Wort ein hoher Stellenwert zukäme. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass ein gezielter und exponierter Wortgebrauch für Sender1 wie Empfänger wichtige Funktionen erfüllen kann: Wörter können als „Aufhänger“ für ein bestimmtes Thema dienen, sie helfen als Oberbegriffe, Themen und Inhalte zu sortieren, sie stellen eine deutliche Bewertung dar, sie kommunizieren größere gedankliche Konzepte, sie stellen Zusammenhänge her und erregen als Indikator für bestimmte Sachverhalte die notwendige Aufmerksamkeit und das Interesse des Publikums. Ihr kommunikativer Nutzen und die daraus resultierende Popularität sorgt für eine hohe Gebrauchsfrequenz wie auch für eine Steigerung ihres Wertes innerhalb des gesamten Kommunikationsprozesses. Vielfach ist dabei die Kenntnis ihrer Begriffe Voraussetzung für das Verständnis größerer Zusammenhänge. Diese Eigenschaften einzelner Wortschatzeinheiten sorgen dafür, dass deren Gebrauch wiederholt in (sprach- )wissenschaftlichen Untersuchungen thematisiert wird. Arbeiten aus unterschiedlichsten Disziplinen mit Titeln wie „Brisante Wörter“, „Kontroverse Begriffe“, „Plastikwörter“, „Zeitgeschichtliches Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“ oder „Politische Leitvokabeln in der Adenauer-Ära“2 reflektieren die inhaltlichen Varianten von Wörtern im Kontext des Zeitgeschehens und verweisen dabei auf ihre spezifischen semantischen Eigenschaften wie z. B. ihre Variabilität, ihre Unbestimmtheit, eine besondere Struktur des Inhalts oder ihren Begriffsumfang. Insbesondere in der Forschung zum politischen Sprachgebrauch attestieren die Autoren mit Hinweis auf bestimmte Strategien und 1 In dieser Arbeit wird das generische Maskulinum verwendet, so dass die jeweils weiblichen Pendants i. d. R. mitgemeint sind, auch wenn sie nicht explizit genannt werden. 2 Strauß, Gerhard/Hass, Ulrike/Harras, Gisela: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist − Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin 1989; Stötzel, Georg/Wengeler, Martin: Kontroverse Begriffe – Sprachgeschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin/New York 1995; Pörksen, Uwe: Plastikwörter. Stuttgart 1988; Stötzel, Georg/Eitz, Thorsten (Hrsg.): Zeitgeschichtliches Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hildesheim 2002 9 Wirkungen, die z. B. mit dem Gebrauch von positiv besetzten „Fahnenwörtern“ oder „politischen Schlagwörtern“ verfolgt und beabsichtigt werden, den jeweiligen Wortschatzeinheiten einen besonderen Status. Die Untersuchungen kommen in der Regel zu dem gemeinsamen Schluss, „daß einzelne Lexeme als lexikalisch komprimierte Einheiten in politischen Diskussionen herausragende Wichtigkeit erlangen“3. Auf einer sehr ähnlichen Diagnosen basiert im Übrigen auch die Wahl der „Wörter des Jahres“ (z. B. „Nulllösung“, „Gesundheitsreform“, „Besserwessi“, „Sparpaket“, „Reformstau“, „Sozialabbau“) und der „Unwörter des Jahres“4 („Rentnerschwemme“, „ethnische Säuberung“, „Kollateralschaden“). Die jeweiligen Wörter verdanken ihre Auswahl auch hier dem Umstand, dass sie jeweils in einem bestimmten Jahr die öffentliche Diskussion bestimmt haben und somit häufig und an exponierter Stelle verwendet wurden. Mit der vorliegenden Arbeit wird der den genannten Arbeiten zugrunde liegende Gedanke, dass einige Wortschatzeinheiten im öffentlichen Sprachgebrauch einen besonderen kommunikativen Wert erhalten, aufgegriffen. Der entscheidende Unterschied aber besteht in der Auswahl der sprachlichen Äußerungen, aus denen sich die Gruppe der zu analysierenden Wörter rekrutiert: Diese Dissertation beschränkt sich nicht auf diejenigen Formen des Sprachgebrauchs, die „traditionell“ zum Gegenstand von Analysen des Sprachgebrauchs in der Öffentlichkeit gemacht werden (wie z. B. die politische Kommunikation), sondern bezieht prinzipiell den gesamten öffentlichen Sprachgebrauch und dessen Schlüsselwörter in die Analyse ein. Dieser Ansatz beruht auf der Beobachtung, dass sich in der Gesamtheit aller öffentlich kommunizierten Beiträge eine auffällige Dominanz und dauerhafte Präsenz einer Gruppe immer gleicher Wörter ausmachen lässt, die eine Art „Wortschatz aktuell relevanter und häufiger Lexeme“ zu bilden scheinen. Diese Gruppe von Wörtern soll im weiteren Verlauf der Arbeit als „Prominente Wörter“ bezeichnet werden. Zu diesem Kreis von Wörtern können – unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer spezifischen Sprachvarietät – prinzipiell alle Wörter des deutschen Sprachgebrauchs gehören, die in der Öffentlichkeit in einer auffälligen Art und Weise verwendet werden, wie z. B. „Globalisierung“, „Terrorismus“, „Zuwanderung“, „Integration“, „Islam“, „Patriotismus“, „Sozialstaat“, „Wirtschaftswachstum“, „Vollbeschäftigung“ oder „Subvention“. Ihr Status eines 3 Böke, Karin/Liedtke, Frank/Wengeler, Martin: Politische Leitvokabeln in der Adenauer-Ära. Berlin/New York 1996, S. 32 4 Das „Wort des Jahres“ wird seit 1977 von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ in Wiesbaden gewählt. Überwiegend auf Grundlage von Belegen aus den Medien wählt die Jury ein Wort, das für den allgemeinen öffentlichen Diskurs im jeweiligen Jahr am charakteristischsten erscheint. Die Wahl des „Unwortes des Jahres“ hingegen basiert auf den Zuschriften von Bürgern. Quelle: Duden: Die Deutsche Rechtschreibung. Mannheim u. a. 2000 10
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