PHYSIK CHEMIE UND DER GRENZFLÄCHEN VON K.L.WOLF ZWEITER BAND DIE PHÄNOMENE IM BESONDEREN MIT 180 ABBILDUNGEN SPRINGER-VERLAG BERLIN . GOTTINGEN· HEIDELBERG 1959 ISBN-13: 978-3-642-87843-5 e-ISBN-13: 978-3-642-87842-8 DOI: 10.1007/978-3-642-87842-8 Alle Rechte, insbesondere das der übersetzuug in fremde Sprachen, vorbehalten Ohue ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen © by Spriuger-Verlag OHG. Berlin . Göttingen . HeideJberg 1959 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1959 Die Wiedergabe von Gebrauchsuamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinn der Warenzeichen- und Markenschntz-Gesetzgebung als frei zu betrachteu wären uud daher von jedermann benutzt werden dürften Vorwort Die der Behandlung der allgemeinen Phänomene in Band I folgende Darstellung der besonderen Phänomene an Grenzflächen mußte, sollte sie nicht zu einer Summierung von Einzelerscheinungen entarten, stärker auswählen als diejenige des ersten Bandes. Dabei konnte in der Ver teilung der Gewichte die derzeitige praktische Bedeutung einzelner Gebiete keine Rolle spielen. Dieser mag in einem geplanten dritten, den Anwendungen gewidmeten Band in etwas höherem Maße Rechnung getragen werden. Ebendort mögen auch die elektro kinetischen Erschei nungen und Fragen der Reibungs- und Kontaktelektrizität stärker hervortreten. Die Erscheinungen des Kristallwachstums und der Epitaxie wurden nur soweit erörtert. wie das im Zusammenhang erforderlich erschien; eine eingehendere Darstellung hätte hier zu weit in Fragen der Mineralogie vorstoßen müssen. Demgegenüber wurde der lange über Gebühr vernachlässigten Frage der Gestalt flüssiger Körper, die durch eigene Beobachtungen gefördert werden konnte, bewußt ein breiterer Umfang eingeräumt. Beim Zeichnen der Abbildungen, bei den Korrekturen und bei der Herstellung des Registers halfen mir wieder Dr. E. BrscHoFF, Dipl.-Biol. R. KURTz, stud. P. J. SELL und stud. O. DRIEDGER. Ihnen sowie dem Verlag, der der Herstellung der zum Teil recht schwierigen Abbildungen eine über das Normale hinausgehende Sorg falt angedeihen ließ, gilt mein Dank. Eine große Anzahl zur Ergänzung und Überprüfung erforderlicher Versuche und Beobachtungen konnten dank der Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und durch den Fonds für Chemie ausgeführt werden. Marienthai (Nordpfalz), im Januar 1959 Laboratorium für Physik und Chemie der Grenzflächen K. L. Wolf Inhaltsverzeichnis Seite A. Gestalt und Überformung 1 § 1. Seifenblasenartige . 1 § 2. Über die Gestalt flüssiger Körper 22 § 3. überformung im Schwerefeld. 41 § 4. Gerüstlamellen 54 B. Oberflächenfilme . . 82 § 5. Oberflächenfilm und Oberflächendruck 82 § 6. Gasanaloge Oberflächenfilme . 91 § 7. Kondensierte Filme . . . . . 103 § 8. Polymorphie . . . . . . . . 112 § 9. Mischungen und Lösungen im Filmzustand 123 § 10. Das Filmpotential. 132 § 11. Die Viscosität 140 § 12. Aufbaufilme . . . 143 C. Anreicherung in Grenzflächen 148 § 13. Oberflächenspannung und Oberflächenkonzentration. 148 § 14. Analogie zum unlöslichen Film. . . . : 156 § 15. Oberflächenpotentiale . . . . . . . . . . . . . . 163 § 16. Die Oberflächenspannung von Lösungen. . . ... 167 § 17. Adsorptionsgleichgewicht, Adsorptionsenergie, Adsorptions geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 § 18. Grenzflächenspannung von Lösungen gegen Flüssigkeiten. 187 § 19. Grenzflächenadsorption von Flüssigkeiten 197 § 20. Die Adsorption an festen Körpern 217 §21. Zustandsgleichungen. . . . . . . . 236 § 22. Filme auf Festkörpern. . . . . . . 262 § 23. Kondensation, Wachstum, Auflösung 269 D. Mechanische Erscheinungen . . 278 § 24. Ponderomotorische Wirkungen 278 § 25. Reibungserscheinungen. . . . 289 § 26. Sedimentation und Thixotropie. 322 § 27. Transporterscheinungen 341 Namen- und Sachverzeichnis . . . . . . 348 A. Gestalt und Über formung § 1. Seifenblasenartige Tropfen und Blasen erscheinen bei der Betrachtung der allgemeinen Phänomene (1, § 2) als diejenigen Gestalten, welche Flüssigkeiten in Gasen oder Flüssigkeiten bzw. Gase in Flüssigkeiten, wenn nicht durch feste Begrenzungen andere äußere Formen erzwungen werden, unter dem Einfluß der innewohnenden zwischenmolekularen Kräfte eigen sind. Als Form des freien, d. h. keinen anderen Kräften und Einwir kungen ausgesetzten Tropfens und seiner Umkehrung, der freien Gas blase, erweist sich - bei gegebenem Volumen kleinste Oberfläche mit überall gleicher Krümmung verbindend - die Kugel. Von ihr her können durch Berücksichtigung zusätzlicher äußerer Bedingungen analog dem beim Übergang von GI. (1, 33) zu GI. (I, 34) oder (1, 54) befolgten Vorgehen die äußeren Formen der Tropfen- und Blasenkörper begriffen werden. Ein diese Art in jeweils einfacher räumlicher Begrenzung aneinander grenzender Stoffbereiche überschreitendes, gleichsam ein potenziertes Grenzflächenwesen begründendes besonderes Phänomen liegt - in großer Vielfalt von Formen realisierbar und realisiert - dann vor, wenn, wie etwa bei den gewöhnlichen Seifenblasen, eine dünne Flüssig keitshaut, die aber noch immer so viele Moleküllagen tief sein soll, daß in ihrem Inneren der Charakter einer Flüssigkeit als gewahrt be trachtet werden kann, oder wenn, kürzer gesprochen, eine Flüssigkeits lamelle oder ein System (ebener oder krummflächiger) Lamellen Gas räume oder Flüssigkeitsräume unterteilt oder gegeneinander abgrenzt. Die vollkommenste und einfachste Gruppe solcher lamellenartigen Kör per stellen die freien, durch keinerlei Wände oder Ränder eingegrenzten und eingeengten Gebilde von der Art der Seifenblasen, d. h. die einen inneren von einem äußeren Gasraum abschließenden Kugellamellen vor und, wenn auch weniger bekannt und weniger untersucht, ihnen homolog die einen inneren von einem äußeren Flüssigkeitsraum abschließenden Kugellamellen, die etwa aus Wasser in mit diesem nicht mischbaren (organischen) Flüssigkeiten erzeugt werden können. Eine systematische Bezeichnung für diese Tropfen und Blasen gleich sam in sich vereinigenden Körper gibt es noch nicht, wohl vor allem Wolf, Physik und Chemie der Grenzflächen, Bd. II 2 A. Gestalt und überformung deshalb, weil - unbeschadet der offensichtlichen Bedeutung ent sprechender Körper aus Glas oder aus organischen Kunststoffen - wissenschaftliche Beobachtungen, seitdem man mit dem Begriff der flächenspezifischen Energiegrößen vertraut geworden ist, fast stets nur mit Hilfe von einfach zu bereitenden und leicht zu handhabenden Flüssig keiten von der Art wäßriger Seifenlösungen durchgeführt wurden. Zu nächst erschiene es nicht abwegig, die hier zur Erörterung stehenden Körper als .doppelwandige oder konvex-konkave Blasen zu bezeichnen; doch sind diese Ausdrücke, wenn auch vielleicht terminologisch ge schickt, so doch sachlich nicht hinreichend zutreffend. Dagegen bestehen sachliche Klarheit und, bei gleichzeitiger Möglichkeit der Spezifizie rung, terminologische Eindeutigkeit, wenn man, nachdem der Aus druck Gasblasen für Blasen vom Typus der Abb. 1,70, die, wie z. B. Luft- oder Stickstoffblasen in Wasser, allseitig von praktisch unend lich ausgedehnter Flüssigkeit umgeben sind, schon festliegt, die seifen blasenartigen Körper in ihrer Gesamtheit durch den Ausdruck Flüssig keitsblase, also etwa Seifen- (Lösungs-) Blase oder Quecksilberblase, be zeichnet. Da solche Flüssigkeitsblasen notwendig immer von Gasen oder anderen Flüssigkeiten erfüllt sind, muß dann allerdings, will man spezi fizieren, jeweils noch die innere und äußere Atmosphäre mitangegeben werden, also etwa von stickstoffgefüllten Glasblasen in Luft oder von wassergefüllten Petroleumblasen in Wasser gesprochen werden. Doch kann, wenn äußere und innere Atmosphäre, wie meist, von permanenten und indifferenten Gasen gebildet werden, in ähnlicher Vereinfachung, wie sie früher (I, S. 155) bei der Überlagerung der Ausdrücke Grenz fläche und Oberfläche geübt wurde, einfach Flüssigkeitsblase, also etwa Seifen- (Lösungs-) Blase gesagt werden. In diesem Sinne werden im folgenden, wenn nicht besondere Gründe zu genauerer Spezifizierung vorliegen, die seifenblasenähnlichen Körper kurz als Flüssigkeitsblasen bezeichnet werden. Wie Seifenblasen so unterliegen Flüssigkeitsblasen ganz allgemein der Bedingung der GI. (I, 33), nach welcher der in ihrem Inneren herr schende Druck den Druck p der umgebenden Atmosphäre stets um den durch den Krümmungsdruck gegebenen Betrag Jp überschreiten muß, wobei diese Bedingung in Anbetracht der Doppelseitigkeit der die Blase umhüllenden Lamelle, wie schon I, S.71, die Form Jp=4a/r (1) bzw. für Flüssigkeitsblasen in Flüssigkeiten Jp = 4 Y12/r (2) annimmt. Durch diesen Überdruck ist zugleich, bei gegebener Ober flächenspannung a, der Blasenradius festgelegt. Da nun eine Flüssig keit bei jeder Temperatur ihres Existenzbereiches einen ganz bestimmten § 1. Seifenblasenartige 3 Dampfdruck 7fT hat, könnte man, Bedingungen vorausgesetzt, unter denen dieser sich etwa infolge stetiger Abführung des Dampfes in der äußeren Atmosphäre nicht entwickeln kann, an die - durch die Verluste infolge äußeren Abdampfens freilich zeitlich beschränkte - Existenz auch solcher Flüssigkeitsblasen denken, deren innere Atmosphäre nur durch den eigenen Dampf gebildet werde. Das erschiene nach GI. (1) zu nächst möglich, sofern nur der Dampfdruck 7f der Lamellenflüssigkeit größer wäre als der äußere Druck p. Eine genauere Überlegung zeigt indes, daß, selbst wenn von der infolge Siedens in diesem Falle erhöhten Schwierigkeit des äußeren Abdampfens abgesehen werden könnte, solche Blasen nicht bestehen. Wir exemplifizieren das für den Fall verschwin denden äußeren Druckes p, d. h. am Beispiel der mit Eigendampf ge füllten Flüssigkeitsblase im stoffarmen Raum. Für diese bestände nach GI. (1) bei gegebener Temperatur T zwischen Blasenradius fT und Dampfdruck 7fT die Beziehung fT = 4a/7fT. (3) Bei Erhöhung der Temperatur müßte also, da 7fT mit T steigt!, die Blase unter gleichzeitiger Abgabe von Flüssigkeit aus der Lamelle kleiner werden; ein Gleichgewicht kann sich also, da der jeweils zu erwartende sich von dem durch GI. (3) geforderten Zustand immer weiter entfernen würde, nicht einstellen. Im übrigen kann das Nicht bestehen solcher Flüssigkeitseigendampfblasen auch unter dem Ge sichtspunkt verstanden werden, daß die Lamelle für ihren Eigendampf wie eine durchlässige Membran wirkt. Von den beiden Gruppen, den mit Gas und den mit Flüssigkeit ge füllten Flüssigkeitsblasen, betrachten wir zunächst und zuvörderst die gasgefüllten Flüssigkeitsblasen in einer G~satmosphäre. Der Vorgang der Bildung einer solchen Blase, etwa durch Aufblasen mit einem Glas rohr, ist ganz analog der Bildung eines Flüssigkeitstropfens am Ausfluß rohr. Da er sich am äußersten Ende des Blasrohres vollzieht, können wir uns dieses auf einen Ring, etwa einen dünnen Drahtring, reduziert denken. Dieser sei mit einer (ebenen) Lamelle der Flüssigkeit über zogen. Wird auf diese, sei es durch Blasen, sei es durch schnelle Be wegung senkrecht zur Lamellenfläche durch die umgebende Luft, ein Druck ausgeübt, so beult sie sich nach Art eines Sackes aus, dessen Meridianschnitte mit zunehmendem Druck eine Reihe von Formen durchlaufen, welche den in den Abb. I, 5 und I, 7 skizzierten entsprechen. 1 Von der, den Effekt im übrigen noch verstärkenden, etwa linearen Ände rung der Oberflächenspannung mit der Temperatur kann dabei, da diese neben der stärkeren .Änderung des Dampfdrucks nicht ins Gewicht fällt, abgesehen werden. . 1* 4 A. Gestalt und überformung Wie das Rohr, von dem ein Flüssigkeitstropfen sich löst, sich wieder mit einer neuen (halbkugelförmigen) Oberfläche abschließt, so über zieht sich auch beim Ablösen der Blase vom Ring (bzw. Blasrohr) dieser wieder mit einer gegenüber der ursprünglichen an Flüssigkeits menge verarmten, also dünneren ebenen Lamelle. Dabei entstehen, analog der Bildung eines oder mehrerer Nebentröpfchen beim Abreißen eines Flüssigkeitstropfens (Abb. I, 7 rechts und 1,44), zwischen der ab gehenden Blase und der sich neu bildenden Lamelle ein oder mehrere kleine, dem flüchtigen Beobachter aber nur schwer wahrnehmbare kleine Tröpfchen. Das Innere der so gebildeten und, da dem Einfluß der Schwerkraft weitgehend 1 entzogen, kugelförmigen Blase vom Radius r steht dann unter dem durch GI. (1) bestimmten Überdruck. Läßt man beim Auf blasen, ohne die Blase abzulösen, das Blasrohr und damit die Blase selbst mit der Außenatmosphäre kommunizieren, so bläst diese unter stetiger Verkleinerung ihres Volumens den Überdruck wieder ab2, bis sie schließlich auf die ursprüngliche Lamelle reduziert ist. Dieses Ab blasen erfolgt, da der Überdruck mit abnehmendem Blasenradius zu nimmt, beschleunigt3 und kann bis zum hörbaren Pfeifton gesteigert werden. Der Überdruck kann jeweils durch Verbindung mit einem Mano meter oder mit einem mit der gleichen Flüssigkeit gefüllten Steigrohr capillarer Weite gemessen werden. Flüssigkeitsblasen können, wie seit langem bekannt ist4, aus allen Flüssigkeiten erzeugt werden. Bereitung, erreichbare Größe und Be ständigkeit hängen indes in hohem Maße von der Art der Flüssigkeit 1 Die Blase kann durch kurzes Rucken zur Loslösung gebracht werden. Stetiger vollzieht sich dieser Vorgang, wenn die Blase mit einem leichten Gase, etwa mit Wasserstoff, aufgeblasen wird, so daß sie sich unter dem Einfluß des Auftriebes löst. Exakte Kugelform besteht dann, wenn die Dichte des Füllgases so gewählt wird, daß die Blase weder der Schwerkraft noch dem Auftrieb unterliegt. 2 Daß das Abblasen von Luft nicht deshalb geschieht, weil die eingeblasene Luft wärmer sei als die umgebende Luft, sondern weil die Blase unter einem über druck steht, haben zuerst LEIDENFROST (De aquae communis nonnullis qualitatibus, Duisburg 1756) und HENRY [Philos. Mag. 28, 541 (1845)] gezeigt. Manometrisch gemessen hat den überdruck ,zuerst HENRY. Durch Vergleich mit der Steighöhe in einem Glasrohr gleichen Durchmessers hat ihn, unter der Voraussetzung eines halbkugeligen Meniscus im Steigrohr, DE TESSAN [Co R. 48, 1045 (1859)] berechnet, dabei aber die Zweiseitigkeit der Lamelle außer acht gelassen. 3 DUPRE (Sur la theorie mechanique de la chaleur, 1865-1868) stellte die Unabhängigkeit des Blasendrucks von der Dicke der Lamelle fest. Er untersuchte auch die progressive Verkleinerung der mit der äußeren Atmosphäre kommunizie renden Blase und fand, daß die Quadrate der Entleerungszeiten zweier verschieden großen Blasen sich bei sonst gleichen Umständen wie die siebenten Potenzen der Durchmesser verhalten. 4 MENSBRlCGGHE: Ann. Chim. Phys. 1, 276 (1864); Bull. Acad. Belg. 18, 161 (1864); neuerdings H. J. RODEwALD: Kolloid-Z. 132, 100 (1953\. § 1. Seifenblasenartige 5 ab. Auf chemisch einheitlichen Flüssigkeiten wie Wasser, Glycerin oder Quecksilber werden durch aufsteigende Gasblasen halbkugelige Lamellen erzeugt. Quecksilber bildet nach RODEWALD1 nur Lamellenkalotten bis zu 1,5 cm, Wasser dagegen solche von über 10 cm. Mit einer dick wandigen, am unteren Ende glattgeschliffenen Capillare von etwa 1 mm innerer Weite erreicht man bei Wasser und bei Glycerin Blasen mit Durchmessern bis zu fast 1 cm. Doch haben diese aus chemisch ein heitlichen Flüssigkeiten bereiteten Blasen meist nur eine kurze Lebens dauer2• Die größten und beständigsten Blasen bilden Lösungen, voran solche von fettsauren Salzen ("Seifen"), Saponin, Albumin und ähn lichen Stoffen in Wasser, ferner Mischungen von Stoffen wie Kolo phonium und Öl sowie schließlich Glasschmelzen. Im übrigen ist die Beständigkeit der Blasen unter sonst gleichen Bedingungen um so größer, je kleiner sie sind. Die mittlere Dicke der Blasenlamelle kann man zunächst dadurch bestimmen, daß man mit einem variablen Gemisch von Wasserstoff und Luft bzw. Stickstoff Blasen verschiedener Größe herstellt. Wenn nun eine solche Blase in der Luft weder fällt noch steigt, ihr mittleres spezifisches Gewicht also gleich demjenigen der umgebenden Atmosphäre ist, so kann man aus der Größe der Blase, dem spezifischen Gewicht der Flüssigkeit und demjenigen des Gasgemisches die Dicke der Lamelle berechnen 3. Bei Seifenlösungsblasen kommt man auf diese Weise zu einer Größenordnung von 10-4 bis 10-6 cm. Zu genaurer Messung finden auf der Auswertung der Interferenzfarben beruhende Methoden, etwa im Anschluß an Verfahren von DRUDE, Verwendung. Die Dicke einer Flüssigkeitsblase wird zunächst durch die verwandte Flüssigkeitsmenge und die damit erzielte Blasengröße bestimmt. Sie ist, wie die Möglichkeit stetiger Verkleinerung und Vergrößerung der Blasen durch Änderung des inneren Gasdruckes zeigt, oft in weiten Grenzen variabel. Eine frisch bereitete, sich selbst überlassene Flüssigkeitsblase ist meist so dick, daß Interferenzfarben nicht auftreten. Sie strebt dann jedoch i. allg. durch Abgabe von Flüssigkeit, die sich in Form eines Tropfens der Blase anhängt (und, wenn sie nicht - etwa mit einem Stückehen Filtrierpapier - weggenommen wird, die Stabilität der Blase beeinträchtigt), einer Gleichgewichtsdicke zu, die ihrerseits wieder von 1 Siehe Note 4 auf S. 4. 2 Wenn bei der folgenden Betrachtung öfter Seifenwasserblasen stärker in den Vordergrund treten, so geschieht das deshalb, weil diese infolge ihrer großen Be ständigkeit und auf Grund ihrer Größe vorzüglich zu Beobachtungen geeignet sind. Dabei können solche Seifenwasserlösungen je nach Bedarf oft noch mit stabilisierenden Zusatzstoffen versehen sein (siehe weiter unten). Alle Blasen dieser Art werden im folgenden, wenn Einzelangaben über ihre Zusammensetzung ohne Belang sind, kurzweg Seifenblasen genannt. 3 BROUGHToN: Philos. Mag. 31, 228 (1866). 6 A. Gestalt und Oberformung Flüssigkeit zu Flüssigkeit variiert!. Im einzelnen kann dieser Vorgang an der sich auf der Seifenblase alsbald nach ihrer Entstehung voll ziehenden Entwicklung wechselnder Interferenzfarben verfolgt werden. die bei glycerinhaltigen Seifenwasserblasen nach Durchlaufen höherer Ordnungen mit den einer Lamellendicke von der Größenordnung von 10-5 cm zugeordneten Interferenzfarben erster Ordnung dem End zustand nahekommen. Bei Fehlen des Glycerins wird die Blase schlieB lich mit einer Lamellendicke von 10-6 cm so dünn, daß Interferenz farben nicht mehr wahrzunehmen sind und die Blase farblos-schwarz erscheint. Die Geschwindigkeit dieses Abfließens aus der Lamelle ist i. allg. recht gering. Sie hängt u. a. außer von der - bei dünnen Lamellen ihrerseits u. U. noch besonders zu definierenden - Viscosität (s. w. u.) vor allem von der jeweiligen Lamellendicke ab. Für eine einfache wäßrige Seifenlösung beträgt die in einer senkrecht gelagerten ebenen Lamelle zurückgelegte Strecke der innerhalb der Lamelle absinkenden Flüssig keit nach W. GIBBS bei einer Lamellendicke von 0,01 mm etwa 0,01 cm in der Sekunde, bei einer Dicke von 0,0002 mm aber nur noch etwa ebensoviel in der Stunde. Daraus ist es zu verstehen, daß die natür liche Alterung einer Flüssigkeitsblase sich vorzüglich jeweils zu Beginn ihrer Existenz vollzieht, während schwarze Blasen, sofern nicht Ver dampfung ins Spiel kommt, ihre Dicke, soweit überhaupt noch, so doch nur außerordentlich langsam ändern, und das um so mehr, als Lamellen dieser Feinheit nur noch aus wenigen Moleküllagen bestehen. Stabilisie rende Zusätze, wie z. B. Glycerin in Seifenwasserlösungen, haben u. a. die Funktion, durch Herabsetzen dieser natürlichen Alterung die Lebens dauer der Blasen zu erhöhen. Speziell bei Lösungen von der Art der Seifenlösungen läßt das mit dem Abnehmen der Lamellendicke ver bundene Spiel der Interferenzfarben oft eine große örtliche und zeitliche Unregelmäßigkeit erkennen; vor allem zeichnen sich oft, in unregel mäßiger Folge und Verteilung, schon frühzeitig einzelne dunkle Inseln ab. Die Lamelle ändert dann, auch im Endzustand, ihre Dicke meist sprunghaft an einzelnen Stellen um Beträge von der Größe von etwa? 50 AE. Dieses Verhalten ist darauf zurückzuführen, daß sich in dem im ganzen gasanalogen Oberflächenfilm (siehe § 6) kleine Pakete der gelösten Moleküle bzw. Ionen, sogenannte Micellen, bilden oder ver lagern. Bei Blasen aus chemisch einheitlichen Flüssigkeiten fehlt dieses Phänomen. 1 Siehe hierzu J. PLATEAU: Statique experimentale des liquides, 1873, Teil II; C. V. Boys: Seifenblasen, 2. Auf!., Leipzig 1913; REINOLD u. RZCKER: Philos. Trans. 172, 447 (1881) bis 184, 505 (1893); }OHONNOT: Philos. Mag. 10,746 (1906); LAWRENCE: Soap Films 1929. Ferner TALMUD u. SOCHUWOLSKAJA: Z. physik. ehern. Abt. A 1114, 277 (1931). 2 MARCELLIN: Oberflächenlösungen, Berlin 1933 (Kolloid-Beih. 38); PERRIN: Ann. Physique 10, 160 (1918); P. V. WELLS: ebenda 16, 69 (1921).
Description: