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PARKER und der Eismann von Amsterdam PDF

93 Pages·2010·0.74 MB·German
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Preview PARKER und der Eismann von Amsterdam

PARKER und der „Eismann“ von Amsterdam Günter Dönges »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit zutiefst bestürzt«, versicherte Josuah Parker. »Mir fehlen, wenn auch nur andeu­ tungsweise, die Worte, um an das ausdrucken, was meine Person bewegt.« »Man hört es«, antwortete Chief-Superintendent McWarden grimmig und holte tief Luft. Er lag im Bett eines Einzelzimmers und bot einen bedauernswerten Anblick. Die rechte Schulter war dick verbunden, auf der Stirn befanden sich einige Pflaster. »Ich darf Sie meines Mitgefühls versichern, Sir«, redete Josuah Parker in seiner typischen Art weiter, »darüber hinaus war ich so frei, Ihnen ein kleines Geschenk mitzubringen.« »Ich werde hier bestens versorgt«, meinte der Yard-Beamte. »Hoffentlich haben die sich nicht in Unkosten gestürzt, Mister Parker.« »Selbst Unkosten hätten mich nicht abschrecken können, Sir.« Der Butler deportierte auf dem Nachttisch eine flache Kiste mit Zigarren, eine Flasche Whisky und einige Taschenbuch-Krimis. McWarden, ein bullig aussehender, untersetzter Fünfziger, mus­ terte die Geschenke und sah seinen Besucher überrascht an. Die Hauptpersonen: Chief-Superintendent McWarden wird das Opfer eines Mordanschlags. Benny Waiden betreibt einen dubiosen Nachtclub. Mike Rickman löst für die Unterwelt spezielle Aufgaben oder auch nicht. Paul Radnor verdient sein Geld mit dem Filmclub. Pieter Noorden entdeckt ein Modellboot plus Handgranate. Clint Lollard läßt einen Truck in die Luft fliegen. Lady Agatha Simpson fährt in Holland Fahrrad und sorgt für Panik. Butler Parker überlebt in einem Abfall-Bunker. »Ich habe ja fast das Gefühl, Mister Parker, daß Sie mich ir­ 2 gendwie schätzen«, sagte er dann, griff nach den Taschen-Krimis und verzog das Gesicht. »Genau die richtige Lektüre für mich. In diesen Krimis löst sich jeder Fall elegant und konsequent. Leider sieht die Realität anders aus.« »Sie wissen nach wie vor nicht, Sir, wer Sie angeschossen ha­ ben könnte?« erkundigte sich der Butler. »Keinen blassen Schimmer, Mister Parker.« McWarden schüttel­ te den Kopf. »Ich wurde aus der Dunkelheit heraus unter Feuer genommen. Und nicht nur ich, wie Sie ja inzwischen wissen.« »In der Tat, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »auch andere hohe Polizeiangehörige wurden teils an- teils niedergeschossen. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang versichern, daß das Glück auf Ihrer Seite stand, als der eben erwähnte Schuß fiel.« »Zwei Superintendenten tot, zwei schwer verletzt.« McWarden nickte. »Und mit weiteren Anschlägen ist wohl fest zu rechnen.« »Eine Serie, Sir, die man unbedingt und äußerst schnell been­ den, muß.« »Eine Serie, die vielleicht gerade erst begonnen hat, Mister Par­ ker«, antwortete der Chief-Superintendent, »Weiß der Himmel, was dahintersteckt. Das alles scheint eine Treibjagd auf uns zu sein.« »Darf man davon ausgehen, Sir, daß die Polizeibehörden bereits massiv ermitteln?« »Worauf Sie sich verlassen können, Mister Parker. Bei uns läuft alles auf Hochtouren. Stellen Sie sich doch mal vor, was passieren wird, wenn man einen Polizeioffizier nach dem anderen aus dem Weg räumt? Nicht auszudenken. Wie denkt denn Lady Simpson über die Geschichte?« »Mylady fühlte sich veranlaßt, helfend einzugreifen«, verkünde­ te Josuah Parker, ein Mann, der das fünfzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und sah rein äußerlich aus wie das Urbild eines hoch­ herrschaftlichen englischen Butlers. Parker trug einen schwarzen Zweireiher, ein weißes Hemd und einen schwarzen Binder. Den Bowler, ebenfalls natürlich in schwarzer Farbe, hatte er im Kran­ kenzimmer abgenommen. In der schwarz behandschuhten Hand hielt der Butler seinen altväterlich gebundenen Regenschirm. »Im Klartext heißt das also, daß Sie sich bereits eingeschaltet haben, Mister Parker, wie?« fragte McWarden, der an eine stets leicht gereizte Bulldogge erinnerte. 3 »Ich war so frei, Sir, meine privaten Ermittlungen in die Wege zu leiten«, versicherte Parker dem Chief-Superintendenten, »in diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß in Kreisen der Unterwelt eine deutlich spürbare Nervosität um sich gegriffen hat.« »Das kann ich mir vorstellen.« McWarden nickte. »Diese Herr­ schaften fürchten um ihre Ruhe, wie?« »So könnte man es in der Tat ausdrücken, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »es gehört nicht gerade zu den Gepflogenheiten der Unterwelt, auf Polizeioffiziere schießen zu lassen. Man weiß nur zu gut, was man damit an Razzien auslöst, die das sogenann­ te normale Arbeiten erschweren.« »Man hat mich zwar erwischt, aber nicht ausgeschaltet«, erklär­ te McWarden, »hier vom Bett aus werde ich ermitteln. Und ich werde diese Mörder finden!« »Meiner Wenigkeit fiel auf, Sir, daß Ihr Krankenzimmer nicht bewacht wird.« »Das fehlte noch, Mister Parker. Ich habe selbstverständlich ei­ ne Waffe bei mir. Hoffentlich versucht der Mörder, sich noch mal mit mir zu befassen. Er wird dann was erleben!« »Dürfte ich mir dennoch eine Anregung erlauben, Sir?« »Natürlich, Mister Parker, Sie wissen doch, wie sehr ich Sie und Ihr Urteilsvermögen schätze.« »Vom Dach der gegenüberliegenden Häuser aus könnte man mittels eines Spezialgewehres durchaus Ihr Zimmer und damit auch Sie erreichen.« »Das klingt aber ziemlich weit hergeholt«, meinte McWarden der sich nun allerdings leicht aufrichtete und durch das Fenster auf die Rückfront jener Häuser blickte, die Parker gerade erwähn­ te. »Es wäre zu empfehlen, Sir, das Bett dort an die gegenüberlie­ gende Wand zu rücken«, schlug der Butler vor. »Wenn Sie erlauben, werde ich dies sofort in die Tat umset­ zen.« »Unsinn, Mister Parker«, sträubte sich McWarden und… zuckte verständlicherweise zusammen, als genau in diesem Augenblick die Fensterscheibe splitterte. * 4 »Sehr schön, Mister Parker«, fand Agatha Simpson und nickte erfreut. »Und was geschah?« Josuah Parker war nach Shepherd’s Market in das altehrwürdige Fachwerkhaus seiner Herrin zurückgekehrt und hatte bis zu die­ sem Punkt Bericht erstattet. Er stand einer großen, fülligen und majestätisch aussehenden Frau gegenüber, die wenigstens sech­ zig Jahre zählte. Sie verfügte dennoch über die Robustheit und Energie eines Bulldozers, dessen Motor auf Höchsttouren arbeitet. Lady Agatha, immens vermögend, hielt sich für eine gottbegna­ dete Kriminalistin und eine Bestseller-Autorin der nahen Zukunft. Sie war eine Frau voller Widersprüche, konnte grob sein wie der sprichwörtliche Fuhrknecht, konnte aber auch einen bestricken­ den Charme entfalten. Sie nannte die Dinge stets beim Namen und entzog sich jeder Konvention. »Chief-Superintendent McWarden, Mylady, kam mit einem leichten Schrecken davon«, erzählte ihr Butler weiter. »McWarden hatte nach diesem Schuß, der offensichtlich aus einem Gewehr abgefeuert wurde, nichts mehr dagegen, daß meine Wenigkeit das Bett in eine andere und damit sichere Position schob.« »Wie lange wird man ihn im Hospital festhalten, Mister Parker?« wollte Agatha Simpson wissen. »Vor zwei Wochen ist mit Mister McWardens’ Entlassung nicht zu rechnen, Mylady«, erwiderte der Butler. »Danach wird der Chief-Superintendent sich noch für weitere Wochen zu Hause pflegen müssen.« »Ausgezeichnet, das wird reichen, Mister Parker. Bis dahin habe ich diese Serie längst gestoppt und den Täter gefaßt.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.« Das glatte Pokergesicht des Butlers zeigte keine Reaktion. »Ich habe es selbstverständlich mit einem Psychopathen zu tun, Mister Parker«, redete sie animiert weiter. »Der Täter ist eine Person, die sich von der Polizei ungerecht behandelt fühlt und jetzt Rache nimmt. Sie sind hoffentlich nicht anderer Meinung!« »Dies, Mylady, käme meiner bescheidenen Wenigkeit nicht zu«, erklärte Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Ich werde mir überlegen, wo ich den Hebel ansetze«, sagte die passionierte Detektivin, »lassen Sie sich dazu etwas einfallen, Mister Parker.« »Mylady können sich auf meine Wenigkeit verlassen.« 5 »Ich werde noch in der kommenden Nacht einen Streifzug durch die Unterwelt unternehmen«, verkündete die ältere Dame, »dort wird es inzwischen schon die ersten Spuren und Hinweise geben, oder?« »Gerüchte könnten sich bereits andeutungsweise verdichtet ha­ ben, Mylady.« »Lassen Sie doch mal feststellen, ob man in Kreisen der Unter­ welt nicht schon von einem Geisteskranken spricht«, schlug sie weiter vor, »vielleicht ist dieser Mann von einer geschlossenen Anstalt entwichen, Mister Parker. Ja, das erscheint mir möglich.« »Entsprechende An- und Nachfragen werden ergehen, Mylady.« »Ich könnte es natürlich auch mit der Mafia zu tun haben«, gab sie plötzlich zu bedenken, »was meinen Sie dazu?« »Es gibt der Möglichkeiten mehrere, Mylady«, lautete Parkers Antwort. Auch jetzt blieb sein Gesicht ausdruckslos. Er kannte die Sprunghaftigkeit seiner Herrin und war nicht mehr zu erschüttern. »Ich denke aber natürlich auch an einen Mann, der von dem gu­ ten McWarden mal zufällig gefaßt und ins Gefängnis gebracht wurde«, weitete die ältere Dame ihre Theorien aus, »und dieser Entlassene will sich nur rächen.« »Ein Tatmotiv, das immer wieder in Erscheinung tritt, Mylady.« »Wie auch immer.« Agatha Simpson schaute auf die Standuhr in ihrem Salon. »Sobald es dunkel geworden ist, Mister Parker, werde ich in der Unterwelt für einige Unruhe sorgen.« »Dessen darf man sicher sein, Mylady«, wußte Parker im vor­ hinein, »Mylady werden Spuren hinterlassen, wenn man so sagen darf.« »Sie haben meine Grüße an McWarden überbracht, Mister Par­ ker?« »In der Tat, Mylady. Mister McWarden zeigte sich gerührt.« »Ich werde ihn vielleicht morgen besuchen«, redete die Detek­ tivin weiter, »sorgen Sie dann für ein hübsches Geschenk, Mister Parker. Es muß ja nicht gerade ein Vermögen kosten.« »Mylady hegen bestimmte Vorstellungen?« erkundigte sich Jo­ suah Parker. Er wußte aus Erfahrung, wie ungemein sparsam sei­ ne Herrin sein konnte. »Ich habe oben in meinem Studio noch ein Packung mit Likör­ pralinen«, gab sie zurück. »Sie wissen, ich bekam sie von einer dankbaren Klientin.« »Gewiß, Mylady.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. 6 »Mylady erhielt diese Aufmerksamkeit vor etwa sechs Wochen von Lady Chanters.« »Das macht ja nichts«, sagte sie, »McWarden wird sich freuen, nicht wahr?« »Mister McWarden wird zu Tränen gerührt sein«, vermutete der Butler optimistisch. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. * »Du liebe Zeit, was ist denn das für ein Schlachtroß?« fragte Mike Rickman verblüfft und sah seinen Gastgeber an. »Lady Agatha Simpson«, erwiderte Benny Waiden und schluck­ te, »die hat mir hier gerade noch gefehlt.« »Ein echte Lady?« Mike Rickman lächelte spöttisch. »Das ist ein Spitzname, nicht wahr?« »Eine waschechte Lady«, sagte Benny Waiden, »typischer kann keine Lady sein.« »Und so was besucht deinen Nachtclub?« wunderte sich Mike Rickman. »Sie war schon seit ein paar Monaten nicht mehr hier«, meinte Benny Waiden, ein kleiner, rundlicher Mann von etwa fünfzig Jah­ ren, der in einem Smoking steckte, »und diese Monate habe ich genossen, Rickman, das können Sir mir glauben.« »Und wer ist der Butler neben ihr? Der muß doch von irgendei­ ner Leinwand gesprungen sein.« »Das ist ebenfalls ein echter Butler«, erklärte Benny Waiden, der Besitzer des Nachtclubs, in dem auch gespielt werden konnte, »der Bursche heißt Parker, Josuah Parker.« »Wieso sind Sie nervös?« wollte Mike Rickman wissen. Er war gut zehn Jahre jünger als sein Gastgeber, mittelgroß, schlank und machte einen dynamischen Eindruck. Auch er trug einen Smo­ king. »Warum ich nervös bin?« Benny Waiden beugte sich vor, um besser sehen zu können. »Ich kenne diese Duo. Es sind Amateur- Kriminalisten, Rickman. Wo Lady Simpson und Butler Parker auf­ tauchen, gibt es früher oder später immer Ärger.« »Sie wollen mich auf den Arm nehmen, wie?« Rickman schmun­ zelte. »So etwas erledigt man doch mit der linken Hand, wenigs­ tens bei uns in New York. Haben Sie denn keine Angestellten, die 7 das kleine Problem lösen können? Falls nicht, werde ich meinen Leuten Bescheid sagen.« »Kleines Problem?« Benny Waiden war da erheblich anderer Meinung und ließ es auch am Klang seiner Stimme erkennen. »Haben Sie schon mal mit einem Liter Nitroglyzerin gespielt?« »Kommen Sie, Waiden«, schickte Mike Rickman voraus, »Sie wollen mich wohl verschaukeln, wie?« »Ich werde mich hüten.« Waiden zündete sich ein Zigarette an, wobei seine Hände leicht vibrierten. Mike Rickman, gerade aus New York gekommen, beobachtete es erstaunt. Er kannte seinen Gastgeber seit einigen Jahren und wußte, daß Waiden ein harter, rücksichtsloser und erfolgreicher Unternehmer in der Unterwelt war. »Was dagegen, wenn ich mich mal an diese Duo ranpirsche?« erkundigte sich Mike Rickman. Er war New Yorker und vermietete sich und seine beiden Mitarbeiter gegen horrende Honorare an gut zahlende Kunden. Rickman bezeichnete sich als Privatdetek­ tiv, obwohl er keine Lizenz besaß. Er loste verzwickte Fälle für die Unterwelt und pflegte dabei lautlos zu arbeiten. Am Nachmittag war er in London angekommen, engagiert von Benny Waiden, der eine Interessengruppe vertrat. Worum es ge­ nau ging, sollte er jetzt und hier in diesem Nachtclub erfahren. Doch im Moment dachte Mike Rickman nicht an seinen Auftrag. Er fühlte sich irgendwie herausgefordert von dieser mehr als stattli­ chen Frau, die sich ungeniert bewegte und auf die Tür zusteuerte, hinter der sich der eigentliche Spielclub befand. Selbstverständ­ lich interessierte er sich für diesen Mann, der wie ein hochherr­ schaftlicher Butler aussah und es auch sein sollte. Benny Waiden wollte seinen Gast aus den Staaten zurückhalten, doch Mike Rickman. hatte bereits die Nische verlassen und ging auf das seltsame Duo zu. Er wußte natürlich bereits im vorhinein, wie man solch eine Affäre anzupacken hatte. Wie gesagt, er kam aus New York und verfügte über eine umfangreiche Praxis. Er nahm zur Kenntnis, daß seine Mitarbeiter auf ihn aufmerksam geworden waren und sich von ihrem Tisch erhoben. Er konnte sich fest auf sie verlassen, sie waren ein eingespieltes Team. »Geschlossene Gesellschaft«, sagte Mike Rickman deutlich he­ rablassend und musterte die ältere Dame, »ich schlage vor, Sie hauen umgehend wieder ab.« »Wer sind Sie, junger Mann?« erkundigte sich Agatha Simpson 8 mit baritonal gefärbter, bereits etwas grollender Stimme. »Der neue Manager, der den Laden hier steuert. Also, worauf warten Sie noch? Gehen Sie!« »Mr. Benny Waiden ist zufällig nicht anwesend?« schaltete sich Josuah Parker in seiner höflichen Art ein. »Keine Fragen, hauen Sie endlich ab, Sie stören hier«, meinte der Spezialist aus den Staaten ruppig. Er wollte das Duo um je- den Preis provozieren. »Mister Parker, finden Sie nicht auch, daß der Ton dieses Fle­ gels ungehörig ist?« fragte Lady Agatha ihren Butler. »Ich möchte und könnte kaum widersprechen, Mylady«, lautete Parkers Antwort. Der Butler hatte bereits die beiden Mitarbeiter des angeblich neuen Managers wahrgenommen. »Dann fühle ich mich beleidigt«, stellte Lady Simpson fest und… setzte ihren Pompadour ein. * Es handelte sich um einen Handbeutel, der mit Zierperlen be­ stickt war, die allerdings keine waren. Sie sahen zwar bunt und leichtgewichtig aus, bestanden jedoch aus kleinen Stahlkugeln. Im Pompadour selbst befand sich der sogenannte »Glücksbrin­ ger« der Dame, ein echtes Pferdehufeisen, das nur oberflächlich in Schaumstoff eingewickelt war. In Lady Agathas Händen war dieser Handbeutel eine Waffe, die an einen abgewandelten Mor­ genstern erinnerte. Agatha Simpson, die mit Begeisterung Golf spielte und dem sportlichen Bogenschießen huldigte, war eine trainierte Frau, die mit ihrem Pompadour hervorragend umzugehen verstand. Der Handbeutel hing an langen Lederschnüren, die für den notwendi­ gen Schwung sorgten, falls die ältere Dame die Absicht hatte, ihren Glücksbringer einzusetzen. Und sie hatte diese Absicht! Der Pompadour klatschte auf die linke Backenseite des US- Gangsters, der mit dieser Reaktion nicht rechnete. Mike Rickman verlor augenblicklich den Boden unter den Schuhsohlen, legte sich flach auf die Luft und war bereits benommen, als er an­ schließend zu Boden fiel. Als er sich instinktiv mit der linken Hand vom Boden abstemmen wollte, nutzte Agatha Simpson die Gele­ 9 genheit, ihren Schuh auf die Außenhand zu stellen. Mike Rickman hatte das Gefühl, eine Dampfwalze rolle über seine Hand, und stöhnte gequält. »Wie ungeschickt von Ihnen, junger Mann«, grollte die ältere Dame, »können Sie nicht aufpassen?« Mike Rickman wollte noch etwas sagen, doch ihm wurde schwarz vor Augen. Er fiel zurück und beschloß, erst mal ohn­ mächtig zu werden. Er bekam allerdings gerade noch mit, wie seine Mitarbeiter sich einschalteten. Sie standen schräg hinter dem Butler und beeilten sich, an ihren Schußwaffen zu kommen, die sie in eigens gefertigten Schulter­ halftern herumtrugen. Die beiden Männer, jeder etwa um die dreißig, hatten mit einigem Staunen zur Kenntnis genommen, daß ihr Boß von einer Frau zu Boden geschickt worden war. Da sie diese Tatsache erst mal seelisch verdauen mußten, griffen sie zu spät nach ihren Waffen, was sich als entscheidend herausstellte. Als sie zur Sache kommen zollten, lernten sie den Universal- Regenschirm des Butlers kennen. Josuah Parker hatte seinen Schirm hochgeworfen, ließ ihn in der Luft drehen und hielt dann das untere Ende des Regenschutzes in seiner rechten, schwarz behandschuhten Hand. Er hatte dies blitzschnell und mit der Ge­ schicklichkeit eines Jongleurs besorgt. Der Bambusgriff des Regenschirms war mit Blei ausgegossen, doch das wußten die beiden Leibwächter und Mitarbeiter von Mike Rickman natürlich nicht. Sie spürten es erst, nachdem sie getrof­ fen worden waren. Der erste Leibwächter schielte zur Decke des Clubs, als dieser Bambusgriff sich auf seine Stirn gelegt hatte. Der zweite Leibwächter erhielt einen fast leichten Schlag auf den Kopf und schielte hinunter zum Boden. Dann gingen beide Män­ ner fast synchron in die Knie, fielen gegeneinander und nahmen anschließend neben ihrem Boß Platz. »Unverschämtheit, eine hilflose Frau belästigen zu wollen«, stellte die ältere Dame fest, »was sagen Sie dazu, Mister Par­ ker?« »Eine allgemeine Verrohung der Sitten, Mylady«, kommentierte Josuah Parker, »man sollte vielleicht einen Leserbrief an die »Ti­ mes« schreiben.« »Erinnern Sie mich daran, Mister Parker«, verlangte die resolute Dame, »räumen Sie mir aber jetzt erst mal die beiden Subjekte aus dem Weg.« 10

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