Wolfgang Zeuge Nützliche und schöne Geometrie Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie Nützliche und schöne Geometrie Wolfgang Zeuge Nützliche und schöne Geometrie Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie WolfgangZeuge Hamburg,Deutschland ISBN978-3-658-22832-3 ISBN978-3-658-22833-0(eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-22833-0 DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografie;detaillier- tebibliografischeDatensindimInternetüberhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. ©SpringerFachmedienWiesbadenGmbH,einTeilvonSpringerNature2018 DasWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertung,dienichtausdrücklich vomUrheberrechtsgesetzzugelassenist,bedarfdervorherigenZustimmungdesVerlags.Dasgiltinsbesondere fürVervielfältigungen,Bearbeitungen,Übersetzungen,MikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerar- beitunginelektronischenSystemen. DieWiedergabevonGebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungenusw.indiesemWerkberechtigt auchohnebesondereKennzeichnungnichtzuderAnnahme,dasssolcheNamenimSinnederWarenzeichen- undMarkenschutz-Gesetzgebungalsfreizubetrachtenwärenunddahervonjedermannbenutztwerdendürften. DerVerlag,dieAutorenunddieHerausgebergehendavonaus,dassdieAngabenundInformationenindiesem WerkzumZeitpunktderVeröffentlichungvollständigundkorrektsind.WederderVerlagnochdieAutorenoder dieHerausgeberübernehmen,ausdrücklichoderimplizit,GewährfürdenInhaltdesWerkes,etwaigeFehler oderÄußerungen.DerVerlagbleibtimHinblickaufgeografischeZuordnungenundGebietsbezeichnungenin veröffentlichtenKartenundInstitutionsadressenneutral. VerantwortlichimVerlag:UlrikeSchmickler-Hirzebruch GedrucktaufsäurefreiemundchlorfreigebleichtemPapier SpringerSpektrumisteinImprintdereingetragenenGesellschaftSpringerFachmedienWiesbadenGmbHund isteinTeilvonSpringerNature. DieAnschriftderGesellschaftist:Abraham-Lincoln-Str.46,65189Wiesbaden,Germany Für Géraldine, Ileana, Frantzcesca, Charlotte und Leni Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser! Ursprünglich habe ich dieses Buch für an Mathematik interessierte Kinder von guten Freunden geschrieben. Es sollte die oft nur noch in geringem Umfang in der Mittelstufe gelehrte klassische Geometrie ergänzen und Freude am Umgang mit Geometrie wecken. AberselbstverständlichistdiesesBuchfürallegeeignet,diesichausInteressemitGeome- trie beschäftigen wollen oder als Lehrkraft neue, teilweise etwas unkonventionelle Ideen fürihrenUnterrichtoderihreSeminaresuchen.EskannsicherlichauchalsGrundlagefür Leistungskurse in Geometrie dienen, wobei man sich aber auf das in der zur Verfügung stehenden Zeit sinnvoll Machbare beschränkensollte. Beim SchreibendiesesBuchesbin ichdavonausgegangen, dassjederLeser schonelemen- tare Vorkenntnisse aus seiner Schulzeit hat und ein gewisses Vorverständnis dafür, was einPunkt,eineGerade,einDreieck,einWinkel,einKreisusw.ist.Vielesausdemersten Teil des Buches wird, je nach den Vorkenntnissen,den meisten schon bekanntsein. Aber WiederholungenundBekanntesausetwasandererSichtzubetrachten,istbestimmtnicht schädlichundLernenundBeherrscheneinesStoffeshatimmerauchetwasmitWiederho- lung undÜbungzu tun. UmeinenschnellenZugangzufinden,habeichdie„Eselsbrücke“ (denBasiswinkelsatzim gleichschenkligen Dreieck) und die Forderung, dass es Viereckemit vier rechten Winkeln gibt,andenAnfanggestellt.DerSatzistnichtnursehralt(erwarschonlangevorEuklid bekannt), sondern wegen der symmetrischen Figur auch sehr einsichtig. Die Forderung ist äquivalent zum Euklidischen Parallelenaxiom und zeichnet die klassische Geometrie gegenüberallenanderenGeometrienaus,hataberdenVorteilgegenüberdemEuklidischen Axiom,dassdieAussagelokalist.DamitkannmandieganzeProblematikeinerAxiomatik vermeidenundersteinmaldieklassischeGeometrieinallihrerSchönheitundVielfältigkeit kennenlernen. Kinder lernen ja das Sprechen auch ohne Kenntnis einer Grammatik und das Rechnenmit Zahlen ohnedie KenntnisderPeano-Axiome. Derhiergewählte ZugangzurGeometrie ist sehranschaulich.DieGültigkeit vielerSätze lässtsichoftleichtausdenAbbildungenersehen.DieAusnutzungvonSymmetrienerspart häufigvielArbeitundfördertdasVerständnis.AberesgehtindiesemBuchnichtnurum die für die Praxis wichtigen Sätze, sondern auch um viele überraschende Aussagen, die zwarfürdieAnwendungoftohneBelangsind,aberFreudebereiten,wennmansichdamit beschäftigt.Ichhoffesehr,dassderLeserauchetwasvondemReizundderSchönheitder Geometrie empfindet,dieauch heutenoch viele Menschen faszinieren. Den Abschluss dieses Buches bildet eine Verallgemeinerung von zwei Sätzen des Archi- medes,dieichinden1980erJahrenentdeckte.BisherkonntenwedermeineFreundenoch ich diesen SatzinderLiteraturoderdemInternetfinden.Erist also entwedersehrunbe- kannt oder wirklich neu. Der Beweis ist mit den elementaren Mitteln dieses Buches gut zu führen. Danken möchte ich zuerst meiner Klassenlehrerin in der Mittelschule, Frau Inge Bieder- mann, die uns Kindern viel mehr klassische Geometrie lehrte und mit uns einübte, als esheuteselbst an Gymnasien üblichist.Weitermöchteich meinenFreundenProf. Hans- JürgenSeifertundProf.ReinhartLunderstädtvonderHelmut-Schmidt-UniversitätHam- VIII Vorwort burg, Prof. Jürg Schmid von der Universität Bern, Frau Prof. Susanne Koch von der Frankfurt University of Applied Sciences, dem Informatiker Dr. Johannes Bitterling und der Mathematikerin Dr. SvenjaTöter danken,die dieses Buch vorab lasen und mich auf- forderten, es zu veröffentlichen. Ganz besonders gilt mein Dank Prof. Jörg Jahnel von derUniversitätSiegenfürdasunermüdlicheKorrekturlesenunddievielenVerbesserungs- vorschläge während der Entstehung des Buches. Frau Ulrike Schmickler-Hirzebruch vom VerlagSpringerSpektrumdankeichsehrfürdiekonstruktiveundfreundlicheBegleitung bei derDrucklegungdieses Buches. Auch dieses Buch unterliegt dem unveränderlichen Verdikt der menschlichen Unzuläng- lichkeit.DeshalbenthältestrotzallerBemühungensicherleiderFehlerundmissverständ- liche oder ungeschickte Formulierungen. Der Autor ist für jeden Hinweis auf Fehler und fürkonstruktiveVerbesserungsvorschlä[email protected] erreichbar. Wolfgang Zeuge Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................... VII Teil I: Grundlegendes ................................................... 1 Kapitel 1: Aller Anfang ist einfach .............................................. 5 1.1 Standardbezeichnungen imDreieck .............................................. 5 1.2 DerUmfangunddieFlächeeinesKreises ........................................ 6 1.3 DieEselsbrücke(Basiswinkelsatz) ............................................... 7 1.4 ExistenzvonRechtecken ....................................................... 10 1.5 Winkelsummeimrechtwinkligen Dreieck ....................................... 10 1.6 WinkelsummeimallgemeinenDreieckundViereck ............................. 11 1.7 DieMessungdesErdumfangsdurchEratosthenes ............................ 11 1.8 Scheitel-,Stufen-undWechselwinkel anParallelen ............................. 12 1.9 WinkelimallgemeinenFünfstern ............................................... 13 1.10 SatzüberdieDiagonalenimRechteck ........................................ 14 1.11 DerThaleskreis ............................................................... 14 1.12 FlächevonRechteck undDreieck ............................................. 15 1.13 ÄhnlicheDreiecke ............................................................. 16 1.14 DieStrahlensätze ............................................................. 17 1.15 SatzüberdieWinkelhalbierende imDreieck ................................... 17 1.16 DerSatzvonMenelaos ........................................................ 18 1.17 DerSatzvonCeva ............................................................ 19 Kapitel 2: Rundum den Satz des Pythagoras .................................. 21 2.1 DerSatzdesPythagoras ....................................................... 21 2.2 DerKathetensatz desEuklid ................................................... 23 2.3 DerHöhensatzdesEuklid ...................................................... 24 2.4 DreiweitereBeweisefürdenSatzdesPythagoras .............................. 25 2.5 DieMöndchendesHippokrates ................................................ 27 2.6 DasumgeklappteHypotenusenquadrat ......................................... 29 2.7 DerSatzvonEddy ............................................................. 30 2.8 Mittelwerte .................................................................... 30 2.9 DieHeronscheFormel .......................................................... 31 Kapitel 3: Die trigonometrischen Funktionenundihre Anwendungen ........... 33 3.1 DieDefinitiondertrigonometrischen Funktionen ............................... 33 3.2 HistorischeAnmerkungzudentrigonometrischen Funktionen ................... 38 3.3 DieUmkehrfunktionen ......................................................... 39 3.4 KreisedurchzweiPunkteundderMittelpunktdesUmkreises .................. 41 3.5 DerPeripherie-undZentriwinkelsatz ........................................... 41 3.6 DerallgemeineZentriwinkelsatz ................................................ 44 3.7 DerSinussatz .................................................................. 45 3.8 UngleichungzwischendenWinkelnunddenSeiteneinesDreiecks .............. 45 3.9 AnwendungaufdieFlächeeinesDreiecks ....................................... 46 3.10 DerKosinussatz .............................................................. 46 3.11 EineNavigationsaufgabe mitüberraschender Lösung .......................... 47 3.12 DieGrundaufgaben derDreiecksberechnung ................................... 48 X Inhaltsverzeichnis Teil II: Schöne Dreieckssätze ........................................... 55 Kapitel 4: Ausgezeichnete Geraden undPunktebeim Dreieck ................... 57 4.1 KreiseandieSchenkel einesWinkelsundderInkreis ........................... 57 4.2 ErgänzungzumSatzüberdieWinkelhalbierenden .............................. 58 4.3 DieSeitenhalbierenden undderSchwerpunkt einesDreiecks .................... 59 4.4 DerSchnittpunkt derHöhen ................................................... 62 4.5 DieEuler-Gerade .............................................................. 63 4.6 DasMitten-Parallelogramm imViereck(Satz vonVarignon) .................... 65 4.7 DerAchtpunktekreis inViereckenmitsenkrechten Diagonalen .................. 66 4.8 DerNeunpunktekreis (Feuerbach-Kreis) ........................................ 67 4.9 DerSatzvonFeuerbach ........................................................ 70 Kapitel 5: Von Dreiecken und Quadraten ....................................... 73 5.1 Zweisichberührende Quadrate ................................................ 73 5.2 JenseitsvonPythagoras ........................................................ 78 5.3 DerSatzvonvanAubel ........................................................ 79 5.4 DerSatzvonVecten ........................................................... 81 Kapitel 6: Dreiecke überDreiecke .............................................. 85 6.1 Napoleon-Dreiecke ............................................................. 85 6.2 DerFermatsche PunktimDreieck .............................................. 88 6.3 DasgleichseitigeDreieckundderSatzvonViviani ............................. 92 6.4 DerSatzvonvanSchooten ..................................................... 94 6.5 DieUngleichungvonErdösundMordell ........................................ 95 Teil III: Von Vierecken und Kreisen .................................... 97 Kapitel 7: Vierecke ............................................................. 99 7.1 Sehnenvierecke ................................................................ 102 7.2 DieFormelvonBrahmagupta ................................................. 103 7.3 DerSatzvonBrahmagupta ................................................... 105 7.4 DerSatzvonPtolemäus ...................................................... 106 7.5 Rechtecke übereinemSehnenviereck .......................................... 107 7.6 Tangentenvierecke ............................................................ 110 7.7 Sehnentangentenvierecke ...................................................... 113 Kapitel 8: Kreissätze .......................................................... 115 8.1 DiePotenzeinesPunktes bezüglicheinesKreises .............................. 115 8.2 DerSchmetterlingssatz ........................................................ 118 8.3 DasMalfatti-Problem ......................................................... 119 8.4 Kurvenmitkonstanter Breite ................................................. 122 8.5 GotischesMaßwerk ........................................................... 124 Kapitel 9: Rundum Schustermesser und Salzfass des Archimedes.............. 133 9.1 DerArbelos(dasSchustermesser) ............................................. 133 9.2 DieZwillingskreisedesArchimedes ............................................ 135 9.3 DerSalinon(dasSalzfass) .................................................... 136 9.4 DieVerallgemeinerung desArbelosunddesSalinonsdesArchimedes .......... 137 Schlusswort ........................................................... 143 Literaturverzeichnis ................................................... 145 Index .................................................................. 147 TEIL I Grundlegendes KEIN DER GEOMETRIE UNKUNDIGER TRETE HIER EIN WahlspruchüberdemEingangvonPlatonsAkademie Die Ursprünge der Geometrie liegen in den alten Hochkulturen an Euphrat und Tigris (Mesopotamien)undamNil(Ägypten).DortbenötigtemangeometrischeKenntnisseum Häuser,Paläste undTempelzuerrichten,aberauchumKanäle,StraßenundBrückenzu bauen oder um Felder und Plätze zu vermessen. Aus diesen Anwendungen kommt auch dergriechische NameGeometrie, dersovielwieErdmessung oderLandmessung bedeutet. In Griechenland entwickelte sich dann die Geometrie zu einer Wissenschaft, die ihrer- seits Vorbild für viele weitere Wissenschaften wurde. Heute wird die Geometrie in allen Naturwissenschaften benötigt, aber auch überall, wo etwas gebaut oder konstruiert wird. Im Mittelalter gehörte die Geometrie als fünfte Wissenschaft zu dem aus der Antike übernommenenKanonder„SiebenFreien Künste“ (lat.Septemartesliberales): Dendrei sprachlichenGrammatik(LehrederlateinischenSprache),Rhetorik(StilkundefürReden und Schriften) und Dialektik oder Logik (Lehre von den Schüssen und Beweisen) und den vier mathematisch-naturwissenschaftlichen Arithmetik (Lehre von den Zahlen und Rechnen), Geometrie, Musik (Harmonielehre) und Astronomie (Lehre von den Sphären und derBewegung derHimmelskörper). Die klassische Geometrie geht auf die griechische Mathematik zurück, wie wir sie ins- besondere aus den „Elementen“ des Eukleides1 kennen. Sie wird hier aber nicht als Konstruktionsaufgabe mit Zirkel und Lineal behandelt, sondern die Größen werden oft auch rechnerisch bestimmt. InderklassischenGeometriegibteskeineKoordinaten.AlleStrecken,WinkelundFlächen sind stets positiv, also nicht gerichtet. Wir werden uns hier auf ebene Figuren beschränken, die durch Geraden und Kreise be- grenzt sind. Dabei werden sowohl die Sätze besprochen, die für die Anwendungder Geo- metrie in der Praxis besonders wichtig sind, als auch solche, die interessante, oft völlig überraschendeErgebnisse liefern. 1 SprichEu-kle-i-des.