Dipl.-Ing. Volker Vanek · Dr. med. Ute Rehwald · Dr. Matthias Nobbe Ein Praxis-Leitfaden M e d i z i n + P a t e n t e Patentieren von medizinisch-technischen Erfindungen Schutzrechte für medizinische pharmazeutische biotechnologische Erfindungen Medizin + Patente Schutzrechte für medizinische pharmazeutische biotechnologische Erfindungen Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch be- IMPRESSUM: gründeten Rechte, insbesondere der Veröffentlichung, der Herausgeber: Übersetzung, des Nachdrucks und des Vortrags bleiben vor- PROvendis GmbH behalten. Eine Verwertung des Werks bzw. von Teilen daraus, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch Eppinghofer Straße 50 in elektronischer Form, ohne vorherige Zustimmung ist un- 45468 Mülheim an der Ruhr, Germany zulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz Tel. +49 208 - 9 41 05 0 nichts anderes ergibt. Fax +49 208 - 9 41 05 50 E-Mail [email protected] Web www.provendis.info Die in diesem Buch enthaltenen Angaben wurden durch die Autoren: Autoren bzw. durch zuverlässige Dritte sorgfältig recher- Dipl.-Ing. Volker Vanek chiert und geprüft. Für Richtigkeit, Vollständigkeit und Dr. med. Ute Rehwald Aktualität kann jedoch keine Gewähr übernommen werden. Dr. Matthias Nobbe Grafik & Design: Grafik Design Studio Harald Kaffee, Essen Redaktion: Renate Gervink, Essen Druck: WAZ-Druck, Duisburg Alle Rechte vorbehalten © 2004 PROvendis GmbH, Mülheim an der Ruhr ISBN 3-00-013193-0 2 Inhaltsverzeichnis Grußwort Seite 4 Vorwort Seite 5 1.0 Was ist ein Patent? Seite 6 1.1 Die Patenterfordernisse Seite 9 1.2 Neuheit und Veröffentlichung Seite 14 1.3 Patentrecherche Seite 16 1.4 Aufbau einer Patentanmeldung Seite 18 2.0 Patentschutz für medizintechnische Produkte Seite 21 und medizinische Verfahren 2.1 Diagnostizierverfahren Seite 22 2.2 Chirurgische Verfahren Seite 24 2.3 Therapeutische Verfahren Seite 26 3.0 Patente auf Arzneimittel Seite 28 3.1 Patente auf medizinische Kits Seite 29 3.2 Patente auf Gene Seite 30 3.3 Patente auf Lebewesen Seite 31 3.4 Patente auf Stammzellen Seite 32 3.5 Patentierung von Software Seite 33 4.0 Arbeitnehmererfinderrecht Seite 34 4.1 Was tun, wenn man eine Erfindung gemacht hat? Seite 36 Legende Gesetzespassagen Seite 38 Unsere Autoren – kurz vorgestellt Seite 39 3 Grußwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, Allen Lebenswissenschaftlern ist jedoch gemeinsam: Ergibt sich aufgrund einer Erfindung, dass sie sich mit dem gewerb- Lebenswissenschaften und Medizin gehören zu den wichtig- lichen Rechtsschutz befassen müssen, so stoßen sie auf ein sten Innovationsmotoren der Zukunft. Nicht nur, dass in neues und sehr unübersichtliches Feld. Umso mehr freue diesen Bereichen noch viele offene Fragen zu erforschen ich mich über diesen Praxis-Leitfaden Medizin und Patente. sind - auch der Absatzmarkt für medizintechnische Produk- Er wird Ärzte, Biologen und Ingenieure der Medizintechnik te und Medikamente wird aufgrund der demographischen in lebenswissenschaftlichen Patentfragen unterstützen. Entwicklung weiter zunehmen. Die PROvendis GmbH betreut als zentrale Patentverwer- Sowohl für Unternehmen der Medizintechnik als auch für tungsgesellschaft des Landes NRW rund 25 lebenswissen- die Pharmabranche und Biotechnologie haben Patente eine schaftliche Fakultäten und Fachbereiche. Ihre Mitarbeiter große Bedeutung. Sie sind ein Wirtschaftsgut von strategi- geben Antworten auf häufig gestellte Fragen wie „Ist mein scher Bedeutung. In den USA stammen 70 Prozent der aus- diagnostisches Verfahren patentierbar?“, „Kann ich das ent- lizenzierten Hochschulerfindungen aus den Lebenswissen- deckte Gen schutzrechtlich sichern?“oder „Was muss ich schaften. beachten, wenn ich eine Erfindung gemacht habe?“ Damit sich jeder Wissenschaftler einen Überblick verschaffen In vielen ingenieurwissenschaftlichen Lehrstühlen streben kann, gibt die Patentverwertungsgesellschaft des Patent- die Hochschullehrer an, dass möglichst jeder Doktorand an verbundes der NRW-Hochschulen jetzt diesen Praxis- der Ausarbeitung einer Patentanmeldung beteiligt ist. Inge- Leitfaden für Lebenswissenschaftler heraus. nieure haben daher oftmals schon erste Erfahrungen mit Schutzrechten sammeln können. Lebenswissenschaftler ha- ben es ungleich schwieriger: Die patentrechtliche Situation Mit freundlichen Grüßen in ihrem Bereich ist sehr komplex. Ärzte haben zudem das Problem, dass viele ihrer Forschungsergebnisse nicht paten- Hannelore Kraft, tierbar sind. Hinzu kommt, dass ihnen neben der Patienten- versorgung und der Forschung wenig Raum bleibt, um sich Ministerin für Wissenschaft und Forschung mit Patentfragen zu befassen. des Landes Nordrhein-Westfalen 4 Vorwort Im Jahr 1881 stellte der Wiener Arzt Christian Bilroth erst- Denn medizinische Geräte, Operationsbestecke, Einwegarti- mals ein neues Verfahren zur Resektion des Magens bei kel, Arzneimittel und Arzneimittelzubereitungen, Gene, Magenkarzinom vor. Dadurch wurde ihm Ruhm und Ehre gentechnisch veränderte Organismen und viele andere Inno- zuteil, ein Patent erhielt er damals für seine innovative vationen aus dem Bereich der Lebenswissenschaften sind Idee jedoch nicht (und würde er auch heute nicht erhalten). unter Berücksichtigung besonderer Aspekte dem Patent- Wie Bilroth wären auch viele andere Ärzte mit ihren Erkennt- schutz sehr wohl zugänglich. nissen zu wegweisenden diagnostischen, therapeutischen Dieser Leitfaden soll Medizinern und Biowissenschaftlern oder chirurgischen Methoden den Weg zum Patentamt ver- helfen, Besonderheiten des Patentrechts in der Medizin und geblich angetreten: In Deutschland, wie auch in allen an- Biologie besser zu verstehen und in Patente umzusetzen, deren bedeutenden Industrienationen, sind medizinische damit sie im zukünftigen Wettbewerb um Zahl und Qualität Verfahren vom Patentschutz ausgeschlossen. Dies mag einer von Patenten an deutschen Hochschulen mit ihren seit der Gründe sein, warum viele Mediziner während ihres Jahrzehnten patenterfahrenen Kollegen aus den Ingenieurs- Studiums, ihrer Promotion, ihrer wissenschaftlichen oder wissenschaften mithalten können. praktischen Tätigkeit kaum mit dem Patentwesen in Be- rührung kommen. Dabei müssen sich Approbation und erfinderische Tätigkeit nicht zwangsläufig ausschließen, wie über 11.000 Ärzte be- weisen, die sich seit 1976 beim Deutschen Patentamt ihre medizinischen Doktortitel als Erfinder haben eintragen lassen. Dr. med. Ute Rehwald Dipl.-Ing. Volker Vanek PROvendis GmbH PROvendis GmbH 5 1.0 W a s i s t e i n P a t e n t ? Das wichtigste gewerbliche Schutzrecht ist das Patent. Mit (2) Schutzwirkung eines deutschen Patents Hilfe eines Patentes können Erfindungen auf einem techni- schen Gebiet vor unbefugter Benutzung durch Dritte ge- Effektiver Schutz nur innerhalb Deutschlands schützt werden. Das Patent muss deshalb objektiv nachvoll- • Produktionsverbot innerhalb Deutschlands ziehbare technische Merkmale der Erfindung beschreiben, welche letztlich den Schutzumfang des Patents festlegen. • Importverbot nach Deutschland Der wesentliche Gedanke bei der Gewährung von Patent- schutz liegt in der Absicht, den Anmeldern fortschrittlicher Technik einen Lohn für die von ihnen erbrachten Leistun- Kein Schutz außerhalb Deutschlands gen zu sichern. Dies wird dadurch erreicht, dass zunächst • Außerhalb Deutschlands darf produziert werden grundsätzlich dem Anmelder während einer Laufzeit von • Außerhalb Deutschlands darf Produkt vertrieben werden 20 Jahren ein Ausschließlichkeitsrecht gewährt wird: Der Anmelder kann somit allein bestimmen, was mit der ge- schützten Erfindung geschieht, ob, wie und von wem die Erfindung gewerblich angewendet und verwertet wird, ob er die Erfindung selbst benutzt oder die Verwertung einem oder mehreren Benutzern gegen Zahlung von Lizenzgebüh- ren gestattet (Abbildung 1). Der Patentinhaber kann jedem Eine Nutzung der Erfindung für Lehre und Forschung bzw. Dritten, der seine Erfindung unbefugt benutzt, die Nutzung zu nicht gewerblichen Zwecken ist dagegen in der Regel untersagen sowie gegebenenfalls Schadenersatz fordern. immer zulässig und kann vom Patentinhaber nicht ver- boten werden. (1) Schutzwirkung eines Patents Recht auf Verwertung = Bei Erzeugnissen Verbot von: Recht auf Nutzung? • Herstellen • Anbieten Der Patentinhaber hat zwar ein Recht auf die alleinige • In Verkehr bringen Verwertung seiner Erfindung, nicht jedoch automatisch • Gebrauchen auch ein positives Recht auf deren Benutzung. Manche • Besitzen unter Patentschutz gestellten Erfindungen können nur • Einführen unter Beachtung von weiteren gesetzlichen Auflagen, zum Beispiel Arzneimittelproduktegesetz, Embryonen- Bei Verfahren Verbot von: schutzgesetz usw., gewerblich verwertet werden. • Anwenden • Zur Anwendung anbieten Schutzrechte haben territorial begrenzte Wirkung. Tätigkeiten in der Forschung fallen nicht unter Patentschutz, wenn Ein deutsches Patent wirkt nur in Deutschland, ein diese auf die Gewinnung von Erkenntnissen gerichtet sind! US-Patent nur in den USA (Abbildung 2). 6 Patentschutz: Das grundsätzlich dem Erfinder zustehende Recht auf das Patent kann unter bestimmten Bedingungen auf Dritte Sicherung und Fortschritt übergehen. Die Regelungen des Gesetzes über Arbeitneh- mererfindungen sehen deshalb vor, dass die Erfindungen Die Gewährung von Patentschutz dient der Förderung des von angestellten Erfindern unter Beachtung formeller Vor- technischen Fortschritts. aussetzungen grundsätzlich auf den Arbeitgeber überge- Grundsätzlich wird anerkannt, dass auch die wirt- hen. Dieser kann für diese Erfindungen auch Schutzrechte schaftlichen Ergebnisse der technisch-schöpferischen anmelden, während dem Arbeitnehmer dann ein Anspruch Leistung den Erfindern zustehen. Da neben der wissen- auf Vergütung zusteht. Seit Inkrafttreten der ersten Stufe schaftlichen Erkenntnis auch der materielle Erfolg der Novellierung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindun- wichtig und reizvoll ist, bewirkt die Sicherung dieses gen am 7. Februar 2002 gilt dies auch für Erfindungen von Lohnes einen direkten Anreiz, sich um weitere neue Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten technische Erkenntnisse und Ergebnisse zu bemühen. an Hochschulen. Durch den rechtlichen Schutz für die Erfindung wird Der Patentschutz bietet somit auch den Hochschulen die dem durchaus verständlichen Bestreben entgegenge- bisher noch nicht in diesem Maße genutzte Möglichkeit des wirkt, neue technische Entwicklungen geheim zu halten wirtschaftlichen Handelns durch Verwertung der eigenen und damit die Ausschließlichkeit und Verfügungsmög- technischen Entwicklungen. Ohne diesen Schutz wären die lichkeit über den Gegenstand der Erfindung für sich Entwicklungsergebnisse der Hochschulen jedermann frei allein zu sichern. Der Patentschutz gewährt dem Erfin- zugänglich, und die Möglichkeit, die aufgebrachten For- der, die Ergebnisse der eigenen Leistung zu sichern und schungskosten wieder einzuspielen oder gar einen Gewinn diese Dritten nicht ohne Gegenleistung zukommen zu zu erzielen, sehr gering. Die Nutzung des Patentschutzes lassen. Der durch das Patent gewährte Lohn ist somit ist folglich der einzige sichere Weg, andere Wettbewerber gleichzeitig eine Gegenleistung für die Offenlegung von der Nutzung der eigenen technischen Entwicklungen einer neuen technischen Idee, die nach Ablauf des abzuhalten und selbst eine Spitzenposition auf einem ge- Patentschutzes der Allgemeinheit frei zur Verfügung wissen Forschungsgebiet zu erwerben oder zu bewahren. steht. Die Öffentlichkeit wird ferner sehr schnell über die Weiterentwicklung der Technik auf allen Fachgebieten informiert, da das Patentamt die angemeldeten Erfin- dungen etwa 18 Monate nach Erstanmeldung ver- öffentlicht. Gute Argumente gegen die Bedenken, dass Patente den freien Wettbewerb behindern: 1. Durch technische Schutzrechte wird das durch Artikel 14 des Grundgesetzes garantierte Grundrecht des Eigen- tums, hier des geistigen Eigentums, verwirklicht. 2. Die Gewährung des zeitlich begrenzten Patentschutzes regt zu einem Wettbewerb um bessere technische Problemlösungen an. 3. Der Patentschutz verhindert, dass viele gute Ideen im Wettbewerb mit unfairen Mitteln, d.h. unter Nutzung fremden geistigen Eigentums ohne entsprechenden Ausgleich an den Erfinder, verwertet werden. 7 Neben dem Patent, das auf den Schutz technischer Ideen Form eines Gegenstandes (z.B. Design einer Thermoskanne) gerichtet ist, gibt es eine Reihe zusätzlicher gewerblicher unter Schutz oder eine eingetragene Marke den Namen eines Schutzrechte, die weitere gewerblich nutzbare schöpferische Produktes (z.B. Aspirin) oder einer Firma (z.B. Infineon). Leistungen gegen die Verwendung durch Dritte schützen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht, für welche „Idee“ So stellt das Geschmacksmuster die nicht technische äußere welches Schutzrecht potenziell in Frage kommt. Tabelle 1: Gewerbliche Schutzrechte Schutz durch: Patent- Gebrauchs- Geschmacks- Marken- Urheber- Schrift- Wett- Halbleiter- Sorten- gesetz muster- muster- gesetz rechts- zeichen- bewerbs- schutz- schutz- gesetz gesetz gesetz gesetz gesetz gesetz gesetz Schutz für: Technische Idee/ X X ~ x x x Lösung Mikrochip x + x + x X Nicht konkre- x tisierte, nicht technische Idee In einem Werk x x x konkretisierte, nicht technische Idee Know-how x + x + ~ x Mikroorganismen X + Pflanze x X Computer- X + x x X programm Wissenschaft- x + x + ~ X liches Werk Geschäftsidee x x Werbeidee X x X Rezept X + x x Diplomarbeit, x + x + x X Dissertation Design X x X x Bild, Foto, Film x x T X x Marken/Zeichen x X x Name, Firma X x Domain (*) X x Geschäfts- X x bezeichnung Geschäfts- abzeichen X x Werktitel X T x Legende: X In erster Linie ~ Keine Verfahren x In zweiter Linie und damit unzulänglich oder ergänzend T Titelschutz # Schutz nur durch eine Anmeldung (*) Registrierung bei der zuständigen Vergabestelle + Nur bei neuer technischer Lehre (nach Prof. Dr. H. B. Cohausz) 8 1.1 D i e P a t e n t - e r f o r d e r n i s s e Nicht jede Innovation lässt sich durch ein Patent schützen. Nicht patentfähig (da nicht technisch i.S.d. Die maßgeblichen Voraussetzungen für die Patentfähigkeit Patentgesetze) sind: von Erfindungen finden sich in fast allen nationalen Patentgesetzen wieder. Um ein Patent zu erlangen, müssen Entdeckungen (z.B. Stimulation der IL-2-Rezeptor vier grundlegende Bedingungen erfüllt sein: Expression auf B-Zellen durch IL-5) Erfordernis 1 Es liegt eine „Erfindung“ vor. wissenschaftliche Theorien (z.B. die Relativitätstheorie) Erfordernis 2 Die Erfindung ist „neu“. mathematische Methoden (z.B. die Binomische Formel) Erfordernis 3 Die Erfindung beruht auf einer ästhetische Formschöpfungen (z.B. Form einer „erfinderischen Tätigkeit“. Prothese), evtl. Geschmacksmuster Erfordernis 4 Die Erfindung ist „gewerblich anwendbar“. Computerprogramme (Siehe auch Kapitel 3.5), evtl. Urheberrecht Erfordernis 1: Der technische Regeln für gedankliche Tätigkeiten (z.B. Methode zur Berechnung der Körperoberfläche), evtl. Urheberrecht. Charakter einer Erfindung Entdeckung versus Erfindung Weder das deutsche, noch das europäische Patentgesetz erwähnen ausdrücklich, dass eine Erfindung technisch sein Das Auffinden eines vorher unbekannten Stoffes in der Natur muss, da dies durch den Begriff „Erfindung“ bereits impli- sowie das Beschreiben seiner chemischen Zusammensetzung ziert wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) definierte in einer gelten patentrechtlich als bloße Entdeckung und sind folg- Entscheidung „Rote Taube“ wie folgt: „Technisch ist eine lich nicht patentierbar. Anders verhält es sich jedoch, wenn Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrsch- nachgewiesen werden kann, dass ein in der Natur aufgefunde- barer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren ner Stoff eine technische Wirkung aufweist. In diesem Falle Erfolges ohne dabei menschliche Verstandestätigkeit kann die Verwendung patentierbar sein. Ein Beispiel: Ein zwischenzuschalten 1“. 2 Stoff, der in der Natur vorkommt und der eine antibiotische Wirkung zeigt. (Gleiches gilt für Mikroorganismen und Gene). Warum es kein Patent auf „Rote Tauben“ gibt.3 Die Wiederholbarkeit Bei einem Verfahren zum Züchten roter Tauben durch Wenn auch nicht explizit erwähnt, so setzt die Patentfähig- Mehrfachkreuzungen anderer Taubenarten werden plan- keit einer Erfindung ihre beliebige Wiederholbarkeit voraus. mäßig beherrschbare Naturkräfte eingesetzt. Doch es Was im Patent beschrieben ist, muss auch funktionieren – resultiert daraus gemäß der Mendelschen Vererbungslehre und nicht nur einmal. Eine „kleine“ Fehlerquote wird aber nicht zuverlässig eine rote Taube. D.h., es fehlt an einem in der Regel toleriert und bringt ein Patent nicht zwangs- kausal übersehbaren Erfolg läufig zum „Kippen“.4, 5 (Wiederholbarkeit) und Der Inhalt der Patentbeschreibung muss so beschaffen sein, somit an einer technischen dass ein Fachmann die Erfindung nach der in der Patentan- Lehre. Daher kann das meldung beschriebenen Anleitung beliebig oft ausführen auf Kreuzungen beruhende kann – stets mit demselben Ergebnis. Funktioniert das Zuchtverfahren nicht offenbarte Verfahren nicht, so ist keine ausführbare Lehre patentiert werden. mitgeteilt worden und das Patent könnte widerrufen werden. 9 1.1 Um den Nachweis der Wiederholbarkeit bei mikrobiologi- Neuheit von Technologien bei Verwendung schen Erfindungen (z.B. eines genetisch veränderten Mikro- bekannter Erzeugnisse organismus zur Produktion von Insulin) leichter führen zu können, besteht die Möglichkeit, vermehrbare Proben des „Kann ich einen Tacker, der alsmedizinisches Instru- entsprechenden Mikroorganismus bei offiziellen Stellen ment zum Verschließen von Wunden eingesetzt werden (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen soll, zum Patent anmelden?“ GmbH, Braunschweig, www.dsmz.de) zu hinterlegen. Bei den so genannten Verwendungsansprü- Erfordernis 2: Die Neuheit chen, die man in einem Patent formuliert, geht es darum, sich eine „Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand neue Anwendung für der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst alle eine bereits bekannte Kenntnisse, die vor dem für die Anmeldung maßgeblichen Technologie schützen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, zu lassen. durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffent- lichkeit zugänglich gemacht worden sind.“ Um es bildlicher zu machen: Ein Tacker zum Zusammenhef- (§1 PatG, Artikel 52 EPÜ) ten von Papier ist lange bekannt gewesen. Es war sicher nicht nahe liegend, einen Tacker, auch zum Verschließen Der Stand der Technik ist der patentrechtliche Sammelbe- von Wunden zu benutzen. Obwohl es sich bei diesem griff für alle Informationen, die einer nicht beschränkten „Erfindungsprozess“ dem Wesen nach um die Entdeckung Öffentlichkeit zugänglich sind. Hierbei ist unerheblich, in einer neuen Anwendung handelt, kann sie dennoch paten- welcher Form (z.B. mündlich, schriftlich, elektronisch), an tiert werden (siehe auf IPC-Klasse A61B17/115 chirurgische welchem Ort, in welcher Sprache oder seit wann eine Infor- Klammergeräte), wenn die „Entdeckung“ des neuen Ein- mation öffentlich zugänglich ist. Genauso wenig ist ent- satzgebiets einer bekannten Technologie in das Gewand scheidend, ob der Erfinder auch tatsächlich Kenntnis von einer zweckgerichteten Lehre zum technischen Handeln einer früheren Veröffentlichung erlangen konnte. gekleidet wird. Neuheit von Technologien für bekannte Eine Anwendungs- oder Verwendungserfindung ist also eine Erfindung, deren Lehre darin besteht, medizinische Verfahren/Verwendungen ein bekanntes Verfahren, „Verfahren zum Blutabnehmen sind schon lange bekannt, kann ich eine neue Kanüle überhaupt patentieren lassen?“ einen bekannten Stoff oder Viele Erfindungen im medizinischen Bereich zielen auf die eine bekannte Vorrichtung Verbesserung von bereits etablierten und bekannten Verfahren zu einem neuen Zweck einzusetzen. ab. Diese Verfahren gelten im patentrechtlichen Sinne nicht als neu und können daher nicht unter den Schutzumfang Auf Erfindungen, die auf eine neue Verwendung von bereits eines Patents gestellt werden. So sind zum Beispiel das Ver- bekannten Erzeugnissen oder Stoffen gerichtet sind, werden fahren, Patienten Blut abzunehmen, oder die Verwendung Verwendungsansprüche gewährt, wenndiese neue Verwen- einer Kanüle, um Patienten Blut abzunehmen, nicht neu. dung ein wesentliches neues technisches Merkmal enthält, Eine Erfindung könnte aber z.B. eine „Leucht-Kanüle“ zur das sich vom Stand der Technik unterscheidet, auch wenn Entnahme von Blut in Dunkelheit bei einem Patienten sein. diese neue Verwendung keiner anderen technischen Reali- Vorausgesetzt natürlich, dass diese Vorrichtung im patent- sierung bedürfte, als eine bekannte Verwendung desselben rechtlichen Sinne neu wäre, also weder auf einem Kongress Erzeugnisses. präsentiert noch auf einer Internetseite veröffentlicht wurde. Für die Beurteilung der Neuheit ist der Beispiel: Ver- oder Anwendungsbereich der Tech- Ein bekanntes Mittel, das als Wachstumsregulator bei nologie zunächst nebensächlich. Es ist Pflanzen eingesetzt wird, ist schutzfähig für die das Erzeugnis selbst, das neu sein muss, Verwendung als Fungizid.6 auch wenn es zur Durchführung eines bekannten Verfahrens verwendet wer- den kann. Die „Leuchtkanüle“ ist also durch gegenständliche Vorrichtungsan- sprüche dem Patentschutz zugänglich. 10