Kontrollierte Selbstorganisation für zukünftige technische Anwendungen Fachgespräch, Analyse, Ausblick Heinz Eickenbusch Andreas Hoffknecht Dirk Holtmannspötter Dietmar Wechsler Herausgeber: Zukünftige Technologien Consulting der VDI Technologiezentrum GmbH Graf-Recke-Str. 84 40239 Düsseldorf im Auftrag und mit Unterstützung des Bundesministerium für Bildung und Forschung Diese Technologieanalyse entstand im Rahmen des Vorhabens ”Technologiefrüherken- nung für das Bundesministerium für Bildung und Forschung” (Förderkennzeichen NT 2113A) der Abteilung Zukünftige Technologien Consulting der VDI Technologiezent- rum GmbH im Auftrag und mit Unterstützung des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat 513. Das BMBF war an der Abfassung der Aufgabenstel- lung und der wesentlichen Randbedingungen beteiligt. Das BMBF hat das Ergebnis der Studie nicht beeinflusst; der Auftragnehmer trägt allein die Verantwortung. Projektleitung: Dr. Dr. Axel Zweck Durchführung: Dr. Heinz Eickenbusch Dr. Andreas Hoffknecht Dr. Dirk Holtmannspötter Dr. Dr. Dietmar Wechsler Dank gilt den Teilnehmern des Fachgespräches, all jenen, die Beiträge zur interaktiven Internetseite geliefert haben und allen anderen Experten, die wertvolle Anregungen ge- geben haben. Zukünftige Technologien Nr. 55 Düsseldorf, im Oktober 2004 ISSN 1436-5928 Für den Inhalt zeichnen die Autoren verantwortlich. Die geäußerten Auffassungen stimmen nicht unbedingt mit der Meinung des Bundesministerium für Bildung und For- schung überein. Außerhalb der mit dem Auftraggeber vertraglich vereinbarten Nutzungsrechte sind alle Rechte vorbehalten, auch die des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen photomechanischen Wiedergabe (Photokopie, Mikrokopie) und das der Übersetzung. Titelbild: Oben links: Prinzip des Fluidic Self Assembling zur Montage mesoskopischer Bauele- mente (vgl. S. 88). Oben rechts: Exakte Positionierung selbstorganisierter Quantenpunkte durch lithogra- phische Vorstrukturierung (O. G. Schmidt, vgl. S. 58). Unten: Selbstorganisiertes Netzwerk von Nervenzellen (A. Offenhäuser, vgl. S. 71). Zukünftige Technologien Consulting (ZTC) der VDI Technologiezentrum GmbH Graf-Recke-Straße 84 40239 Düsseldorf Die VDI Technologiezentrum GmbH ist im Auftrag und mit Unterstützung des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) tätig. Vorwort Gerade für Deutschland als rohstoffarmes Land und Exporteur veredelter Produkte ist die Fähigkeit, technologische Innovationen frühzeitig einzuführen, eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine nachhaltige Zukunftssicherung. Mit der Technologiefrüherkennung hat die Abteilung Zukünftige Technologien Consul- ting (ZTC) der VDI Technologiezentrum GmbH (VDI TZ) daher ein Instrumentarium entwickelt, mit dem sich innovative Technologieansätze zu einem Zeitpunkt identifizie- ren lassen, wenn Einschätzungen über ihre Chancen und Potenziale möglich und belast- bar sind. Ziel der Technologiefrüherkennung für das Bundesministerium für Bildung und For- schung (BMBF) ist es, Handlungsbedarf zu ermitteln und das BMBF und seine Projekt- träger bei der Umsetzung zu unterstützen. Gerade in Zeiten knapper werdender Finanz- mittel kann die Technologiefrüherkennung beitragen, durch gezielte Schwerpunktset- zung die Effizienz der Projektförderung des Bundesministerium für Bildung und For- schung (BMBF) zu steigern und eine zügige wirtschaftliche Verwertung zu ermögli- chen. Ein Beispiel für eine solche innovative Technologie, die „kontrollierte Selbstorganisati- on“, wird in dem vorliegenden Band analysiert. In der Natur spielen Selbstorganisati- onsphänomene in der Strukturbildung eine wesentliche Rolle. Die technische Nutzung der Selbstorganisation steckt zwar noch in den Kinderschuhen, ist aber keine Utopie mehr. Von der Vision eines Pentium-Prozessors, der sich nach dem Zusammenschütten geeigneter Ingredienzien im Reagenzglas selbständig bildet, sind wir noch für lange Zeit meilenweit entfernt. Die Nutzung der „kontrollierten Selbstorganisation“ in Teilschrit- ten von Strukturierungs- und Herstellungsprozessen aber ist bereits greifbar. Der vorliegende Band schlägt als Strategie, um einerseits Teilaspekte schnell einer wirt- schaftlichen Verwertung zuzuführen, andererseits dem gesamten Feld wichtige Impulse zu geben, eine Fokussierung auf fünf Kristallisationskeime vor. Diese umfassen mit Biologie, Chemie und Physik zugleich jene drei wissenschaftlichen Disziplinen, die dem Feld wichtige Impulse geben werden. Quer zu dieser disziplinorientierten Perspek- tive liegen die beiden prozessorientierten Kristallisationskeime „Hybride Strukturie- rungsverfahren“ und „Montage mesoskopischer Bauelemente“. Ein solcher Wechsel der Perspektive führt zwar zu inhaltlichen Überschneidungen, unterstützt aber das Aus- schöpfen möglicher Synergiepotenziale. Dr. Dr. Axel Zweck Leiter Zukünftige Technologien Consulting der VDI Technologiezentrum GmbH Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 1 2 VORTRÄGE 5 2.1 Motivation und Herausforderung der Selbstorganisation 5 H. Fuchs (Universität Münster) 2.2 Prinzipien der Selbstorganisation 9 E. Schöll (TU Berlin) 2.3 Design selbstorganisierender Systeme 15 - Beispiele und Algorithmen M. Greiner (Siemens AG) 2.4 Selbstorganisierende Polymere zur Nanostrukturierung von 18 Materialien S. Förster (Universität Hamburg) 2.5 Functional bioconjugates from nucleic acids and proteins: 22 Syntheses and Applications C. M. Niemeyer (Universität Dortmund) 2.6 Selbstorganisierte Halbleiterquantenpunkte für 26 die Optoelektronik A. Forchel (Universität Würzburg) 2.7 Strukturelle Ordnung funktionaler Moleküle für elektronische 30 und optische Anwendungen M. Sokolowski (Universität Bonn) 2.8 Beiträge der Nanotechnologie zur Erhöhung von Funktionalität 34 und Dichte in der Elektronik W. Prost (Universität Duisburg-Essen) 2.9 Aspekte der Selbstorganisation bei der Herstellung von 41 optischen und optoelektronischen Nanopartikel-Bauelementen J. Feldmann (Universität München) 2.10 Self-Assembly von Systemkomponenten: Self Assembly- 45 Prozesse als Technologie, mit kleinsten Chips umzugehen? K. Bock (Fraunhofer-IZM Berlin) 2.11 Herstellung inverser Opale durch Selbstorganisation 50 Dr. H. Winkler (Merck KgaA) 2.12 Exakte Positionierung von selbstorganisierten Halbleiter- 55 Nanostrukturen O. G. Schmidt (MPI f. Festkörperforschung, Stuttgart) 2.13 Templatgesteuerte Metallclustersynthese auf selbst- 61 assemblierten S-Layern: Perspektiven in der Nanotechnologie A. Kirchner (TU Dresden) 2.14 Pharmazeutische Anwendungen kontrollierter 65 Selbstorganisation: Drug Delivery und Tissue Engineering C.-M. Lehr (Universität Saarland) 2.15 Kontrollierte Erzeugung von Nervennetzwerken für die 69 Herstellung neuroelektronischer Schaltkreise A. Offenhäusser (FZ Jülich) 3 KRISTALLISATIONSKEIME 73 3.1 Hybride Strukturierungsverfahren 74 3.2 Montage mesoskopischer Bauelemente 83 3.3 Selbstorganisation von Quantenpunkten und Nanokristallen 93 3.4 Selbstorganisation von Blockcopolymeren 102 3.5 Biofunktionale Erkennung für neuartige Konstruktions- 110 und Produktionsverfahren 3.6 Literaturverzeichnis 118 4 ZUSAMMENFASSSUNG UND AUSBLICK 125 ANHANG: TAGESORDNUNG DES FACHGESPRÄCHS 129 ANHANG: TEILNEHMERLISTE DES FACHGESPRÄCHS 131 1 1 EINLEITUNG Selbstorganisation ist eines der Grundprinzipien für Strukturbildung und Die Natur als Vorbild Wachstum in der Natur. Selbstorganisation basiert darauf, dass sich ein- zelne Bausteine zu wohlgeordneten, funktionierenden Einheiten zusam- menfügen. Die Bausteine können Atome, Moleküle, Molekülverbände, Partikel oder auch komplexere Gebilde, wie Zellen sein. Verantwortlich für den Ordnungsprozess sind die Wechselwirkungen zwischen den Bau- steinen. Wissenschaftler versuchen, die universellen Gesetzmäßigkeiten, die der Entstehung komplexer Muster und Systeme aus einfachen Bausteinen zu Grunde liegen, zu verstehen und für technische Systeme nutzbar zu ma- chen. Die kontrollierte Nutzung von Selbstorganisationsphänomenen für die Anordnung technischer, materieller Systeme wird in der englisch- sprachigen Literatur „self-assembling“ oder auch „directed-assembling“ genannt. Neben dieser materiellen Selbstorganisation wird auch die Nut- zung der Selbstorganisation in raum-zeitlichen dynamischen Systemen für technologische Anwendungen diskutiert (vgl. Kapitel 2.2). Eine erste Einführung in die Gesamtthematik findet sich in [Eickenbusch, 2003] und insbesondere in der dort angegebenen Literatur. Im Rahmen unserer Technologiefrüherkennungsaktivitäten ist uns die Warum ist die technische Nut- mögliche Bedeutung einer technischen Nutzung von Selbstorganisations- zung von Selbst- phänomenen sowohl durch das kontinuierliche Monitoring, als auch bei organisationsphä- der Bewertung verschiedener Technologien aufgefallen. So wurde bei der nomenen ein Thema? Analyse der Molekularelektronik im Jahr 2001 offensichtlich, dass der Schritt von der Demonstration einzelner Bauelemente zu einem moleku- laren Computer nur über eine Nutzung von Selbstorganisationsphänome- nen zu realisieren ist [Hoffknecht, 2002]. Mitte 2002 kam die Technolo- gieanalyse „Nanobiotechnologie I: Grundlagen und Anwendungen mole- kularer, funktionaler Biosysteme“ zu der Schlussfolgerung, dass ein „ei- genständiges, klar strukturiertes und zielgerichtetes Forschungspro- gramm für die fächerübergreifende Technologie der Selbstorganisation ... einen entscheidenden Schritt in Richtung anwendungsbezogener Produk- tionsverfahren vor allem für nanoskalige Strukturen darstellen“ könnte [Wechsler, 2002]. Wir haben daher begonnen, die Potenziale für eine technologische An- Analyse der wendung der kontrollierten Selbstorganisation systematisch zu analysie- Anwendungs- potenziale ren und zu bewerten: Welche konkreten technischen Anwendungsmöglichkeiten bestehen - für kontrollierte Selbstorganisationsprozesse? Bestehen derzeit Hemmnisse für die Realisierung dieser Anwendun- - gen? Welche Lösungsansätze werden untersucht?
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