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Humanismus und Technik — Variationen über ein altes Thema: Gemeinsame Sitzung der Klasse für Geisteswissenschaften und der Klasse für Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften am 28. September 1977 in Düsseldorf. Leo-Brandt-Vortrag PDF

80 Pages·1978·1.946 MB·German
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Rheinisch-Westfalische Akademie der Wissenschaften Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Vortrage . N 274 Herausgegeben von der Rheinisch-W estfalischen Akademie der Wissenschaften KURT FRANZ Humanismus und Technik Variationen fiber ein altes Thema Westdeutscher Verlag Gemeinsamc Sitzung der Klasse fur Geisteswissenschaften und der Klasse fur Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften am 28. September 1977 in Dusseldorf Leo-Brandt-Vortrag CIP-Kurztitelaufnahme cler Deutschen Bibliothek FriiDz, Kurt Humanismus und Technik: Variationen tiber e. altes Thema. - 1. Aufl. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1978. (Vortdige I Rheinisch-Wt'stralische Akademie cler Wissenschaften: Natur-, Ingenieur-u. \\"irts:haltswiss.; N 274) ISBN-13: 978-3-531-08274-5 e-ISBN-13: 978-3-322-85722-4 DOl: 10.1007/978-3-322-85722-4 © 1978 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag GmbH ISBN-13: 978-3-531-08274-5 Inhalt Prasident Professor Dr. phil. Martin SchmeifJer, Dortmund BegruBungsansprache ..................................... 7 Professor Dr. phil. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. Kurt Franz, Ulm Humanismus und Technik - Variationen uber ein altes Thema Unser Verhaltnis zur Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 "Die zwei Kulturen" des C. P. Snow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sie reden nicht miteinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Qualitat und Quantitat ................................... 26 Unser Verhaltnis zum Intellekt ............................. 30 Grenzen des Konsensus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Technology Assessment fur jedermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a L'image tend remplacer l'idee ............................. 41 Mentalitat im Technology Assessment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Cervantes uber seinen HeIden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Schrifttum .............................................. 52 BegriiBungsansprache Von Martin SchmeifSer, Dortmund Es ist mir eine groBe Ehre und Freude, daB ich nun schon zum dritten Male die gemeinsame Sitzung beider Klassen der Akademie eroffnen darf. Sechs Jahre ist es nun her, daB Leo Brandt, nach dem diese gemeinsame Vortragsveranstaltung benannt ist, nicht mehr unter uns weilt. Nach diesen sechs Jahren steht aber das Bild des Mannes, der so viel fur die Wissen schaft des Landes, ja, der Bundesrepublik sowie ganz besonders fur die Aka demie, die er begrundet hat, tat, uns unverandert lebhaft vor Augen. Aus eigenem Erleben weiB ich nur zu gut, daB bei der Erorterung von Fragen, die die Forschung des Landes sowie das Sichtbarmachen der Aka demie betreffen, aber auch der Institute, deren Grundung auf Brandt'sche Initiativen zuruckgeht, sein Name immer wieder fallt, sei es, urn aus der Vergangenheit Sachverhalte zu rekonstruieren oder beim Blick in die Zukunft daran zu denken, was wohl geschehen wurde, wenn Leo Brandt noch unter uns weihe. Ich habe mir zur Einstimmung auf den heutigen Tag noch einmal die sa.tze in die Erinnerung zuriickgerufen, die Herr Ministerprasident Kuhn bei der Jahresfeier am 19. Mai 1971, wenige Tage nach dem Tode Brandts, u. a. gesagt hat. Diese Worte lauten: "Wir erinnern uns an seine spitzbubische Freude, wenn es ihm wieder ein mal gelungen war, aus wer weiB welchen Kassen und Titeln heraus Geld zu holen fur neue Projekte, wie sie seiner unerschopflichen Phantasie entspran gen. Wir erinnern uns an einen Mann, dessen charmante Unbequemlichkeit, dessen ungeduldige Ausdauer, des sen mitreiBender Ernst manchmal erschrek ken lieBen, uns aber immer wieder bezauberten." - Das war Leo Brandt. Wir danken Ihnen, sehr verehrte, gnadige Frau, sehr, daB Sie auch in diesem Jahre wieder Zeugin der Erinnerung an ein verpflichtendes Vorbild sind. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, mit welcher Emphase das Geschafts fuhrende Prasidialmitglied Leo Brandt den heutigen Vortrag eingeleitet hatte, einmal, weil er einen Vortragenden hatte einfuhren konnen, der wie er ein Diplomingenieur-Examen im Fach Nachrichten- bzw. Fernmeldetech nik an der Technischen Hochschule Charlottenburg abgelegt hat und der mit 8 Martin Schmeifkr ihm zusammen von 1936 bis 1945 bei der Firma Telefunken tatig war, zum anderen, urn ein Thema anzuktindigen, das so recht ftir eine gemeinsame Sitzung der beiden Klassen der Akademie geeignet ist und dem eine hohe aktuelle Bedeutung zukommt. Mehr denn je ist es notig, daB sich Ingenieure und N aturwissenschaftler tiber die Grundwerte und tiber das Verhaltnis zur Wirklichkeit klarwerden. Sie, sehr geehrter Herr Kollege Franz, haben sich unserer Bitte nicht ver schlossen, uns tiber Ihre diesbeztiglichen Gedanken, die schon in verschiedenen Vortragen und Aufsatzen ihren Niederschlag gefunden haben, zu berichten. Ich danke Ihnen daftir im Namen der Akademie sehr herzlich und bitte Sie, nun Ihren Vortrag, dem Sie den Titel "Humanismus und Technik. Variatio nen tiber ein altes Thema" gegeben haben, zu halten. Ce n'est pas toi. C'est tout ce que tu me rappelles. Friedrich Sieburg (Francis Carco) Humanismus und Technik Variationen tiber ein altes Thema Von Kurt Franz, Ulm Unser Verhaltnis zur Wirklichkeit Wenn wir uns auf ein so altes Thema einstimmen wollen, wie es das Ver haltnis zwischen Humanisten und Technikern nun einmal ist, werden uns die mannigfaltigsten Gedanken kommen. Nach einigem Schwanken habe ich diesem Vortrag ein Motto vorangestellt, das schon Friedrich Sieburg fur eines seiner Bucher gewahlt hat: Ce n'est pas toi. C'est tout ce que tu me rappelles.1 Der Titel des Buches: Unsere schonsten Jahre - ein Leben mit Paris. Sie burgs Motto fuhrt uns ins Zentrum dessen, was uns beschaftigen solI: Unser Verhaltnis zur Wirklichkeit. Auf den letzten Weltkrieg folgte ein euphorischer Aufbruch in eine bessere Zukunft, jetzt liegt das Paradies wieder in der Vergangenheit; Nostalgie ist uns beschieden, viele sehen das schreckliche Ende dieser Welt kommen. Wenn wir solchen Wandel oder gar Bruch im Lebensgefuhl eines einzelnen wahrnehmen, werden wir vielleicht denken, er ist eben alt geworden; der einzelne hat ja wirklich mit jedem Lebensjahr weniger Zukunft vor sich und mehr Vergangenheit hinter sich. Wenn sich ihm die Vergangenheit verklart, wenn er mit der Gegenwart hadert und von der Zukunft nichts halt, konnen wir hoffentlich lacheln. Nun konnen auch Gesellschaften Epochen "angestrengter Endzeiterwar tung" erleben - so nennt das der GroBe Brockhaus unter dem Stichwort Apokalypse. Wir Abendlandler kommen aIle von christlichen Traditionen her, wieweit sich auch viele von ihnen entfernt haben mogen; wir kennen also das Jungste Gericht, das so groBartige Kunst inspiriert hat, das in mancherlei Gestalt auch anderen Religionen bekannt ist. Zur Heiligen Schrift gehort die Offenbarung des Johannes mit ihrer Prophezeiung des schlimmen Endes nach Tausendjahrigem Reich, mit den 10 Kurt Franz Abb. I: Verdammte des Jiingsten Gerichts im Hotel-Dieu zu Beaunc (Burgund), Rogier van der Weyden, etwa 14502 Humanismus und Technik - Variationen iiber cin aires Thema 11 groBen Noten Pest, Krieg, Hunger, Tod, die in dieser Offenbarung als apokalyptische Reiter erscheinen; wenn wir die Offenbarung des Johannes nicht mehr ge!esen haben sollten, so kennen wir gewiB Durers beruhmten Holzschnitt mit den vier Reitern3• Zwei der Plagen haben wir in unserer glucklichen Weltgegend, im Abend land, vergessen, und vergessen ist auch, wie rezent dieses Vergessen ist. Dabei HIlt fur uns die letzte groBe Epidemie in das Jahr 1892 - die Hamburger Choleraepidemie. Von damals 500 000 Hamburgern starben in zehn Wochen uber 7000, der einzelne oft zwei Tage nach den ersten Anzeichen der Infek tion4• Was Menschen in solchen Zeiten erleben, ihr Entsetzen, ihre Reaktio nen, werden wir am besten bei einem nachlesen, des sen Metier es ist, Erleben, subjektive Wirklichkeit zu schildern - bei Heinrich Heine. Sein Bericht uber die Cholera zeit in Paris yom April 1832, der fur die Augsburger Allgemeine Zeitung bestimmt war, endet so: "Ich will, um die Gemiiter zu schonen, hier nicht erzahlen, was ich auf dem Pere Lachaise (dem Friedhof) gesehen habe. Genug, gefesteter Mann wie ich bin, konnte ich mich doch des tiefsten Grauens nicht erwehren. Man kann an den Sterbebetten das Sterben lernen und hernach mit heiterer Ruhe den Tod erwarten; aber das Begrabenwerden unter die Cholera leichen, in die Kalkgraber, das kann man nicht lernen." Vorher schrieb er: "Da vernahm man plotzlich das Geriicht, die vic1en Menschen, die so rasch zur Erde bestattet wiirden, stiirben nicht durch eine Krankheit, sondern durch Gift. Gift, hieB es, habe man an aile Lebensmittel zu streuen gewuBt, auf den Gemiisemarkten, bei den Backern, bei den Fleischern, bei den Weinhandlern. Je wunderlicher die Erzahlungen lauteten, desto begieriger wurden sic vom Yolk aufgegriffen, und selbst die kopfschiittelnden Zweifler muBten ihnen Glauben schenken, als des Polizeiprafekten Bekanntmachung erschien .... Durch eine un gliickselige Bekanntmachung, worin die Polizei ausdriicklich sa gte, daB sie den Giftmischern auf der Spur sei, ward das bose Geriicht offiziell bestatigt, und ganz Paris geriet in die grauenhafteste Todesbcstiirzung." Heine schildert sehr anschaulich, wie die Menge uber Passanten herfie! und sie bestialisch erschlug und verstummelte; denn man wurde schnell fur einen Giftmorder gehalten, wenn man verdachtige Pulver in der Tasche bei sich hatte, Kampfer oder Chlorure oder andere Schutzmitte! gegen die Choleras. Anstelle von Hungersnoten haben wir jetzt Arger mit Agraruberschussen. Dabei war die Furcht vor kunftigen Hungersnoten bei uns noch sehr deutlich in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts politisch wirksam, und in sol chen Angsten trafen sich damals Manner, die einander abgrundtief haBten, die einander fur entartet hielten und sich gegenseitig den Tod an den Hals wunschten. Heinrich Mann schrieb an den Grafen Coudenhove Kalergi, der England und RuBland in sein Paneuropa nicht einbeziehen wollte: "Ein

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