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Grundrente in Deutschland: Sozialpolitische Analysen PDF

269 Pages·2004·13.76 MB·German
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Michael Opielka (Hrsg.) Grundrente in Deutschland Perspektiven der Sozialpolitik Band 6 Herausgegeben von Michael Opielka Michael Opielka (Hrsg.) Grundrente 1n • Deutschland Sozialpolitische Analysen SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH + SPRINGHilFACEIMEDlEN WIESBADEN vs Verlag für Sozialwissenschaften Entstanden mit Beginn des Jahres 2004 aus den beiden Häusern Leske+Budrich und westdeutscher Verlag. Die breite Basis für sozialwissenschaftliches Publizieren Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage April 2004 Alle Rechte vorbehalten e> Springer Fachmedien Wiesbaden 2004 UrsprUnglieh erschienen bei VS Verlag für sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. umschlaggestaltung: Künkellopka Medienentwicklung, Heldeiberg Satz: Beate Glaubitz, Redaktion und Satz, Leverkusen Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN 978-3-8100-4049-7 ISBN 978-3-322-80973-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-80973-5 Inhalt Michel Opielka Die Grundrente denken .. ... ..... ............... ............ .... .. ...... ..... ..... ... . .... ... . . .... 7 Ellen Kirner Zu Fragen der Finanzierung einer Grundrente fiir das Alter..................... 61 Wolfgang Strengmann-Kuhn Grundrente und Grundsicherung im Alter. Ziele, Modelle und offene Fragen . ...... ...... .. ... ................ ... .. ......... .. .......... 99 Winfried Schmäh/ Übergang zu einem Grundrentensystem: Vom radikalen Systemwechsel zur schleichenden Systemtransformation 119 Hans-Jürgen Krupp/Joachim Weeber Volkswirtschaftliche Aspekte eines Grundrentensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 7 Sven E.O. Hort Renten in Schweden-auf dem Weg zurück zur Grundrente? .... ..... ... . .... 167 Joop Roebroek/Jan H.M Nelissen Die ,heimliche Revolution'. Struktur, Entwicklung und Zukunft des holländischen Rentensystems ............................................................ 189 Martin Wechsler Grundrenten in der Schweiz. Die eidgenössische Alters-und Hinterlassenenversicherung (AHV) ......................................................... 217 Bernd Schulte Auswirkungen eines Grundrentensystems auf die internationale Sozialpolitik. Die Grundrente als ein Beitrag zur Harmonisierung des europäischen Sozialrechts? ........ .......... .. ... . ....... ............ .. ... .... .. . .. ..... .. 227 Die Autoren ... .. .. ..... .. ....... .... ..... .... ... . .. ...... .... .... .. .......... .. ........ ...... ... .. . . .. . . 267 Michael Opielka Die Grundrente denken Die Idee einer sozialstaatlich organisierten Grundrente will jeder Bürgerin und jedem Bürger im Alter weitgehend unabhängig von vorherigen Leistun gen eine menschenwürdige Existenz garantieren. Sie unterscheidet sich damit wesentlich von den drei anderen bekannten Modellen einer staatlich geregel ten Altersrente. Das älteste Modell greift auf eine vorsozialpolitische Zeit zu rück. In ihr war, wie in weiten Teilen der Welt noch heute, vor allem das Fa milien- bzw. Verwandtschaftssystem fiir die Alterssicherung zuständig. Eine sozialstaatliche Altersrente, die heute diesem Modell folgt, wird vor allem die Aufbringung von Kindem zum Kriterium von Rentenleistungen machen. Eine "moderneres" Konzept ist die lohnarbeitsbezogene Altersrente. In ihrem Zen trum steht die Alterssicherung von Arbeitnehmern, die während ihres Er werbslebens aus ihren Beiträgen die Einkommen der Rentner aufbringen. Dieses Modell liegt der so genannten ,,Bismarckschen" Sozialversicherung zugrunde. Die vierte Variante möchte eine - meist aus Steuermitteln [man zierte - Altersrente auf die ,,Bedürftigen" beschränken und plädiert ansonsten fiir private Vorsorge. In der vergleichenden Sozialpolitikforschung stößt man auf alle vier Modelle, zumeist in Kombinationen, wobei das Familien-Modell eher als Idee und kaum in der Praxis vertreten wird. Unter den vier Modellen scheint die Idee der Grundrente aus einer Reihe von Gründen besonders zu kunftsträchtig: Sie entspricht der Idee der Demokratie, indem sie politische und soziale Rechte verknüpft; sie verhindert wirksam Armut und sozialen Ausschluss; sie ist langfristig fmanzierungssicher, da sie die breiteste Finan zierungs-und Leistungsgrundlage aller Modelle hat, nämlich die gesamte Be völkerung; und sie entspricht dem Wandel zu einer pluralisierten, individuali sierten wie globalisierten Sozialordnung, die ein öffentliches System der Al terssicherung nicht mehr in Familie, Arbeitsmarkt und Nationalstaat allein begründen sollte. Gleichwohl ist die Idee der Grundrente vor allem in Deutschland höchst umstritten. Diese Idee erfordert ein Umdenken über zentrale Annahmen zur Funktion des Sozialstaats. In einem ersten Schritt sollen diese Funktionsbe dingungen aus Sicht der politischen Soziologie untersucht werden. Nach ei nem Rückblick auf die Geschichte der Grundrentendiskussion in Deutschland 8 Michael Opielka kommen zwei soziologische Bestimmungen in den Blick: zum einen solche Strukturmerkmale moderner Sozialstaaten, die in der Theorie des "Wohl fahrtsregime" (welfare regime) in den letzten Jahren wissenschaftliche Be achtung fanden; zum anderen die hinter den Regime-Modellen wirkenden Leitideen sozialer Gerechtigkeit. Im zweiten Schritt werden die in der Dis kussion befindlichen Grundrentenmodelle entlang der Regime-Typen syste matisiert und im dritten Schritt wird ein für Deutschland mögliches Grund rentenmodell exemplarisch diskutiert: die Idee einer "Grundeinkommensver sicherung", mit der eine Grundrente im Alter in das Zentrum einer Strukturre form der sozialen Sicherungssysteme gestellt wird. Um eine solche Idee über haupt erst denken zu können und nicht vorab schon die Option als undenkbar - weil angeblich unfinanzierbar oder undurchsetzbar - zu verwerfen, soll hier das nötige Material bereit gestellt werden. 1. Politische Soziologie der Grundrente Die Literatur zur Rentenpolitik wird bislang von juristischen, ökonomischen und politikwissenschaftlichen Analysen dominiert. Das führt zu detaillierten Informationen und Deutungen. Zu kurz kommt dabei die Beziehung der sozi alpolitischen Organisation der Alterssicherung zur Gesellschaft insgesamt. Sie wird natürlich erwähnt. Auch Juristen oder Ökonomen ist im sozialwis senschaftliehen Zeitalter klar, dass eine Analyse des Rechts- und des Wirt schaftssystems deren Wechselwirkungen mit anderen Subsystemen der Ge sellschaft berücksichtigen muss. Dafiir können sie auf Erkenntnisse der So ziologie zurückgreifen. Leider hat sich die Soziologie bislang nur vereinzelt mit der Rentenpolitik befasst. 1 Das wiederum führt dazu, dass der Großteil der Literatur zur Alterssicherung mit recht hemdsärmeligen Annahmen über die Gesellschaft und über moralisch-ethische Folgen verschiedener Rentensys teme operiert. Vor allem in Deutschland ist die Dominanz juristischer und ökonomischer Expertise auf diesem Gebiet folgenreich. Beide Disziplinen Eine soziologische Analyse der deutschen Rentenpolitik liegt bislang nicht vor (vgl. zu diesem Defizit der soziologischen Forschung schon Ferber/Kaufmann 1977; auch in Kaufmanns Summa seiner Soziologie der Sozialpolitik taucht die Rentenpolitik nur am Rande auf, vgl. Kaufmann 2002). Es ist bezeichnend, dass in einem neueren Ein führungsbuch in die "Soziologie des Sozialstaats" (Allmendinger!Ludwig-Mayerhofer 2000) zum Thema Alterssicherung kein Beitrag aufgenommen wurde. Dass auch der Soziologiekongress 2002 in Leipzig, immerhin mit dem Thema "Entstaatlichung und Soziale Sicherheit" der erste explizit sozialpolitisch ausgerichtete Soziologentag im Nachkriegsdeutschland, das Thema Rentenpolitik in keinem Plenarvortrag behandelte, verwundert dennoch (vgl. AHmendinger 2003). Die Politikwissenschaft ist hier etwas weiter (z.B. Nullmeier/Rüb 1993). Einen Literaturüberblick zur Rentenreformdebatte bietet Adler 200 l. Die Grundrente denken 9 neigen zu einer positivistischen Denkstruk:tur. Eine besondere Reflexivität gegenüber ihren paradigmatischen Annahmen kann man ihnen nicht nachsa gen.2 Das ist folgenreich für Diskurse zu politischen Reformen. Es wundert deshalb nicht, dass ein niveauvoller Diskurs über das Für und Wider einer Einführung einer Grundrente in Deutschland bislang kaum stattfand. Während sich Juristen gegenüber Reformen notorisch zurückhaltend zeigen, geben sich Ökonomen durchaus reformfreudig - allerdings ohne dabei ihre zumindest in den letzten Jahren zunehmend neoklassischen Theorieannahmen auf deren funktionale Kontexte hin gründlicher zu befragen. Man kann folglich von ei ner politisch-soziologischen Analyse Aufklärung darüber erwarten, wie eine Grundrente sozialstrukturell und kulturell wirkt: mit soziologischem Denken die normativen Annahmen hinter den sozialpolitischen Optionen - hier am Beispiel Grundrente - zu untersuchen und dabei nicht bei Ideologie- oder Kulturkritik stehen zu bleiben. Schwer sollte das nicht fallen, denn Soziologie ist zu~leich empirische wie Kulturforschung, was sie neuerdings wieder ent deckt. Man darf gleichwohl auch von der Soziologie nicht zu viel erwarten. Eine noch so differenzierte Analyse der Sozialstruktur und des sozialen Wandels kann eine spezifische Rentenpolitik oder eine Grundrente allein nicht begrün den. Natürlich ist es geboten, beispielsweise die Einkommens- und Vermö gensverteilung, den Wandel von Familie und Geschlechterverhältnis und auch den dramatischen Wandel der Erwerbsarbeit in einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft in ihrer Wechselwirkung mit der Rentenpolitik zu reflek tieren. Beide Dimensionen-Sozialstruktur und sozialer Wandel- werden in diesem Beitrag dennoch nur gestreift, vor allem, weil solide soziologische Studien zu ihrem Zusammenhang mit der Entwicklung der Rentenpolitik noch nicht vorliegen. Der soziologische Blick konzentriert sich in diesem Beitrag auf die Politik selbst und auf eine wissenschaftlich möglichst ehrlich reflek tierte Reformidee: die Idee der "Grundeinkommensversicherung" mit ihrem ,,Herz", der Grundrente. a) Idee und Geschichte der Grundrente Erstmals taucht der Begriff der "Grundrente" bei Karl Marx auf. Er meint damit freilich keine bestimmte Form sozialpolitischer Alterssicherung. Sozi alpolitik als sekundäre Verteilung erschien ihm im Kapitalismus ohnedies nicht angezeigt. Für Marx bezieht sich die "Grundrente" auf die Nutzungs- 2 Natürlich existieren bedeutende Ausnahmen. Unter den zum Thema Sozialstaat ar beitenden Juristen wäre bspw. auf Dieter Grimm zu verweisen (z.B. Grimm 1987). 3 Zum "cultural turn" in den Sozialwissenschaften vgl. Reckwitz 2000. 10 Michael Opielka rechte an Grund und Boden! Diese sollten in einer kommunistischen Gesell schaft nicht mehr privat, sondern gemeinschaftlich verbrieft werden. Die Marxsche Idee kollektiver Nutzungsrechte an gesellschaftlichem Reichtum hat sich in der sozialpolitischen Idee der Grundrente erhalten. Die Idee der "Sozialpolitik" als gesellschaftlicher Solidaritätsordnung lässt sich von der stets auch marxistisch inspirierten Arbeiterbewegung kaum trennen.5 Ent scheidend wurde in der Geschichte der Sozialpolitik, nach welchen Kriterien die sekundäre, sozialstaatliche Einkommensverteilung organisiert werden soll. Forderungen nach einer Grundrente waren immer Bestandteil einer uni versalistischen Programmatik, die Leistungsansprüche an eine SozialbOrger rolle anschließt. Der einflussreiche englische Sozialpolitikforscher Thomas H. Marshall rekonstruierte eine evolutionäre Entwicklung von den liberalen (Abwehr-)Rechten des Rechtsstaates (Beginn 18. Jahrhundert) über die politi schen Teilhaberechte des demokratischen Staates hin zu den sozialen (Grund-) Rechten des modernen Wohlfahrtsstaates (vgl. Marshall1992). Die Geschichte des Wohlfahrtsstaates war innerhalb dieser evolutionären Linie hoch komplex. Das lässt sich an der deutschen Sozialpolitik, die historisch als erste zu den modernen Institutionen der Sozialversicherung fiihrte, ein drücklich zeigen. So hatte der damalige Reichskanzler Bismarck im Vorfeld der ersten, 1881 eingeleiteten Sozialgesetzgebung eine ,,Reichversorgungsanstalt" im Sinn, "von der die Arbeiter empfangen sollten, ohne zuvor eingezahlt zu ha ben" (Hentschel 1983, S. 13). Bismarck schwebte im Grunde eine staatlich fi nanzierte Grundrente vor, die eher als Zuschuss zur familial organisierten Siche rung der alten Menschen zu denken sei: ,,Ich hatte das Bestreben, dass dem mü den Arbeiter etwas Bessres und Sichres als die Armenpflege ... gewährt werden solle, dass er ... seine sichre Staatspension haben soll, mäßig, gering meinethal ben, aber doch so, dass ihn die Schwiegermutter des Sohnes nicht aus dem Haus drängt, dass er seinen Zuschuss hat." (zit. nach Hentschel1983, S. 25) Aufgrund des Widerstandes des konservativen katholischen Zentrum und der Nationalli beralen, die entweder eine berufsständische Sicherungsform oder am liebsten keine Staatsintervention wollten, konnte sich Bismarck nicht durchsetzen. Am Ende entschied sich der Reichstag fiir jenes deutsche, am Lohnarbeitsverhältnis anknüpfende Sozialversicherungs-und insbesondere Rentensystem, das - inso weit falschlieh-bis heute als ,,Bismarcksches" System gilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die sozialpolitische Systemfrage er neut gestellt. Die Initiative ging von der SPD aus. Ihr damaliger Fraktions sprecher im Bundestag, der Sozialpolitikexperte Ludwig Preller sorgte im 4 "Die Grundrente stellt sich dar in einer bestimmten Geldsumme, die der Grundeigen tümer jährlich aus der Verpachtung eines Stücks des Erdballs bezieht." (Marx!Engels s. 1983, 635) 5 Dazu ausfllhrlich Kaufinann 2003, S. 24ff.; zur komplexen Sozial- und Geistesge schichte der in der Arbeiterbewegung wirksamen Idee der "Solidarität'' vgl. StjerruJ 2004.

Description:
Der Band versammelt die wichtigsten wissenschaftlichen VertreterInnen und KritikerInnen einer Reform des deutschen Alterssicherungssystems in Richtung auf eine Grundrente. Soziologische, ökonomische, juristische und politologische Aspekte werden umfassend erörtert. In der Diskussion um einen Umbau
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