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Geschlechtskrankheiten und Ehe PDF

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ISBN 978-3-662-42732-3 ISBN 978-3-662-43009-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-43009-5 Sonderbeilage der Mitteilungen des Volksgesundheitsamtes, Jahrgang 192S, Heft 2. Alle Rechte vorbehalten. Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH AUS DEN FORTBILDUNGSKURSEN DER WIENER MEDIZINISCHEN FAKULTÄT GESCHLECHTSKRANKHEITEN UND EHE VON PROFESSOR E. FINGER Die beiden Eigenschalten der Geschlechtskrankheiten, übertragbar zu sein von Individuum zu Individuum, aber ihre Folgen auch aui die weiteren, nachfolgenden Generationen auszudehnen, sind insbesondere für die Ehe von großer Bedeutung. Meist schleppt der Mann die Geschlechtskrankheiten in die Ehe und dies hat zur Folge, daß zunächst die Frau infiziert, dann kranl'e Kinder gezeugt und endlich die materiellen Grundlagen der Ehe gefährdet werden können. Was die Infektion der Frau betrifft, so hat die Infektion mit Gonorrhoe meist den Verlauf, daß die ersten Erscheinungen derselben von der in dieser Richtung naiven Frau übersehen, falsch gedeutet oder aus falscher Scham absichtlich nicht berücksichtigt werden. Der gewöhn liche Verlauf ist dann der, daß die Gonorrhoe aszendiert, auf Utetus, Tuben, Ovarien übergeht und wenn sie in ärztliche Behandlung tritt, nicht mehr völlig auszuheilen ist. Langjähriges, mehr weniger ausgesprochenes Siechtum der Frau, Unfähigkeit, ihrem Berufe als Frau und Mutter voll zu entsprechen, Sterilität, besonders Einkindersterilität der Ehe :;ind die Folgen. Auch die Infektion mit Syphilis wird von den jungen Ehefrauen meist übersehen oder gering geachtet, die Syphilis bleibt in ihren Frühstadien unbehandelt und hat schwere Späterscheinungen, Gummen, Erkrankungen von Herz, Herzklappen, Aorta im Gefolge, führt zu Tabes, Paralyse. Was die Übertragung auf die nächste Generation betrifft, hat die der Gonorrhoe, die Ophthalmoblennorrhoea neonatorum seit Ein führung des Credeschen Verfahrens wohl ihre Schrecken ycrloren, am Lande aber kommen immer noch Fälle der Art vor. Bedeutungsvoll ist die Übertragung der Syphilis, sogenannte heredi täre oder richtiger kongenitale Syphilis. Die echte kongenitale, also durch Übertragung der Syphilisspirochäte erzeugte Syphilis ist wohl fast stets eine Infektion des Kindes von seiten der kranken Mutter, sie bietet das bekannte Bilrl des Abortus im vierten, fünften Monat, der Frühgeburt toter, mazerierter oder lebensschwacher syphilitischer, endlich der r<jifer 1 Kinder, die Syphiliserscheinungen zur Welt bringen oder bald nach der Geburt zeigen. Ein Teil dieser Kinder kommt wohl auch reif und an scheinend gesund zur Welt, zeigt dann aber im Alter von einigen Jahren eine parenchymatöse Keratitis, Gummen an Haut, Schleimhaut, Knochen, viszerale Lues, zur Zeit der Pubertät wohl auch juvenile Tabes oder Paralyse. Aber in den letzten Jahren mehren sich die Beobachtungen, die da für sprechen, daß auch der Vater, dessen Syphilis, direkt die Gesundheit des Kindes ungünstig beeinflussen kann und daß irrfolge rein paterner Syphilis, wenn auch nicht kongenital syphilitische, so doch in anderer Weise abnorme Kinder gezeugt werden. Fournier hat schon darauf hin gewiesen, daß Syphilis der Mutter Syphilis, die des Vaters Degenoralion des Kindes zur Folge habe. In der Tat findet man, seit darauf mehr ge· achtet wird, in Ehen, in denen eine Syphilis des Vaters anamnestisch vor liegt, bei den Nachkommen eigentümliche Erscheinungen, wie Lebens schwäche, plötzlichen Tod, schwächliche Konstitution, Zurückbleiben in der Entwicklung bis zu hochgradigem Infantilismus, Mißbildungen wie Klumpfuß, Hasenscharte, Wolfsrachen, Spina bifida, Lähmungen, geistige Anomalien, wie Porencephalie, Idiotie, Imbezillität. Die letztgenannten und die echt syphilitischen Symptome können sich nun kombinieren, und wir können danach die Kinder in drei Gruppen einteilen: 1. Gut ent wickelte, reife, aber syphilitische Kinder, 2. Kinder, die neben luetischen mehr oder weniger intensive Degenerationserscheinungen zeigen, 3. Kinder mit reinen Degenerationserscheinungen. Bei der ersten und zweiten Gruppe ist die WaR. positiv, bei der dritten meist negativ. In die erste Gruppe gehört die Mehrzahl der Kinder der postkonzep tionell infizierten Mütter, die von guten Keimstoffen gezeugt, plazentar infiziert sind. Neisser und Judassohn haben schon 1890 darauf hin gewiesen, daß diese Form kindlicher Lues sehr der akquirierten gleicht. In der zweiten Gruppe sind entweder beide Eltern rezent luetisch oder der Vater hat anamnestisch eine ältere Lues, die Mutter eine positive Wa lt. Die Kinder sind von schlechten väterlichen Keimstoffen gezeugt, von der Mutter infiziert. In der dritten Gruppe hat der Vater anamnestisch eine noch ältere Lues, \V aR. positiv, die Mutter ist gesund und haJ~ negative WaR. Die Kinder sind von schlechten väterlichen Keimstoffen gezeugt, die Mutter gesund. Interessant ist, daß die Erscheinungen bei den Kindern dieser Gruppe ganz mit jenen übereinstimmen, die Demme u. a. an den Kindern in Familien fanden, deren Väter an chronischem Alkoholismus leiden. Die Erscheinungen der Geschlechtskrankheiten, bei Gonorrhoe, Arthritis gonorrhoica mit Ankylose, Adnexerkrankung, bei Syphilis Yis zerale Erkrankungen, Gummen, Aortitis, Tabes, Paralyse, können aber auch, besonders beim Vater, vorzeitige Arbeitsunfähigkeit, Siechtum mit Notwendigkeit der Erhaltung und Pflege desselben oder auch vorzeitigen Tod herbeiführen, zu einer Zeit, wo die heranwachsende jüngere Genera- 2 tion noch nicht so weit ist, sich wirtschaftlich auf eigene Füße stellen zu können, wodurch die materiellen Grundlagen der Ehe gefährdet werden können. Ursache der Einschleppung einer Geschlechtskrankheit in die Ehe ist zunächst und meistens eine ungenügende Behandlung, die sehr häufig durch unzweckmäßiges Verhalten kombiniert wird, dann aber eine vorzeitige Ehe, die der Patient ohne Einverständnis mit seinem Arzt zu einer Zeit eingeht, zu der derselbe sich noch im kontagiösen Stadiuin befindet. Diese Tatsache führt uns zur Betrachtung jenes Momentes, das als Mechanismus der Infektion bezeichnet werden kann, der Frage wie, in welcher \V eise die Infektion erfolgt. \Y as zunächst Gonorrhoe betrifft, so sind jene Fälle, in denen der junge Ehemann mit einem frischen Tripper. in die Ehe tritt, zweifellos selten. Vielleicht etwas häufiger ist, daß der Mann in der Inkubation einer frischen Gonorrhoe zum Altar tritt, sich wenige Tage vor der Verehelichung infizierte, die Gonorrhoe einige Tage nach der Eheschließung ausbricht und die Frau zu der Zeit, wo er die ersten Anzeichen wahrnimmt, meist schon infiziert ist. Viel häufiger ge schieht die Infektion mit den Fäden, den geringen Resten einer oft recht alten Gonorrhoe, von denen wir wissen, daß sie in einem Teil der Fälle und auch da meist inkonstant, Gonokokken führen. Diese Tatsache muß ja für uns Veranlassung sein, einen Ehcwerber, der Fäden im Urin führt, mit allen Mitteln der Provokation, Arthigon intravenös, chemischen Provo kationen, Cupr. sulf., Jod, Sublimat, mechanischen llrovokationen, Sonde, Dehnung, Massage der Prostata und Samenbläschen mikroskopisch und kulturell auf Gonokokken zu untersuchen. Der Syphilitiker dagegen ist nicht nur kontagiös, wenn er sezer nierende Syphiliserscheinungen des sogenannten primären und sekun dären Syphilisstadium führt und vom lllut aus, auch die physiolo~ischcn Sekrete als solche, ohne Beimischung syphilitischen Sekretes, vor allem Sperma, Milch, aber auch anderweitige Sekrete, so Speichel, Sekret der Urethra und Zervix, Harn, führen, unter Umständen Syphilisvirus, sind also kontagiös. Dasselbe gilt von Eiter anderweitiger, nicht luetischer Krankheitsprodukte der Luetiker, wie Ulcus malle, Akne, Follikulitiden usw. Die Kontagiosität ist in den ersten Jahren nach der Infektion am be deutenclsten, nimmt dann in den richtig und genügend behanclelten Fällen ab, den nicht behandelten, noch so alten Fällen ist aber nicht zu trauen, da beglaubigte Fälle von Infektion bei 10, selbst 20, 25 Jahre alter Syphilis in genügenocr Zahl bekannt sind. In der Frage, wann einem Syphilitiker die Ehe zu gestatten ist, sind nach dem Stadium der Syphilis verschiedene Gruppen zu unter scheiden. Zunächst die sogenannten Fälle gelungener abortiver Behand lung, Patienten, die mit frischem, wenige Wochen altem Initialaffekt zur Behandlung kommen, vor, während und nach der Behandlung stets negative WalL zeigen, also in unserem Falle Ehcwerber, die sich nach 3 der Verlobung, ein, zwei, drei Monate vor der Verehelichung infizieren, mit dem frischen Affekt zum Arzt kommen und nun eine gelungene Abortivkur durchmachen. Erfahrungsgemäß sind diese Patienten mit einer energischen Kur meist so gründlich geheilt, daß sie sich bald zu reinfi zieren vermögen. Nichtsdestoweniger ist Vorsicht am Platz und zwischen das Ende der Kur und den Augenblick der Verehelichung stets eine mehr monatliche Karenzzeit einzuschieben. Ich beobachtete den folgenden Fall: Es handelte sich um einen Reisenden, der in der zweiten Hälfte November 1911 auf der Reise einen außerehelichen Koitus ausübte und am 4. Dezember in München eine kleine Erosion an der inneren Lamelle des Praeputium wahrnahm. Untersuchung des bekannten Münchner Fachkollegen v. N otthaft ergab den Nachweis von reichlichen Spirochaete pallidae, es handelte sich also um einen ganz frischen Initialaffekt. In den Leisten keine palpablen Drüsen, WaR. negativ. Am 5. Dezember wurde dem Patienten in München der Initialaffekt exzidiert, er erhielt in Abständen von zehn Tagen zwei intravenöse Altsalvarsan- und in fünftägigen Intervallen vier intramuskuläre Ilg salicylicum-Injektionen. Am 23. Dezember wurde der Patient mit negativem Wassermann in seine Heimat, eine Oberösterreichische Provinzstadt, entlassen. Zwischen dem 25. und 31. Dezember wiederholt Koitus mit seiner Frau. Ende Februar 1912 sah ich das Ehepaar. Die Frau zeigte eine Initialsklerose am kleinen Labium und eine frische reichliche Roseola. Der Mann zeigte keine Zeichen von Lues, negative WaR. Auch in den nächsten zwei Jahren, so lange beobachtete ich das Ehepaar, blieb die Seroreaktion beim Manne stets negativ, Erscheinungen von Syphilis traten keine auf, Behandlung fand keine statt. Ähnliche Beobachtungen teilten auch E. Hoffmann und Narbel mit. Ist die Lues des Patienten schon im sekundären Stadium, und hieher gehören auch die seropositiven Initialaffekte, dann müssen bis zur Ver ehelichung mindestens fünf bis sechs Jahre verstreichen, während welcher Patient einer energischen intermittierenden Behandlung zu unter ziehen ist, deren einzelne Kuren, besonders im Anfang in nicht zu großen zeitlichen Abständen, nicht mehr als acht bis zehn Wochen zu wiener holen sind. Am günstigsten sind jene Fälle, in denen schließlich die WaR. und der Liquor negativ sind. Ein spätlatenter positiver Blut- und Liquor befund ist bei genügend energischer Behandlung kein Moment, unbedingt den Ehekonsens zu verweigern. Es gibt genug Männer, die trotz dieser Momente heiraten, ohne daß ihre Familie einen Schaden davon getragen hätte. Jedenfalls wird heute im Interesse des Patienten sowohl, als der Zukunft der Ehe in jedem Falle spätlatenten positiven Serum- oder Liquorbefund die Einleitung einer Salvarsan-Malariabehandlung un bedingt angezeigt sein, die dieses Hindernis wohl beseitigen wird. Ist aber die Syphilis, wenn auch noch so alt, nicht oder nicht ge nügend behandelt, dann ist ihr nicht zu trauen und der Ehekonsens nicht vor Durchführung der eben erwähnten Behandlungen zu erteilen. Wenn nun die Geschlechtskrankheiten für die Ehe so ernst sind, dann hat sich die Sanitätsbehörde und der Staat mit diesem Problem zu befassen und wäre zunächst die Frage zu diskutieren, ob der Staat nicht 4 das Recht und die Pflicht hätte, dem Geschlechtskranken, wie dies wohl von mancher Seite verlangt wird, die Ehe ganz zu verbieten. Doch diese Maßregel wäre gewiß nicht angezeigt. Denn einmal würde dieses Verbot nur dazu führrn, die Zahl der Verhältnisse und unehelichen Kinder zu vermehren, da die Kranken, denen die Ehe verboten ist, doch ~wf den Geschlechtsverkehr nicht verzichten würden, dann aber würde <lie Maß regel zn weit gehen, da schließlich fast für jeden Geschlechtskranken die Zeit kommt, wo er befugt heiraten kann. Ist dieses der Fall, dann ergibt sich die zweite Frage, ob und wie der Staat gegen dieunbefugte EheschließungStellung nehmen soll. Hier sind nun zwei \V ege gangbar. Entweder der Staat erläßt ein Eheverbot, verbietet dem Geschlechtskranken die Ehe bis zu dem Augenblicke, wo ihm dieselbe vom Arzt gestattet wird. Gegen diese Maßregel' ist nichts einzuwenden, sir, wäre nur eine Kodifizierung bestehender Ansichten. Oder aber, der Staat versichert sich durch ein Attest, das von allen Ehewerbern verlangt wird, daß kein noch ansteckender Geschlechts kranker heiratet. Diese zweite Maßregel ist für die Geschlechtskrankheiten unbedingt abzulehnen. Dieselbe hätte einen Wert nur in einer Gesell schaft, in welcher der Geschlechtsverkehr ganz auf die Ehe beschränkt wäre. Dies ist bei uns nicht der Fall, insbesondere ist der voreheliche Verkehr unter Verlobten in steter Zunahme begriffen. Das ärztliche Ehe zeugnis, das bei oder kurz vor der Eheschließung ausgetauscht oder dem kirchlichen oder Stan<lesbeamten überreicht wird, würde dann zur For malität herabsinken. Aber mit der Häufigkeit des vorehelichen Ge schlechtsverkehrs nehmen auch die vorehelichen Infektionen zu und da mit die Zahl jener Fälle, in denen der Arzt trotz bestehender Geschlechts krankheit der Ehe kein Ehehindernis bereiten darf, sondern im Gegenteil auf rasche Eheschließung drängen muß, da es sich um zwei Personen handelt, die einander nicht mehr gefährlich sind, wohl aber, wenn sie getrennte Wege gehen, andern gefährlich werden können, da aber die Vereinigung beider auch günstige Bedingungen für Behand lung und Ausheilung schafft. Was das Attest selbst betrifft, so hat dasselbe nur sehr bedingten Wert. Es kann einmal wertlos sein, schon zur Zeit der Ausstellung, wenn der Zeugniswerber sich zur Zeit der Untersuchung im Inkubationsstadium einer kurz vorher akquirierten Geschlechtskrankheit befindet. Es kann im Augenblick der Ausstellung gültig, kurze Zeit später durch den Be sitzer entwertet werden, wenn derselbe mit dem Attest in der Tasche sich eine Geschlechtskrankheit zuzieht. Welchen Wert hat dann ein Zeugnis, welches bei oder kurz vor der Verlobung, also Wochen und Monate vor der Verehelichung, vorgelegt wird? Wenn von unserer Seite wiederholt die Frage des Ehekonsens besprochen wurde, geschah es stets in dem Sinne, daß kein Geschlechtskranker früher ehelichen solle, bis ihm nicht sein Arzt. der Form, Verlauf. Alter der Krankheit, Behandlung kennt, den Ehekonsens erteilte. Ein fremder Arzt, der nur auf die Angaben dPs 5 Kranken angewiesen ist, ist nicht in der Lage, ein solches Zeugnis aus zustellen. Aber auch ein völlig negativer Befund berechtigt noch nicht zu einer unbedingten Gestattung der Ehe. Wir sind deshalb auch vorsichtig, gehen unserem Attest nie eine affirmative Fassung, sagen vielmehr, daß wir keinen Grund haben, die Eheerlaubnis zu verweigern, betonen, daß eine gewisse Gefahr, wenn auch sehr unwahrscheinlich, doch nicht unbedingt ausgeschlossen ist, daß also beide eheschließenden Teile ein gewisses Risiko haben, das sie bewußt aus freier Entschließung :md unter eigener Verantwortung auf sich nehmen müssen, wir lehnen also die alleinige Tragung der Verantwortung ab. Aber diese Sachlage setzt vor aus, daß jeder rechtlich denkende Mann, der einmal an einer Geschle~hts­ krankheit gelitten hat, seine Braut von der Sachlage unterrichtet oder besser duich einen Arzt unterrichten läßt~und sie fragt, ob sie bereit ist, mit ihm das -gewiß sehr geringe - Risiko zu tragen. Es hat also der Geschlechtskranke moralisch die Verpflichtung, sich dem anderen Ehe werber zu offenbaren. In Deutschland ist diese Offenbarungspflicht indirekt gesetzlich vorgeschrieben, indem der § 1333 BGB. bestimmt, daß ein Ehegatte die Gültigkeit der Ehe anfechten kann, wenn der andere Ehegatte persönliche Eigenschaften besitzt, "die den ersten Ehegatten bei Kenntnis der Sach· Iage und verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingebung der Ehe abgehalten haben würden" und sind wiederholt Ehen gerade aus dem Titel der V erheimlichung einer vorehelichen Geschlechtskrankheit ungültig .erklärt worden. Die Schweiz hat in den Artikeln 124, 125 des Zivil-G.-D. vom Jahre 1912 dieselben Bestimmungen aufgenommen, ge stattet aber die Einwendung der Ungültigkeit nur innerhalb fünf Jahren vom Zeitpunkt der Eheschließung. In Schweden hat auf Grund des Ge setzeR zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Yom 20. Juni 1918 der Arzt jenen Geschlechtskranken, der ungeheilt eine Ehe eingehen will, dem Pfarrer des Sprengels und dieser dem Konsistorium anzuzeigen. N orwegcn verlangt einen Austausch schriftlicher Erklärungen, daß bewußt keine Geschlechtskrankheit Yorliegt und verfolgt bewußt falsche Erklärungen strafgerichtlich. Aber die Gefahren der Einschleppung einer vorehelichen Ge schlechtskrankheit in die Ehe sind nicht so groß; Blaschko schätzt die seihen auf 3°/o. Wesentlich größer ist die Gefahr, wenn ein Teil, meist der Mann, sich während der Ehe infiziert und dies ist um so bedeutungs volle!·, als durch den Krieg eine Zunahme dieser Infektion festzustellen ist. Unter 100 rezent geschlechtskranken Männern gab es vor dem Kriege an unserer Klinik 12, nach dem Krieg 27 bis 35 verheiratete; von den Ehefrauen vor dem Kriege 7, nach dem Krieg 23. Diese Erkrankung des ::\1annes hat fast stets eine Infektion der Frau zur Folge, die um so be deutungsvoller ist, als der Mann meist bestrebt ist, die Erkrankung der Frau als bedeutungslos hinzustellen, sie verhindert, zum Arzt zu gehen, sich ordentlich zu behandeln. Die Erkrankung der Mutter wird dann auf 6 bereits vorhandene gesunde Kinder, sowie kongenital auf die späteren Kinder übertragen. Ist nun der Mann allein krank, dann heißt es, ihn energisch be handeln und den ehelichen Verkehr ,-erbieten. Doch die Frau ist meist schon infiziert, ehe der Mann zum Arzt kommt. In 32 von M. M ö 11 er zusammengestellten Fällen war dies in 23 Fällen erfolgt. Was für eigentümliche Verhältnisse sich daraus ergeben können, zeigt der folgende Fall eigener Beobachtung. Am 16. April 1920 besuchte mich Herr A. B., Kaufmann, verheiratet, wegen einer Affektion an der Glans penis, die sich als typische linsengroße erodierte Sklerose darstellte. Außerehelicher Verkehr vor 23 Tagen. Seitheriger ehelicher Verkehr wird geleugnet, die Frau habe vor kurzem entbunden. Antiluetische Kur, zwölf Injektionen von Hg salycilicum, fünf Neo salvarsaninjektionen (3,30) bringen rasch Heilung. WaR. vor und während der Kur, nach der ersten, zweiten Salvarsaninjektion und am Schluß negativ. Patient wird am 22. Mai mit der strengen Weisung, Geschlechtsverkehr mit der Frau zu meiden, entlassen und angewiesen, in längstens sechs Wochen zu einer zweiten Kur zu erscheinen. Patient kommt erst am 17. Juli mit der Befürchtung ein Rezidiv von seiner Infektion zu haben. Die Untersuchung ergibt einen neuerlichen typischen frischen Initialaffekt an der Haut des Penis. Meine Anschuldigung, sich neuerlich außerehelich infiziert zu haben, weist Patient zurück, gibt zu, trotz des Verbotes wiederholt mit seiner Frau verkehrt zu haben, diese habe seit einigen Tagen Warzen am Genitale. Untersuchung der Frau ergibt eine etwa drei Monate alte Lues, verwaschene Roseola, luxurierende Papeln am Genitale. Patient gibt erst jetzt zu, einen Tag vor seinem ersten Besuch bei mir im April mit seiner Frau verkehrt zu haben, hat sie also damals infiziert, sich nun von ihr reinfiziert. Trotz aller Vertuschungsversuche erfahren die Eltern der Frau vo~ der Erkran· kung ihrer Tochter, beschuldigen den Schwiegersohn der Infektion und verlangen, als dieser leugnet, eine Untersuchung der Ehepaare durch Kollegen Volk. Dieser findet bei der Frau ältere sekundäre Lues, beim Manne frischen Initialaffekt und erklärt, der Mann sei von seiner Frau infiziert worden. Tableau I Die Angelegen heit fand - da der Mann schwieg und die Beschuldigung, ihn infiziert zu haben, auf der Frau ruhig sitzen ließ - ihren befriedigenden Ausgang in folgendem: Die Frau hatte Ende Februar 1920 entbunden und nach der Entbindung eine Gebärmuttersenkung davongetragen, gegen die ihr eine Hebamme ein Pessar nicht nur anriet, sondern auch ein gebrauchtes und, wie sie versicherte, gut gereinigtes Pessar verkaufte. Die ganz akademisch gestellte Frage, ob eine Syphilisübertragung möglich sei, mußte ich bejahen und so wurde das Pessar zun1 Sündenbock! Jedenfalls ergibt sich aus dem Falle der Schluß, daß der Arzt, der die Lues des Mannes feststellt, darauf dringen muß, daß auch die Frau, falls in den letzten Wochen ein Verkehr der Eheleute stattfand, untersucht und behandelt werde. Ist die Infektion beim Manne frisch und hat der letzte eheliche Verkehr erst vor wenigen Tagen statt gefunden, dann ist bei der Frau ein positiver klinischer Befund nicht zu erwarten, wie ja überhaupt der Nachweis des Primäraffektes bei Frauen auf ein Hindernis stößt. Nachdem Dora Fuchs nachwies, daß Frauen, die mit luetischen Männcrn Verkehr hatten, oft (von 21 Fällen 16mal) im Zerrikalsekret Spirochaeta pallida nachweisen lassen, wäre die Unter- 7 suchung des Zervikalsekretes in keinem Falle zu unterlassen. Der posi tivC" Spirochätenbefund würde eine sofortige Behandlung, Abortivkur, indizieren. Wenn der Befund negativ ist, wurde von Stühmer und von Taege die Einleitung einer propliylaktischen Salvarsankur verlangt, ein Verlangen, das allerdings von der Mehrzahl der Autoren abgelehnt wurde. Es ist auch die Frage, ob eine bald nach der Infektion, vor Auftreten des Initialaffektes eingeleitete Salvarsanbehandlung den Ausbruch der Syphilis zu verhindern, also prophylaktisch zu wirken vermöge, z'veifel haft und nach Erfahrungen an Patienten, die sich während einer Salvarsankur infizierten, unwahrscheinlich. Ist eine Erkrankung beider Ehegatten festgestellt, dann sind beide energischer antiluetischer Kur, wohl am besten Salvarsan-Maleriakur, zu unterziehen und für (lie nächste Zeit eine Schwangerschaft zu verbieten. Tritt nun trotzdem Gravidität ein, stehen wir also dem Falle rezente Lues der Frau und Gravidität gegenüber, so können hier verschiedene Er wägungen bezüglich unseres Vorgehans am Platze sein. Zunächst die Frage, wie haben wir uns der Gravidität gegenüber zu verhalten? Es hat sich leider in unserer Zeit, die es mit dem Einleiten eines Abortus leicht nimmt, in die Indikationen für die Einleitung desselben auch die Lues der Mutter eingeschlichen mit der Begründung, daß ja ein gesundes Kind nicht zu erwarten sei, und diese Indikation ist heutzutage manchem Ehepaar recht willkommen. Diese Indikation und deren Be gründung ist falsch, ein auf dieser Basis eingeleiteter Abortus wäre ein krimineller. Diese Situation kennt nur ·eine Indikation, die energische Be handlung der graviden Frau. Ich pflege in diesen Fällen zwei Behand lungen, eine in den ersten Monaten, die zweite um den sechsten, siebenten Monat der Gravidität, jede aus 4,0 bis 5,0 Neosalvarsan bestehend einzu leiten. Auch Malariasalvarsanbehandlung wird von Graviden gut ver tragen, und gelingt es in diesen Fällen fast ausnahmslos, die Frau zum Austragen des Kindes und Geburt eines reifen und anscheinend gesunden Kindes zu bringen, das auch seronegativ ist. Die zweite Erwägung bezieht sich nun auf die Art der Ernährung dieses Kindes. Bezüglich ,les Kindes gibt es zwei Möglichkeiten: Es ist gesund, nicht syphilitisch, oder es scheint nur so, erkrankt im weiteren Verlaufe doch an Erscheinungen, die wohl nicht schwerwiegend, aber doch kontagiös sind. Ist das Kind gesund, dann könnte es durch die l\lilch der kranken Mutter infiziert, darf also von dieser nicht genährt werden. Aber auch einer Amme darf man das Kind nicht anlegen, da es, falls krank, die Amme infizieren könnte, noch ehe die infektiösen Erscheinungen klinisch irgendwie manifest wurden. Es kommt also für die Kinder nur künstliche Ernährung in Frage. Endlich ist noch zu betonen, daß, falls der Mann in die Ehe Syphilis einschleppt, wenn schon Familie da ist, nicht nur die Mutter, sondern alle Kinder klinisch und serologisch zu untersuchen und zu beobachten sind, da eine solche Einschleppung nicht selten Ausgangspunkt einer Familien endemie wird. Manz'sche Buchdruckerei, Wien IX

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