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Feministische Demokratietheorie: Thesen zu einem Projekt PDF

217 Pages·1998·3.799 MB·German
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Barbara Holland-Cunz Feministische Demokratietheorie Barbara Holland-Cunz Feministische Demokratietheorie Thesen zu einem Projekt Leske + Budrich, Opladen 1998 Gedruckt auf säurefreiem und aItersbeständigem Papier. ISBN 978-3-8100-1991-2 ISBN 978-3-322-93294-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93294-5 © 1998 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Vorwort ............................................................................... 7 1. Einleitung: Normalisierungen des Feminismus ... 9 2. Metatheoretische Prämissen: Der Sinn der politischen Theorie ........................ .. 19 2.1 Der feministische Diskurs - eine Metatheoriegeschichte ..................................... . 19 2.2 Der aktuelle Diskurs des male stream - ein vergleichender Blick .......................................... . 39 2.3 Die notwendige Erneuerung des politiktheoretischen Diskurses ................................ . 50 3. Anthropologische Prämissen: Bilder des Menschen in feministischer Perspektive .............................................................. 57 3.l Aporien einer Philosophie der Geburt .................... .. 57 3.2 Möglichkeiten einer Anthropologie der Bindung .. .. 65 3.3 Kontingenzen der Natur und gutes Leben .............. .. 72 4. Konturen einer feministischen politischen Theorie der Demokratie ....................................... . 79 4.1 Die politiktheoretischen Prämissen und die folgenden Aufgaben ................................................ . 79 4.2 Die disparaten feministischen Quellen und Bilder zur Demokratie ........................................................ . 83 5 4.3 Die demokratietheoretischen Antworten des zeitgenössischen male stream .................................. . 111 4.3.1 Direkte Demokratie ................................................. . 115 4.3.2 Partizipatorische Demokratie .................................. . 139 4.3.3 Radikale und diskursive Demokratie ...................... . 157 4.3.4 Globale Demokratie ................................................ . 174 5. Resümee: Gender Gap in der Demokratie .......... . 181 Anmerkungen ...................................................................... 197 Literatur .............................................................................. 209 6 Vorwort Die ersten Überlegungen zu diesem Text entstanden bereits im Wintersemester 1994/95, als ich noch am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin gearbeitet habe. Die wissenschaftlich äu ßerst anregende Atmosphäre und die stets spannenden Seminardis kussionen, für die ich mich noch einmal herzlich bedanken möch te, bilden den impliziten Grundstein meiner demokratietheoreti schen Überlegungen. Die äußeren Begleitumstände des Schreibens waren dagegen leider nicht durchgängig erfreulich. Ich möchte deshalb ganz be sonders denjenigen danken, die sich die Zeit genommen haben, den Großteil des Manuskripts in einer frühen Phase gründlich zu lesen und positiv zu kommentieren: Christine Bauhardt, Tanja Berg, Karin Meißenburg und Uta Ruppert. Ein ganz herzliches Dankeschön für Unterstützung, Ermutigung, solidarische Rat schläge und ungezählte Telefoneinheiten Geduld! Besonderer Dank geht an Christine Bauhardt, die sich professionell mit dem Manuskript befaßte. Die Zusammenarbeit hat, trotz der Umstände, Freude gemacht. Ein Dankeschön ebenfalls an Josef Esser für sei ne aufmunternde Beratung aus der US-amerikanischen Ferne. Gleichfalls Ermutigung und Unterstützung sowie wichtige inhaltliche Anregungen verdanke ich einmal mehr meiner langjäh rigen Theoriearbeitsgruppe: Lieben Dank an Michela Betta, Ursula Hornung und Christi ne Kruse. Auch Erich Weiß stand mit Rat und Tat, mit Trost, Aufmunterung und großer Geduld unermüdlich zur Seite: Merci! Siegrid Wieczorek hat schnell und zuverlässig Literatur re cherchiert, die auf unterschiedliche Weise in diesen Text oder sei ne Vorfassungen und -überlegungen eingegangen ist. Herzlichen Dank dafür. Ein herzliches Dankeschön ebenfalls an Andrea 7 Herrmann, die als Computerfachfrau dem Manuskript die endgül tige Form gegeben hat. Die vielen, stellenweise sehr langen englischsprachigen Zita te hat Karin Meißenburg mit Professionalität und viel Sprach sen sibilität ins Deutsche übertragen. Zudem hat sie streng darüber gewacht, daß die zahlreichen englischen Begriffe, zu deren nicht übersetzter Verwendung ich neige, auch für Nichtfachfrauen und -männer zugänglich sind. Ihr ist es vor allem zu danken, wenn der Text für LaiInnen verständlicher geworden ist. Meinen herzlichen Dank für die gute Arbeit und Zusammenarbeit. Das Manuskript entstand in wesentlichen Teilen während meines ersten Forschungssemesters. Ich möchte deshalb an dieser Stelle den zuständigen Entscheidungsinstanzen der Justus-Liebig Universität, den Gießener KollegInnen und Studentinnen danken, daß sie meinem Antrag auf Forschungssemester entsprochen ha ben, obgleich ich gerade erst aus Berlin (wieder) in Hessen ange kommen war. Und schließlich danke ich Barbara Budrich für ihr verlegeri sches Vertrauen zu einem für mich sehr wichtigen Zeitpunkt. GießenlFrankfurt am Main, im Dezember 1997 Barbara Holland-Cunz 8 1. Einleitung: Normalisierungen des Feminismus Viele mächtige Schlagworte haben sich über die Jahre mit dem feministischen Projekt verbunden, doch ihre Inhalte bleiben zwei felhaft. Der Geschlechterkrieg ist allen dystopischen Ankündigun gen zum Trotz bis heute ausgeblieben. Der alltägliche Geschlech terkampj hat seine Formen modernisiert, die sexistische Banalität oder Brutalität ist ihm jedoch bis heute geblieben. Trotz des politi schen Engagements einiger interessierter Frauen wurde bislang kein neuer Geschlechtervertragi unterzeichnet und die vor allem in bündnisgrünen Zusammenhängen gerne beschworene Ge schlechterdemokratie2 bleibt wohl eine Aufgabe für das nächste Jahrtausend. Allen pathetischen Formeln und großartigen Begrif fen zum Trotz ist Feminismus hierzulande an vielen Orten "nor mal" geworden. Hausgemachte Normalität und repressiv hergestellte Norma lisierungen zeigen sich in vielfältiger Weise. Frauenpolitische An liegen sind quer durch alle im Bundestag vertretenen Parteien Teil des politischen Geschäfts geworden, finden aber eher am Rande statt und erhalten nur marginale Aufmerksamkeit von AkteurInnen und AdressatInnen. Die ökonomische Lage von Frauen hat sich seit 1989 deutlich verschlechtert, erregt aber nur wenige professio nell befaßte Gemüter. Die öffentliche Kultur hat feministische Versatzstücke und Bilder teilintegriert, sei es durch die einstmals geschmähte "Emanze" als beliebte Talkshow-Moderatorin oder in Oskar-prämierten massenkulturellen Ereignissen wie "Thelma und Louise". Selbst die Wissenschaft hat durch einige explizit frauen forschungsbezogene Professuren ausgewählte Kolleginnen in ihre Reihen zugelassen, um in allen anderen Bereichen umso ungestör ter weiter verfahren zu können wie bisher. Und schließlich: Die 9 bundesdeutsche Frauenbewegung ist müde und langweilig gewor den, angestrengt agiert sie den Ereignissen in Ost und West hinter her. Im Positiven wie im Negativen fehlt es dem feministischen Projekt derzeit an praktisch-politischer Aufregung und an politik theoretischer Schäife. Dies ist einerseits angemessen und erfreu lich, entlastet es doch die ohnehin vielbelasteten professionellen Akteurinnen von zusätzlichen Anstrengungen und dokumentiert den bereits erfolgreich durchgesetzten Stand gesellschaftlicher Modernisierungen im Geschlechterverhältnis. Im Unterschied zur feministischen Aufbruchszeit vor dreißig Jahren kann frauenpoliti sche Arbeit heute in vielen Bereichen als im doppelten Wortsinne ordentlicher Beruf ausgeübt werden. Frauenbezogene Professio nalität ist zu einer normalen Qualifikation geworden, die mit ande ren spezifischen Professionalisierungsprofilen um Aufmerksam keit, Anerkennung und Anstellung konkurriert - eine Konkurrenz, die im beruflichen Alltag sowohl bei ProtagonistInnen als auch bei AntagonistInnen nur noch selten wirkliche Aufregungen erzeugt. Sie ist zur Normalität geworden. Andererseits jedoch verbirgt sich hinter dieser positiv zu be wertenden Unaufgeregtheit ein Mangel an Aufregendem, eine po litische Unlust, verbergen sich Phantasie- und Kreativitätsverluste, die feministische Theorie und Praxis heute immanent charakteri sieren. Ein normalisierter Feminismus, ein ordentlicher Berufsfe minismus, bringt weder aus sich selbst heraus Aufregung hervor, noch müssen ihm seine GegnerInnen noch scharfe Aufmerksam keit zollen. Als rhetorische Formel, auf die immer mal wieder Be zug genommen wird, ist das feministische Anliegen normalisierter Teil der herrschenden politischen Kultur. Die Unaufgeregtheit hat also ein Doppelgesicht: Sie doku mentiert einerseits die gesellschaftlich gelungene Teilintegration als Ergebnis der institutionenbezogenen, gleichstellungsorientier ten feministischen Erfolgsstrategie und bezeichnet andererseits die Feminismus-internen Kosten dieser keineswegs immer selbst bewußt gewählten Strategie. Die Situation der feministischen Be wegung in Westdeutschland ist gekennzeichnet durch die politisch noch nicht ausreichend bearbeitete Institutionalisierungspraxis der achtziger Jahre, die sich, obgleich kontinuierlich kontrovers disku tiert, gegen alle, auch inneren Widerstände und oft jenseits bewuß ter Entscheidungen weitreichend durchgesetzt hat. Das Problem 10 der Institutionalisierung feministischer Anliegen liegt nicht in der gesamtdeutsch höchst zaghaft gewährten Institutionalisierung selbst, sondern im bewegungsinternen Festhalten am Modus der Autonomie als zentralem Merkmal "des" Feminismus bei real ver änderter professionalisierter Theorie und Praxis. Der institutiona lisierte Standpunkt erscheint im anachronistischen Licht der Auto nomie als patriarchales Gefängnis, das im Unterschied zur großen Freiheit nur die Anpassung ans Herrschende bedeuten kann. Die durchaus vorhandenen Wahlmöglichkeiten und -verantwortlichkei ten der institutionell Handelnden werden damit ebenso negiert wie die Unfreiheiten einer staatlich alimentierten Autonomie3. Auch die neuen, andersartigen Erfahrungen der ostdeutschen Frauenbe wegung haben in dieser Lesweise keinen Raum, ebenso wenig wie die politische Theorie/Praxis der nicht-weißen bundesdeutschen fe ministischen Strömungen. Unter dem Deckmantel normalisierter Realität können politi sche Positionen aber nur erstarren, sie bleiben nicht lebendig, sie richten sich jeweils in einer konstruierten, wechselseitig zuge schriebenen Wirklichkeit ein. Neben den politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Zuschreibungen, die feministische Theori en und Praxen gleichsam von "außen" durch ihre patriarchale Teil integration erfahren, existieren zahlreiche unaufgelöste bewe gungsinterne Zuschreibungen, die nicht weniger repressiv und er starrend wirken. Unbeweglichkeit der Einzelnen und Unbewegt heit des Ganzen sind die Folgen4, die offensichtlich auch nicht mit einer voluntaristischen Anstrengung wie dem FrauenStreikTag 1994 aufgehoben werden können. Nicht zufällig hat der dogmati sierende Nachbereitungsprozeß des StreikTages hin auf eine Par teigründung die gerade mühsam begonnene Öffnung zueinander zunichte gemacht. Ein großes politisches Experiment kann die wild gewachsenen Strukturen eines ganzen Jahrzehnts offensicht lich selbst dann nicht außer Kraft setzen, wenn dies dem Wunsch aller Beteiligten entspricht5. Im Unterschied zur Normalisierung des Feminismus durch gesellschaftliche Teilintegrationen zeigen sich hier die bewegungs internen Normalisierungsmuster, die aus unabgegoltenen Konflik ten und dynamischen Vermachtungsprozessen resultieren. Unbe wegtheit wird wechselseitig aufgezwungen, um den je eigenen Standpunkt nicht in einer konstruktiven Auseinandersetzung prü fen oder gar revidieren zu müssen. Erst die scharfen Kontroversen 11

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