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Fehlerwelten: Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Beiträge und Nachträge zu einem interdisziplinären Symposium aus Anlaß des 60. Geburtstags von Fritz Oser PDF

259 Pages·1999·10.402 MB·German
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Fehlerwelten Wolfgang Althof (Hrsg.) Fehlerwelten Vom Fehlerrnachen und Lernen aus Fehlern Beiträge und Nachträge zu einem interdisziplinären Symposium aus Anlaß des 60. Geburtstags von Fritz Oser Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Fehlerwelten : vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Beiträge und Nachträge zu einem interdisziplinären Symposium aus Anlaß des 60. Geburtstags von Fritz Oser.! Wolfgang Althof (Hrsg.). -Opladen : Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1999 ISBN 978-3-8100-2343-8 ISBN 978-3-663-07878-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-07878-4 © 1999 Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprUngIich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 1999 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfliltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Vorwort des Herausgebers ......................................................................... 7 Hintergrund Fritz Oser, rina Hascher und Maria Spychiger Lernen aus Fehlern. Zur Psychologie des "negativen" Wissens ................. 11 Maria Spychiger, Fritz Oser, Tina Hascher und Fabienne Mahler Entwicklung einer Fehlerkultur in der Schule ............................................ 43 Vorträge auf dem Symposium "Fehlerwelten" Brigitte Rollett Auf dem Weg zu einer Fehlerkultur. Anmerkungen zur Fehlertheorie von Fritz Oser ..................................................................... 71 Urs Haeberlin Reflexionen zur Bedeutung des heilpädagogischen Leitsatzes "Nicht gegen den Fehler, sondern für Fehlendes erziehen" ........................ 89 Franz E. Weinert Aus Fehlern lernen und Fehler vermeiden lernen ..................................... 101 Wolfgang Edelstein Aus Fehlern wird man klug. Zur Ontologie der Fehlertypen ..................... 111 Helmut Heid Autorität -Über die Verwandlung von Fehlern in Verfehlungen ............... 129 Jürgen Oelkers Perfektion und Ambition. Einige historische Fehler der pädagogischen Anthropologie .................................................................. 137 Anton A. Bucher Unfehlbar sein: Dogma oder Teufelswerk? Anmerkungen zum Fehlermachen in Theologie und Kirche ..................... 153 5 Weitere Beiträge Gerhard Glack Zeitgeist und Fehlertheorie (1921 - 1939). Meister Weimer und sein Schüler Kießling .............................................. 169 RolfDubs Unsicherheiten bei der Gestaltung der Ausbildung von Lehrkräften für die Gymnasien. Ein Beitrag zur Vermeidung möglicher bildungspolitischer Fehler ....................................................... 189 Kurt Reusser Schülerfehler - die Rückseite des Spiegels ............................................... 203 ritus Guldimann & Michael Zutavern "Das passiert uns nicht noch einmal!" Schülerinnen und Schüler lernen gemeinsam den bewußten Umgang mit Fehlern ............................. 233 Zum Ausklang Lothar Krappmann Risiko und Krise, Herausforderung und Entwicklung. Laudatio für Fritz Oser zum 60. Geburtstag ............................................. 259 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ................................................. 269 6 Vorwort Fehler haben keinen guten Ruf Wer gefehlt hat, duckt sich besser. Verfehlte Ziele bedeuten Niederlagen - egal, wie unklug die Ziele gewesen sein mö gen. Werden Fehler - oder gar Verfehlungen - offensichtlich, ist man gut beraten, nach einer akzeptablen Rechtfertigung Ausschau zu halten: etwa, man habe es nicht besser wissen können, es handele sich also um keinen eigentlichen Fehler, sondern höchstens um einen Irrtum, der Kritiker vergrei fe sich also in der Kategorie. Woody Allen versucht es mit diesem Notbehelf, als er in Shadows and Fogs es mit Vertretern einer Bürgerwehr zu tun be kommt, die ihm vorwerfen, sich bei der Verfolgung eines die Stadt in Angst und Panik versetzenden Mörders vollkommen inkompetent anzustellen. Allen (beziehungsweise der von ihm gespielte Nonkonformist) hat aber eigentlich nur versucht, sich aus der Treibjagd herauszuhalten. So ist es nur logisch, daß seine Antwort, die selbstredend bei den Bürgern auf wenig Gegenliebe stößt, lautet: "Ich weiß zu wenig, um inkompetent zu sein!" Wird die Rechtfertigung nicht akzeptiert, ist man nach einem Fehler gut beraten, sich Asche aufs Haupt zu streuen und mit einem "mea culpa, mea maxima culpa" zu versichern, es beim nächsten Mal besser zu machen. Feh ler bedeuten Versagen: geistiges oder charakterliches, und zu häufiges Ver sagen wird bestraft: durch schlechtes Zeugnis, in der Schule wie im Beruf oder in Beziehungen oder im öffentlichen Leben. Daß es dabei Leute gibt, die aufgrund von Macht oder Chuzpe mit all ihren Fehlern durchkommen, bes sert den Ruf des Fehlers durchaus nicht. Vielleicht jedoch ist damit noch nicht alles gesagt. Vielleicht sollte es - z.B. in der Erziehung - nicht nur darum gehen, Fehler vermeiden zu lernen. Zunächst einmal: Fehler gehören zum Leben. Wo immer wir etwas Neues lernen müssen, und geht es auch nur um die Suche nach den besten Früh stücksbrötchen am Urlaubsort, sind Fehler gar nicht zu vermeiden. Niemand verdient, bei jedem Fehler, jedem Versagen ohne Ansehen der genauen Um stände automatisch Schimpf und Schande erleiden zu müssen. Zudem: Fehler sind aufschlußreich. Die erste Zuschreibung von Schuld (bzw. die erste Ursachenattribution) greift oft zu kurz und führt damit in die Irre. Kleinkinder, die den "Fehler" begehen, in die Steckdose zu greifen, machen darauf aufmerksam, daß die Wohnung nicht kindersicher ist. Wo im technischen Bereich zunächst menschliches Versagen vermutet wird, steckt der Fehler oft im System. Eine "Verfehlung" in den Augen der Öffentlichkeit mag für die betreffende Person gleichgültig oder gar im Interesse der Auf rechterhaltung persönlicher Integrität geboten sein: dann nämlich, wenn sie gegen eine soziale Konvention - die Vorschriften des sogenannten guten Geschmacks; die Erwartungen bezüglich ehrbarer oder anrüchiger Formen 7 partnerschaftlichen Zusammenlebens - verstößt, die sie als verstaubt oder repressiv erlebt. Nur Gesellschaften, die - im Sinne von Habermas - ein Quantum an zivilem Ungehorsam aushalten und zur Überprüfung von Tradi tionen heranziehen, erweisen sich als entwicklungsfahig. Es gibt Fehler, die unbedingt vermieden werden müssen, weil sie irrever sible Schäden nach sich ziehen. Andere Fehler können lernträchtig sein - nicht nur fiir Systeme, sondern zuerst und vor allem fiir die handelnden Indi viduen. Sie können eine geradezu unersetzliche Erfahrung darstellen: Der Nachvollzug des Falschen ermöglicht das Lernen des Richtigen. Das jedoch bedeutet, daß nur aus Fehlern lernen kann, wer die Chance bekommt, in der Rückschau nachzuvollziehen, worin eigentlich der Fehler besteht und wie es zu ihm kam. In diesem Sinne lernen nur diejenigen, Fehler zu vermeiden, denen erlaubt wird, auch Fehler zu begehen. Aus Anlaß des 60. Geburtstages von Fritz Oser, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Universität Freiburg / Fribourg (Schweiz), fand im Oktober 1997 ein Symposium statt, das unter dem programmatischen Titel Fehlerwelten eine Expedition in die Welten des Fehlermachens und des Lernens aus Fehlern unternahm: in die unterschiedli chen Urteilssphären, in denen die Beurteilung eines Verhaltens nach "richtig" und "falsch" sehr unterschiedlichen Kriterien - der Wahrheit, der morali schen Richtigkeit, der künstlerischen Perfektion - folgt; in die Welten, die sich eröffnen, wenn man die Bedingungen und Chancen des Fehlerlernes genauer untersucht. Die Referentinnen und Referenten waren eingeladen, diesen Fragen aus der Perspektive ihres jeweiligen Faches nachzugehen und dabei auch mutige, prononcierte, herausfordernde Standpunkte zu beziehen. Im Zentrum des vorliegenden Bandes steht eine Auswahl dieser Beiträge. Während das Symposium bewußt interdisziplinär angelegt war, wird hier das Thema pädagogisch-psychologisch akzentuiert - mit Ausnahme eines provo kanten theologischen Artikels, auf den einfach nicht verzichtet werden sollte. Diese Aufsätze haben nicht mehr die ursprüngliche Vortragsform; sie stellen aber nach wie vor Essays dar. Die seit dem Symposium vergangene Zeit wurde genutzt, zusätzliche pädagogische und psychologische Stellungnahmen zum Fehlermachen und Fehlerlernen und zur Forschung in diesem Bereich einzuholen. Nachdem sich viele Symposiumsbeiträge auf eine von Fritz Oser vorge schlagene Theorie des "Wissens um das Negative" (oder kurz: "negatives Wissen") und ein von ihm initiiertes und geleitetes Forschungsprojekt (in dem das Lernen in schulischen Kontexten und in der Lebensgeschichte von Menschen im Mittelpunkt steht) bezogen, lag es nahe, Fritz Oser und seine Mitarbeiterinnen in diesem Projekt - Maria Spychiger, Tina Hascher und 8 Fabienne Mahler - zu bitten, Theorie und Forschung ausführlicher vorzu stellen. Zwei Aufsätze dieser Gruppe legen die Grundlagen und bilden den ersten Teil dieses Buches. Der mittlere Teil besteht aus den eigentlichen Symposiumsbeiträgen. Brigitte Rollett geht den psychologischen Grundlagen des Lernens aus Feh lern nach und stellt Osers Fehlertheorie in den Kontext von Vorstellungen über eine fehlerfreundliche Schulumwelt. Urs Haeberlin gibt einen histori schen Abriß von Ansätzen zur "Heilung von Kinderfehlern", die heutigem heilpädagogischen Denken diametral widersprechen, und betrachtet aus die ser Perspektive das von Oser und Mitarbeiterinnen vertretene Konzept einer "Fehlerkultur". Die folgenden drei Beiträge verhelfen vor allem zu einer differenzierten Betrachtung unseres Gegenstands. Franz E. Weinert hebt Fehler genauer von Irrtümern ab und beleuchtet die Janusköpfigkeit von Fehlern im schulischen Bereich - als Lernchancen und Lernbarrieren. Wolfgang Edelstein spielt die Unterschiedlichkeit von Kriteriensätzen zur Beurteilung menschlichen Ver haltens - der verschiedenen Fehlerwelten - durch und vergleicht insbesonde re Verstöße gegen Konventionen mit moralischem Versagen. Sein Text ent hält nebenbei eine psychologisch außerordentlich plausible Argumentation für die (bzw. eine) Rechtschreibreform der deutschen Sprache. Helmut Heid beschäftigt sich mit den logischen Implikationen von Normen (gegen die zu verstoßen eben als Fehler betrachtet wird) und diskutiert Autorität als Defni tions-und Sanktionsmacht in bezug auf Normen. Die anschließenden beiden Beiträge thematisieren die Frage, wie Fehler haftigkeit zu beurteilen sei, auf einer fundamentalen, sozusagen ideologi schen Ebene. Jürgen Oelkers berichtet und analysiert historische Auseinan dersetzungen über das pädagogische Ziel der Perfektion, der Fehlerfreiheit, wie es speziell Rousseau vertreten hat. Anton A. Bucher, selbst Professor an einer katholisch-theologischen Fakultät, beschäftigt sich kritisch mit dem päpstlichen Unfehlbarkeitsanspruch und, wie Oelkers, mit dem pädagogi schen Ideal, Menschen zu erziehen, die ohne Fehl sein sollen. Die "Nachträge" zum Symposium bieten Vertiefungen in verschiedener Hinsicht. In einigen der vorstehenden Beiträge war Hermann Weimer er wähnt worden, in den 20er und 30er Jahren Begründer einer pädagogischen, wissenschaftlich betriebenen Fehlertheorie. Gerhard Glück analysiert Wei mers Werk - und mahnt zur Vorsicht: Der "Klassiker" der Fehlertheorie, die sich heute im reformpädagogischen Sinn "vom Kinde aus" definiert, war nationalsozialistischem Gedankengut alles andere als abhold. Der Text von Rolf Dubs hat nicht individuelles Lernen, sondern die Bildungspolitik im Visier. Dubs' Diskussion über Vor- und Nachteile möglicher Orte und For men der Ausbildung von gymnasialen Lehrkräften in der Schweiz erlaubt 9 Aufschlüsse auch hinsichtlich angemessener Kriterien bei größeren bildungs politischen Projekten in anderen Bereichen und anderen Ländern. Die beiden folgenden Aufsätze sind ebenso forschungsintensiv wie span nend zu lesen. Kurt Reusser zeigt an vielen Beispielen, wie die übliche schu lische Sozialisation die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern als Pro blemlöser verbiegt. Seine "Folgerungen fur eine lernförderliche Fehlerkultur im Unterricht" werden von ritus Guldimann und Michael Zutavem in sehr handfeste (Forschungs-)Praxis umgesetzt: Nachdenken über das eigene Ler nen (und dabei natürlich über gemachte Fehler) und Lernen im Dialog von Schulkameraden erweisen sich als hochgradig fruchtbar. Das Buch wird abgerundet durch die Laudatio, die Lothar Krappmann fur Fritz Oser an einem in das Symposium integrierten Festakt gehalten hat. Die Rede gibt einen Einblick in Leben und Werk des Geehrten, der die Lern trächtigkeit von Schwierigkeiten, Fehlern und auch Scheitern zu einem Le bensprinzip gemacht hat. Die Edition des vorliegendes Bandes war meine - freigewählte - Aufga be. Da es jedoch auch, bei allen Erweiterungen, immer noch das Buch zu "unserem" Symposium ist, soll nicht versäumt werden, den Kolleginnen und Kollegen Dank abzustatten, die dieses Symposium, den offiziellen Festakt und die Geburtstagsfeier fur Fritz Oser gelingen ließen. Stellvertretend fur alle anderen sei besonders Verena Kovatsch und Franz Baeriswyl herzlich gedankt. Wolfg ang Althof Fribourg, im Sommer 1999 10

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