Einführung in die physikalischen Grundlagen der Rundfunktechnik Von Dr. Otto Franke Wien Mit 167 Textabbildungen Springer-Verlag Wien GmbH 1937 ISBN 978-3-7091-5885-2 ISBN 978-3-7091-5935-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-7091-5935-4 Alle Rechte, insbesondere das dcr Ubersctztmg in fremde Sprachen, vorbehalten Copyright 1937 Springer-Verlag Wien Ursprünglich erschienen bei Julius Springer in Venna 1937 Vorwort. Das vorliegende Werk soll das sein, was sein Titel andeutet: eine Einführung in die physikalischen Grundlagen der Rundfunk technik, wobei der Nachdruck auf die Worte "physikalische Grundlagen" zu legen ist. Sein Ziel ist einzig und allein, jene physikalischen Gesetze zu behandeln, die der modernen Rund funktechnik zugrunde liegen; keineswegs ist beabsichtigt, ein aus führliches Werk über die gesamt-e Hochfrequenztechnik zu bringen. Das Buch ist aus Vorträgen entstanden, die der Verfasser vor einer Hörerschaft von Physikern und Elektrotechnikern gehalten hat und die den Zweck verfolgten, den Hörern einen Überblick über die Physik des Rundfunks zu geben und jene Kenntnisse auf dem Gebiet der Hochfrequenztechnik zu vermitteln, die heute auch der Nichtfachmann, wenn auch Physiker oder Elektro techniker, nicht entbehren kann. Denn gerade die Grundelemente der Rundfunktechnik, der Schwingungskreis, die Elektronenröhre, die elektrische Welle sind für jeden Elektrotechniker und be sonders für den Meßtechniker von der größten Bedeutung, da sie heute in allen Zweigen der Elektrotechnik steigend Verwendung finden. Diese Vorträge waren von Versuchen begleitet, durch die angestrebt wurde, die besprochenen Gesetze besonders zu ver deutlichen und die Übereinstimmung mit. der Erfahrung zu be weisen. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich jedoch ent schlossen, auf eine Schilderung dieser Versuche zu verzichten, nicht nur um den Umfang der Arbeit nicht allzusehr anwachsen zu lassen, sondern auch aus der Überzeugung, daß die Beschreibung eines Versuches nur ein schlechter Ersatz dieses selbst ist und kaum überzeugender wirkt als die mathematische Entwicklung. Da es sich um ein Werk über die physikalischen Grundlagen handelt, habe ich absichtlich, und manchmal schweren Herzens, darauf verzichtet, in Einzelheiten einzugehen, die in das Gebiet IV Vorwort. der Technik gehören; dem widerspricht nicht die Tatsache, daß das letzte Kapitel die praktische Anwendung der in den vorher gehenden Kapiteln behandelten Elemente zum Gegenstand hat. Auch hier ist immer nur der Aufbau des grundlegenden Schemas besprochen, aus dem der Techniker erst das Gerät zu gestalten hat. Da es sich um eine Einführung handelt, mußte auch auf dem eigentlichen Stoffgebiet des Werkes die strengste Beschränkung auf das unbedingt Notwendige stattfinden und vieles wegbleiben, das für jeden, der sich eingehender mit der Hochfrequenztechnik befassen will, unentbehrlich ist, das jedoch den Anfänger nur verwirren würde. Dem ersten stehen aber eine Reihe ausge zeichneter ausführlicher Werke zur Verfügung, für deren Studium das vorliegende Buch vielleicht eine Vorbereitung sein könnte. Dem Charakter einer Einführung entspricht es nach der Ansicht des Verfassers auch, daß die mathematischen Entwicklungen fast überall breit und vollständig gegeben sind, um dem Anfänger das lästige fortwährende Nachschlagen in anderen Werken zu er sparen. Es wurde aus diesem Grunde auf manches verzichtet, das bei etwas geringerer Breite der Entwicklungen noch leicht hätte Platz finden können. Nicht verzichten konnte und wollte der Verfasser auf die mathematische Behandlung der besprochenen Probleme, nur sie allein ermöglicht ein wirkliches Verständnis und die Einsicht in den quantitativen Verlauf der Erscheinungen, die eine praktische Verwertung erst möglich macht. Als ehemaliger Hörer und Assistent an der Wiener Technischen Hochschule möchte ich noch der schönen Vorlesungen über "Elektrische Schwingungen und Wellen" gedenken, die ich vor nahezu einem Vierteljahrhundert bei Max Reithoffer gehört habe; sie vermittelten mir jene Grundlagen, die es mir ermög lichten, die seitherige ungeahnte Entwicklung der Hochfrequenz technik mit Verständnis zu verfolgen; sie sind es, die durch ihre un übertrefflich lebendige Art des Vortrages in mir das lebhafteste und nie mehr auszulöschende Interesse an dem Gegenstand wach gerufen haben. Ich widme dieses Werk dem Gedächtnis des leider so früh dahingeschiedenen Gruppenleiters des Eichdienstes Österreichs, des w. Hofr. Dr. Gottfried Dimmer; Hofrat Dimmer hat sich nicht nur um das Zustandekommen der dem Buche zugrunde liegenden Vorträge die größten Verdienste erworben, sondern Vorwort. V diese selbst auch mit der vollsten Aufmerksamkeit verfolgt; das Andenken dieses ehrlichen Dieners der Wissenschaft und wahrhaft großherzigen und gütigen Mannes auch in diesem Zusammenhange zu ehren ist mir nicht nur Pflicht, sondern wahres Herzens bedürfnis. Meinem lieben Kollegen und Freund, Ing. Hermann Reiter, habe ich für seine wertvolle Mithilfe bei der Korrektur zu danken; Herrn Kollegen Dr. E. Brückner für viele Anregungen und für seine Mithilfe bei den Experimenten. Wien, im November 1936. Otto Franke. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. Seite Die Grundgleichungen der Maxwellschen Theorie 1 Erstes Kapitel. Elektrische Schwingungen. 1. Der Thomsonsche Schwingungskreis ............. 19 1. Die freie, gedämpfte elektrische Schwingung......... 19 2. Die ungedämpfte, freie Schwingung................. 29 3. Die aufgezwungene Schwingung .................... 31 11. Dip Resonanzerscheinungen ... .. .. . .. . . . . . . ... . .. 36 1. Spannungsrpsonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 36 2. Stromresonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 111. Gekoppelte Schwingungskreise .. . . . ... . . . . .... ... 44 1. Begriff und Arten der Kopplung.. . . . . . . . . . . . . . . . .. 44 2. Aufgezwtmgene Schwingungen bei induktiwr Kopplung 45 3. Freie Kopphmgsschwingungen bei induktiver Kopplung 52 IV. Überlagerung von Schwingungen................. 57 1. Überlagel'lmg von Schwingtmgen verRchipdenpr Frequpnz 57 2. Schwebungen..................................... 60 3. Modulierte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (j I Zweites Kapitel. Elektronenröhren. I. Glühelektrizität .................................. 62 1. Die Elektronentheorie der Metallp .................. 62 2. Die Formel von Dushman ...... ... . . ... . . . ... . ... 64 11. Röhren ohne Gitter (Dioden) . .... . . . .... . ... . .... 69 1. Die Vorgänge in der gitterlosen Röhre.. . . . . . . . . . . .. 69 2. Die Langmuir-Parabel ........................... 71 3. Wärmewirtschaft der Elektronenröhrp . . . . . . . . . . . . . .. 72 4. Indirekt geheizte Röhren .......................... 76 5. Dioden aIR Gleichrichter........................... 77 111. Röhren mit Gittern............ . . . ... . . ... ... . . ... 78 1. Theorie der Eingitterröhre ......................... 78 2. Kennlinien und charakteristische Größen............ 80 3. Der Gitterstrom................................... 83 4. Röhren mit mehreren Gittern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83 IV. VerRtärkerröhren ................................. 84 1. Die Eingitterröhre als Verstärkprröhrc. . . . . . . . . . . . . .. 84 Inhaltsverzeichnis. VII Seite 2. Leistungsabgabe der Röhre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8(i 3. Doppelgitterröhren als Verstärkerröhren . . . . . . . . . . . .. 87 V. Rückkopplung.................................... 90 I. Dämpftmgsverminderung durch Rückkopplung . . . . . .. 90 2. Die Barkhausensche Rückkopplungsformel . . . . . . . .. 92 3. Leistung und Wirkungsgrad......... . . . . . . . . . . . . . .. 93 VI. Röhrengeneratoren ............................... 94 I. Schwingungserzeugung durch Röhrengeneratoren ..... 94 2. Rückkopplungsschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 2. Die Huth.Kühn.Schaltung ........................ 107 4. Der piezoelektrische Effekt und seine Anwendung . . .. 108 VII. Das Audion ....................................... 115 1. Einfluß eines Widerstandes im Gitterkreis ......... " 115 2. Theorie und Schaltung des Audion ................. 116 3. Demodulation durch das Audion. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118 Drittes Kapitel. Elektrisehe Wellen. I. Drahtwellen ....................................... 121 l. Der Thomsonsche SchwingungHkreiH ............... 121 2. Die Lecherschen Drähte; dip Telegraphengleichung .. 122 3. Dip D'Alem bertHche Lösung der Well(>ngleichung .. 124 4. Drähte von pndlicher Längc; die Randbedingungen .. 132 5. Die Dan. Bprnoullische Lösung dp!, Wellengleichung 136 ü. Die Randbedingungen bei der BernoulliHcllCn Löstmg 138 11. Die stabförmigl' Antenne ......................... 143 1. Cbergang von den Lecherschen Drähten .......... 143 2. Die Grundgleichungen der Ma xwellschen Theorie in krummlinigen axial·symmetrischen Koordinaten ..... 145 3. Elliptisch.hyperbolische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . .. 149 4. Die Schwingungen der stabförmigen Antenne ....... 151 5. Das elektromagnetische Feld im Raume ............ 153 6. Die Grenzbedingungen ............................ 156 6. Die Gleichung der Kraftlinien ..................... 160 8. Nochmals die Schwingungen dps stabförmigC'll LeiterH 162 9. Die elektromagnetische EnergieHtrahlung............ 162 10. Die geerdete Antenne.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169 11. Abstimmung der ungecrdetcn oder geerdeten Antenne 170 IH. Die Dipolantenne ................................. 173 1. Die allgemeinen (l'etardierten) Potentiale ............ 173 2. Der schwingende Dipol .......................... " 179 3. Die StrahlungHfläehe der Dipolantenne. . . . . . . . . . . . .. 186 IV. Die elektromagnctiHehen Wellen im Raump ...... 188 1. Die allgemeim' Wellpngleiehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 188 2. Interferenz ....................................... 190 3. Richtstrahler ..................................... 191 4. Einfluß der Erdkrümmung ......................... 191) VIII Inhaltsverzeichnis. Seite 5. Einfluß des Erdwiderstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 198 6. Die Heaviside-Kenelly-Schicht .................. 200 7. Zusammenfasstmg und Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . .. 202 V. Der Empfang elektromagnetif-lcher Wellen ....... 203 1. Die Arten der Empfangsantennen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 2. Die Itahmenantenne ............................... 204 3. Die Hochantenne .................................. 205 4. Energiebilanz der abgestimmten Hochantenne ....... 206 5. Die entdämpfte Antenne ........................... 210 Viertes Kapitel. Wellentelegraphie und -telephonie. I. Historische Systeme der Wellentelegraphie 212 1. Historische Bemerkungen .......................... 212 2. Das System Marconi ............................. 213 3. Das System Braun-Slaby ........................ 215 4. Die W iensche Löschfunkenstrecke und da" System der tönenden Funken ................................. 21 Ö H. Telegraphie mit ungedämpften Wellen ........... 218 1. Erzeugung der ungedämpften Wellen ................ 218 2. Empfang ungedämpfter Wellen mit Tikker .......... 218 3. Der Überlagerungsempfang ......................... 219 4. Die Sendung ungedämpfter Wellen ................. 221 III. Wellentelephonie, Prinzip und Schaltung ....... 222 1. Prinzip der Wellentelephonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222 2. Erzeugtmg und Ver"tärkung dpr Hochfrequenz ....... 225 3. Allgemeines über Modulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 227 4. Gittermodulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 227 5. Anodenmodulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 230 6. Beispiel eines Großsenders ......................... 233 IV. Wellentelephonie; Empfang ...................... 238 1. Allgemeine Bemerkungen........................... 238 2. Detektorempfänger ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 238 3. Geradeausempfänger ............................... 239 4. Überlagerungsempfänger ........................... 245 5. Moderne Itöhren und ihre Anwendung zur selbsttätigen Fadingregulierung tmd im t'berlagerungsl'mpfänger . .. 252 ß. Kopfhörer und Lautsprecher ....................... 251i V. Probleme des Itundfunks ......................... 21i0 1. Die Wellenverteilung .............................. 260 2. Der Kurzwellenbereich ............................. 261 3. Gleichwellenrundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 261 Anhang. I. Die Grundgleiclnmgen der Maxwellschen Theorie ...... 262 11. Zusammenstellung der benützten Vektorformcln ........ 262 N am e n - und S ach ver z e ich n i s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 265 Einleitung. Die Rundfunktechnik, das jüngste Teilgebiet der Elektro technik, ist ein Kind, das zwar noch im vorigen Jahrhundert ge boren wurde, dessen Entwicklung aber hauptsächlich erst in den beiden letzten Jahrzehnten erfolgte; wenn wir diesen Vergleich fort setzen wollen, so können wir sagen: ein Kind, das die Maxwell sehe Theorie der Elektrizität zum Vater und die moderne Elek tronentheorie zur Mutter hat; ein Kind, als dessen Geburtsstunde der denkwürdige Tag bezeichnet werden muß, an dem es Heinrich Hertz zum ersten Male gelang, elektrische Wellen zu erzeugen und die von der Maxwellschen Theorie geforderte endliche Aus breitungsgeschwindigkeit dieser Wellen nachweisen. Auf keinem andern Gebiet der gesamten Technik zeigt sich so deutlich die Notwendigkeit und Fruchtbarkeit des Zusammen wirkens des theoretischen Physikers, des Experimentalphysikers und des konstruierenden Technikers. Der theoretische Physiker - Maxwell-ruft auf Grund seiner theoretischen Vorstellungen und Berechnungen dem Experimentalphysiker zu: Wenn du an irgendeiner Stelle eine elektromagnetische Störung erzeugst, so breitet sich diese im Raume aus, und zwar mit einer endlichen, wenn auch sehr großen Geschwindigkeit, nämlich mit der des Lichtes! Der Experimentalphysiker - Hertz - sucht nun Mittel und Wege, solche elektromagnetische Störungen zu erzeugen, ihre Ausbreitung nachzuweisen und ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit zu messen. Der Techniker - Marconi, dann Braun, Slaby usw. - gibt diesen Experimenten jene Form, die die technische Ver wertung zu wirtschaftlichen Zwecken - Endzweck aller Technik ist Wirtschaft! - ermöglicht. Verfolgen wir einen Augenblick den hier in Schlagworten an gedeuteten Entwicklungsgang etwas näher. Der theoretische Physiker ruft dem Experimentalphysiker zu ... Dies geschieht natürlich in seiner Sprache, die ja auch die des andern ist und die Franke, Rundfunktechnik. 1