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Eine interessante Kleinspinne: Comaroma simonii Bertkau 1889 (Arachnida, Araneae, Anapidae) PDF

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© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Eine interessante Kleinspinne: Comaroma simonii BERTKAU 1889 (Arachnida, Araneae, Anapidae) Ch. KROPF Abstract: An interesting "dwarf" spider: Comaroma simonii BERTKAU 1889 (Arachnida, Araneae, Anapidae). An overview about our knowledge of distribution, habitat preferences, biology and mor- phology of the spider genus Comaroma BERTKAU is presented. Additional new data on distribution and habitat preference of C. Simon» are discussed. The walking legs of C. simonii show several sexually di- morphic characters, i.e. relative leg lengths, number of chemosensitive hairs, presence of presumably glandular pores on the metatarsi I of males. The male palp is re-described and an arresting mechanism between a tibial scale-like process and the cymbium is described. In the vulva, a pair of huge glands oc- curs which secrete via functionally separated ducts into the spermathecae. Key words: Araneae, Anapidae, Comaroma, morphology, genitalia, distribution, habitat. Einleitung Linyphiidae-Erigoninae („Zwergspinnen") zu (CHYZER & KULCZYNSKI 1918; R.OEWER Die Spinnengattung Comaroma BERT- 1942; WlEHLE 1960). Spätere detaillierte KAU 1889 enthält durchwegs kleine Boden- morphologische Analysen vor allem der Ko- spinnen, die in ihrem Körperbau eher an pulationsorgane ließen eine Zuordnung zu tropische Spinnen, denn an Bewohner der den Theridiidae als gerechtfertigt erschei- gemäßigten Regionen erinnern (Abb. 1,2). nen (LEVI 1957 sub Archerus; Oi 1960; LEVI Die Tiere galten als selten bis sehr selten, & LEVI 1962; THALER 1978) oder ließen Be- wofür mangelnde Kenntnisse der Lebens- ziehungen zu den taxonomisch schwierigen raumansprüche verantwortlich sein mögen und vorwiegend tropisch verbreiteten Grup- - jedenfalls stellte sich später heraus, dass pen der Symphytognathidae/Anapidae die Tiere an geeigneten Stellen durchaus („Zwergkugelspinnen") vermuten (FORSTER häufig sein können. Über ihre Lebensweise 1959; YAGINUMA 1959; LEVI & LEVI 1962; wusste man lange Zeit fast überhaupt nichts. PALMGREN 1980; BRIGNOLI 1981). WUNDER- Ihrer ungewöhnlichen Morphologie wegen LICH (1986) und KROPF (1990a) ordneten war nicht einmal klar, zu welcher Spinnen- die rätselhafte Gattung vor allem aufgrund familie die Gattung zu zählen sei: BERTKAU eines vorgewölbten Skleriten am Labrum (1889: 75) vermutete „intuitiv" eine Zu- den Anapidae zu. Diese Zuordnung erhielt gehörigkeit zu den Theridiidae („Kugelspin- kürzlich im Rahmen einer kladistischen nen"): „scheint ... mir zu den Theridiaden Analyse der Symphytognathidae s. 1. Unter- zu gehören". In der Folge wurden die ver- stützung (SCHUTT 2003). wandtschaftlichen Beziehungen von Coma- roma höchst unterschiedlich diskutiert: Die Die Arten der Gattung Comaroma sind meisten der „frühen" Autoritäten vermute- disjunkt über die Holarktis verbreitet (Abb. ten eine Übergangsstellung zwischen Theri- 3). Comaroma mendocino (LEVI 1957) diidae und Linyphiidae s. 1. („Baldachin- kommt in den USA (Kalifornien) vor, C. si- spinnen" und „Zwergspinnen") (CHYZER & monii BERTKAU 1889 in Europa, C. macubsa KULCZYNSKI 1891; SlMON 1894; BÖSENBERG O\ 1960 in Japan und Korea, C. nakahirai Denisia 12, zugleich Kataloge 1899; 1903) oder ordneten Comaroma den (YAGINUMA 1959) in Japan, und die letzte der OÖ. Landesmuseen Neue Serie 14 (2004), 257-270 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at bekannt (THALER 1978; KROPF 1998a). SCHUSTER &. MOSCWTZ (1984) beschrieben erstmals einfache Gespinste sowie einen bei Bedrohung auftretenden Totstellreflex von C. simonii und gaben arthropleone Collem- bolen als Beutetiere an. Verbreitung Comaroma simonii zeigt in Ost-Öster- reich und Slowenien ein nahezu geschlosse- nes Areal, sie ist dort weit verbreitet (THA- LER 1978; KNOFLACH & THALER 1998; KROPF 1998a; dort auch weitere Zitate) und stellenweise sogar häufig (Abb. 4). Zahlrei- che Fundpunkte liegen im Ost- und Sü- dostalpenraum resp. -vorland, westlichste Funde in Norditalien (Südtirol) bei Neustift (NORATSCHER 1991) und in Nordtirol bei Abb. 1: Comaroma simonii. Weibchen in beschriebene, offenbar stark abweichend ge- Kufstein (THALER 1998), südlichste in Istri- seinem Netz. baute C. tongunca ZHANG & CHEN 1994 in en (THALER 1978), östlichste in der SO- China (Zhejiang). „Comaroma" ressenensis Steiermark (THALER 1978) und in West- DRENSKY 1929 erwies sich als eine andere, zu Ungarn (SziNETAR in litt.; siehe unten), den Pholciden („Zitterspinnen") gehörige nördlichste in Nieder- (WlEHLE & FRANZ Art (DELTSHEV & BLAGOEV 2001). 1954) und Oberösterreich (SCHUSTER & MOSCHITZ 1984; BERGTHALER in litt.) sowie Über die Lebensweise von Comaroma- in Nordtirol bei Kufstein (THALER 1998). Arten war bis vor einigen Jahren nur Weni- Einzelne Funde gelangen weiter südlich bei ges bekannt. Die Arten wurden vor allem in Ancona (Italien) und bei Tara (Montene- Laubstreu gefunden, eine japanische Art (C. gro) sowie in Norditalien (Riva sul Garda) nakahirai) wurde bisher nur in einer Höhle (THALER 1978; KROPF 1998a; WEISS in litt.). nachgewiesen (YAGINUMA 1959); auch von Neue Funde im Tessin am Nordufer des La- der europäischen C. simonii war neben einer go Maggiore (HEER in litt.; MORETTI et al. Anzahl Funden in der Laubstreu je ein Abb. 2: Comaroma simonii. Männchen in 2002) zeigen, dass C. simonii auch weiter Höhlenfund in der Schweiz und in Italien seinem Netz. westwärts von Süden in die Südalpentäler eingedrungen ist. Die frühe Angabe von SIMON (1894: 602, „habite la Boheme") konnte durch ei- nen Fund von RUZICKA & ANTUS (1998) in Zentral-Böhmen bestätigt werden (KROPF 1998a; BUCHAR &. RUZICKA 2002). Ein wei- terer isolierter Fund in der Slowakischen Republik (DUDICH 1933, DUDICH et al. 1940) konnte bisher nicht wieder bestätigt werden, die An gilt gegenwärtig in der Slo- wakei als ausgestorben (GAJDOS et al. 1999). Kürzlich wurde C. simonii an zwei Stellen in W-Ungarn nahe der österreichischen resp. der slowenischen Grenze nachgewiesen (SziNETAR in litt.), womit die unter Beru- fung auf SIMON gemachte Angabe von BERTKAU (1889: 76: „außerdem besitzt er die Art aus Ungarn") bestätigt ist. 258 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Das Westareal der Art (THALER 1978) war lange Zeit schlecht belegt, wurde jedoch in den letzten Jahren wiederholt bestätigt. Die auf BERTKAU (1889) beruhenden Anga- ben, wonach die Art in der Umgebung von Bonn nicht selten sein soll (BöSENBERG 1899, 1903) wurden noch von WIEHLE & FRANZ (1954), WIEHLE (1960) und anderen bezweifelt, neuere Funde in der Region Bonn durch BLICK (in litt.; KROPF 1998a; STAUDT et al. 2003) bestätigen jedoch die alten Angaben BERTKAUs. Die Art kommt von Belgien (BAERT & KEKENBOSCH 1980; JANSSEN 1992; VAN KEER & VANUYTVEN 1993) und den Niederlanden (HELSDINGEN 1993) über Deutschland (BERTKAU 1889; BÖSENBERG 1899, 1903; KROPF 1998a; STAUDT 2000, STAUDT et al. 2003) bis in die Schweiz (THALER 1978) vor. von Fichte dominierten Wäldern, HORAK Abb. 3: Verbreitung der Gattung Das gegenwärtig bekannte Verbreitungs- Comaroma. 1 = C. simonii; (1989) fand sie in einem Föhrenwald, bild lässt auf einen postglazialen „Rückwan- 2 = C. mendocino; 3 = C. maculosa; MUSTER (2001) verzeichnet den bislang derer auf weite Distanz" schließen (HOLD- 4 = C. nakahirai; 5 = C. tongjunca. höchstgelegenen Fund in einem subalpinen HAUS 1954; THALER 1978), der einerseits Lärchen-Fichtenwald im Tennengebirge auf von Süden und Südosten in die Alpen ein- 1540m Seehöhe. drang und teilweise bis zum Alpennordrand gelangte, andererseits von Südwesten die Auffallend ist außerdem, dass C. simonii Alpen umging und über das Waadtland bis immer wieder auch an offenen oder wenig nach Nordhrein-Westfalen, Belgien und die bewachsenen Stellen gefunden wird: STEIN- Niederlande vordrang. BERGER (1990) meldet sie von einem Trockenrasen mit lichtem Kieferbestand in Lebensräume Abb. 4: Gegenwärtig bekannte Verbreitung Die Art wurde vor allem in der Laub- von C. simonii. Nahe streu humider Rotbuchen- oder Mischwäl- beisammen liegende Funde in Österreich, der, seltener in anderen, vor allem trocken- Slowenien und warmen Laubwäldern (HORAK 1987; No- Kroatien sind als FLATSCHER 1991; MORETTI et al. 2002), ge- zusammenhängendes Verbreitungsgebiet funden. Eine indirekte Analyse der Stan- dargestellt; die Funde dortfaktoren über die Zeigerwerte von Ge- in der Umgebung von fäßpflanzen an fünf Waldstandorten mit Co- Bonn als ein grösserer maroma-Vorkommen in Kärnten und Steier- Fundpunkt. mark ergab schattige bis halbschattige, mäßig warme sowie mittelfeuchte Verhält- nisse (KROPF 1993). Entsprechend war die Art auch an Standorten außerhalb von Wäldern zu erwarten - so fand KRITSCHER (1972) die Art in der Laubstreu von Hasel, SCHUSTER & MOSCHITZ (1984) melden sie in einem Hasel-Eschen-Weidengesträuch, BERGTHALER (in litt.) aus einer 5'/-jährigen 2 Hecke im Agrarbereich bei Schwand im Innkreis (Oberöstereich). Funde in Nadel- wäldern sind selten, PALMGREN (1973) mel- det zwei Funde aus Fichtenwäldern resp. 259 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at plar auf einer trocken-warmen, stellenweise wechselfeuchten Grasfläche und in einem schütterem Kiefernbestand in einem Stein- bruch in Baden-Württemberg (Fundorte in KROPF 1998a und STAUDT et al. 2003), doch sei angemerkt, dass sich in der Nähe ein Rotbuchenmischwald befindet, in dem Co- maroma ebenfalls vorkommt. SziNETAR (in litt.) wies die Art unter anderem in einer Feuchtwiese Uuncus effusus) nach, STAUDT (2002) in einem trockenen Schilfbestand auf einem zugewachsenen Absinkweiher. RUZICKA & A.NTUS (1998) gelang der Nach- weis in Böhmen in einer Blockhalde. Die Nachweise in Belgien (B.AERT & KEKEN- BOSCH 1980;jANSSEN 1992) stammen eben- falls aus steinig/felsigen Lebensräumen. Damit fällt auf, dass die Mehrheit der Fundstellen (wenngleich nicht alle) außer- halb des österreichisch-slowenischen Ver- breitungsschwerpunktes nicht in Rotbu- chen- oder Mischwäldern liegt, sondern in verschiedenen anderen Habitaten wie di- Abb. 5: Netz von Comaroma simonii. Das Kärnten, KROPF (1998a) von einem ähnli- versen Wiesengesellschaften, lichten Kie- Netz wurde an der vertikalen Wand eines chen Fundort in der SO-Steiermark. fernbeständen oder felsigen Biotopen. Die Zuchtgefässes gebaut, die Signalfäden mit denkbaren Gründe dafür sind vielfältig. Ge- STUMPF (in litt.) fand sie in Bayern im offe- den verzweigten klebrigen Enden ziehen rade Xerothermstandorte zählen in Mittel- nach unten zum Substrat. nen Saumbereich eines Kiefernwaldes und europa zu den bedrohtesten, aber auch in- im bislang nördlichsten Fundort an einem teressantesten weil artenreichsten Lebens- Halbtrockenrasen mit geringer Verbuschung räumen und werden entsprechend intensiv (Fundorte in KROPF 1998a und STAUDT et faunistisch erforscht. Die „untypischen" al. 2003). ROSE (in litt.) fand je ein Exem- Funde in trockenwarmen Lebensräumen könnten daher einfach die diesbezüglich in- tensivere faunistische Feldarbeit widerspie- geln. Möglicherweise stellen aber mikrokli- matische Faktoren (BAUCHHENSS 1990) wichtigere Vorbedingungen für das Auftre- ten von Comaroma, als der (letztlich auf- grund menschlicher Wahrnehmung defi- nierte) „Lebensraumtyp", so dass auch an unbewaldeten Standorten oder in Nadel- wäldern ein geeignetes Mikroklima herr- schen könnte, etwa in Spalten des Bodens, unter Moos, Steinen oder unter einzeln ste- henden größeren Büschen oder Bäumen. KROPF (1997a) wies auf lokal unterschiedli- ches Auftreten von C. simonii in einem Wald hin, das offenbar von den jeweils herr- schenden Feuchtigkeitsverhältnissen ab- hängt: Bei Staunässe nach Regen oder im Winter besiedelt die Art die obersten Laub- Abb. 6: Comaroma streuschichten, bei Normalverhältnissen in simonii. Eikokon. der Vegetationsperiode die Übergangs- Verändert nach KROPF schichte zwischen dem L- und dem O-Hori- (1997a). 260 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at zont, bei Trockenheit findet sie sich in un- len, um ein funktionierendes Fangnetz her- gewöhnlich hohen Dichten in den tiefsten zustellen (SEKIGUCHI 1955; CODDINGTON Senken des Waldbodens. Wahrscheinlich 1989 und andere). Als Hauptbeute scheinen sind also bestimmte Feuchtigkeitsbedingun- arthropleone Collembolen zu fungieren gen, die auch aktiv aufgesucht werden, für (SCHUSTER &. MOSCHITZ 1984; KROPF die Habitatwahl von entscheidender Bedeu- 1990b). Das Netz selbst (Abb. 5) besteht aus tung. Nach TRETZEL (1952) wäre C. simonii einer irregulären Maschendecke, von der ra- als hemihygrophil zu bezeichnen (KROPF diär verlaufende Signalfäden ausgehen, die 1993), dazu würden die abweichenden Fun- in verzweigten, klebrigen Fangfäden enden. de in Höhlen, feuchten Wiesen und Block- Der genaue Aufbau und die Größe des Net- halden „passen". Abschließend sei bemerkt, zes sind sehr variabel und werden vermut- dass DUMPERT & PLATEN (1985) darauf hin lich vor allem von der Struktur des Substra- wiesen, dass unter den Spinnen keine einzi- tes bestimmt (KROPF 1990b). Die Tiere ge „reine" Buchenwaldart bekannt ist, son- benützen im Labor auch Netze, die von Art- dern alle Arten auch außerhalb ihres „typi- genossen gebaut wurden oder bauen mehre- schen" Lebensraumes gefunden werden kön- re Netze, die abwechselnd benutzt werden. nen. Das Netz muss als abgewandeltes Rad- netz betrachtet werden, solange die gegen- Biologie wärtige Familienzuordnung zu den Radnetz bauenden Anapidae aufrecht erhalten bleibt Comaroma simonii ist eine eurychrone (KROPF 1990b). Angesichts der Lebensweise Art, die keine strikt limitierte Fortpflan- in tieferen Schichten der Laubstreu ist eine zungszeit aufweist. Subadulte Spinnen wur- Abwandlung des für den Fang von Flugin- den zwischen Juni und November, Adulte sekten geeigneten Radnetzes plausibel und das ganze Jahr über in annähernd gleich scheint ferner auch bei der Anapidengat- bleibender Stückzahl gefunden; möglicher- tung Zangherella (die ebenfalls in Laubstreu weise kann sich die Art also das ganze Jahr vorkommt; THALER & KNOFLACH 1998) über fortpflanzen (KROPF 1997a). Eine der- stattgefunden zu haben (KRATOCHVIL artige Fortpflanzungszeit ist typisch für 1935). Spinnen, die ganzjährig unter annähernd gleich bleibenden mikroklimatischen Be- Der Beutefang verläuft ohne Besonder- dingungen leben (TRETZEL 1954), wie sie heiten, ins Netz geratene Kleininsekten wer- z.B. in Höhlen, tiefen Laubstreuschichten den mit den Cheliceren gefasst, durch einen oder auch im Inneren von Blockhalden Giftbiss getötet und anschließend im Zen- (MOLENDA 1996) auftreten können. Das trum des Netzes ausgesaugt. Beutefang ohne Geschlechterverhältnis betrug in einem Bu- Netz kommt ebenfalls vor, doch muss zuvor chenmischwald in der Steiermark etwa 1:2 unbedingt ein Körperkontakt zwischen zugunsten der Weibchen (KROPF 1997a). Im Spinne und Beute erfolgen - ein aktives Westareal wurde hingegen bisher erst ein Aufsuchen der Beute außerhalb des Netzes einziges Männchen gefunden; dies lässt es konnte nie beobachtet werden. Selbst Col- möglich erscheinen, dass die Tiere im West- lembolen, die unmittelbar vor den Chelice- areal sich teilweise parthenogenetisch ver- ren hungriger Tiere vorbeiliefen, wurden nie mehren (KROPF 1998a). attackiert. Nach dem Fressakt reinigen sich die Tiere intensiv, wobei sie vor allem die ge- Die Tiere erwiesen sich als erstaunlich zähnten Borsten auf den Laufbeintarsen als langlebig und lebten im Labor bis zu 108 Putzorgane benutzen (KROPF 1990b). (er) resp. 521 Tage (9) Tage (KROPF 1997a). Beide Geschlechter und auch die subadul- Der Eikokon (Abb. 6) ist weiß, rundlich ten und juvenilen Stadien sind in der Lage, und hat einen Durchmesser von ca. 1,47 funktionierende Fangnetze zu bauen und be- mm. Er enthält drei Eier und ist von einem sitzen die dafür nötigen Spinnorgane leicht rosarot schimmernden trichterförmi- (KROPF 1990b, 1997b). Dies ist insoferne gen Schutzgespinst umgeben, das Kleinin- bemerkenswert, als adulte Spinnenmänn- sekten davon abhält, an die Eier zu gelangen chen normalerweise keine Beute mehr ma- (KROPF 1997a). Die Entwicklung der Jung- chen und ihnen auch die Spinndrüsen feh- spinnen konnte nur in einem einzigen Ko- 261 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Weibchen geht mehr ins hell rötliche. Eier- tragende Weibchen werden bis zu 1,9 mm lang (SCHUSTER &. MOSCHITZ 1984). Die Beine sind relativ kun, robust und fast un- bestachelt; bei den Männchen sind sie etwas länger als bei den Weibchen. Das Prosoma erscheint stark skierotisiert und ist bei den Männchen meist etwas breiter als bei den Weibchen. Das Opisthosoma erscheint bei beiden Geschlechtern dickhäutig und ge- panzert. Die Weibchen tragen neben vielen kleinen skierotisierten Plättchen in der Haut ein großes Scutum ventral am Opis- thosoma, welches den Petiolus umfasst und hinten bis zur Epigastralfurche reicht sowie ein ringförmig um die Spinnwarzen liegen- des Scutum, welches ein Tracheenstigma aufweist. Die Spinnwarzen können in dieses ringförmige Scutum zurückgezogen werden, sodass ihm offenbar eine Schutzfunktion für Abb. 7: Comaroma simonii. Erstes Icon beobachtet werden. Die Jungspinnen den empfindlichen Spinnapparat zukommt. freilebendes Stadium in seinem Netz. schlüpften am 27. Tag (18°C, gesättigte Beim Männchen ist außerdem das ventrale Luftfeuchte, Dauerdunkel), verblieben aber Scutum seitlich weiter ausgedehnt, zusätz- noch im Eikokon. Nach wahrscheinlich lich ist ein mächtiges Scutum vorhanden, zwei Häutungen verließen die Jungen den welches den Großteil der Dorsalfläche des Kokon am 35. Tag und begannen sofort mit Opisthosoma einnimmt. dem Bau von Fangnetzen (Abb. 7; KROPF Diese Panzerung des Spinnenkörpers 1997a). könnte einen effektiven Schutz vor Fress- feinden darstellen. Untersuchungen dazu ste- Morphologie hen freilich weitgehend aus, doch liefern BLASZAK et al. (1990: 53) einen diesbezügli- Habitus (Abb. 8, 9) chen Hinweis aus der Ernährungsbiologie Comaroma simonii ist eine orange- bis von Litoral bewohnenden räuberischen Ga- rötlichbraun gefärbte (Alkoholmaterial), masinen: „Entscheidend dafür, ob ein Tier als durchschnittlich 1,6 mm große Spinne. Le- Beute angenommen ... wird, ist offensichtlich bende Männchen wirken eher dunkler rot- seine Körpergröße und Vagilität sowie die braun, die Hinterleibsfärbung lebender Dicke des Hautpanzers". LEVI (1967) vermu- Abb. 8: Comaroma simonii, Weibchen (Alkoholmaterial). Abb. 9: Comaroma simonii, Männchen (Alkoholmateral). 262 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at tete, dass die Panzerung einen Schutz vor Abb. 10: Comaroma simonii. Chemosensitives Haar am übermäßigem Wasserverlust bieten könnte, Metatarsus I (Männchen). da die meisten gepanzerten Spinnen Klein- formen sind, deren relativ größere Körper- oberfläche ein dahingehend erhöhtes Risiko bedingt. Weiters spricht für diese Interpreta- tion, dass die laufaktiveren Männchen stär- ker skierotisiert erscheinen als die Weibchen (LEVI 1967). Die Tatsache, dass sehr viele ge- panzerte Kleinspinnen Bewohner humider bis feuchter Lebensräume sind, lässt vermu- ten, dass auch andere Gründe für die Panze- rung des Spinnenkörpers verantwortlich sein könnten. Darüber hinaus kann die schwäche- re Sklerotisierung der Weibchen zwanglos aus der Notwendigkeit heraus erklärt werden, ein dehnfähiges Opisthosoma wegen der rei- fenden Eier beizubehalten. Ferner wies SCHUTT (2003) daraufhin, dass gerade die al- lerkleinsten Spinnen nicht gepanzert sind. Laufbeine Vermutung von HARRIS & MILL (1977), wo- nach damit auch Kontaktpheromone perzi- Die Laufbeine der Männchen sind nicht piert werden können. TlETJEN & ROVNER nur signifikant länger als die der Weibchen (1982) melden einen ähnlichen Ge- (KROPF 1998b), sondern auch die Reihung der Beine nach ihrer Länge ist signifikant schlechtsunterschied bei Wolfspinnen. Ver- unterschiedlich zwischen den Geschlech- dickte und mit Porenöffnungen versehene tern (t-Test nach Welch, LORENZ 1984): Abschnitte der Vorderbeine treten auch bei Beim Männchen lautet sie I - IV - II - III, anderen Spinnenmännchen, z.B. bei diver- beim Weibchen IV - I - II - III. Ein weite- sen Wolfspinnen, auf. Möglicherweise han- rer statistisch signifikanter Geschlechtsun- delt es sich dabei um Ausführöffnungen von terschied betrifft die Anzahl chemosensiti- Pheromondrüsen (KRONESTEDT 1986). ver Haare (Abb. 10, 11) auf den Beinen I und II. Diese Anzahl ist bei den Männchen erhöht (Tab. 1). Schließlich findet sich noch ein weiterer Geschlechtsunterschied: Der Metatarsus der Männchen ist deutlich dicker als der der Weibchen, außerdem trägt er zahlreiche Kutikulaporen, welche sowohl einzeln, als auch in Gruppen von über 10 Poren auftreten (Abb. 12). Abb. 11: Comaroma simonii. Patella, Tibia, Diese sekundären Geschlechtsunter- Metatarsus und Tarsus I (Männchen). schiede haben wohl mit der Paarungsbiolo- Chemosensitive Haare, Stachelborste (nur distal auf Patella) und Trichobothrien gie zu tun. Längere Beine - insbesondere (abgeschnitten), a: prolateral; b: lange Beine 1 - treten bei den meisten Spin- retrolateral. nenmännchen auf. Man darf spekulieren, dass sie im Zusammenhang mit einer erhöh- ten Laufaktivität der Männchen während der Paarungszeit sowie mit der Notwendig- keit zum „Abstand halten" zu einem paa- rungsunwilligen Weibchen zu tun haben könnten. Die höhere Anzahl chemosensiti- ver Borsten bei den Männchen stützt die 263 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at M 1 Wl Mil Wll Mill Will MIV WIV Spaltsinnesorgane Patella 1 1 1 1 1 1 1 1 Spaltsinnesorgane sind Mechanorezep- Tibia 17 14 9 5 3 3 3 3 toren, die Spannungsänderungen in der Ku- Metatarsus 6 5 3 3 2 1 2 1 tikula messen (BARTH 1978). Sie können Tarsus 34 26 30 23 12 12 10 10 bei Spinnen als einzelne Schlitze in der Ku- Gesamt 58 46 43 32 18 17 16 15 tikula oder in Gruppen zusammengefasst Tab. 1: Durchschnittliche Anzahl Der verdickte und mit Porenöffnungen („lyraförmige Organe") vorkommen. Diese chemosensitiver Haare auf den Laufbeinen. M, W: Männchen, Weibchen. I-IV: versehene Metatarsus I der Männchen tritt Sinnesorgane treten gehäuft auf den Lauf- Laufbeine I-IV. n = je 10 ocr und 99. auch bei der kalifornischen Comaroma men- beinen und Pedipalpen auf, sind jedoch docino auf, fehlt hingegen bei der japani- auch an allen möglichen anderen Stellen schen C. maculosa (das Männchen von C. des Körpers zu finden. Das grundsätzliche nakahirai ist nicht bekannt) - dies lässt sich Verteilungsmuster der Spaltsinnesorgane ist als Argument für ein Schwestergruppenver- bei Comaroma dasselbe, wie bei anderen hältnis zwischen der europäischen und der Spinnen, doch ist ihre Anzahl wesentlich nordamerikanischen Art interpretieren. kleiner: Bei der Radnetzspinne Larinioides sclopetarius (CLERCK 1757) fand VOGEL Bei beiden Geschlechtern treten auf al- (1923) über 4000 Spaltsinnesorgane, bei der len vier Laufbein-Tarsen sowie distal auf den Kammspinne Cupiennius salei (KEYSERLING Metatarsen ventral und :.T. auch lateral 1877) melden BARTH & LIBERA (1970) ca. kräftige, grob gezähnte Borsten auf, mit drei 3300. Dem gegenüber besitzt Comaroma nur bis sieben starren, geraden Zähnen auf ihrer ca. 250 Spaltsinnesorgane, was wohl mit der Ventralseite (KROPF 1990a, b). Diese Bor- Kleinheit der Art zu tun hat (KROPF 1998b). sten sind in mehreren Reihen angeordnet Auffallend ist, dass die Einzelspalte auf den und gehen nach dorsal resp. nach proximal Laufbeinen und Pedipalpen von Comaroma in die normalen, schwach gezähnten Kör- in hohem Ausmaß variieren - keine zwei perborsten über, ohne dass eine scharfe Tiere mit gleicher Anzahl und Position von Grenze erkennbar wäre. Sie dienen als Putz- Einzelspalten konnten gefunden werden, es borsten (siehe oben). Ansonsten zeigen die konnten auch bei keinem einzigen Tier auf Laufbeine von Comaroma keine besonderen der linken und rechten Körperhälfte diesel- Abweichungen von denen anderer Ara- ben Zahlen von Einzelspalten nachgewiesen neoidea. werden. Dies lässt sich wohl nur im Rahmen Abb.12: Comaroma simonii. der „Verzwergung" als zufällige Reduktion Prolateralansicht des Metatarsus I des einer ehemals größeren Anzahl von Spalt- Männchens mit Porenfeldern. Inset: Detail zweier Porenfelder. sinnesorganen deuten (KROPF 1998b). Augen Das für Comaroma charakteristische Phä- nomen der Augenreduktion wurde detailliert von SCHUSTER & MOSCHITZ (1984) und KROPF (1998a) besprochen. Es ist wohl vor dem Hintergrund des lichtarmen Lebensrau- mes (siehe oben) :u sehen. Die Augen sind sämtlich klein und können sowohl in ihrem Durchmesser als auch in ihrer Anzahl be- trächtlich variieren. Insbesondere die vorde- ren Mittelaugen (VMA) neigen zur Redukti- on, es können somit sechs, sieben oder acht Augen vorhanden sein. Bei den Tieren aus der Steiermark sind in '/4 der Fälle alle acht Augen ausgebildet, bei den Tieren aus dem Westareal hingegen scheinen sechs Augen die Regel zu sein, wenngleich auch hier eines oder beide VMA ausgebildet sein können. 264 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 13: Comaroma simonii. Taster des Männchens, Tibia (Ti) und Cymbium (Cy); Pfeil: Distale Schuppe der Tibia, a: Dorsalansicht, Schuppe unter dem Cymbium liegend; b: Prolateralansicht, Schuppe auf dem Cymbium liegend. Männlicher Taster rekt beobachtet. Die beschriebenen Bewe- gungen lassen sich allerdings am frisch getö- Die Tibia des männlichen Tasters trägt teten Tier einfach vollführen; ferner findet distal eine prolaterale gewölbte Schuppe, man im fixierten Material beide Stellungen welche die Gelenkstelle zum Cymbium der Tibia-Schuppe relativ zum Hinterrand überdeckt. In Ruhestellung bilden die Patel- des Cymbium. la und die Tibia eine Achse, der gegenüber das Cymbium mit dem Bulbus nach außen Das Cymbium (Abb. 14) ist gewölbt und absteht. In dieser Lage befindet sich die überdeckt den Bulbus im nicht expandierten Schuppe der Tibia unter dem Hinterrand Zustand beinahe ganz. Am Vorderrand befin- des Cymbium (Abb. 13a, Pfeil). Das Cymbi- den sich retrolateral ein charakteristisches, um ist um die Längsachse Patella-Tibia sehr beweglich (fast 360°), wobei die Schuppe der Tibia die Führung des Cymbium über- nimmt. Bewegt sich das rechte Cymbium - von hinten gesehen - um diese Längsachse Abb. 14: Comaroma im Uhrzeigersinn (bzw. das linke Cymbium simonii. Cymbium gegen den Uhrzeigersinn), so gleitet der von vorne. Schwarz Hinterrand des Cymbium so lange über die dargestellt: chemosensitive Schuppe der Tibia, bis die hintere prolatera- Haare. le Ecke des Cymbium den retrolateralen Rand der Schuppe erreicht. In dieser Positi- on „springt" der Hinterrand des Cymbium unter die Schuppe der Tibia, welche nun, auf dem Cymbium liegend (Abb. 13b, Pfeil), eine Zurückbewegung des Cymbium gegen den ursprünglichen Drehsinn verhin- dert. Auf diese Weise werden also Cymbium und Bulbus in einer bestimmten Position fi- xiert. Möglicherweise handelt es sich dabei um die Kopulationsstellung des männlichen Tasters, doch wurde die Kopulation nie di- 265 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at rechtwinkelig gebogenes und unbewegliches 100 Jim Paracymbium (THALER 1978), und prolateral eine Reihe langer chemosensitiver Haare (schwarz gefärbt in Abb. 14). Der Bulbus (Abb. 15-17) zeigt den üblichen dreiteiligen Bau aus Subtegulum, Tegulum und Endappa- rat. Der Embolus ist riemenförmig und groß- teils schwan und zeigt einen häutigen, in ei- ne Spitze ausgezogenen oberen Anteil. Seine Basis ist zu einer harten, nach vorne weisen- den Spitze verlängert. Weiters fällt ein medi- aner, membranöser Fortsatz auf, sowie eine große löffelartige Apophyse mit gedrehter 15 Spitze, an deren Basis sich ein charakteristi- scher Dorn befindet und die vermutlich ent- lang einer helleren Zone abgeknickt werden kann. Die distale Hämatodocha ist mit fei- nen Zäpfchen besetzt (Abb. 18). Über die Funktion der verschiedenen Anteile des Bulbus kann nur spekuliert wer- den. Das Paracymbium dient möglicherwei- se dazu, das Subtegulum während des Ex- pandierens bei der Kopulation zu fixieren, die löffelartige Apophyse könnte dazu die- nen, den Eingangsschlitz der Epigyne zu öff- nen (KROPF 1990a). Epigyne und Vulva Die Epigyne ist nicht vom umgebenden 16 ventralen Scutum des Weibchens zu unter- scheiden. Ihr Eingang ist schlitzförmig und CO „W"-ähnlich gestaltet (Abb. 19) und liegt innen in der Epigastralfurche. Die Vulva (Abb. 20) scheint von außen durch das ven- trale Scutum hindurch. In den paarigen Re- ceptacula seminis wird das Sperma gelagert (Abb. 21). Der Gang, der von der Ein- führöffnung zu den Receptacula führt, ist ungewöhnlich gebaut. In seinem hinteren Bereich zeigt er ein schlitzförmiges Lumen und muss wohl als Einführgang für den rie- menförmigen Embolus dienen. Im vorderen Bereich erweitert sich das Lumen zu einem ventralen Ganganteil, welcher aber mit ei- nem kleineren dorsalen Gang über einen kurzen Schlitz verbunden ist (Abb. 22). Dieser dorsale Gang kommt von je einer 17 mächtigen Drüse, welche innen am Recept- aculum sowie weiter hinten an einer be- stimmten Stelle im mittleren Bereich der Abb. 15-17: Comaroma simonii. Tibia und Tarsus des männlichen Tasters. Vulva befestigt ist (Abb. 19, 22, 23). Dort Verändert nach KROPF (1990a). 15: Ansicht von ventral. 16: Ansicht von mündet sie über zahlreiche feine Röhrchen prolateral. 17: Ansicht von retrolateral. E = Embolus; MF = Membranöser in die Vulva ein (Abb. 24) und bildet so den Fortsatz; SEB = Spitze der Embolus-Basis; ST = Subtegulum; T = Tegulum. 266

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