Rg Zeitschri des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Rechts Journal of the Max Planck Institute for European Legal History geschichte Rechtsgeschichte Legal History www.rg.mpg.de 23 http://www.rg-rechtsgeschichte.de/rg23 Rg 2015 5–8 Zitiervorschlag: Rechtsgeschichte – Legal History Rg 23 (2015) http://dx.doi.org/10.12946/rg23/005-008 Thomas Duve Editorial Dieser Beitrag steht unter einer Creative Commons cc-by-nc-nd 3.0 Thomas Duve Editorial Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit am zusammenarbeiten, im Jahr 2012 eingeladen hat- 3. Oktober 1990 dieDeutsche Demokratische Re- ten. Da die Spätantike und das frühe Mittelalter publikihrenBeitrittzurBundesrepublikDeutsch- allgemeinalsEpochenderDezentralisierungoder landgemäßArtikel23desGrundgesetzesvollzog– gar Regionalisierung gelten und gerade in den einStaatverschwandvonderLandkarte.Einneuer letzten Jahren viele Arbeiten sich mit Peripherien Rechtsraumentstand. beschäftigten, sollte es besonders um Ausprägun- MarkiertdieWiedervereinigungaberaucheine genvonZentralitätgehen.Dennwährendüberdas Zäsur in der Rechtswissenschaftsgeschichte? Wie Konzept der Peripherie viel debattiert und die hat sich die Rechtswissenschaft in Deutschland in BedeutungvonEntwicklungenandenPeripherien diesen 25 Jahren entwickelt: in Jahrzehnten, die hervorgehoben wurde, hat der komplementäre zugleich von einer dynamischen Globalisierung, BegriffderZentralitätweitauswenigerBeachtung vor allem aber durch Digitalisierung und Ökono- gefunden. Die Fragestellung der Tagung richtete misierungdesRechts-wieauchdesWissenschafts- sich dabei nicht allein auf politische Strukturen, systems gekennzeichnet sind? – Am Max-Planck- sondernaufverschiedeneFormenvonZentralität, InstituthabenwirunsmitdieserFrageseiteinigen wobei sowohl im weitesten Sinne (›faktisch‹ exis- Monaten im Gespräch mit Wissenschaftlerinnen tierende) Hierarchien als auch (auf die Zukunft und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen juris- gerichtete)IntentionenzumTragenkommensoll- tischenTeildisziplinenbeschäftigt.1IndiesemZu- ten.DieBeiträgekönnendasweiteFeldnatürlich sammenhang ist auch der Beitrag von Julian Krü- nicht erschließen. Sie sollen aber Denkanstöße perentstanden,indemereinleitenddieFragenach geben,umdieTransformationderMittelmeerwelt der Möglichkeit einer Zeitgeschichte der Verfas- nichtalleinvonderDezentralisierungherzuden- sungsrechtswissenschaft stellt, einen weiten Über- ken, die die Auflösung eines großen Reiches mit blicküberdieDebattengibtunddiesenichtzuletzt sichbrachte,sondernauchausderPerspektiveder aufdenBegriffdes›AbschiedsvomInterim‹bringt. neuen Zentren und der Bandbreite ihrer spezifi- Im Fokus dieses Hefts geht es ebenfalls um die schenFunktionen. Veränderung von Rechtsräumen: im ersten Jahr- Die folgenden drei Aufsätze stammen aus der tausendundim19.und20.Jahrhundert.Diezehn atlantischen Welt. Zu einem panel ›La Formación Beiträge stammen aus unterschiedlichen Kontex- de Espacios Jurídicos Iberoamericanos (S.XVI–XIX): ten. Sie verbindet das Nachdenken über ›Rechts- Actores, Artefactos e Ideas‹ im Rahmen der AHILA räume‹–einenvonvierForschungsschwerpunkten Tagung ›Entre espacios: La historia latinoamericana am Max-Planck-Institut. In den ersten sieben Auf- enelcontextoglobal‹undeinerdemgleichenThema sätzen stehen »Ausprägungen von Zentralität in gewidmeten anschließenden Tagung im Septem- Spätantike und frühem Mittelalter – Normative ber 2014 hatten Benedetta Albani und Thomas und räumliche Dimensionen« im Mittelpunkt; so Duve vom Max-Planck-Institut für europäische lauteteauchdasThemaeinerTagung,zuderHart- Rechtsgeschichte zusammen mit Samuel Barbosa mutLeppinvomLehrstuhlfürAlteGeschichtean (USP,Brasilien)eingeladen.Essolltedarumgehen, derGoethe-UniversitätundWolframBrandesund wie sich Rechtsräume in der Kommunikation Caspar Ehlers, die im Forschungsfeld ›Recht als zwischen Alter und Neuer Welt ausgeprägt ha- ZivilisationsfaktorimerstenJahrtausend‹amMax- ben.2 Der größteTeil der Beiträge wird in einem Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte DossierimJahrbuchfürGeschichteLateinamerikas– 1 DieBeiträgeerscheinenimJahr2015 ineinemSammelbandThomas Duve/StefanRuppert,Rechtswis- senschaftinderBerlinerRepublik. 2 Vgl.dazudeneinleitendenText Albani/Barbosa/Duve(2014). Anuario de Historia de América Latina 52 (2015) Tagungen: Wer sich zu Wort meldete, sprach vor publiziert.3 Drei repräsentative Beiträge zum 19. allem von sich oder anderen Einzelheiten. Eine und 20.Jahrhundert haben wir in diesen Fokus Debatte zur vom Vortragenden aufgeworfenen aufgenommen: aus dem portugiesisch-brasilia- übergeordneten Fragestellung blieb aus. Auf un- nischem Imperium, aus dem nach den Unabhän- sere Einladung,4 diese schriftlich nachzuholen, gigkeiten keineswegs unverbundenen hispano- gingeneinigeinteressanteAntwortenein. amerikanischen Rechtsraum, ausdem kirchlichen Dass es andernorts vielleicht noch lebendiger Rechtsraum, in dessen Zentrum Rom lag. Der zugeht,etwainFrankreich,zeigtsichanmancher FokuswirdabgeschlossenmiteinigenReflexionen Rezension in der Kritik. Einen Einblick in eine zu Rechtsräumen von Massimo Meccarelli (Uni- ganz andere Welt gibt schließlich die Marginalie: versitàdiMacerata,Italien). InihrwirdeinProzessgegenWürmergeschildert Die Debatte schließlich nimmt ebenfalls ein und transkribiert, der 1653 in Mexiko stattfand. Thema auf, das im Jahr 2014 diskutiert oder viel- JorgeTraslosheros(UNAM,MexikoD.F.)weistzu mehr: nicht diskutiert wurde. Peter Oestmann Rechtdaraufhin,dassessichhierummehralsein (Universität Münster,Deutschland)hatteaufdem Kuriosum handelt – nicht nur, weil auch heute 40.DeutschenRechtshistorikertaginTübingenzu wieder vermehrt über den status von Menschen einemGesprächaufgefordert,waswireigentlichin undTierenimRechtdiskutiertwird. unserer Forschung unter ›Theorie‹ und ›Praxis‹ verstehen. Die an seinen Vortrag anschließende DiskussionfolgteallerdingsderLogikvielergroßer Bibliographie Albani, Benedetta/SamuelBarbosa/Thomas Duve, La Formación De Espacios JurídicosIberoamericanos(S. XVI–XIX): Actores,ArtefactosEIdeas.ComentariosIntroductorios(TheFormationofIberoamericanLegalSpaces(C.XVI–XIX):Actors, ArtefactsandIdeas.IntroductoryComments)(September1,2014).MaxPlanckInstituteforEuropeanLegalHistoryResearch PaperSeriesNo.2014-07.Online:http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2532868 Oestmann, Peter, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte. Drei Blickwinkel auf das Recht der Vergangenheit(HistoryofLegalNorms,ScienceandPractice.ThreePerspectivesontheLawofthePast)(October31,2014). Max Planck Institute for European Legal History Research Paper Series No.2014-06. Available at SSRN: http://ssrn.com/ abstract=2526811 3 http://www.degruyter.com/view/j/ jbla 4 http://www.rg.mpg.de/762391/ notice14_11-20 Thomas Duve Editorial AquartercenturyhaspassedsincetheGerman peanLegalHistory).GiventhatLateAntiquityand DemocraticRepublicjoinedtheFederalRepublic theEarlyMiddle Agesaregenerally consideredto ofGermanyon3October1990inaccordancewith be periods of decentralisation or even regionalisa- article23oftheGermanBasicLaw(GG).Anation tion, and especially since so many projects and disappeared from the world map and a new legal analyseshavedealtwiththeperipheries,itseemed spaceemerged. appropriate to focus here on forms of centrality. Did the reunification, however, also mark a For while the concept of periphery has been the turning point in the history of legal scholarship? subject of much debate and the meaning of the How has legal scholarship in Germany developed developments at the peripheries emphasised, the overthecourseofthe last 25 years: duringatime complimentaryconceptofcentralityhasreceiveda characterised bya dynamic globalisation, but also greatdeallessattention.Thecentralquestionposed particularlyviathedigitisationandeconomisation in the context of the conference was directed not of legal and scientific systems? We, at the Max onlyatpoliticalstructures,butalsoatvariousform PlanckInstitute,havebeenpursuingthisquestion of centrality, whereby in the broadest sense (›ac- viadiscussionswithotherscientistsandresearchers tual‹ existing) hierarchies as well as (future-ori- from various legal sub-disciplines over the course ented) intentions are considered. Of course, the of the past several months.1 These exchanges and contributions cannot cover every aspect of such a discussions served as the impetus for Julian Krü- broad field. Instead, they are meant to serve as per’scontribution,inwhichhebroachesthetopic impulses in order to reflect upon the transforma- and considers the question concerning the possi- tion of the Mediterranean world not solely in bility of a contemporary history of constitutional terms of a decentralisation brought about by the legal science, provides a broad overview of the dissolution ofa great empire,but ratherfrom the current debate and, finally, applies the idea of a perspective of the new centres and the wide spec- »farewelltotheinterim«tothisdebate. trumoftheirdifferentfunctions. The Focus section of this issue also deals with The following three articles originate from the changing legal spaces: during the first millen- Atlantic world. Samuel Barbosa (USP, Brazil), niumaswellasduringthe19thand20thcenturies. Benedetta Albani and Thomas Duve (Max Planck Although the eleven contributions all come from Institute for European Legal History) organised a different contexts, they are connected in their panel entitled, ›La Formación de Espacios Jurídicos reflectionof›legalspaces‹–oneofthefourresearch Iberoamericanos (S.XVI–XIX): Actores, Artefactos e focus areas at the Max Planck Institute.The the- Ideas‹withinthecontextoftheAHILAconference matic emphasis of the first seven contributions ›Entre espacios: La historia latinoamericana en el involvesthe»FormsofcentralityinLateAntiquity contexto global‹, which also served as the same and Early Middle Ages – normative and spatial themeforthesubsequent conferenceheldinSep- dimensions«.This was also the topic of a confer- tember of 2014.The aim of this conference was ence in 2012 organised by Hartmut Leppin (Pro- to ask about how legal spaces were formed in fessor for Ancient History at the Goethe Univer- the communication between the New and Old sity), Wolfram Brandes and Caspar Ehlers (Re- Worlds.2Alargenumberofthecontributionswill search Field »Law as a civilising factor in the first appearintheJahrbuchfürGeschichteLateinamerikas millennium«attheMaxPlanckInstituteforEuro- –AnuariodeHistoriadeAméricaLatina52(2015)in 1 Thecontributionswillbepublished inaneditedvolumein2015Thomas Duve/StefanRuppert,Rechtswis- senschaftinderBerlinerRepublik. 2 Formoreonthistopic,seetheintro- ductorytextbyAlbani/Barbosa/ Duve(2014). the form of a dossier.3 Three representative con- thisaspectintheEnglishversion,butitfitspretty tributionsdealingwiththe19thand20thcenturies well.andaboutthisorthatspecificdetail.Adebate have been selected to appear in the Focus section: abouttheactualissueposedbythespeakerdidnot from the Portuguese-Brazilian Empire; from the takeplace.Inresponsetoourinvitation4tofollow post-independence Hispano-American legalspace; this up in written form, we received several inter- and, finally, from the ecclesiastic legal space with estingcontributions. its centre in Rome. A contribution by Massimo That things elsewhere are perhaps somewhat Meccarelli (University of Macerata, Italy) rounds livelier,forinstance,inFrance,isdemonstratedby out the Focus with several reflections about legal a few reviews in Critique. A glimpse into a com- spaces. pletely different world is offered in Marginalia: in Debatesalsotakesupatopicdiscussedin2014– thissectionadescriptionandtranscriptionispro- or,in thisinstance,atopicthatwasnot discussed. vided of the trial conducted in Mexico in 1653 PeterOestmann(UniversityofMünster,Germany) againstworms.JorgeTraslosheros(UNAM,Mexico calledforadiscussionatthe40thDeutschenRechts- D.F.) rightly points out that we are dealing with historikertaginTübingenaboutwhatitiswemean morethanjustahistoricalcuriosityhere–andnot by ›theory‹ and ›praxis‹ in the context of our re- onlybecausediscussionsinvolvingthelegalstatus search. The discussion that ensued after his talk, ofhumansandanimalsareagainontherise. admittedly,developedinamannertypicalofmany larger conferences: everyone who had something to say, felt the need to talk about his or her own workIknowyousaiditwasn’tnecessarytoinclude Bibliography Albani, Benedetta/SamuelBarbosa/Thomas Duve, La Formación DeEspaciosJurídicosIberoamericanos(S. XVI–XIX): Actores,ArtefactosEIdeas.ComentariosIntroductorios(TheFormationofIberoamericanLegalSpaces(C.XVI–XIX):Actors, ArtefactsandIdeas.IntroductoryComments)(September1,2014).MaxPlanckInstituteforEuropeanLegalHistoryResearch PaperSeriesNo.2014-07.Online:http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2532868 Oestmann, Peter, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte. Drei Blickwinkel auf das Recht der Vergangenheit(HistoryofLegalNorms,ScienceandPractice.ThreePerspectivesontheLawofthePast)(October31,2014). Max Planck Institute for European Legal History Research Paper Series No. 2014-06. Available at SSRN: http://ssrn.com/ abstract=2526811 3 http://www.degruyter.com/view/j/ jbla 4 http://www.rg.mpg.de/762391/ notice14_11-20