MUNSTERSCHE MITTELALTER-SCHRIFTEN Herausgegeben von H. BELTING H. BORGER H. CLAUSSEN K. HAUCK D. HOFMANN G. KAUFFMANN H. LAUSBERG P. VON MOOS - K. J. NARR F. OHLY K. SCHMID R. SCHMIDT-WIEGAND R. SCHÜTZEICHEL UND J. WOLLASCH Band 24/1,2 WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN DIE GOLDBRAKTEATEN DER VÖLKERWANDERUNGS ZEIT 1,2 IKONOGRAPHISCHER KATALOG (IK1.TEXT) von MORTEN AXBOE, URS CLAVADETSCHER, KLAUS DÜWEL, KARL HAUCK UND LUTZ VON PADBERG WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN Bayerische Staatsbibliothek München ISBN 3-7705-1241-3 © 1985 Wilhelm Fink Verlag, München Satz und Dnxk: MZ-Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen Buchbindearbeiten: Graph. Betrieb F. Schöningh, Paderborn Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich 7 >Mittelalterforschung< in Münster entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt. VORBEMERKUNG In der Germania kommt Tacitus im c. 43 auf das Dioskurenheiligtum bei einem der Oststämme, den Naharvalen, zu sprechen. Der römische Ethnograph kennzeich- net die germanische Verehrung dieser jugendlichen Zwillinge auch mit dem Hinweis, es gebe dort keine Götterbilder, nulla simulacra. In grundsätzlicher Verallgemeine- rung, daß die Germanen die Erhabenheit der himmlischen Mächte nicht in Menschen- gestalt abbilden, stoßen wir auf die gleiche Mitteilung bereits im c. 9 der Germania. Es ist hier nicht der Ort, auf die Wirkungsgeschichte jener verallgemeinerten Aussage in Toposform einzugehen. Jedoch interessiert, daß schon die menschengestaltigen Holzidole aus Mooren Mittel- und Nordeuropas Gründe dafür boten, diese tacitei- schen Berichte in Frage zu stellen, Germania d. Tacitus, 1967, S. 182. Solcher Zweifel wird dann deswegen immer dringlicher, weil wir in der jüngeren Kaiserzeit einem ganzen Horizont von germanischen simulacra deorum begegnen. Glich sich doch der Norden intensiver seit der hunnisch-germanischen Völkerwanderung auch insofern der Mittelmeerwelt an, als er sich die Amulettform des Götterbildes und -Symbols aneignete. Denn »Götterbilder als Amulette sind in der vorchristlichen Antike im ganzen Gebiet des Mittelmeerbeckens geläufig«, Dölger, 1934, S. 70, 277ff. In diese religionsgeschichtlich bedeutsame Gattung der völkerwanderungszeitlichen Antiken- imitation erhalten wir- angesichts der für ihre Erhaltung besonders günstigen Bedin- gungen - einen erstaunlichen Einblick durch die über 800 Goldbrakteaten der Völker- wanderungszeit. Sie werden daher hier in einem dreibändigen ikonographischen Katalog geschlossen ediert. Die Einleitung, Band 1,1, erklärt, wie dieser Katalog angelegt und eingerichtet ist. Zu dieser Einleitung gehören auch ein Literaturverzeich- nis und ein Museumsregister, die beide gemeinsam sowohl der Einleitung 1,1, wie auch diesem Katalogband 1,2, dienen. Mit ihnen werden auch die Abkürzungen in dem Verzeichnis der Literatur wie in dem Register der Museen mitgeteilt, die in den Bänden dieses Korpus verwendet werden. Das Museumsregister hilft vor allem auch dann weiter, wenn man den Namen des Fundorts nicht weiß, sondern nur das Herkunftsgebiet oder -land. Mit diesem Register als Hilfsmittel läßt sich ausgleichen, daß wir, anders als Mackeprang, 1952, unseren Katalog nicht nach Länderprovenien- zen gegliedert haben. Der gleichzeitig vorgelegte Einleitungsband bietet im Kap. 1 eine allgemeine Einführung und gibt im Kap. 2 Rechenschaft über die Überlegungen bei der Materialvorlage sowie praktische Hinweise. Das Kap. 3 führt in das Beschrei- bungsschema ein; zu ihm gehören Übersichten in Verbindung mit einer Serie von Textfiguren, auf die auch in diesem Band mit der Abkürzung Fig. zusammen mit der jeweiligen Zahl verwiesen ist. Durch diese Textfiguren des Einleitungsbandes werden ebenso etwa die Verknüpfungsformen (Fig. 4-6) wie die Beinhaltungsvarianten (Fig. 6 Vorbemerkung 7-12) bei den Vierbeinern der C-Brakteaten und weitere Beitiere (Fig. 14-18) über- schaubar. Erst auf diese Weise ließen sich die Beschreibungen überhaupt sowie gleichfalls kurz abfassen. Die Erörterung der Runeninschriften wird im Kap. 5 eingeleitet. Im Einleitungsband wurde das umfangreichste Kap. 4 dem Themenkanon der Amulette und der Variationsbreite ihrer Bildgegenstände gewidmet. Dieses Kap. 4 mußte so abgefaßt werden, daß es sich in dem Auswertungsband, der als letzter die drei Bände des editorischen ikonographischen Katalogs abschließt, fortschreiben ließ. Das zwang uns dazu, mit vorläufigen Motivbenennungen auszukommen, die den- noch ihre Berechtigung neben den endgültigen späteren haben und behalten. Die Aufmerksamkeit dieses Werkes, das einen Katalog zu den goldenen Götter- bildamuletten des Nordens aus dem Zeitalter einer auf mündliche Überlieferung gegründeten Kultur erstellt, ist ikonographisch orientiert. Galt es doch, sich Sehge- wöhnungen anzupassen, die völlig anders sind als die unsrigen. Die Konzeption des Katalogs entstand ein ganzes Jahrzehnt, bevor das erste Kolloqium zu frühgeschichtli- chen Bildinhalten im Februar 1983 in Marburg, Lahn, veranstaltet wurde. In den letzten Jahren verstärkte die Brakteatenforschung bemerkenswert lebhaft ihr Interesse an Fragen der Herstellungstechnik, wie das etwa die Veröffentlichungen von Birgit Arrhenius sowie Morten Axboe und Per-Olof Bohlin 1981 und 1982 veranschauli- chen. Da unsere Beschreibungen seit der Mitte der 70er Jahre abgefaßt wurden, kamen die jetzigen produktionsgeschichtlichen Beobachtungen und Ergebnisse für sie zu spät. Jedoch wurden diese neueren Arbeiten gerade auch in den Literaturangaben zu den einzelnen Katalogpositionen noch voll berücksichtigt. Dort werden diese bedeut- samen Ermittlungen mit Hilfe von Stichworten in Registerart einbezogen. Auch hat Morten Axboe, wenn auch in das Korpusteam erst seit dem Dezember 1983 einbezo- gen, die zweite Fahnenkorrektur mitgelesen. Auf diese Weise konnten Beobachtun- gen aus seinen umfassenden Originaluntersuchungen, die herstellungstechnisch inter- essiert sind, hier noch berücksichtigt werden. Die mit diesem ersten Katalogband eröffnete kritische Aufbereitung der Zeug- nisse beginnt ebenso das langanhaltende Echo des Entlehnten wie auch die rasch immer selbständiger werdende Bildwelt genauer erfaßbar zu machen. Zumindest auf die Dauer erlaubt es diese Materialvorlage, jene merkwürdigen Zeugnisse einer spe- ziellen Kleinkunst einerseits in ihrer Abhängigkeit von vorangegangenen und zeitge- nössischen Arbeiten wie etwa von Kaiser- und Götterbildern der späteren Antike zu sehen, andererseits aber auch bis zur Interpretatio Germanica des Angeeigneten und Umgeformten vorzudringen. Wird doch so nunmehr diese Interpretatio Germanica ähnlich erforschbar, wie das seit langem bei der literarisch, bildlich und inschriftlich bezeugten Interpretatio Romana der Randkultur-Götter möglich ist. Methodisch läßt sich diese Aufgabe jener vergleichen, die Grabar, 1968,2, bes. S. 37ff., 42ff., bei der Würdigung von den reichen Denkmäler-Strömen der christlichen Ikonographie in ihrer Entstehungsgeschichte gemeistert hat. Wir gewinnen damit zugleich neues Rüstzeug, um das große Thema des Aufkommens von Bild und Schrift in Nord- europa, Werner, 1966, noch differenzierter weiter zu fördern. Der ikonographische Katalog ist mit seinen drei Text- und Tafelbänden, von denen das erste Paar hier vorgelegt wird, ein aufwendiges Editionsunternehmen. Aber nur so kann das Eindringen in den Horizont einer Gedächtniskultur ohne schriftliche Überlieferung mit Hilfe von Bildzeugnissen erfolgversprechend werden. Ist doch Vorbemerkung 7 gleichzeitig dieser historische Horizont selbst zu rekonstruieren. Wenn dazu die Abbildungen in ähnlichen Vergrößerungen erscheinen wie in der Hirmer-Publikation >Die römische Münze<, 1973, so wird damit zugleich auch eine sich immer selbständi- ger ausbildende Welt von Gestaltungen erschlossen, ungeachtet dessen, daß sie uns fast ausschließlich in Werken der goldenen Kleinkunst zugänglich ist. K. Hauck