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Die Evolution der Schmetterlinge (Lepidoptera) PDF

2007·2.2 MB·German
by  NußMatthias
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© Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at Die Evolution der Schmetterlinge (Lepidoptera) M. NUSS Abstract:TheevolutionofLepidopteraisillustratedbasedonpublishedexamples.Thehugereproductivepotential(Plodiainter- punctella(HÜBNER,1813))andmodificationofspecies(Bistonbetularia(LINNAEUS,1758),Zygaenaephialtes(LINNAEUS,1767))is explainedtodemonstratetheactingofnaturalselection.Industrialmelanismofthepepperedmothandheredityofphenotypic charactersinZygaenaephialtes,whichfollowsMendelianrulesandtakespartintheevolutionofMüllerianmimicryareinthe centreofinterest.Twoexamplesofveryyoungspeciationprocessesaregiven:theradiationinthegenusOmiodesGUENÉE,1854 onHawaiiwithinthelast1,400yearsandtheevolutionofhostplantracesofOstrinianubilalis(HÜBNER,1796)withinthelast 500years.Basedontheevolutionofthemouthparts,itisexplainedhowtogetaphylogeneticreconstructionoftheLepidoptera. Basedonthephylogeneticreconstruction,itisshownhowtodatecertainevolutionaryeventsbyfossilsandmolecularclocks.So far,evolutionaryresearchinzoologyhasbeenbasedexclusivelyontheassumptionthatnewspeciesevolvebydiversificationofa stemspecies.However,newresearchresultsonHeliconiusKLUK,1802demonstratethatspeciationcanhappenbyhomoploidhy- bridisationaswell.ItisproventhatresearchonLepidopterawillstillrequirecenturiestodiscovermostofthespecieslivingon earthaswellastolearntheirlifehistories,whiletheexistenceofmanyspeciesiscriticallyendangeredbyhumanactivitiesand someofthosespeciesespeciallyinterestingforsciencearealreadybelievedtobeextinct. Keywords:Lepidoptera;Zygaenaephialtes(LINNAEUS,1767);Plodiainterpunctella(HÜBNER,1813);OmiodesGUENÉE,1854;Os- trinianubilalis(HÜBNER,1796);Bistonbetularia(LINNAEUS,1758);Heliconiusheurippa(HEWITSON,1853);reproductivepotential; industrialmelanism;naturalselection;Mendelianheredity;Müllerianmimicry;youngspeciation;phylogeneticreconstruction; mouthparts;fossils;molecularclock;homoploidhybridisation;recentextinction,Hawaii. Einleitung wohl das Oxford Dictionary of National Biography (Oxford University Press 2004), welches mit 60 Bän- Noch ist nicht bekannt, wie viele Schmetterlings- den à 1.000 Seiten, die im Bücherregal 3,60 m bean- arten auf unserer Erde leben. Allein in drei jüngeren spruchen,nichteinmalhalbsoumfangreichist. PublikationenvariierendieAngabenüberdieZahlder bislang wissenschaftlich beschriebenen Arten von So sind die Entomologen immer noch wie im 18. 137.500(BECCALONIetal.2003)über148.500(GAEDI- und 19. Jahrhundert auf Museumssammlungen ange- KE & HÄUSER 2003) bis 171.000 (KRISTENSEN 1998). wiesen,indenenBelegexemplarevonSchmetterlingen systematisch geordnet werden. Diejenigen Entomolo- Nachfolgende Publikationen zeigen, dass für einzelne gen, die sich mit der Beschreibung und Klassifizierung GruppenderSchmetterlingedieAnzahlbekannterAr- vonArtenbeschäftigen,sindmeistaufeineengereVer- tennochweitausgrößerist(z.B.BROWN2005;BALDIZ- wandtschaftsgruppevonüberschaubarerArtenzahlspe- ZONE et al. 2006). Diese großen Abweichungen erklä- zialisiert.KeinervonihnenkannalleSchmetterlingsar- rensichausderTatsache,dassestrotzderEinrichtung tenkennen–essindeinfachzuviele. modernerDatenbankennochkeinVerzeichnisgibt,in dem alle Schmetterlingsarten vollständig aufgelistet Bei der Arbeit, Ordnung in diese Vielfalt zu brin- sind.EsgibtauchkeineBuchreihe,inderalleSchmet- gen,entdeckendieEntomologenimmernochneueAr- terlingederWeltbeschriebensind.Würdemannurei- ten,diedannwissenschaftlichbeschriebenwerden.Al- ne Seite benutzen, um eine Art zu beschreiben – ihr lerdings kann es auch vorkommen, dass eine Art irr- Aussehen,inwelchemLebensraumsievorkommt,von tümlichmehrfachbeschriebenwird.Dannwirdderje- welchen Pflanzenarten sich Falter und Raupen ernäh- weils jüngere Name ein Synonym des älteren. Dieses ren,wieweitsieverbreitetistundvielleichtnochBil- Procedere sorgt dafür, dass sich die Zahl bekannter der von Falter, Puppe, Raupe und Ei ergänzt – müsste Schmetterlingsartenfasttäglichändert.AlleinimJahr Denisia20, maneineBuchserievon150Bändenmitjeweils1.000 1990 wurden weltweit 922 Schmetterlingsarten ent- zugleichKatalogeder oberösterreichischen Seitendrucken.ZumVergleich:Dieumfangreichsteje deckt und wissenschaftlich beschrieben, gleichzeitig Landesmuseen gedruckte Buchreihe in der Menschheitsgeschichte ist aber auch 356 zuvor beschriebene Artnamen synony- NeueSerie66(2007): 587-608 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abb.1-10:MitteleuropäischeVertreterderLepidoptera.(1)Micropterigidae:MicropterixshaefferiHEATH,1975(Bayern,Riedenburg, 7.5.2002).(2)Eriocraniidae:Eriocraniasubpurpurella(HAWORTH,1828)(Bayern,Mettenbach,30.4.2001).(3)Hepialoidea,Hepialidae: Phymatopushecta(LINNAEUS,1758)(Nordtirol,Pertisau,10.07.1998).(4)Incurvarioidea,Incurvariidae:Incurvariamasculella(DENIS& SCHIFFERMÜLLER,1775)(Bayern,Sittlerhof,04.05.2004).(5-7)Tineoidea.(5)Tineidae:Triaxomeraparasitella(HÜBNER,1796)(Bayern, Wolfsbach,03.06.2003).(6-7)Psychidae:Dahlicatriquetrella(HÜBNER,1813).(6)FlügellosesWeibchenausderPuppeschlüpfend(Bayern, Läuterkofen,18.03.2001).(7)Männchen(Bayern,Obernzell,16.04.2006).(8)Gracillarioidea,Gracillariidae,Lithocolletinae:Cameraria ohridellaDESCHKA&DIMIC,1986(Rosskastanienminiermotte)(Bayern,Attenkofen).(9-10)Gelechioidea,Coleophoridae:Coleophora ballotella(FISCHERVONRÖSLERSTAMM,1843)(Brandenburg,Grießen/Neiße).(9)Larve(29.05.2004).(10)Falter(20.06.2004). Fotos:P.Lichtmannecker. 588 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at misiert (EDWARDS 1990, 1991). Somit ist die absolute imHinblickaufihreÜberlebenswahrscheinlichkeitun- Anzahl bekannter Schmetterlingsarten 1990 nicht um terscheiden, dass heißt, es findet natürliche Selektion 922,sondern„nur“um566gestiegen. statt.Understelltefest,dasszumindesteinTeilderUn- terschiede zwischen den Individuen einer Population Begonnen hat alles im Jahr 1758, als Carl LINNÉ erblich bedingt ist und natürliche Selektion deshalb (lat.CarolusLINNAEUS;1762geadelt,seitherCarolvon übermehrereGenerationenzurEvolutionführt. LINNÉ) mit der Einführung der binären Nomenklatur undeineshierarchischenOrdnungssystemsdiemoderne Zoologiebegründete.Unterstellenwir,dassseit1758(= Der Dörrobstmotte 250 Jahre) 171.000 Schmetterlingsarten beschrieben ist die Küche zu klein! wurden(sieheoben),sosinddasproJahrdurchschnitt- Gemeinsam mit der Stubenfliege (Musca domestica lich etwa 684 Arten. Es wird aber geschätzt, dass etwa LINNAEUS,1758)unddenSchaben(z.B.Blattaorientalis doppelt so viele, also 342.000 Schmetterlingsarten tat- (LINNAEUS, 1758), Periplaneta americana (LINNAEUS, sächlichaufunsererErdeleben.Unterstelltmanweiter, 1758),Blattellagermanica(LINNAEUS,1767))gehörtsie dassdieBeschreibungderverbleibenden171.000Arten zum bekanntesten Küchenungeziefer unserer Tage: die mit ähnlicher Geschwindigkeit erfolgen wird, wird es Dörrobstmotte (Plodia interpunctella (HÜBNER, 1813) nocheinmal250Jahreerfordern,umalleverbleibenden (Abb. 17). Fast jeder hat sich schon einmal über diese Schmetterlingsartenzuentdeckenundwissenschaftlich Tierartgeärgert,derenrosafarbene,spätergelbgrünliche zubeschreiben. Larven,diebiszu13mmlangwerden,sichdurchTro- DabeiistdieBeschreibungeinerneuerArterstder ckenfrüchte,Nüsse,Schokolade,Getreideprodukte,Sä- AnfangihrerErforschung.Vonvielenbislangbeschrie- mereien, trockene Kräuter etc. fressen, diese mit ihren benenArtenwissenwirnochnichtsüberihreLebens- Seidenfäden durchziehen und dort ihre Exkremente weise. Dies mag verdeutlichen, wie viel Forschungsar- hinterlassen.DabeikannihrdieNahrungfastnichtzu beitüberdieSchmetterlingenochzuleistenseinwird. trocken sein. Selbst wenn darin nur noch 5% Rest- Wir dürfen ganz sicher noch auf manche spektakuläre feuchteenthaltenist,könnensichdieLarvennochnor- Entdeckungengefasstsein. mal entwickeln (SHOJAADDINI 2005) und so trieb die Dörrobstmotte ihr Unwesen wahrscheinlich schon in AberwoherkommeneigentlichdievielenSchmet- den Tonkrügen des Altertums. Sie gilt heute weltweit terlingsarten? Die universelle naturwissenschaftliche als der wichtigste Schädling in der Lebensmittelverar- AntwortaufdieseFragelautet,dasssiedurchEvolution beitenden Industrie. Verluste, Überwachung, Bekämp- entstanden sind (DARWIN 1859; MAYR 2005) und dies fung, Reklamationen und Rücknahmeaktionen belau- soll im Folgenden anhand einiger Beispiele erläutert fen sich vermutlich auf Milliardenbeträge. Der Umsatz werden. mitPheromonfallenfürVorratsschädlingebeträgtallein in den USA jährlich mehrere Millionen Dollar (NAN- Natürliche Selektion und Anagenese – SENetal.2004).InMitteleuropakommtdieDörrobst- Die Veränderlichkeit von Arten motteunterfreiemHimmelvoralleminderUmgebung vonLagerhäusernvor(CAMPBELL&ARBOGAST2004). Charles DARWIN (1859) erkannte, dass Populatio- Wie bei allen Schmetterlingen verläuft die Ent- nen ein Vermehrungspotential haben, dass ihre Größe wicklungvomEi,ausdemeineLarveschlüpft,diesich exponentiell zunehmen könnte, doch kommt es in der mehrmalshäutet,sichdannzueinerPuppeverwandelt, Realitätnichtdazu.VielmehrbleibendieeinzelnenPo- auswelcherschließlichdasadulteInsektschlüpft(um- pulationen,globalbetrachtetundvoneinigenSchwan- gangssprachlich:Falter,Schmetterling).Diesevollstän- kungen abgesehen, über längere Zeit gleich groß. Ein dige Verwandlung haben die Schmetterlinge mit allen Grund dafür ist, dass sie nur begrenzte Ressourcen zur anderen Holometabola gemeinsam. Die Entwicklung Verfügung haben, wie beispielsweise Nahrung oder Le- der Dörrobstmotte wird von der verfügbaren Nahrung, bensraum,umwelchedieeinzelnenIndividuenkonkur- der relativen Luftfeuchtigkeit und der Temperatur be- rieren. Ein solcher Zusammenhang wurde ursprünglich einflusst.ARBOGAST(2006)züchtetedieDörrobstmotte vonThomasMALTHUS(1798)fürdiemenschlicheGe- im Labor auf Maissamen, um die Entwicklungsdauer sellschaft diskutiert. DARWIN (1859) griff dies auf und vom Ei bis zum Falter zu untersuchen. Er variierte die bezeichnete die Konkurrenz zwischen Individuen einer TemperaturunddierelativeLuftfeuchtein18verschie- Artalsden„KampfumsDasein“. denen Kombinationen. Unterhalb 15°C und oberhalb DARWIN (1859) beobachtete auch, dass es keine 40°C schlüpften weniger als ein Prozent der Larven, zweiIndividuenineinerPopulationgibt,diesichabso- aber zwischen 20-35°C korrelierte der Schlupf positiv lut gleich sind und schlussfolgerte daraus, dass sie sich mitzunehmenderTemperaturundesdauerteindiesem 589 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Abb.11-20:MitteleuropäischeVertreterderLepidoptera.(11-12)Zygaenoidea,Zygaenidae:Zygaenaephialtes(LINNAEUS,1767).(11) Falter(Sachsen,westlichMeißen).(12)Larve(gleicheLokalität).(13)Sesioidea,Sesiidae:Synanthedonvespiformis(LINNAEUS,1761), Bulgarien,Burgas,Juni1984(Foto:M.Förster,ArchivMuseumfürTierkundeDresden).(14)Tortricidae:Olethreutesarcuella(CLERCK, 1759)(Bayern,Kallmünz,16.05.2002).(15)Alucitoidea,Alucitidae:Pterotopteryxdodecadactyla(HÜBNER,1813)(Bayern,Eining, 26.07.2003).(16)Pterophoridae:Amblyptiliapunctidactyla(HAWORTH,1811)(Bayern,Rambachtal,15.10.2005).(17)Pyralidae:Plodia interpunctella(HÜBNER,1813)(Dörrobstmotte).(18)Crambidae:Ostrinianubilalis(HÜBNER,1796)(Maisünsler).(Bayern,Wolfsbach).(19) Bombycoidea,Sphingidae:Macroglossumstellatarum(LINNAEUS,1758)(Taubenschwänzchen)(Ungarn,10.08.1992).(20)Papilionoidea, Nymphalidae:Polygoniac-album(LINNAEUS,1758)(Dresden).DeutlichsichtbarsinddiefürTagfalterinderRuhestellungcharakteristisch nachobenzusammengelegtenFlügelsowiediedistalverdicktenFühlerspitzen(Foto:G.Hoffmann,ArchivMuseumfürTierkunde Dresden).Fotos11-12:T.Keil;14-19:P.Lichtmannecker. 590 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at Tab.1:DasVermehrungspotentialderDörrobstmottein12Monaten.EinWeibchenkannbiszu500Eier ablegen,ausdenensichjeweils50%MännchenundWeibchenentwickeln. Weibchen Eier MännchenundWeibchen Januar 1 × 500 = 500 Februar 250 × 500 = 125.000 März 62.500 × 500 = 31.250.000 April 15.625.000 × 500 = 7.812.500.000 Mai 3.906.250.000 × 500 = 1.953.125.000.000 Juni 976.562.500.000 × 500 = 488.281.250.000.000 Juli 244.140.625.000.000 × 500 = 122.070.312.500.000.000 August 61.035.156.250.000.000 × 500 = 30.517.578.125.000.000.000 September 15.258.789.062.500.000.000 × 500 = 7.629.394.531.250.000.000.000 Oktober 3.814.697.265.625.000.000.000 × 500 = 1.907.348.632.812.500.000.000.000 November 953.674.316.406.250.000.000.000 × 500 = 476.837.158.203.125.000.000.000.000 Dezember 238.418.579.101.562.500.000.000.000 × 500 = 119.209.289.550.781.250.000.000.000.000 Temperaturbereich durchschnittlich 3,1 bis 8,5 Tage ten sich zu DARWINs Lebzeiten (1809-1882) dramati- vonderEiablagebiszumSchlupfderLarven.DieEnt- sche Veränderungen in der Umwelt Englands. Mit der wicklungsdauer von der Eiablage bis zum Schlupf des Industrialisierung ging eine nach heutigen Maßstäben Falters nimmt in dem Temperaturbereich von unvorstellbareLuftverschmutzungeinher.Esistüberlie- 20-31,1°CmitsteigenderTemperaturvon67,6auf30,1 fert, dass in Manchester aufgrund durchziehender Tage ab, dann aber, bei einer Temperaturzunahme auf Rauchwolken selbst zur Mittagszeit der Himmel nicht 35°C,steigtsiewiederauf38,5Tage.Unteroptimalen sichtbarwarundMütterkaumdieUmrisseihreraufden Bedingungen können sich also innerhalb eines Jahres Straßen spielenden Kinder ausmachen konnten. Jähr- bis zu 12 Generationen entwickeln. Da ein Weibchen lichgingenetwa50TonnenRußproQuadratmeileauf biszu500Eierlegenkann,ergibtsichdarauseinriesi- dieStadtnieder.Bäume,HäuserundjedeandereOber- gesVermehrungspotential(Tab.1). fläche in der Umgebung von Manchester waren mit Rußbedeckt.WennimSommereinGewitterregennie- Tabelle1zeigt,dassausgehendvoneinemeinzigen derging, lief der Ruß in Rinnsalen an der Rinde hinab Weibchen, dass vielleicht im Januar mit Trockenpro- unddasschwefelsaureRegenwasserzerstörtedieFlech- duktenindieKücheeingetragenwurde,schonimApril ten, die auf den Bäumen wuchsen (HOOPER 2003). In mehr Dörrobstmotten resultieren würden, als heute dieserViktorianischenHöllewurde1848imGebietvon MenschenaufunsererErdelebenundzuWeihnachten Manchester erstmalig ein seltener, schwarzer Phänotyp gäbeesdieschöneBescherungvonüber119Quadrilli- des ansonsten hellen Birkenspanners Biston betularia arden Dörrobstmotten! Dass ein solcher Zustand nicht (LINNAEUS,1758)(Geometroidea:Geometridae)(Abb. nurfürdenmenschlichenBetrachter,sondernauchfür 21)nachgewiesen,derindenFolgejahrenimmerhäufi- die Motten sogar in einer geräumigeren Küche etwas gerwurdeundschließlichdenhellenPhänotypzahlen- engwerdenwürde,lässtsichleichterrechnen.DasKör- mäßigdeutlichübertraf.Bis1890nahmderAnteilder pervolumen einer Dörrobstmotte beträgt etwa 9 mm× schwarzenTierefastüberallinEnglandzuund1895ge- 1,5mm×1,5mm=20,25mm3.Wirddieserscheinbar hörten 98% aller Birkenspanner in Manchester zum vernachlässigbare Rauminhalt mit den 1,19 × 1029 Dörrobstmotten multipliziert, ergibt das ein Volumen schwarzen Phänotyp (EDLESTON 1865; TUTT 1896; von 2,4 × 1021 m3! Wird der Küche nun eine Quader- KETTLEWELL1961;STEWARD1977;MAJERUS1998). formunterstellt,gibtdieKubikwurzelausdiesemVolu- Da der Melanismus des Birkenspanners der Indus- men die Kantenlänge der Küche an: 13.415 km. Das trialisierung und der damit einhergehenden Luftver- entspricht etwa einem Drittel der Länge unseres Erd- schmutzung in Großbritannien folgte, stellte TUTT äquators(Umfangetwa40.075km). (1896) die Hypothese auf, dass der helle Phänotyp des BirkenspannersbeimRuhenanmitFlechtenbewachse- nenOberflächenvisuellbessergetarntseiunddassder Der Industriemelanismus des schwarzePhänotypinIndustriegebietenhäufigerwurde, Birkenspanners weil die Oberflächen, auf welchen die Falter tagsüber AlsDARWIN(1859)mitseinemBuch„Ontheorigin ruhen, sich aufgrund der industriellen Luftverschmut- ofspecies“dieEvolutionstheoriebegründete,lieferteer zung verändert haben: Auf den dunklen und relativ dafüreineüberwältigendeFüllevonBelegen,dochführ- gleichmäßigverrußtenBaumstämmenwürdenFalterdes tenKritikeran,dasseinentscheidenderBeweisausste- schwarzen Phänotyps besser vor den Blicken insekten- he:einBeispielfürEvolutioninAktion.Dabeiereigne- fressenderVögelgetarntseinalsjenedeshellenPhäno- 591 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at typs.MitTUTTs(1896)PublikationwareineLehrbuch- geschichte par excellence geboren: der Industriemela- nismus des Birkenspanners als ein Beispiel natürlicher Selektion, das vor unseren Augen abläuft. Es war zu- nächstdaseinzigeBeispielfürEvolutioninAktionund erregteentsprechendeAufmerksamkeit. NochinderMittedes20.Jahrhundertsdominierte der schwarze Phänotyp in weiten Teilen Großbritan- niens und das Vorkommen des hellen Phänotyps be- schränktesichaufdenWestenEnglandsunddenNor- den Schottlands (KETTLEWELL 1961). Im Norden von Wales gehörten zu jener Zeit 90% oder mehr zum schwarzenPhänotyp.NachSüdenreduziertesichdieser A AnteilunderreichteanderSüdwestküstevonEngland 5%oderweniger,womitdasVorkommendesschwarzen Phänotyps mit den großen Industriestandorten korre- lierte (COOK 2003). In den 1970er Jahren zeigt LEES (1981), dass das Vorkommen des schwarzen Phänotyps großenteilsmitdenGebietenhoherLuftverschmutzung (mittlereStaubpartikelkonzentrationimWintergrößer als 45 mg/m3 Luft und mittlere Schwefeldioxidkonzen- tration im Winter größer als 50 mg/m3 Luft) überein- stimmt. Nachdem in den 1950er Jahren in Großbritannien der Clean Air Act erlassen wurde, ging die Luftver- schmutzungnachundnachzurück.Diesbedingteauch eine Wiederbesiedlung der Bäume mit Flechten sowie einenRückgangdesschwarzenPhänotypsindenPopu- B lationen des Birkenspanners zugunsten des intermediä- ren grauen sowie des hellen Phänotyps (COOK 2000, 2003; COOK et al. 1999, 2002, 2004). Bereits Anfang der 1980er Jahre beschränkten sich Populationen mit einerHäufigkeitdesschwarzenPhänotypsvon90%und mehraufeineIndustrieregioninNordenglandundnur eine Dekade später sank ihre Häufigkeit hier auf 50% (COOK2003). Damit korreliert das Vorkommen des schwarzen PhänotypsdesBirkenspannerszeitlichundräumlichmit starken, industriell bedingten Luftverschmutzungen. DieZu-undAbnahmedesschwarzenPhänotypsvollzog sich in Großbritannien in nur 150 Jahren. Ähnliche Korrelationen wurden für Deutschland (CLEVE 1970), C die Niederlande (BRAKEFIELD & LIEBERT 2000) und Nordamerika(GRANT&WISEMAN2002)gefunden. Abb.21:DerBirkenspanner(Bistonbetularia(LINNAEUS,1758))(Geometridae). (A)DerhellePhänotyp(‘Formatypica’)(Bayern,Eglberg,26.05.1999).(B)Der Genetisch wird das Auftreten der drei Phänotypen intermediärePhänotyp(‘Formainsularia’)(Ungarn,Boly,22.07.1997).(C)Der desBirkenspannersdurchdieVererbungmehrererAlle- schwarzePhänotyp(‘Formacarbonaria‘).DieinderLiteraturfürdiedrei leaneinemLocuserklärt,wobeiderschwarzePhänotyp PhänotypendesBirkenspannersverwendetenNamentypica,insulariaund carbonariasindinfrasubspezifischundnachICZN(2000)nichtverfügbar. dominantvererbtwird(GRANT2004). FotoA-B:P.Lichtmannecker;C:G.Ebert. AdulteBirkenspannersindnachtaktivundwährend desFlugesderGefahrdesGefressenwerdensdurchFle- dermäuse (Mammalia: Chiroptera) ausgesetzt. Aller- dingsbesitzendieFaltereinTympanalorganzurOrtung 592 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at der Ultraschalllaute der Fledermäuse und sind somit 1. bis 8. Abdominalsegmente einlagern. Bei Gefahr grundsätzlich in der Lage, bei Wahrnehmung der Or- könnendieCyanglykosideineinerkatalytischenReak- tungslautedenFledermäusenzuentkommen.Wiedieses tion zu dem extrem giftigen Cyanwasserstoff (HCN) Räuber-Beute-Systemquantitativgenaufunktioniertist zersetztundinFormeinesfarblosenFlüssigkeitstropfens zwarnochnichtuntersucht,aberdassFledermäusemit (Blausäure) nach Außen abgegeben werden. Bei der ihrem akustischen Ortungssystem die verschiedenen HäutungwerdendieCyanglykosideaufdasnächsteLar- PhänotypendesBirkenspannersaufgrundihresMelani- venstadium, die Puppe und den Falter sowie von den sierungsgrades unterschiedlich selektieren, ist unwahr- WeibchenbeiderAblagederEierauchaufdieseweiter- scheinlich.TagsüberruhenBirkenspannernicht,wiein gegeben. Damit im Umgang mit dem Gift auch nichts den meisten Lehrbüchern gezeigt, an Baumstämmen, schief geht, sind die Tiere in der Lage, HCN durch ei- sondernvorwiegendanderUnterseitevonmitKrusten- nenenzymatischenProzesszuentgiften(WITTHOHN& flechtenbewachsenenZweigensowieinStamm-Astga- NAUMANN 1987). Zu den potentiellen Feinden der beln (MIKKOLA 1979; MAJERUS 1998; MAJERUS et al. Blutströpfchen gehören Ameisen, Frösche, Kröten, Ei- 2000). Hier sind die Falter insektenfressenden Vögeln dechsen,MäuseundVögel.UnerfahreneStarewurden ausgesetzt und der helle Phänotyp ist ihnen gegenüber beobachtet, wie sie versuchten, die Larven von Bluts- visuelldeutlichbessergetarntalsderschwarze.Sterben tröpfchen zu fressen, diese aber sofort wieder losließen die Flechten aufgrund von Luftverschmutzung jedoch undsichlangedanachdenSchnabelreinigten.Darauf- ab, kehrt sich dies um und die schwarzen Phänotypen hin zeigten sie für geraume Zeit keinerlei Interesse an sindbessergetarntalsdiehellen(MAJERUSetal.2000). Insekten,lerntenimLaufederZeitaber,ausschließlich Dass Vögel die jeweils weniger getarnten Birkenspan- InsektenmitdemaposematischenZeichnungsmuster(= nerfalter fressen, wurde durch mehrere Studien belegt Warnfarben)derBlutströpfchenzumeiden. (vgl.KETTLEWELL1961). Es könnte angenommen werden, dass ein Zeich- Damit sind genetische Variabilität, Umweltverän- nungsmuster,dasdenFeindenderBlutströpfchenErin- derungenundnatürlicheSelektiondieFaktoren,diebei nerungen an sehr unangenehme Erfahrungen wach zu derZu-undAbnahmedesMelanismusdesBirkenspan- haltenscheint,indenBlutströpfchenpopulationenwe- ners eine wichtige Rolle spielen und so liefert der Bir- nigvariiert,umzuvermeiden,dasseineleichteAbwei- kenspannereinBeispielfürEvolutioninAktion.Aller- chung einen Vogel dazu verführen könnte, einen Au- dingsgestaltetsichdieUntersuchungdieserZusammen- ßenseiterzuprobieren.TatsächlichistgenaudasGegen- hänge als sehr aufwendig, da (1) die Individuendichte teil dessen der Fall. Beispielsweise variiert die Art Zy- derBirkenspannerfalterinfreierNatursehrniedrigist, gaenaephialtessostark,dassfürihreverschiedenenPhä- (2)einFalterineinerNachtbiszu2,5kmfliegtundde- notypenbisindiesechzigerJahredes20.Jahrhunderts renMobilitätkonkreteStandortfaktorenüberlagertund mehrals150Namenbeschriebenwurden(REISS&TRE- (3) entwickelt sich pro Jahr nur eine Generation, so MEWAN1967).SogibtesTieremitfünfodersechsFle- dassdieReaktionaufeineUmweltveränderungnurmit ckenaufdenVorderflügelnunddieFleckenkönnenje- einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Jahren er- weilsrot,gelb,orangeoderweißsowiedieHinterflügel folgt. rot oder gelb mit einem schwarzen Rand oder völlig schwarzmiteinemweißenVorderrandflecksein.Zudem zeigt jede dieser Kombinationen individuelle Varia- Zygaena ephialtes (LINNAEUS, 1767) – tionen. eine Art erhält 150 Namen! In den Jahren 1912–1914 unternahm BURGEFF Blutströpfchen (Zygaena FABRICIUS, 1775) sind (1921) Kreuzungen zwischen einigen dieser Phänoty- Schmetterlingemitschmalen,metallischblauenVorder- pen, die er aufgrund des beginnenden Krieges jedoch flügeln, die mit kontrastierenden roten Punkten oder nicht zu Ende führen konnte. Er schlussfolgerte aber Bändern versehen sind (Abb. 11). In dieser auffälligen schon,dassdieFarbvariationenanzweiErbfaktorenge- GestaltruhendieFalteraufblumenreichenWiesengern bundensind:dereinebestimmtdieroteodergelbePig- auflilafarbenenBlütenundlassensichimWindschau- mentierung, der andere die Ausdehnung (peucedanoi- keln. Oft sitzen sie gesellig auf einer Blüte, lassen sich des Merkmal) oder Reduktion (ephialtoides Merkmal) nur wenig stören und selbst wenn sie leicht mit dem diesesPigments. Finger berührt werden, schicken sie sich kaum an, da- vonzufliegen.DiesescheinbareGelassenheithateinen Diese Studie wurde schließlich von BOVEY (1934, Grund:Blutströpfchensindgiftig!Siesynthetisierenin 1941,1948,1966)inderSchweiz,POVOLNY&PIJÁCˇEK ihrem Körper die Cyanglykoside Linamarin und Lot- (1949; vgl. POVOLNY 1999) in Tschechien, DRYJA australin(DAVIS&NAHRSTEDT1979,1987),welchedie (1959) in Polen sowie TREMEWAN (2006) aufgegriffen. LarveninHohlräumender2.und3.Thorax-,sowieder Die Wissenschaftler erbrachten unabhängig voneinan- 593 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at A B C D E F G H I Abb.22:PhänotypenvonZygaenaephialtes(LINNAEUS,1767).(A)Peucedanoid,5 Flecken,rot;Tschechien,Mähren.(B)Peucedanoid,6Flecken,rot;Tschechien,Mähren. (C)Peucedanoid,5Flecken,gelb;Ungarn.(D)Peucedanoid,6Flecken,gelb;Tschechien, Mähren.(E)Ephialtoid,5Flecken,rot;Tschechien,Mähren.(F)Ephialtoid,6Flecken, rot;Österreich,Wachau.(G)Ephialtoid,5Flecken,gelb;Tschechien,Erzgebirge.(H) Abb.23:Noctuoidea:Arctiidae:Amata Ephialtoid,6Flecken,gelb;Kroatien,Istrien.(I)Peucedanoid,5Flecken,orange; phegea(LINNAEUS1758)Sachsen,Waldheim Österreich,LengenfeldbeiKrems. (alleTiere:MuseumfürTierkundeDresden). 594 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at derinlangjährigenKreuzungsexperimentendenBeweis, Tab.2:NomenklaturderZygaenaephialtesPhänotypen(nachBOVEY1934; dass sich die polymorphen Farbvarianten bei Zygaena NAUMANNetal.1999).R:Rotdominant.r:rotrezessiv(=gelb).P:‘peuceda- noid’(VorderflügelfleckenundHinterflügelrotodergelb,letzteremitschwar- ephialtes durch die Mendelschen Vererbungsregeln zemRand).p:‘ephialtoid’(Vorderflügelfleckenweiß,mitAusnahmeder (MENDEL1866)erklärenlassen,dieerstum1900wieder beidenBasalfleckeundHinterflügelvollständigschwarz,mitAusnahmeeines entdecktwurden. weißenFleckesamdistalenEndederDiskoidalzelle).AlldiesePhänotypen kommenmit5oder6FleckenimVorderflügelvor,letztereistrezessiv. Zygaena ephialtes bringt in Mitteleuropa nur eine GenerationproJahrhervorundmancheIndividuenbe- Zygote 5Flecke 6Flecke nötigenfürihreEntwicklungsogareinzweitesJahr.So peucedanoid rot PR athamanthae peucedani fingBOVEY(1934)dieerstenWeibchenfürseineZucht- gelb Pr aeacus icterica versuche im Jahr 1930 und erhielt die homozygoten ephialtoid rot pR medusa ephialtes (reinerbigen)Eltern(P-Generation)1931,mitdenener gelb pr trigonellae coronillae dieersteKreuzungvornahm,ausderer1932dieFalter Tab.3:MendelscheVererbungderpeucedanoidenundephialtoiden der ersten Tochtergeneration (F1-Generation) erhielt, PhänotypenvonZygaenaephialtes. dieerwiederumkreuzteund1933dieerstenFalterder P peucedanoid × ephialtoid F2-Generationerhielt,dochüberwintertenvieleLarven F1 peucedanoid dieserGenerationeinzweitesMal,sodassnichtalleEr- F2 3peucedanoid 1ephialtoid gebnisse zur Publikation vorlagen. 1931 kreuzte er in vierZuchtenYrotpeucedanoid×=rotephialtoidund InderFolgesetzteBOVEY(1941)seineExperimente erhielt in der F1-Generaition insgesamt 163= und fort, und kreuzte rote peucedanoide Phänotypen vom 151Y rot peucedanoid sowie in weiteren drei Zuchten FußdesJura,roteephialtoidePhänotypenausMartigny Y rot ephialtoid × = rot peucedanoid und erhielt ins- und gelbe ephialtoide Phänotypen aus Fischamend bei gesamt71=,62Yrotpeucedanoid.DannkreuzteBOVEY Wien. Diese Studien belegen, dass (1) der rote Typ YHybridF1×=HybridF1underhieltinderF211=, (RR)dengelben(rr)dominiertund(2),dassdiebeiden 1Yrotpeucedanoidund2=,1Yrotephialtoid,wasna- Merkmalskomplexe peucedanoid/ ephialtoid und hezu einem Verhältnis von 1:3 zwischen den Phänoty- rot/gelbalsDihybridismusinterpretiertwerdenmüssen, pen ephialtoid und peucedanoid entspricht (Ungenau- dasieunabhängigvoneinandervererbtwerden(Unab- igkeit:einTeilderRaupenüberwinterteeinzweitesMal hängigkeitsregel). undgingnichtindieAuswertungein). EssollhierderVollständigkeithalberdaraufhinge- Mit diesem Experiment war bewiesen, (1) dass die wiesen werden, dass es noch eine weitere Farbvariante HybridenauszweireinerbigenRassenallegleichausse- vonZygaenaephialtesgibt,einorangefarbenerPhänotyp, hen(Uniformitätsregel)und(2),dassdasMerkmalpeu- derinderNaturnursehrseltenauftrittunddurchdrei cedanoiddominantgegenüberdemMerkmalephialtoid multiple Allele R (rot), rJ(stark gelb) und rj(schwach ist,dasheißt,dieMerkmaletrennensichinderF2Ge- gelb)erklärtwird(BOVEY1966). neration wieder auf (Spaltungsregel). Damit folgen die Merkmale peucedanoid und ephialtoid den MENDEL- Interessanterweise sind die einzelnen Phänotypen schen Vererbungsregeln. Das Ergebnis lässt sich wie in innerhalb des Verbreitungsgebietes von Zygaena ephial- Tabelle3dargestelltvereinfachtzusammenfassen: tes,dassichvonderAtlantikküsteFrankreichsbisnach Tab.4:DieUnterartenvonZygaenaephialtes(nachNAUMANNetal.1999). Unterart Flügelmerkmale Verbreitung Z.e.ephialtes(LINNAEUS,1767) 6-Flecken,rot,ephialtoid Schweiz Z.e.albaflavens(VERITY,1920) 6-Flecken,gelbephialtoid Mittelitalien Z.e.coronillae 6-Flecken,gelbephialtoid östlichesNiederösterreich, ([DENIS&SCHIFFERMÜLLER],1775) Tschechien,Slowakei Z.e.peucedani(ESPER,1780) 5oder6Flecken,rot, Nordfrankreich,Deutschland,Böhmen, peucedanoid(ephialtoidselten) Österreich,Polen,Russland,Ukraine Z.e.medusa(PALLAS,1771) 5Flecken,rotephialtoid Südrussland Z.e.tymphresticaHOLIK,1948 6Flecken,rotephialtoid(gelbselten)Mittelgriechenland Z.e.smolikanaNAUMANN&ROSE,1981 5oder6Flecken,rot,Kombination Nordwestgriechenland peucedanoiderundephialtoider Merkmale Z.e.wagnerianaREISS,1929 6-Flecken,rot,peucedanoid West-undZentralanatolien Z.e.senescensSTAUDINGER,1887 6-Flecken,rot,peucedanoid ÖstlichesTaurusgebirgebisHazarGölü (Türkei) 595 © Biologiezentrum Linz, download unter www.biologiezentrum.at Westsibirienundvon56°nördlicherBreitebiszumMit- währendsichZ.ephialtesdamitbiszurletztenJuliwoche telmeer erstreckt, ungleich verteilt. Rot, peucedanoide Zeitlässtundmitnur2.000-3.000Individuenerscheint. Phänotypen kommen überwiegend im Norden und die Die Flugaktivität der Falter aller drei Arten geht dann gelb, ephialtoiden Phänotypen im Süden sowie ge- gemeinsamindererstenAugustdekadezuEnde(SBOR- mischte Populationen im zentralen und östlichen Be- DONIetal.1979).AusgehendvonMÜLLERsKalkulation reichdesArealsvor.EinigePopulationensindvollstän- (1878) ergibt sich nun folgendes Szenario: Bei einem dig rot, andere vollständig gelb und einige gemischt Gesamtverlust durch Fressfeinde von 10% würde A. rot/gelb, peucedanoid/ephialtoid. Orange Phänotypen phegea30.000,A.ragazii1.000undZ.ephialtesetwa250 kommen nur in gemischten rot/gelb Populationen vor. Individuen verlieren. Aufgrund ihrer Giftigkeit und InNiederösterreichfolgtdieTrennungroterundgelber ÄhnlichkeitzueinandergewinntA.phegeajedoch1.250 Individuen der 9°C Isotherme (REICHL 1958). NAU- Individuen (0,4%), während die Verluste aufgrund der MANNetal.(1999)schlageneinesystematischeUnter- deutlich größeren Populationsstärke von A. phegea bei gliederung der Zygaena ephialtes in geographisch deter- den beiden anderen Arten gegen Null tendieren wür- minierteUnterartenvor(Tab.4). den. Allerdings hätte Z. ephialtes im mittelitalienischen Fioio-TalauchdanneinenVorteil,wennsiedortimrot- DiegelbenephialtoidenPhänotypenvonZ.ephial- peucedanoiden Phänotyp auftreten würde, da im glei- tes sind sehr ähnlich zu einigen Arten der Gattung chen Tal und zur gleichen Zeit verwandte Zygaena-Ar- Amata FABRICIUS, 1807 (Noctuoidea: Arctiidae). So ten vorkommen: Z. filipendulae (LINNAEUS, 1758), Z. kommtZ.ephialtesalbaflavensinMittelitalienalsFalter transalpina(ESPER,1780),Z.lonicerae(SCHEVEN,1777), syntop (in demselben Biotop) und synchron (zur glei- Z.romeoDUPONCHEL,1835undZ.oxytropisBOISDUVAL, chenZeit)mitAmataphegea(LINNAEUS,1758)undA. 1828. Diese fünf Arten erreichen Ende Juli zusammen ragazzii(TURATI,1917)vor(SBORDONI&BULLINI1971; eine Populationsstärke von über 15.000 Faltern. Wird SBORDONIetal.1979).WährendalleEntwicklungssta- nach dem MÜLLERschen Beispiel (1878) ein Verlust dien der Zygaena-Arten giftigen Cyanwasserstoff durch Fressfeinde von 1750 Faltern unterstellt, entfal- (HCN) freisetzen können (JONES et al. 1962; DAVIS & lendavon1.500aufdieZ.filipendulae-Gruppeund250 NAHRSTEDT 1979, 1987), schützen sich die Amata-Ar- aufZ.ephialtes.AufgrundihrerGiftigkeitundÄhnlich- ten durch Pyrrolizidinalkaloide vor Fraßfeinden (NAU- keit zueinander gewinnt die Z. filipendulae-Gruppe 250 MANN et al. 1999). Dieses räumliche und zeitliche Zu- Individuen (1,6%), Z. ephialtes hingegen 1.500 Indivi- sammentreffenvonzweiähnlichenArten,diebeidegif- duen(60%).Auchdieswäreimmernocheingewaltiger tigsind,wirdalsMüllerscheMimikrybezeichnet.Sieist Vorteil, den Z. ephialtes in Mittelitalien aus einer sol- nachdemdeutschenJohannFriedrichTheodor[„Fritz“] chen Mimikry gewinnen würde, wenngleich nicht von MÜLLER benannt, der anhand von Tagfaltern im Ama- dem Ausmaß wie bei dem gelb-peucedanoiden Phäno- zonasregenwald dazu folgendes Szenario kalkulierte: In typ. Somit erscheint die Farbvariation der Z. ephialtes einem Gebiet leben zwei ungenießbare Arten, von der nicht wie anfangs vermutet ein Nachteil, sondern ein einen10.000Individuen,vonderanderen2.000Indivi- beträchtlicher Vorteil zu sein (SBORDONI et al. 1979). duen. Die in demselben Gebiet lebenden Fressfeinde Dass in bestimmten Gebieten nur bestimmte Phänoty- mögen jährlich 1.200 Individuen einer ungenießbaren penvonZ.ephialtesvorkommen,kannsomitdurchna- Art vertilgen, bis sie sie als solche erkannt haben und türlicheSelektionerklärtwerden. meiden.SovielwürdejedeArtverlieren,wennsiever- schiedenwären.Sindsieabersoähnlich,dassdieanei- nerArtgemachtenErfahrungenauchderanderenzugu- Kladogenese I: te kommen (und umgekehrt), so wird die erste Art Die Entstehung neuer Arten 1.000(10%)unddieandere200(10%)Individuenver- ImvorangegangenenKapitelwurdeanhandvonBei- lieren – erstere also durch die Ähnlichkeit 200 Indivi- spielen gezeigt, dass Arten veränderlich sind. Wie aber duen(2%),letzterehingegen1.000Individuen(50%) entstehen neue Arten? Eine der gängigsten Lehrbuch- gewinnen(MÜLLER1878). meinungen besagt, dass Arten durch allopatrische Art- Zurück nach Mittelitalien, ins Fioio-Tal. Hier be- bildung entstehen. Danach kann eine neue Art entste- ginnt A. phegea Mitte Juni zu fliegen und erreicht am hen,wenneinePopulationvonihrerAusgangspopulati- Ende der ersten Julidekade eine Populationsstärke von on geographisch getrennt wird und dann neue Isolati- etwa300.000Individuen.WährenddiesesHöhepunktes onsmechanismen erwirbt. MAYR (2005) äußert seine derFlugaktivitätbeginnendieFaltervonA.ragazziiund Überzeugung, dass neue Arten von Vögeln und Säuge- Z.ephialteszuschlüpfen.AmataragazziierreichteinePo- tieren ausschließlich durch allopatrische Artbildung pulationsstärke von etwa 10.000 Tieren am 15. Juli, entstehen, was die Möglichkeit der sympatrischen Art- 596

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