Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin Die Bedeutung von Aggression bei der Diagnostik von Psychopathy mit der PCL-R bei inhaftierten Frauen Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) vorgelegt von Diplom-Psychologin Anja Lehmann Berlin, 2012 Erstgutachterin Professor Doktor Angela Ittel Zweitgutachter Professor Doktor Norbert Konrad Datum der Disputation: 22.01.2013 Danksagung Eine Arbeit wie diese ist ohne Unterstützung anderer nicht denkbar. Ich kann leider nicht alle Förderer/Förderinnen des Projekts namentlich erwähnen und danke deshalb an dieser Stelle jeder Person, die sich angesprochen fühlt und hier aufgrund des beschränkten Platzes keine explizite Benennung erfährt. Zunächst möchte ich meiner Doktormutter Frau Professor Ittel und meinem Doktorvater Herrn Professor Konrad sehr herzlich dafür danken, dass sie mich die ganze Zeit über geduldig unterstützt haben und auch in Zeiten des Stresses ein offenes Ohr für mich hatten. An beiden habe ich ihre wissenschaftliche Professionalität und menschliche Integrität kennen und schätzen gelernt. Vielen Dank für die wertvollen Erfahrungen, die ich während der Zeit der Zusammenarbeit mit Ihnen sammeln durfte! Dem Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie danke ich für die Bereitstellung von Anreizmitteln für dieses Forschungsprojekt. Ohne diese Gelder hätten viele der Frauen nicht an der Untersuchung teilgenommen. Den Leitern der Justizvollzugsanstalten in Berlin und Brandenburg, Herrn Blümel und Herrn Hoff, gilt mein besonderer Dank für die Erlaubnis, die Erhebungen durchzuführen. Auch den vielen engagierten Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten an der „Basis“, die – meist mit Personalknappheit kämpfend – trotzdem immer wieder einen Weg fanden, die Erhebungen stattfinden zu lassen, möchte ich danken. Bedanken möchte ich mich auch bei den Teilnehmerinnen der Studie, die sich auf die Fragen eingelassen haben, Geduld bewiesen und ihr Misstrauen ob unserer institutionellen Zugehörigkeit und der Einhaltung unserer Schweigepflicht überwanden. Herrn Dr. Ghosh danke ich sehr für seine Unterstützung und Beratung bei Fragen, die im Großraum der Statistik anzusiedeln sind. Sie haben bei mir so manchen gedanklichen Knoten zum Platzen gebracht, und das mit Präzision, Struktur und Geduld in Ihrer Beratungstechnik. Vielen Dank! Ich danke auch den Mitgliedern meines Forschungsteams Marten, Doreen, Horia, Debora, Jonny und Marcus für Ihre Mitarbeit und für die Erfahrungen, die ich im Umgang mit Ihnen machen konnte. Das war eine tolle Zeit! Ich bin froh über jeden Gedankenaustausch und jede Diskussion, die ich mit Euch hatte. Meinen Freunden, meiner Familie sowie Monika und Peter bin ich besonders dankbar für ihre Geduld mit mir und für ihren Glauben an mich. Meine Dankbarkeit gilt ferner Frau Dr. Weiß, die indirekt, aber sehr bedeutsam zum Gelingen dieser Arbeit beitrug. Claudia, Mandy, Jan und Vera, vielen Dank für die vielen anregenden Gespräche, für Eure Energie, Euch mit meinem Thema auseinanderzusetzen, für Eure Treue und Euren Langmut in längeren Phasen geistiger und/oder körperlicher Abwesenheit! Claudia und Jan, ein extragroßes Dankeschön geht an Euch für Eure hilfreichen Anmerkungen zum Manuskript! Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, diese Arbeit „rundzumachen“. Mein sehr persönlicher Dank gilt Jan, mit dem mich eine tiefe geistige Nähe verbindet, die mich sehr geprägt hat und die hoffentlich weiterhin ein Teil meines Lebens sein wird. VII Zusammenfassung Unter Inhaftierten wurden Studien zur Diagnostik von Psychopathy, die mit der Psychopathy-Checklist-Revised (PCL-R) von Hare (1991) operationalisiert und messbar gemacht wurde, hauptsächlich an Männern durchgeführt. Untersuchungen an Frauen in Haft sind selten und die PCL-R wurde bisher in Deutschland noch nie mit einer vollständigen Prozedur der Erhebung validiert. Ziel dieser Arbeit war es, als erste Studie in Deutschland die Reliabilität und Validität der Messung von Psychopathy mit der PCL-R an inhaftierten Frauen zu untersuchen und dabei vor allem mögliche geschlechtsspezifische Manifestationen des aggressiven Verhaltens und anderer Faktoren im Zusammenhang mit Psychopathy- Merkmalen zu identifizieren. 60 inhaftierte Frauen aus Haftbereichen in Berlin und Brandenburg wurden untersucht, um Daten über Aggressionsformen und -motive, prosoziales Verhalten, Offenheit beim Beantworten von Fragebögen und regelverletzendes Verhalten zu erhalten. Ob die Diagnose einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung (ASPD) und von Substanzstörungen (SUDs) vorlag, wurde ebenfalls erhoben. Die Reliabilitätsanalysen bestätigten, dass Psychopathy mit der PCL-R bei inhaftierten Frauen zuverlässig diagnostiziert werden kann. Abhängig vom Grenzwert bei der Klassifikation einer klinisch relevanten Psychopathy wurden Prävalenzraten von 5 % (30), 10 % (27) und 17 % (25) festgestellt. Die Ergebnisse zur Validität fallen unterschiedlich aus. Statistisch bedeutsame Zusammenhänge mit einem jüngeren Lebensalter, häufigeren aggressiven Handlungen (unabhängig von der Form oder dem Motiv), mit mehr Bullying- VIII Verhaltensweisen, einer höheren Ausprägung von Offenheit und einer höheren Komorbidität mit der ASPD und SUDs stimmen sehr gut mit dem theoretischen Konstrukt der Psychopathy überein und befinden sich im Einklang mit den meisten Ergebnissen anderer Studien. Regelverstöße während der Haft und das prosoziale Verhalten erwiesen sich als nicht mit der PCL-R in Zusammenhang stehend. Werden die umfassenderen und stabileren Zusammenhänge der PCL-R mit relationalen Aggressionsformen und reaktiven Aggressionsmotiven in das Gesamtbild der Ergebnisse einbezogen, können diese als spezifisch weibliche Manifestationen der Psychopathy gewertet werden und damit ein Hinweis darauf sein, dass sich bei inhaftierten Frauen teilweise andere Verhaltensweisen als konstruktvalidierend herausstellen könnten, wenn die PCL-R als Diagnoseinstrument verwendet wird. Welche Schlussfolgerungen dies für den Frauenstrafvollzug haben könnte, wird diskutiert. IX Abstract Studies concerning inmate psychopathy (as measured by Psychopathy-Checklist- Revised, PCL-R; Hare, 1991) have predominantly been concerned with male inmates only. This was the first preliminary study in Germany that attempted to address the reliability and validity of the PCL-R when applied to female inmates. Concerning the validity we focused on gender-specific behavioral manifestations in types and functions of aggression, prosocial behavior and openness when answering self-report questions. 60 female inmates in German prisons were interviewed in order to gather data about the diagnoses of Psychopathy, Antisocial Personality Disorder (ASPD) and Substance Disorders (SUDs) as well as data about types and functions of aggressive acts, prosocial behavior, openness of responses and institutional misconduct. Analyses revealed that the PCL-R was able to reliably measure the defined construct of psychopathy. Depending on several cut-off scores for a clinical diagnosis we obtained a prevalence rate of 5 % (30), 10 % (27) and 17 % (25). Results on validity were mixed. Associations with a younger age, highly pronounced aggression in all types and functions and with high openness as well as with a high comorbidity with ASPD and SUDs confirmed the validity of the PCL-R. However, prosocial behavior and institutional misconduct were not related to the PCL-R and detailed analyses showed more unique associations with relational aggression types and reactive functions of aggression. These results could be interpreted as indicators of gender-specific manifestations of psychopathy when measured via the PCL-R in X female inmates. Implications for diagnostic issues in forensics concerning female prisoners are discussed.
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