Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from University of Toronto http://www.archive.org/details/derlateinischeOOaeso \ Der Lateinische Asop Romulus des und die Prosa-Fassungen des Phädrus Kritischer Text mit Kommentar und einleitenden Untersuchungen von Georg Thiele Heidelberg 1910 Carl Winter's Universitätsbuchhandlung Vtrltg!l»t.378 Alle Rechte, besonders das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, werden vorbehalten. AmI LIBRARY 723270 UNIVERSITY OF TORONTO Der Universitäts- Bibliothek zu Leiden gewidmet Vorwort. Die erstenVersucheeiner kritischen Recension der sogenannten Romulustexte knüpfen an Lessing an. Ihm waren bekannt: 1. die Kopie einer verschollenen Dijoner Handschrift (XII. Jahrhundert?) von der Hand Gudes, welche noch heute in Wolfenbüttel liegt (= G); 2. der Steinhöwelsche Druck, Ulm 1476 ff., der so- genannte Romulus Ulmensis (= S); 3. die Edition des Vos- sianus 15 (= Ad) durch Nilant 1709; 4. der zugleich mit diesem von Nilant edierte mittelalterliche und sehr interpolierte Ro- mulus Nilantinus (= Hervieux2 II, 513); 5. der Auszug im Spe- culum historiale des Vincentius von Beauvais. In seiner Schrift — «Romulus und Rimicius» stellte Lessing als erster auch er — nur im Interesse der Phädrus-Ergänzung die Forderung einer aus dem Ulmer und dem Gudeschen Romulus kombinierten Ro- mulus-Ausgabe auf. Dieser Anregung ist dann im Anhang seiner Phädrus-AusgabeJob. Gottlieb Schwabegefolgt(Braunschweig1806), in der er auch gelegentlich die Nilantschen Publikationen mit heranzog. Wir finden dort einen äußerlich glatt lesbaren, aber tatsächlich mit der größten Willkür zurecht gemachten Text, von dessen phantastisch freien Ergänzungen man sich beispielsweise durch Vergleichung mit dem unsrigen in Nr. LI eine Vorstellung machen kann. Die nächste Ausgabe war die von dem Germa- nisten Oesterley (Weidmann 1870) «Romulus, die Paraphrasen des Phädrus und die Äsopische Fabel im Mittelalter». In dieser ruht das Hauptinteresse auf den angehängten mittelalterlichen Fort- setzungen, die seitdem dauernd fälschlich mit dem Namen Ro- mulus verknüpft sind. Aber doch bedeutete die Ausgabe gegen Schwabe einen Fortschritt, weil sie neue Textquellen erschloß. In Wolfenbüttel lag, wie Gudes Noten zu Phädrus erkennen ließen, VI Vorwort. noch ein zweiter Romulus-Kodex, älter als alle bekannten, eben- falls ostfranzösischer Herkunft, aus Weißenburg auf der Grenze von Pfalz undElsaß, aus dem X.Jahrhundert(W). Überihngab es eine kurze beschreibende Monographie des Hammer Gymnasial- lehrers Troß, 1844 erschienen als Epistel an denPariser Phädrus- forscher Eleutelot, welcher angesichts der Dreßlerschen Phädrus- ausgabe (die Burmanns Verfabren, Prosafabeln in Verse umzu- setzen, nachahmte) eine Sammlungaller «Paraphrasen» vorbereitete. Während früher die Meinung herrschte, daß Lessing von diesem älterenWolfenbütteler Kodex nichts gewußt habe, findet man jetzt in dem in der dritten Auflage der Lacbmannschen Ausgabe von Muncker (Bd. XVI, 109) publizierten Nachlaß eine ausführliche — Beschreibung. Außer dem Weißenburger Kodex zog Oesterley einen noch älteren heran, den Burneianus 59 des Britischen Mu- seums aus dem IX. Jahrhundert (B), durch den dann die fable convenue von der mittelalterlichen Provenienz des Romulus zum erstenmal ins Wanken geriet. Da Oesterleys Edition sich darauf beschränkte, den Burneianus abzudrucken und die sehr flüchtig gelesenen Varianten der Weißenburger und Dijoner Handschrift in einem ganz unbrauchbaren Notenapparatunterzubringen,mußten namentlich die Varianten des Wissenburgensis den Wunsch nach weiteren Textquellen rege machen. Dieser Wunsch ist durch die Rührigkeit eines mit großen Mitteln ausgerüsteten Dilettanten er- füllt worden. Leopold Hervieux, ancien avocat ä la cour d'appel de Paris, conseiller municipal, interessierte sich für die Phädrus- Überlieferung, in der Hoffnung, in den Prosaquellen neue Fabeln zu entdecken. Ohne genügende philologische Kenntnisse, aber mit bewundernswerter Energie ging er an seine Aufgabe und be- reiste die Handschriftensammlungen von ganz Europa, allerdings oft mit seltsamen Umwegen. Das Resultat war die Auffindung einer großen Zahl neuer Texte, meistens jedoch mittelalterlicher Fortsetzungen. In seiner breit angelegten, fünf Prachtbände fül- lenden Publikation «Les Fabulistes latins depuis le siecle d'Au- guste jusqu'ä la fin du moyen ige» Paris 1884 ff. sind die beiden letzten Teile Odo von Cherington und Johann von Capua gewidmet, der dritte enthält Avian und seineParaphrasen, der zweite Band den Phädrus und die Romulustexte, der erste eine recht kritiklose und dilettantische, weitschweifige Reiseberichte und un-
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