BANKWIRTSCHAFTLICHE SCHRIFTENREIHE o. Herausgegeben von Prof. Dr. Hintner und Prof. Dr. H. Linhardt Band IX Richard Nowak Der Finanzmarkt New Yo rk Eine ökonomische Analyse des objektivierten Geld- und Kapitalmarktes in den USA WESTDEUTSCHER VERLAG· KöLN UND OPLADEN 1967 ISBN 978-3-322-96163-1 ISBN 978-3-322-96301-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-96301-7 n2 Verlagsnummer 023309 © 1967 by Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: J. D. Küster Nachf., Bielefeld Gedruckt mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk VORWORT Die großen Etappen in der Geschichte des Geld- und Kapitalmarktes der Ver einigten Staaten von Amerika sind gekennzeichnet durch schwere Krisen und durch die darauf folgenden Reaktionen des Gesetzgebers. Die Serie von Depressio nen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zuletzt der Einbruch im Jahre 1857, führten zu dem allerdings noch unzulänglichen Versuch, durch den National Bank ing Act of 1863 die Unelastizität des Systems der unabhängigen Einzelbanken zu überwinden. Nach einer weiteren Reihe von Störungen, an deren Ende die schwere Kreditkrise von 1907 stand, wurde durch den Federal Reserve Act of 1913 in den USA, als letzte der großen Handels- und Industrienationen der westlichen Welt, eine Zentralbank geschaffen. Das Federal Reserve System hat in den 50 Jahren seines Bestehens entscheidend zur Gesundung der amerikanischen Finanzwirt schaft beigetragen. Die Weltwirtschaftskrise von 1929/31 löste mit den Banking Acts of 1933 und 1935 eine weitere grundlegende Reform der gesetzlichen Bestim mungen aus. Erstmals wurde auch der Kapitalmarkt in die Regulierungen mit ein bezogen. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Reform waren die Errichtung der Securities and Exchange Commission und die Trennung in Geldmarkt- und Kapi talmarktbanken. Insgesamt besteht auch in den USA die Tendenz zur immer stärkeren Beschränkung der ursprünglichen absoluten Bankfreiheit. Das wichtigste Ereignis nach dem Ende des 2. Weltkrieges schlug sich allerdings nicht in einem Gesetz nieder. Die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Notenbank war lediglich das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Finanz ministerium und dem Board of Governors of the Federal Reserve System und wurde in einem Abkommen ("accord") zwischen der Bundesregierung und der Zentralbank vom 4. März 1951 formuliert. Erst diese übereinkunft beendigte die Zeit der Kriegsfinanzierung und der einseitigen Ausrichtung der Finanzwirtschaft auf die Bedürfnisse des Staates. Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung nach 1945 zeigt einen im wesent lichen aufwärts gerichteten Trend. Nachdem die Umstellung der Kriegswirtschaft auf die Friedenswirtschaft relativ reibungslos und ohne die befürchtete Depression vor sich gegangen war, erlebten die USA allerdings seit Anfang der 50er Jahre drei VI Vorwort fühlbare Rezessionen, die aber bei weitem nicht das Ausmaß früherer Krisen er reichten. Die Perioden der Konjunkturrückgänge (1953/54, 1957/58, 1960) stellten auch im finanziellen Sektor Wendepunkte dar. Sie werden deshalb in dieser Arbeit immer wieder eine Rolle spielen. Ende der 50er Jahre trat das Problem der außenwirtschaftlichen Verflechtung in den Vordergrund des öffentlichen Interesses. Seit dem Ende des 1. Weltkrieges, als die USA begannen sich zu einer ihrem binnenwirtschaftlichen Potential entspre chenden Welthandelsnation zu entwickeln, hatten sie keine Zahlungsbilanzsorgen. Die einseitige Anhäufung von Gold in Fort Knox, die aus der extremen Gläubiger position resultierte, trug mit zur Weltwirtschaftskrise von 1929/31 bei und ge fährdete auch nach dem 2. Weltkrieg als »Dollarlücke" den internationalen Han del. Diese Situation änderte sich schlagartig im Jahre 1957. Der Goldbestand der USA sank bis Ende 1964 von 22,8 Mrd. $ auf 15,5 Mrd. $. Diese neue Lage brachte Regierung und öffentlichkeit erstmals das Problem der internationalen Verflechtung der amerikanischen Wirtschaft zum Bewußtsein. Die traditionell binnenwirtschaftliche Ausrichtung der amerikanischen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik wurde durchbrochen, zum ersten Mal bestimmt die außenwirt schaftliche Situation die wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Die bisherige nur nach innen gewendete Blickrichtung wird aus der eigenartigen außenwirtschaftlichen Situation der USA etwas verständlich. Der Außenhandel stellt gemessen am gesamten Sozialprodukt nur ein kleines Anhängsel dar. Dieser Appendix wird aber wegen des überragenden Gesamtpotentials der amerikanischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu einem dominierenden Faktor. Daraus ergibt sich das Paradoxon der größten Welthandelsnation einerseits und der binnenwirt schaftlichen Orientierung anderersei ts. Dieser - von außen gesehen - hohe Integrationsgrad der amerikanischen Wirt schaft zeigt sich nicht nur auf der Güterseite, sondern auch im finanzwirtschaft lichen Bereich. Die New Yorker Börse wurde immer mehr zur Leitbörse der west lichen Welt, amerikanische Schatzwechsel entwickelten sich zum üblichen Anlage papier der Noten- und Geschäftsbanken aller Länder, der Finanzmarkt New York löste London von der dominierenden Stellung im internationalen Geld- und Kapitalmarkt ab und verkörpert für die übrige Welt den Geld- und Kapitalmarkt der USA schlechthin. New York bildet aber auch ein Zentrum der binnenwirtschaftlichen Geld- und Kapitalströme der USA. Hier konzentriert sich der Börsenhandel, hier wird der größte Teil des Tagesgeldes umgeschlagen, hier befindet sich die bedeutendste Federal Reserve Bank, hier sitzen die wichtigsten Geschäftsbanken. Der Konzen trationsgrad ist jedoch am geringsten bei den Geschäftsbanken (gemessen am Bilanzvolumen). Viel stärker zeigt sich die Zentralisation auf New York bei jenen Geld- und Kapitalströmen, die durch Handelsgeschäfte vermittelt werden. Der Vorwort VII Umsatz der entpersönlichten Werte aller Fristen, vom Tagesgeld bis zur Schuld verschreibung, wird zu einem großen Teil am Finanzmarkt New York abgewik kelt, die dortige Marktlage bestimmt über die Situation im ganzen Land. Der Markt für diese objektivierten Kredit- und Beteiligungsverhältnisse ist Gegenstand der Untersuchung in der vorliegenden Arbeit. Wenn auch grundsätz lich der Gesamtmarkt der Vereinigten Staaten betrachtet wird, so bildet der Finanz markt New York aus den genannten außen- und binnenwirtschaftlichen Aspekten gleichsam den Kristallisationskern der Angebots-Nachfrage-Konstellation. Diese beiden Blickpunkte kommen in der Fassung von Ober- und Untertitel dieser Ver öffentlichung zum Ausdruck. Aufgabe der Arbeit ist es, die Struktur und die Abläufe des damit kurz umrisse nen objektivierten Finanzmarktes der Vereinigten Staaten von Amerika (zur genaueren Abgrenzung vgl. Abschnitt I) mit seinem Zentrum New York zu analy sieren. Im Vordergrund der Erörterungen steht dabei die einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise, also die Darstellung des Angebots von und der Nachfrage nach finanziellen Mitteln, der Markteinrichtungen und Geschäftstypen, der Markt anteile und Umsätze. Die öffentliche Hand (einschl. Zentralbanksystem) inter essiert nur in ihrer Rolle als Marktteilnehmer. Außer Betracht bleibt die Wäh rungspolitik ebenso wie die Kapitalmarktpolitik als Teil der Wirtschaftspolitik. Bei einer Arbeit, deren Untersuchungsgegenstand einem anderen Sprachbereich angehört, ergeben sich von vornherein einige Schwierigkeiten wegen der Behand lung der fremdsprachigen Ausdrücke im deutschen Text. Der Duden bietet keine Hilfe, da er nur Regeln für die Verwendung einzelner fremder Worte in einer grundsätzlich deutschen Abhandlung aufstellt. Die amerikanischen Begriffe sind aber in der vorliegenden Arbeit keine Fremdkörper, sondern integrierter Bestand teil, da zur Darstellung eines Ausschnittes aus dem amerikanischen Wirtschafts leben auch die spezifische Terminologie gehört. Deshalb werden die deutschen Ausdrücke dort verwendet, wo sie den ursprüng lichen Sachverhalt genau treffen. In den anderen Fällen steht entweder nur die amerikanische Bezeichnung oder die amerikanische und die deutsche Version gleich berechtigt nebeneinander ohne Anführungszeichen. Die Groß-und Kleinschreibung richtet sich nach den Regeln im Amerikanischen. Das Genitiv-s und das Dativ-e wird bei den amerikanischen Substantiva weggelassen. Der (deutsche) Artikel für einen englischen Begriff läßt sich nur nach dem Sprachgefühl setzen, da alle Hilfs konstruktionen mit dem Geschlecht der deutschen Entsprechung bei mehrdeutigen Worten nicht weiter helfen und in anderen Fällen zu Mißklängen führen. Die Darstellung leidet an verschiedenen Stellen unter einem Mangel an adäqua ten statistischen Unterlagen. Besonders spürbar wird dieser Nachteil dadurch, daß die Intensität der quantitativen Erforschung von Teilmarkt zu Teilmarkt höchst unterschiedlich ist. VIII Vorwort Deshalb finden sich in der Arbeit öfter Schätzungen und näherungsweise An gaben, die teilweise auch nur auf unzulänglichen Hinweisen beruhen. Dies ist aber in vielen Fällen die einzige Möglichkeit, wenigstens einen Eindruck von der Grö ßenordnung zu vermitteln. Wir bemühten uns grundsätzlich, die neuesten Zahlen zu verarbeiten. Da die amtlichen Statistiken zum Jahresende aber oft erst in der zweiten Hälfte des fol genden Jahres erscheinen, mußten die vergleichenden Tabellen mit dem Jahr 1964 abgeschlossen werden. Aber selbst dieser Zeitpunkt war in einigen Fällen nicht zu erreichen, weil die zugrundeliegenden Untersuchungen, oft nur einmalig, zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt wurden. Wir versuchten jedoch immer, auf Grund anderweitiger Hinweise und Anhaltspunkte die Angaben auf die Verhält nisse des Jahres 1964 zu übertragen. In der Regel entsprechen die so geschilderten Sachverhalte weitgehend der heutigen Situation. Es wurden jedoch soweit wie möglich Angaben neueren Datums in den Text eingearbeitet, vor allem dann, wenn sich in der Zwischenzeit grundsätzlich neue Entwicklungen zeigten. Insgesamt entsteht so ein aktuelles Bild des objektivierten Finanzmarktes in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die vorliegende Untersuchung entstand als Dissertation bei meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hanns Linhardt; er legte das Fundament, auf dem diese Arbeit aufgebaut werden konnte. An dieser Stelle möchte ich ihm meinen herz lichen Dank aussprechen. Offenbach, im März 1966 Richard N owak INHALT Vorwort ........... . V Tabellen- und Schaubildverzeichnis . . XIII Abkürzungsverzeichnis XV I. Der Finanzmarkt 1 A. Klärung der Begriffe 1 1. Kapitalmarkt und Geldmarkt 2 2. Kreditmarkt 5 3. Finanzmarkt . . . . 6 B. Das System des Finanzmarktes 10 1. Der organisierte Finanzmarkt 10 2. Der objektivierte Finanzmarkt 12 3. Emissions- und Zirkulationsmarkt 16 II. Der objektivierte Kapitalmarkt für Wertpapiere privater Emittenten in den USA 19 A. Die Marktobjekte 20 1. Die Aktien 20 2. Die Anleihen 22 B. Die gesetzliche Funktionentrennung der Marktinstitutionen 24 C. Der Emissionsmarkt 27 1. Das Emissionsvolumen 27 2. Die Emittenten 31 3. Die Marktmittler 31 4. Die Emissionsmethoden 33 5. Die Aufsicht 35 6. Der Vertrieb 38 D. Der Zirkulationsmarkt 38 1. Der börsenmäßig organisierte Markt 39 x Inhalt a) Die Börsen in den USA 39 b) Die Börsenumsätze 42 c) Die Marktmittler . . . 44 d) Die Aufsicht . . . . . 50 2. Der Freiverkehr (over-the-counter market) 54 a) Die Marktorganisation 54 b) Das Marktvolumen 57 c) Die Aufsicht . . . 61 3. Der Wertpapierkredit 62 E. Die Kapitalanleger . . . 66 1. Die individuellen Anleger 68 2. Die Einrichtungen der kollektiven Kapitalanlage 74 3. Die gemeinnützigen Körperschaften (non-profit organizations) 79 4. Die Kreditinstitute . . . . . 80 5. Der Versicherungssektor . . . 82 6. Die Fonds der öffentlichen Hand 85 7. Die gewerbliche Wirtschaft . . 87 8. Die Bedeutung der institutionellen Anleger für den Markt 88 F. Die Durchbrechung der gesetzlichen Funktionentrennung durch die Geschäftsbanken . . . . . . 92 G. Die internationale Verflechtung . . . . . . . . . . . . . .. 95 III. Der objektivierte Kapitalmarkt für Wertpapiere öffentlicher Emitten- ten in den USA. . . 101 A. Die Marktobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Die Schuldverschreibungen der Bundesregierung . . . . . . 101 2. Die Schuldverschreibungen der (Einzel-)Staaten und Gemeinden 106 B. Der Markt für Kapitalmarktpapiere der Bundesregierung 113 1. Der Emissionsmarkt . . . . . . . 113 a) Das Emissionsvolumen . . . . . . 113 b) Die Vorbereitung der Emissionen . 118 c) Die Abwicklung der Baremissionen 120 d) Die Abwicklung der Umtauschemissionen 122 e) Die Übernehmer . . 125 2. Der Zirkulationsmarkt . 128 a) Die Marktorganisation 128 b) Das Marktvolumen . 131 3. Der Markt für Papiere der Federal Agencies 134 Inhalt XI C. Der Markt für Kapitalmarktpapiere der (Einzel-)Staaten und Gemeinden .. 135 1. Der Emissionsmarkt . . . 135 a) Das Emissionsvolumen 135 b) Der Emissionsvorgang 138 c) Die Marktmittler . 140 2. Der Zirkulationsmarkt . 144 a) Das Marktvolumen . 144 b) Die Marktorganisation 146 D. Die Kapitalanleger . . . . 147 1. Die individuellen Anleger 148 2. Die Sparkassen . . . . 153 3. Die Geschäftsbanken 154 4. Der Versicherungssektor 158 5. Die Fonds der öffentlichen Hand. 159 6. Die gewerbliche Wirtschaft . . . 162 7. Das Federal Reserve System . . . 162 8. Die Beteiligung der Anlegergruppen am Zirkulationsmarkt 168 IV. Schematische Darstellung des objektivierten Kapitalmarktes in den USA 171 V. Der objektivierte Geldmarkt in den USA . . . . . . 175 A. Die Märkte für privatwirtschaftliche Geldmarkttitel 175 1. Der Markt für Commercial Papers 176 a) Die traditionelle Form . . 176 b) Neue Varianten . . . . 178 2. Der Markt für Bankakzepte 181 a) Die Marktstruktur . . . 181 b) Das Marktvolumen . . . 185 3. Der Markt für Federal Funds 186 a) Die Marktstruktur . . . 186 b) Das Marktvolumen . . . 189 4. Der Markt für (Time) Certificates of Deposit 191 a) Die Marktstruktur . . . . . . . . . 191 b) Das Marktvolumen . . . . . . . . . 194 B. Der Markt für Geldmarkttitel der Bundesregierung 196 1. Der Markt für Schatzwechsel (Treasury BilIs) 197 a) Der Emissionsmarkt . 197 b) Der Zirkulationsmarkt . . . . . . . . . 200
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