Der Kriegszug Napoleons gegen Rußland im Jahr 1812. 8maslacus #880917. " 1 Der Kriegszug Napoleons gegen Rußland RELASY im Jahr 1812. DEEVES the Nach den besten Quellen und seinen eignen Tagebüchern dargestellt nach der Zeitfolge der Begebenheiten von former Bo Franz Nöder, Großherzoglich hessischem Obersten des Generalstabs. Nach des Verfassers Lode herausgegeben von dessen Sohn Karl Röder, Professordes Rechtszu Heidelberg. MMiitt 99 plänneenn und einer Karte. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1848. 5533.21.5 Fr 1485.29 Minotfund. LAR Vorwort des Herausgebers. Wenn zuverlässige Berichte über selbsterlebte merkwürdige Zeitereignisse, zumal dann wenn der Berichterstatter mithan delndePerson war, zu denbesten Quellender Geschichtegehören, dann darfderHerausgeber der vorliegendenSchrift wohl auch für diese auf einigeBeachtungDerer hoffen, denengeschichtliche Wahrheit am Herzen liegt; denn deren Verfasser spricht hier als Augenzeuge und zwar nicht bloß aus dem Gedächtniß, sondern größtentheils aus anOrtund Stelle gemachten genauen Aufzeichnungen - über die Begebenheiten eines Kriegszugs, der an Großartigkeit und Umfang seiner Vorbereitungen wie ſeiner Ausführung überhaupt in der Geschichte, wenigstens der gebildeten Nationen Europa's, ohne Beispiel ist und deſſen Ausgang einen ewigdenkwürdigenWendepunkt bezeichnet in der Geschichte des gesammten europäischenVolks- und Staatslebens, ganz insbesondere aber in der Entwickelung unsers Volks. Denn bei dieſem knüpfte sich daran der erste kräftige Verſuch, aus mehrhundertjähriger äußerster politischen Ohnmacht und Versunkenheit sich allmählich wieder dieStellung und Rolle im Rath derNationen zu erringen, wiesiedemHerzenvonEuropa gebührt und wie sie vorZeiten auch unbestritten ihm zuerkannt ward. Für uns, mehr noch wie für andereVölker, spielteNa poleon in derHand derVorsehungsichtlich, wenn auch ohnesein VI p Wollen und Verdienst, die Rolle des Geburtshelfers unsrer Nationalität, unsrer endlich nicht mehr bloß geistigen Volkseinheit, die für uns schon darum eine doppelt schwere Schmerzengeburt sein zu müssen schien, damit wir die theuer erkaufteFrucht endlich erkennen, lieben und bewahren lernen. Es bedurfte, scheint es, dieses ganzen Uebermaßes von univer ſalmonarchiſchemUebermuth einer- und willenloserVerknechtung - andrerseits, womit Europa's Völker und vor allen unſer - deutsches Volk — an den Siegeswagen des Helden des Jahr hunderts gekettet waren, diesesHerrschers kraft natürlichen Be rufsrechts, der, zum Bändiger und Ordner der entfesselten Elemente seinerZeitwahrhaft geboren, zuAnfang seiner ruhm reichen Bahn als Vertreter und Werkzeug der unwiderstehlichen Ideen einer neuen Zeit erschien und von ihnen getragen und auf denGipfel der Größe emporgehoben ward, dann aber, als er mehr und mehr sich ihnen untreu erwies, ebendamit die Wurzeln seiner irdischenAllmachtsich selber abgrub; es bedurfte vielleichtdiesesUebermaßes einerechtmacchiavelliſtiſchen inneren und äußern Politik, einer Politik, die mit äußerster Mißach tung jedes Schattens von Volksleben Alles im Staats- und Staatenleben mechanisirte und uniformirte, mithin abtödteteund entſittlichte, um endlich die mißhandelten Völker wieder zum verlorenen Bewußtsein ihrer selbst zu bringen und ihnen die Ueberzeugung tief in Fleisch und Blut dringen zu lassen: daß kein Talent, auch das größte nicht, die Befugniß geben könne zur eigenwilligen Leitung von Völkern, die der Vormundschaft entwachſen find, sowie zum Segen einer bloßen, durch die Zweckerreichung sich geheiligt dünkenden Klugheit und Gewalt an die Stelle des ewigen Rechts und der Sittlichkeit; daß endlich nur eine auf diese Grundsäulen sich stügende Staats VII weisheit fortan sich versprechen dürfe, auf die Dauer mit Er folg die Geschicke der Völker zu lenken. Nichts hat zugleich eindringlicherdasUnhaltbareabsoluterHerrscherwillkürgepredigt nach Unten wie nach Oben, als Napoleons riesige Versuche, aus Frankreich und Europa einen ungeheuern Automaten zu machen, dessen einzige Triebkraft er selbstsein sollte! Hoffen wir, daß die Frucht der welterschütternden Ereignisse nicht, wie es bisher zuweilen fast den Anschein hatte, abermals für uns verloren sei! Jeder tüchtige neue Beitrag zum Verständniß Dessen, was die gewaltige katastrofe herbeiführte, die das Drama dieses in seiner Art einzigenFeldzugs beschloß und den Glauben wieder erweckte, daß höhere Mächte als das bloße Herrscher- und Feldherrntalent in der Menschengeschichte walten, wird, wie der Herausgeber hofft, den Geschichtsorschern sowohl als den Zeitgenossen überhaupt um so willkommener sein, je geringer in Verhältniß zu dem Umfang und Einfluß der Begebenheit noch immer die Zahl der eigentlichen Quellenschriften, zumal der deutschen, ist und je lebhafter darum Männer, deren Ur theil das größte Gewicht hat, den Wunsch kundgegeben haben, daß die reinen Quellen aus fener thatenreichen Zeit (z. B. Tagebücher u. dergl.) reichlicher fließen möchten als bisher. Diesen Wunsch, soviel an mir war, zu erfüllen durchHeraus gabe der gegenwärtigen Schrift meines verstorbenen Vaters, hielt ich ebensosehr für Pflicht gegen diesen, der mir dieselbe zu freierVerfügung anheimgegeben hatte, als gegendasPubli fum; um so mehr als ich glauben durfte, daß darin ſchägbare und nicht selten unersegliche Beiträge zur Geschichte dieses merkwürdigen Krieges enthalten seien. Es bleibt mir nur noch übrig, das Nöthigste zu berichten VIJI über die Schrift selbst, ihre Quellen, Veranlassung und der malige Gestalt, sowie über Das worauf sich meineMitwirkung, als Herausgeber, beschränkt. Die merkwürdigste der bei dieser Feldzugsgeschichte von - meinem Vater benugten Quellen, wohl ziemlich einzig in ihrer Art, wie davon die Selbstsicht Jeden leicht überzeugen wird - sind seine eignen Tagebücher. Ein paar Worte über die Beschaffenheit dieser Quelle und, soweit es zu ihrerKenn zeichnung wesentlich scheint, über Den von dem sie ausgeht, find daher hier wohl an ihrer Stelle. MeinVater, Kriegsmann mit Leib und Seele, hatteschon vor dem Beginn seiner langen Kriegslaufbahn, d. h. vor den Revolutionsfeldzügen, während eines zweijährigen Aufenthalts aufder Hochschule zu Heidelberg (vom Herbst 1791 bis dahin 1793), um die Rechte zu studiren, zwar nur nebenbei, aber mit größtem Eifer, sich den kriegswissenschaftlichen Studien ergeben, wie zahlreiche Arbeiten von seiner Hand aus jener Zeit es darthun. Diese so früh und stark ausgesprocheneVor liebe für seinen späteren Lebensberuf erklärte sich aber nicht bloß daraus, daß er ich darf es gewiß mit voller Zustim mung aller Derer sagen, die ihn im Leben und Wirken mit - der Feder wie mit dem Degen kannten wie Wenige für diesen Beruf geboren war. Sie war vielmehr hauptsächlich wie er selbst sich darüber in einem Entwurf seiner Lebensge schichte ausspricht: die Frucht eines Traums, der aus dem Knabenalter stammte, und jezt (auf Univerſität) mit einem gleichgesinntenJugendfreunde vollständig in einSystem gebracht wurde, um in die Wirklichkeit geführt zu werden, — eines Traums, der zu wichtig in meinem Leben ist, als daß ich ihn mitStillschweigen übergehen könnte, denn er gab meinemThun - IX ――― eine auf die Folgezeit sehr Einfluß habende Richtung." Den eigenthümlichen Anlaß zu dieſem „Jugendtraum“ gab nämlich ein besonders lebhaftes Dankgefühl meines Vaters gegen das alte Hellas; dieses aber hatte seinen Grund darin, daß das Studium vor Allem der Geschichte der Griechen es war, was ihm, der als Knabe unter der pfäffischen Regierung Karl Theodors von derPfalz auf den besten Weg gelangt war, Ka puziner zu werden, sehr bald den Staar gestochen, „alle Ka puzinaden aus dem Kopf gebracht“, und ihn gewissermaßen geistig errettet hatte. Von diesem Gefühl durchdrungen wollte / und mit ihm sein erwähnterFreund, zum Dank sein Leben der Befreiung derNachkommen der altenHellenen weihen, und bereitete sich dazu besonders durch kriegswissenschaftliche und mathematischeStudien vor mit einemErnst, der ihn zweiJahre hindurch die größten Anstrengungen, äußeren Opfer und Ent behrungen nicht scheuen ließ*), und mit einer Nachhaltigkeit, wozu nur dasFeuer der reinstenJugendbegeisterung, verbunden mit der Kraft eines festen Charakters, die Fähigkeit geben konnte. DerEntwurf zur Ausführung dieses „Jugendtraums“ ward auch mit so großer Umsicht und Beſonnenheit angelegt, und Alles, soweit irgend möglich bis ins Einzelne, dazu vor bereitet, daß mein Vater noch in spätern Jahren dafür hielt, daß er es auch jezt kaum beſſer einzuleiten wiſſen würde, und daß schon mancher Neugrieche mir sein Erstaunen über die *) So gab er, um seine sehr kärglichen äußeren Mittel zur An schaffung der nöthigften Bücher und Karten zu vermehren und noch, wo möglich, jetes Jahr etwas Bestimmtes für den Anfang zurückzulegen, nicht nur täglich Unterricht, sondern entzog sich auch oft lange Zeit den Genuß warmer Speisen; so daß er wicklich nach nicht ganz zwei Jah ren faft 200 Gulden überſpart hatte. ¦ daraus hervorgehende genaueste Kunde von Land und Volk ausgedrückt hat*). Indessen mußte dieserPlan,beider äußeren Mittellosigkeit meines Vaters, schon völlig scheitern an dem vorfrühen Tode ſeines bemittelteren Studienfreundes. Das meinemVater lieb gewordene Fach und die denFrie densstudien äußerst ungünstige Zeit führten ihn bald darauf ſeinem künftigen Berufe zu, und zwar unmittelbar ins Feld lager. Die früh erworbene Liebe zurSache und die Gewohn heit, bei aller Kriegsbeschäftigung seines ganzen vielbewegten Lebens niemals über der Ausübung der Kriegs-Kunst die Grundsäge und den Geist der Kriegs-Wissenschaft aus dem Auge zu verlieren, aufSchritt und Tritt sichRechenschaftüber das Gefehene, Gehörte und Gelernte zu geben, unabläſſig alles irgendBemerkenswerthe gewissenhaft aufzuzeichnen, verließ ihn aber in keinem Augenblick. Daher die seltne Ausdauer, mit der er in allen seinen Feldzügen jede nur irgend, wenn auch auf Kosten der Nachtruhe, zu erübrigende Minute auf die Führung seinerTagebücher verwandte. Von allen seinenFeld zügen sind diese mit der größten Genauigkeit und Ordnung geführtenTagebücher vorhanden, voll des mannichfaltigſtenund interessantesten Inhalts. Am Merkwürdigsten und ihres Gleichen suchend sind aber die beiden äußerst eng geschriebenen Bände seines Tagebuchs über denFeldzug vomJahr 1812. Auch während des beiſpiel *) Zahlreiche Entwürfe von Befestigungen, besonders auf Poros I1 und Hydra, wo begonnen werden sollte, find noch heute vorhanden. Zu meines Vaters nicht geringer Freude, und zum Beweis, daß der Punkt, von wo nach seinem Plan der erste Schritt für Befreiung ge= ſchehen sollte, nicht übel gewählt war, gingen 30 Jahre später gerade von da die ersten Versuche aus.