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Das Wissen um Auschwitz. Täter und Opfer der »Endlösung« in Westeuropa PDF

238 Pages·2010·1.363 MB·German
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Ahlrich Meyer Das Wissen um Auschwitz -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 Ahlrich Meyer Das Wissen um Auschwitz Täter und Opfer der »Endlösung« in Westeuropa FERDINAND SCHÖNINGH Paderborn · München · Wien · Zürich -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Evelyn Ziegler, München Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier !∞ ISO 9706 © 2010 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 978-3-506-77023-3 -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 INHALT Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Erster Teil: Das Wissen der Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Frankreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Wissen ohne Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Zweiter Teil: Das Zeugnis der Überlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Zeugenberichte als historische Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Was sagten die Deutschen und was wussten die Juden? Das Beispiel Belgien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Keine Andeutungen von deutscher Seite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Täuschung der Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Zwischen Ahnung und Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Andeutungen und offene Todesdrohungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Die Transportbewacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Eröffnung der Wahrheit in Auschwitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. »Nicht wissen« oder »nicht glauben«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4. Literarische Zeugnisse der Verfolgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Schlussbemerkungen: Die Grenzen des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . 181 -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 6 INHALT Dank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Auswahlbibliographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 EINLEITUNG Die Frage, was »die Deutschen« vom Völkermord an den Juden gewusst haben oder wissen konnten, hat die Geschichtsforschung bis in die jüngs- te Zeit immer wieder beschäftigt, ohne dass die neueren Antworten aller- dings überzeugender wären als die alten. Dagegen mangelt es erstaunli- cherweise bis heute an einer historischen Untersuchung des Wissens der Täter und Opfer: Was wusste die Masse der deutschen Tatbeteiligten von Auschwitz, und was haben die verfolgten und deportierten Juden geahnt oder gewusst? Diese Fragen standen nach dem Zweiten Weltkrieg im Mit- telpunkt vieler Gerichtsprozesse, sie hängen aufs engste mit dem Problem von Verantwortung und Schuld zusammen und sie lassen Rückschlüsse auf die Organisationsform und Durchführung des staatlich verordneten Massenverbrechens zu. Beide Fragen sind jedoch nicht so leicht zu beantworten, wie es schei- nen mag. Offenbar hat man in der Forschung bislang nicht danach ge- fragt, was die Täter wussten, weil man die Frage für überflüssig hielt – etwa mit Blick auf die Entscheidungsträger oder die in Osteuropa operieren- den Todesschwadrone der SS – oder weil man die Behauptung, »nichts gewusst« zu haben, als Nachkriegslegende abtat, die sie vielfach auch war. Es ist aber keineswegs ausgemacht, dass sämtliche Akteure über Umfang und Charakter der »Endlösung« unterrichtet waren. Weder kann man unterstellen, dass alle, die faktisch Beihilfe zu einem Genozid leisteten, die wahre Zielsetzung kannten und vorsätzlich handelten, noch ist die von den meisten Beteiligten nachträglich aufgebaute Fiktion des Nichtwissens eine bloße Lüge. Dies gilt zumal für diejenigen, die an der Deportation der Juden aus Westeuropa mitwirkten. Denn die antijüdische Verfolgungspolitik in Frankreich, Belgien und den Niederlanden unterlag – ungeachtet aller Unterschiede – grundsätzlich anderen Rahmenbedingungen und Vor- gaben als im eroberten Osteuropa, und dies bestimmte auch den Wis- sensstand der dort eingesetzten Deutschen. Die geographische Entfer- nung von den Todesstätten, die Auslagerung des Judenmords an die östliche Peripherie des deutschen Herrschaftsgebiets, trug dazu bei, die Dimension des Verbrechens im Dunkeln zu halten. Hinzu kam die Un- glaubwürdigkeit der während des Krieges zirkulierenden Gerüchte und -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 8 EINLEITUNG Informationen über den Holocaust. Außerdem waren die Zuständigkei- ten weitgehend verteilt und die Abläufe im Räderwerk der Vernichtung derart organisiert, dass niemand sich Gedanken über die Folgen des eigenen Tuns zu machen brauchte. Wenn daher nach 1945 so viele Täter jegliches Wissen um die »Endlö- sung« bestritten, dann lässt sich das – alle Verzerrungen der kollektiven Erinnerung in Deutschland und alle Ausreden von Überzeugungstätern abgerechnet – nicht zuletzt auf das Geschehen selbst zurückführen. Nimmt man dagegen die wenigen Geständnisse, aus denen deutlich her- vorgeht, dass zumindest die Funktionselite des deutschen Besatzungsap- parats in Westeuropa Kenntnis von der Tötung der deportierten Juden hatte, dann gelangt man zu einer weiteren Fragestellung. Sie betrifft den Zusammenhang von Wissen und Handeln. Man steht vor dem Problem, warum die, die immerhin genügend wussten, um den verbrecherischen Zweck der Deportationen erkennen zu können, daraus keine praktischen Konsequenzen zogen, kurz: warum sie ›dabei blieben‹. Die Zwänge der NS-Diktatur und die Situation des »totalen« Krieges reichen zur Erklärung kaum aus, und die Annahme, das Gros der Exekutoren habe aus fanati- schen Judenhassern bestanden, trifft die Wirklichkeit nicht. Ob Nichtwissen oder Wissen um die Konsequenzen das ›Mitmachen‹ bei der Judenverfolgung begünstigt haben, scheint mir jedenfalls nicht erwiesen. Die Vermutung, dass sich ein großer Teil der Täter unwissentlich an der »Endlösung« beteiligt haben sollte, stellt eine ebenso große Her- ausforderung für das historische Verstehen dar, wie der Umkehrschluss problematisch sein dürfte, in klarer Kenntnis der Vernichtungsabsichten des NS-Regimes hätten weniger Menschen ihre Hand zum Mord gereicht. Beide Annahmen lassen sich zwar mit den Mitteln der Geschichtswissen- schaft nicht überprüfen, aber sie zeigen die Reichweite der hier erörterten Thematik. * Ich greife damit Probleme wieder auf, die ich in einer früheren Arbeit unter dem Titel Täter im Verhör angesprochen habe. Nachdem ich dort der Frage nachgegangen bin, warum die meisten Angehörigen deutscher Dienststellen im besetzten Frankreich, darunter hochrangige Verantwort- liche, nach dem Krieg behaupteten, von Auschwitz nichts gewusst zu ha- ben, gehe ich jetzt daran, die ›Kehrseite‹ zu erforschen, indem ich die -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 EINLEITUNG 9 Aussagen einer Minderheit von Akteuren oder tatnahen Zeugen heranzie- he, die bei Vernehmungen durch Justizorgane einräumten, sie hätten schon ab 1942 um die Vernichtung gewusst. Das Untersuchungsfeld wird auf Westeuropa ausgeweitet; zudem wechsle ich die Perspektive und kon- frontiere Täteraussagen mit den Zeugnissen von Auschwitz-Überlebenden. Das Erscheinen dieses Buches gibt mir gleichzeitig Gelegenheit, zwei Missverständnisse auszuräumen, die durch meine Studie über die »Endlö- sung« in Frankreich hervorgerufen worden sein mögen. Wenn ich von der Organisationsform des Verbrechens gesprochen und gesagt habe, Charak- teristika wie arbeitsteilige Täterschaft, bürokratische Handlungsmuster, Delegation von Aufgaben, Distanz vom Tatort und eine Reihe von Selbst- täuschungseffekten hätten bei vielen Beteiligten, insbesondere bei den im Westen eingesetzten, die Fiktion des Nichtwissens und der Nichtbeteili- gung am Judenmord begründet, dann sollte dies nicht – wie mir kritisch entgegengehalten wurde – zur Exkulpation von NS-Tätern dienen, die sich als Beschuldigte darauf beriefen. Mir schien erklärungsbedürftig, warum kaum jemand nachträglich ein Wissen um Auschwitz zugestand, unabhän- gig von allen Aspekten der Leugnung oder Verdrängung. Letztlich ging es mir um die Frage, wie das Verbrechen geschehen konnte. Ähnlich missverständlich war vielleicht auch meine Behauptung, die »Un- vorstellbarkeit« von Auschwitz sei nach 1945 zu einem probaten Entlastungs- argument der Täter geworden. Diese Feststellung sollte keiner Mystifikation historischer Fakten Vorschub leisten, wie man sie etwa aus der Formulierung von Dan Diner herauslesen kann, Auschwitz sei »ein Niemandsland des Verstehens, ein schwarzer Kasten des Erklärens«.1 Ich habe mich vielmehr um die Aufschlüsselung von Rechtfertigungsstrategien bemüht, die meines Erachtens eine reale Grundlage hatten. Bekanntlich wurden die ersten Nachrichten über die Vorgänge in den Vernichtungslagern von kaum jeman- dem für wahr gehalten, und zwar deswegen nicht, weil die Ungeheuerlich- keit »selbstreferentiell ihre eigene Unglaubwürdigkeit erzeugte«.2 Eben dies: dass sie an organisierte Massentötungen nicht hätten glauben können, machten später auch jene Männer geltend, die für die Verfolgung der Juden und ihren Abtransport verantwortlich gewesen waren. * Die Quellen, die Weitergabe und die internationale Verbreitung von In- formationen über die Ausrottung der Juden während des Zweiten Welt- -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8 10 EINLEITUNG kriegs sind hinlänglich untersucht und oft genug dargestellt worden, so dass ich das nicht wiederholen muss.3 Ich behandele im Folgenden also nicht das allgemein zugängliche Wissen um die »Endlösung« im deutsch besetzten Westeuropa. Ohnehin darf man den Begriff des »Wissens« nicht vorschnell auf ein Gesamtbild des Genozids beziehen, das angesichts der Fragmentierung der Ereignisse und der Nachrichten in den Jahren 1941/42 bis 1945 – und weit darüber hinaus – gar nicht zu erlangen war. Es ist auch nicht meine Absicht, zur Klärung der Diskussion beizutra- gen, was die Deutschen über den Holocaust wussten oder wissen konnten, aber nicht wissen wollten. Abgesehen davon, dass zu fragen wäre, wie es Michael Wildt in einer klugen Rezension von Neuerscheinungen zu die- sem Thema getan hat: »Wer sind die Deutschen? Um welches Wissen handelt es sich? Was ist der Holocaust?«4 – abgesehen davon also hat die jüngere Forschung trotz neuer Quellenfunde nicht viel mehr herausge- bracht als das, was sich in den älteren Werken von Ian Kershaw, Otto Dov Kulka und David Bankier auch schon findet.5 Vielleicht lässt sich nichts wesentlich Neues mehr sagen, weil dieser Art von historischer Demosko- pie Grenzen gesetzt sind. Überdies mag solche Forschung zwar das Maß an Zustimmung oder Indifferenz erhellen, mit der die öffentliche Mei- nung im Hitler-Staat auf die antijüdische Politik des Regimes reagierte, zum Verständnis des deutschen Jahrhundertverbrechens hat sie jedoch weniger beigetragen, als man erwarten mochte. Das könnte auch daran liegen, dass nach dem Wissen von überwiegend »passiven Zuschauern«, nicht aber von handelnden Akteuren der »Endlösung« gefragt wurde. Selbst wo die Interaktion zwischen Regime und Bevölkerung im Mittel- punkt steht, wie in einer Studie von Peter Longerich, geht es eher um die Analyse totalitärer Propagandakampagnen, nicht um die Frage, ob die Stimmung in der deutschen »Öffentlichkeit« Einfluss auf den Verlauf des Mordens hatte.6 * Den historischen Hintergrund, die Daten und Fakten der Judenverfol- gung in den drei behandelten Ländern, werde ich immer dort knapp skizzieren, wo es zum Verständnis der von mir angeführten Vernehmungs- aussagen notwendig ist. Die Geschichte der Shoah in Westeuropa ist bes- tens erforscht. Zwar mangelt es nach wie vor an einer deutschsprachigen Monographie über die Deportation der Juden aus den Niederlanden, -9(cid:30)(cid:34):59(cid:1)07(cid:39)7(cid:34)(cid:1)(cid:2)(cid:1)(cid:14)(cid:12)(cid:13)(cid:2)(cid:8)(cid:2)(cid:11)(cid:10)(cid:12)(cid:2)(cid:12)(cid:12)(cid:5)(cid:7)(cid:8)(cid:2)(cid:11) .7(cid:34)(cid:37)(cid:31)A7(cid:34)87(cid:30)467(cid:31)(cid:1)(cid:38)(cid:32)(cid:31)(cid:1)259(cid:32)7(cid:31):(cid:31)89 67(cid:5)(cid:10)(cid:4)(cid:5)(cid:9)(cid:4)(cid:7)(cid:5)(cid:7)(cid:6)(cid:1)(cid:5)(cid:8)(cid:15)(cid:10)(cid:12)(cid:15)(cid:6)(cid:7)10 (cid:38):4(cid:1)3(cid:31):(cid:38)7(cid:34)(cid:35):A4A(cid:1)/7:(cid:33)(cid:40):8

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