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Das Innerste der Dinge: Einfuehrung in die Atomphysik PDF

60 Pages·1998·0.57 MB·German
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Naturwissenschaftliche Einf(cid:252)hrungen im dtv Das Innerste der Dinge Herausgegeben von Olaf Benzinger Einf(cid:252)hrung in die Atomphysik Von Brigitte R(cid:246)thlein Mit Schwarzwei(cid:223)abbildungen von Nadine Schnyder Brigitte Röthlein geboren 1949, ist Diplomphysikerin und wurde 1979 in Zeitungswissenschaft, P(cid:228)dagogik und Geschichte der Naturwissenschaften promoviert. Seit 1973 arbeitet sie als Wissenschaftsautorin f(cid:252)r diverse Zeitungen und Zeitschriften sowie f(cid:252)r Fernsehen und Rundfunk. Ihr Hauptinteresse gilt der Grundlagenforschung. Von 1993 bis 1996 leitete sie neben ihrer freien publizistischen T(cid:228)tigkeit das Geschichtsmagazin >Damals<. Buchver(cid:246)ffentlichungen: >Unser Gehirn wird ent- schl(cid:252)sselt (1993) und >Mare Tranquillitatis, 20. Juli 1969 Die wissenschaftlich-technische Revolution (1997). Deutscher Taschenbuch Verlag Ein (cid:220)berblick (cid:252)ber die gesamte Reihe findet sich am Ende des Bandes. Inhalt Vorbemerkung des Herausgebers 7 Eine geniale Entdeckung 9 Der Blick ins Innerste der Materie Eine folgenschwere Zufallsentdeckung 17 Geheimnisvolle Strahlen (cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)(cid:133)26 Die Erforschung des Atoms 32 Die Entdeckung der Kernkraft 52 Die erste Uranspaltung 56 Der atomare Teilchenzoo 62 Die Entstehung der Elemente 74 Vom Nutzen und Schaden der Radioaktivit(cid:228)t 82 Anhang Das heutige Periodensystem der Elemente 108 Glossar 110 Weitere Literatur 115 Register 117 Originalausgabe November 1998 ' Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, M(cid:252)nchen Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen Umschlagbild: ' Lawrence Berkeley Laboratory Redaktion und Satz: Lektyre Verlagsb(cid:252)ro Olaf Benzinger, Germering Druck und Bindung: C. H. Beck’sche Buchdruckerei, N(cid:246)rdlingen Gedruckt auf s(cid:228)urefreiem chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany (cid:149) ISBN 3-423-33032-5 Vorbemerkung des Herausgebers Dieses Buch widme ich Kyoto. Die Anzahl aller naturwissenschaftlichen und technischen Ver- der Stadt, die wegen ihrer Sch(cid:246)nheit (cid:246)ffentlichungen allein der Jahre 1996 und 1997 hat die Summe der atomaren Bedrohung entging der entsprechenden Schriften s(cid:228)mtlicher Gelehrter der Welt vom Anfang schriftlicher (cid:220)bertragung bis zum Zweiten B.R. Weltkrieg (cid:252)bertroffen. Diese gewaltige Menge an Wissen sch(cid:252)chtert nicht nur den Laien ein, auch der Experte verliert selbst in seiner eigenen Disziplin den (cid:220)berblick. Wie kann vor diesem Hintergrund noch entschieden werden, welches Wissen sinnvoll ist, wie es weitergegeben werden soll und welche Konsequenzen es f(cid:252)r uns alle hat? Denn gerade die Naturwis- senschaften sprechen Lebensbereiche an, die uns - wenn wir es auch nicht immer merken - tagt(cid:228)glich betreffen. Die Reihe >Naturwissenschaftliche Einf(cid:252)hrungen im dtv< hat es sich zum Ziel gesetzt, als Wegweiser durch die wichtigsten Fachrichtungen der naturwissenschaftlichen und technischen Forschung zu leiten. Im Mittelpunkt der allgemeinver- st(cid:228)ndlichen Darstellung stehen die grundlegenden und ent- scheidenden Kenntnisse und Theorien, auf Detailwissen wird bewusst und konsequent verzichtet. Als Autorinnen und Autoren zeichnen hervorragende Wis- senschaftspublizisten verantwortlich, deren Tagesgesch(cid:228)ft die popul(cid:228)re Vermittlung komplizierter Inhalte ist. Ich danke jeder und jedem einzelnen von ihnen f(cid:252)r die von allen gezeigte bereitwillige und konstruktive Mitarbeit an diesem Projekt. Der vorliegende Band befa(cid:223)t sich mit der Erforschung der ato- maren und subatomaren Welt. Auf lebendige Weise verfolgt Brigitte R(cid:246)thlein die Entwicklung von den fr(cid:252)hen Experimenten von Wilhelm R(cid:246)ntgen, Ernest Rutherford, Marie Curie und anderen - deren Ergebnisse zun(cid:228)chst so gar nicht in Einklang mit der klassischen Physik um die Jahrhundertwende zu bringen waren-, bis hin zur modernsten Reaktortechnik und zu den Eine geniale Entdeckung gigantischen Teilchen-Beschleunigern, die uns in immer fernere Mikroweiten fuhren. Der Leser hat die M(cid:246)glichkeit den schillernden Vertretern des »Goldenen Jahrhunderts der Atomphysik« bei ihren zentralen Versuchen und Theoriebil- Es war, wie er selbst sagte, das unglaublichste Vorkommnis, dungen (cid:252)ber die Schulter zu schauen: Max Planck, Albert Ein- das ihm je begegnet war. Ernest Rutherford, der ber(cid:252)hmte stein, Niels Bohr, Werner Heisenberg, Richard Feynman oder Physiker, der im Jahr zuvor den Nobelpreis erhalten hatte, war Lise Meitner und Otto Hahn - um nur einige zu nennen. Da- zum ersten Mal in seinem Leben ratlos. Dabei war er sonst als neben diskutiert die Autorin fundiert Gefahren und Chancen der sehr selbstsicherer, eher lauter, ja polternder Chef bekannt. »angewandten Atomphysik«, der technischen Nutzung der George Gamow charakterisierte ihn 1965 in seinem Buch Radioaktivit(cid:228)t: von der Atombombe (cid:252)ber Fusionsreaktoren zu >Biographische Physik< durch ein kleines Gedicht: Kompliziertesten Computer-Tomographen. »Diesen h(cid:252)bschen, kr(cid:228)ftigen Lord kannten wir als Ernest Rutherford. Olaf Benzinger Aus Neuseeland kam er, eines Bauern Sohn, der nie verlor seinen erdgebundenen Ton. Seine starke Stimme, seines Lachens Schall drangen durch die T(cid:252)ren (cid:252)berall. Doch wenn der Zorn ihn (cid:252)berkam, waren die Worte gar nicht zahm!« Seine laute Stimme st(cid:246)rte sogar physikalische Experimente, die zum Teil sensibel auf Ersch(cid:252)tterungen und Schallwellen reagierten. Da aber niemand wagte, ihm als gestrengem Insti- tutsdirektor dies zu sagen, baute man ein Leuchtschild und h(cid:228)ngte es an die Decke. Darauf stand: »Talk softly please« (Sprechen Sie bitte leise). Ob es Erfolg hatte, ist nicht bekannt. Man schrieb das Jahr 1909. In seinem Labor an der Uni- versit(cid:228)t Manchester hatte der 38j(cid:228)hrige Institutschef Ernest Rutherford einen jungen Mann namens Ernest Marsden damit beauftragt, Streuversuche mit Alphateilchen zu machen. Diese nur wenige Jahre zuvor entdeckten Teilchen werden von be- stimmten radioaktiven Stoffen ausgesandt, zum Beispiel von Radium. Seit Jahren hatte sich Rutherford damit besch(cid:228)ftigt, in fein geplanten und sorgf(cid:228)ltig ausgef(cid:252)hrten Experimenten ihre Eigenschaften zu ermitteln. Angesichts der (cid:151) verglichen mit heute - primitiven Ger(cid:228)te und Messapparaturen war dies ein schwieriges Unterfangen, das viel Geduld, Ausdauer und Intuition erforderte. Immerhin wu(cid:223)te man im Jahr 1909 schon, da(cid:223) die so genannten Alphastrahlen aus Teilchen bestanden, die eine positive elektrische Ladung trugen. Au(cid:223)erdem hatte Rutherford zusammen mit seinen Mitarbeitern gemessen, da(cid:223) diese Teilchen im Vergleich zu anderen, etwa Elektronen, ziemlich schwer waren. Rutherford stellte sie sich deshalb ganz Das Beschie(cid:223)en eines Atoms mit Alphateilchen: Da sich gleichnamige bildlich als kleine Geschosse vor, die aufgrund ihrer relativ hohen Ladungen absto(cid:223)en, werden die positiv geladenen Alphateilchen durch den Masse und ihrer riesigen Geschwindigkeit eine durchschlagende ebenfalls positiv geladenen Atomkern abgelenkt. Wirkung besa(cid:223)en. Sie rasten, das hatten ebenfalls Messungen ergeben, mit rund zehntausend Kilometern pro Sekunde durch die Luft. Marsden hatte nun nach Anweisung seines Chefs folgenden Neben diesem erwarteten Effekt trat aber noch eine weitere Versuch ausgef(cid:252)hrt: Er hatte derartige Alphateilchen auf eine Erscheinung auf, mit der weder Marsden noch sein Lehrer d(cid:252)nne Metallfolie geschossen und gemessen, ob und wie die Rutherford gerechnet hatten: Einige, wenn auch wenige Al- Teilchen dadurch von ihrem geradlinigen Weg abgelenkt (cid:151) ge- phateilchen trafen auf dem Schirm nicht nur knapp neben dem streut (cid:151) wurden. Man erwartete, da(cid:223) die Partikel beim Durch- Abbild des Schlitzes auf, sondern weit davon entfernt, ja gang durch die Folie ein paar Mal mit Metallatomen zusam- manche wurden durch die Folie sogar um neunzig Grad und mensto(cid:223)en und dadurch kleine Auslenkungen erfahren w(cid:252)rden. mehr abgelenkt, bei einer Platinfolie wurde (cid:252)berdies etwa jedes Im Experiment konnte man das dadurch nachweisen, da(cid:223) man achttausendste Teilchen ganz zur(cid:252)ckgeworfen. »Das war fast die Teilchen zuerst durch eine schmale Schlitzblende b(cid:252)ndelte, sie so unglaublich«, sagte Rutherford sp(cid:228)ter in einer Vorlesung, dann durch die Metallfolie schoss und den Strahl anschlie(cid:223)end »als ob man aus einer Pistole eine Kugel auf einen Bogen auf einem Schirm auffing, der mit fluoreszierendem Material Seidenpapier abfeuert, und sie kommt zur(cid:252)ck und trifft den bestrichen war. An den Stellen, an denen ein Alphateilchen auf Sch(cid:252)tzen.« dem Schirm auftraf, leuchtete f(cid:252)r den Bruchteil einer Sekunde Um das Erstaunen (cid:252)ber das unerwartete Ergebnis begreifen das fluoreszierende Material auf, der Forscher, der den Schirm zu k(cid:246)nnen, muss man sich vor Augen halten, wie sich die beobachtete, konnte es registrieren und die Treffer z(cid:228)hlen. Physiker zur Zeit der Jahrhundertwende die Atome vorstellten: Durch die leichte Ablenkung der Teilchen in der Metallfolie als kleine runde Kugeln - (cid:228)hnlich wie Billardkugeln -, die in wurde auf dem Schirm nun nicht mehr ein scharfes Bild des einem Feststoff dicht an dicht zusammengepackt waren. Man Schlitzes abgebildet, sondern es wurde ein wenig verschmiert war der (cid:220)berzeugung, da(cid:223) der Raum durch die Atome zum und unscharf. gr(cid:246)(cid:223)ten Teil ausgef(cid:252)llt sei, und nur ein K(cid:246)rper, der sich wie das Alphateilchen mit hoher Geschwindigkeit bewegte, phateilchen auf einen einzigen Zusammensto(cid:223) zur(cid:252)ckzuf(cid:252)hren k(cid:246)nnte eine Folie aus Atomen durchschlagen, wobei er ein wenig sei und da(cid:223) dieser Zusammenprall mit einem sehr kleinen, sehr abgelenkt w(cid:252)rde. schweren Teilchen geschehen sein musste. Das Atom konnte 1903 verfeinerte der Physiker Philipp Lenard diese Vorstel- deshalb nicht aus einer Kugel mittlerer Dichte bestehen, lung. Er hatte in mehreren Experimenten festgestellt, da(cid:223) sehr sondern musste ein zentrales Teilchen enthalten, das im Ver- schnelle Elektronen Folien praktisch ungehindert durchdringen gleich zur Gesamtgr(cid:246)(cid:223)e des Atoms winzig klein war, in dem k(cid:246)nnen. Er schloss daraus, da(cid:223) der gr(cid:246)(cid:223)te Teil des Atoms leer aber praktisch dessen gesamte Masse konzentriert war. Dieses sein m(cid:252)sse und postulierte, da(cid:223) Paare aus je einem negativen zentrale Teilchen - sp(cid:228)ter wurde es Atomkern genannt - musste Elektron und einer positiven Ladung, die er »Dynamiden « au(cid:223)erdem eine elektrische Ladung tragen, die bei schweren nannte, das Atom bildeten. Diese Dynamiden sollten nur einen Elementen ein Vielfaches der Elementarladung ausmachen winzigen Bruchteil des Raums einnehmen, der Rest sei leer. musste. Ob diese Ladung allerdings positiv oder negativ war, Auch der Entdecker des Elektrons, Joseph John Thomson, konnte Rutherford aus den vorliegenden Messergebnissen al- hatte sich schon vor 1910 Gedanken (cid:252)ber den Aufbau der lein nicht entscheiden, denn sie w(cid:228)ren sowohl bei positiver als Atome gemacht. Er war im Gegensatz zu Lenard der Mei- auch bei negativer Ladung des Zentralteilchens erkl(cid:228)rbar ge- nung, da(cid:223) das Atom aus einer positiv geladenen Kugel be- wesen. Damit das Atom nach au(cid:223)en hin neutral war, musste stand, in die negative Elektronen zum Ausgleich der Ladung das geladene Zentrum von einer entgegengesetzt geladenen eingebettet seien. Er glaubte, sie seien in konzentrischen Ku- H(cid:252)lle umgeben sein. gelschalen regelm(cid:228)(cid:223)ig angeordnet. Im M(cid:228)rz 1911 trug Rutherford diese revolution(cid:228)ren Er- Beide Modelle konnten zwar erkl(cid:228)ren, warum Alphateil- kenntnisse (cid:252)ber den Aufbau der Atome in einem Vortrag vor chen beim Durchgang durch eine Folie ein wenig abgelenkt der Literarischen und Philosophischen Gesellschaft in Man- wurden, n(cid:228)mlich durch mehrere kleine St(cid:246)(cid:223)e, sie jedoch boten chester vor. Zwei Monate sp(cid:228)ter ver(cid:246)ffentlichte er sie im >Phi- keine Erkl(cid:228)rung daf(cid:252)r, da(cid:223) manche der Partikel ganz zur(cid:252)ck- losophical Magazine<. Obwohl damals die (cid:214)ffentlichkeit an geworfen wurden. Zwei Jahre lang gr(cid:252)belte Rutherford (cid:252)ber naturwissenschaftlichen Entdeckungen wie jenen der R(cid:246)nt- diesem Ergebnis. Als erfahrener Experimentator glaubte er genstrahlung oder der Radioaktivit(cid:228)t gro(cid:223)en Anteil nahm, nicht daran, da(cid:223) es sich um einen Messfehler oder einen Ver- wurden Rutherfords Theorien zun(cid:228)chst lediglich in Fachkreisen schmutzungseffekt handelte. Anfang 1911 schien er die L(cid:246)- beachtet. Auch er selbst war sich wohl anf(cid:228)nglich der Be- sung des R(cid:228)tsels entdeckt zu haben. Sein Mitarbeiter Hans deutung seiner Entdeckung nicht voll bewusst. Er ver(cid:246)ffent- Geiger, der durch die Erfindung des Geigerz(cid:228)hlers ber(cid:252)hmt lichte im Jahr 1913 das Buch >Radioaktive Stoffe und ihre wurde, berichtete sp(cid:228)ter: »Eines Tages kam Rutherford, offen- Strahlungen<, in dem er auf die Theorie seines Atommodells sichtlich bester Laune, in mein Zimmer und sagte, er wisse noch einmal kurz einging und zum ersten Mal das Wort jetzt, wie ein Atom aussehe und wie man die gro(cid:223)en Ablen- »Atomkern« verwendete. Hier entschied er sich auch eindeutig kungen der Alphateilchen erkl(cid:228)ren k(cid:246)nne.« Er war zu dem daf(cid:252)r, da(cid:223) der Atomkern positiv geladen und von negativen Schluss gekommen, da(cid:223) jede der gro(cid:223)en Ablenkungen der Al- Elektronen umgeben sein musste, eine Annahme, die sich sp(cid:228)ter als richtig herausstellte. Aus heutiger Sicht ist die Entdeckung Rutherfords, da(cid:223) das Atom aus Kern und H(cid:252)lle besteht und da(cid:223) seine Masse im po- Der Blick ins Innerste der Materie sitiv geladenen Kern konzentriert ist, einer der wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zur modernen Physik. Erst diese Erkenntnis hat es erm(cid:246)glicht, den Aufbau der Elemente zu be- greifen, den radioaktiven Zerfall zu verstehen, die Grundkr(cid:228)fte »Haben Sie eines gesehen?« raunzte der gef(cid:252)rchtete Physik- der Natur zu entschl(cid:252)sseln und sie f(cid:252)r die weitere Forschung professor Ernst Mach noch Ende des letzten Jahrhunderts jeden sowie f(cid:252)r technische Anwendungen zu nutzen. Ernest Ruther- an, der es wagte, von Atomen zu sprechen. Er wandte sich ford selbst ahnte diese Bedeutung seiner Ideen sp(cid:228)ter sehr grunds(cid:228)tzlich gegen die Tendenz, Naturerscheinungen durch wohl. 1932 schrieb er in einem Brief an Hans Geiger: »Das theoretische mechanische Modelle zu erkl(cid:228)ren, und die Atom- waren damals sch(cid:246)ne Tage in Manchester, und wir leisteten theorie, die sich damals insbesondere bei Chemikern gro(cid:223)er mehr, als wir wussten.« Beliebtheit erfreute, war ihm dabei ein besonderer Dorn im Auge. Mach w(cid:252)rde Augen machen, k(cid:246)nnte er in die Labors der heutigen Wissenschaftler schauen. In den neunziger Jahren ist es gelungen, mit dem Raster-Tunnelmikroskop und dem Raster- Kraftmikroskop, beides Erfindungen des deutschen No- belpreistr(cid:228)gers Gerd Binnig, Atome real abzutasten und sichtbar zu machen. Die Ansicht, da(cid:223) Materie aus Atomen besteht, (cid:228)u(cid:223)erte als Vermutung schon etwa 400 vor Christus der griechische Phi- losoph Demokrit. Er versuchte damit die Vielfalt der Erschei- nungen in der Welt zu erkl(cid:228)ren. So schrieb er: »Der gebr(cid:228)uch- lichen Redeweise nach gibt es Farbe, S(cid:252)(cid:223)es und Bitteres, in Wahrheit aber nur Atome und Leeres.« Jahrhundertelang k(cid:252)mmerten sich die Gelehrten kaum mehr um die Frage nach den Atomen. Man besch(cid:228)ftigte sich mit anderen Vorstellungen wie Felder, ˜ther, Fluidum und (cid:228)hnlichem. Erst durch die Chemie, die im 19. Jahrhundert zunehmend an Wissenschaft- lichkeit gewann, traten wieder (cid:220)berlegungen in den Vorder- grund, die zur(cid:252)ck zu der (cid:220)berlegung f(cid:252)hrten, ob es denn nun tats(cid:228)chlich Atome gebe. So verdichtete sich diese Vorstellung nach und nach zur Gewissheit, denn in den verschiedensten Bereichen der Wissenschaft hatte man experimentelle Beweise gefunden, da(cid:223) es kleinste Bausteine der Materie geben Eine folgenschwere Zufallsentdeckung m(cid:252)sste. So entdeckte man, da(cid:223) sich bestimmte Elemente im- mer im Verh(cid:228)ltnis ganzer Zahlen miteinander verbinden, bei- spielsweise ein Liter Sauerstoff mit zwei Litern Wasserstoff zu 1869 hatten der Russe Dimitrij Iwanowitsch Mendelejew und einem Liter Wasserdampf. Auch f(cid:252)r die Gewichtsverh(cid:228)ltnisse der Deutsche Julius Lothar Meyer unabh(cid:228)ngig voneinander das ergaben sich (cid:228)hnliche Zahlenspielereien. Sie konnten eigentlich Periodensystem der chemischen Elemente entwickelt (siehe nur dadurch erkl(cid:228)rt werden, da(cid:223) man davon ausging, da(cid:223) sich hierzu S. 108/109). Es stellte ein Schema dar, in dem die bis Atome in genau festgelegten Verh(cid:228)ltnissen chemisch miteinander dahin bekannten chemischen Elemente nach bestimmten Kri- verbinden. Man nannte nun (cid:252)brigens die Verbindung von terien geordnet wurden. Eines dieser Kriterien war ihr Atom- Atomen »Molek(cid:252)le«. Au(cid:223)erdem legten die Experimente die gewicht. Hinzu kamen Erkenntnisse (cid:252)ber ihr chemisches Ver- Annahme nahe, da(cid:223) in jedem Gas mit gleichem Volumen halten und ihre physikalischen Eigenschaften. So hatte man gleich viele Teilchen vorhanden sein m(cid:252)ssten, vorausgesetzt, beispielsweise erkannt, da(cid:223) Fluor, Chlor, Brom und Jod (cid:228)hnliche die Gase besitzen die gleiche Temperatur und den gleichen Eigenschaften aufwiesen. Entsprechendes gilt f(cid:252)r die Elemente, Druck. Diese Regel wurde sp(cid:228)ter best(cid:228)tigt und ist heute als die wir heute die »Edelgase« nennen. Mendelejew und Meyer »Avogadrosches Gesetz« bekannt. setzten die Elemente mit (cid:228)hnlichen Eigenschaften untereinander Dem (cid:214)sterreicher Johann Joseph Loschmidt gelang es und ordneten sie ansonsten in waagerechten Zeilen gem(cid:228)(cid:223) ihrer schlie(cid:223)lich als erstem, die Anzahl der Teilchen in einem Liter Ordnungszahl (der Protonenzahl) an. Vor allem Mendelejew Gas zu ermitteln: Es sind 26,87 mal 1021 Molek(cid:252)le. Dies ist eine konnte aus seinem Schema Behauptungen theoretisch ungeheuer gro(cid:223)e Zahl, und sie vermittelt auch eine Vor- herauslesen, die zum Teil erst viel sp(cid:228)ter bewiesen werden stellung davon, wie winzig die Atome und Molek(cid:252)le sein m(cid:252)ssen. konnten. So fand er L(cid:252)cken in diesem Periodensystem und Der Astronom Rudolf Kippenhahn illustriert die Winzigkeit prophezeite Elemente mit bestimmten Eigenschaften, die genau der Molek(cid:252)le und ihre riesige Zahl in seinem Buch >Atom< mit in diese L(cid:252)cken passen w(cid:252)rden. Und er erfand wohlklingende zwei sehr anschaulichen Beispielen: »Man sch(cid:252)tte ein Glas Namen f(cid:252)r sie: Ekabor, Ekaaluminium und Ekasilizium. In der Wasser ins Meer und r(cid:252)hre in allen Ozeanen der Welt gut um. Tat konnte er noch miterleben, wie die von ihm Wenn man danach etwa vor Australien wieder ein Glas Wasser vorhergesagten Elemente zwischen 1879 und 1886 gefunden aus dem Meer sch(cid:246)pft, so enth(cid:228)lt es etwa zweihundert Molek(cid:252)le wurden. Das Ekabor hei(cid:223)t heute Scandium, das Ekaaluminium des vorher hineingegossenen Wassers.« Und das zweite hei(cid:223)t Gallium, und Ekasilizium ist heute als Germanium Beispiel: »Als Gajus Julius C(cid:228)sar vor seiner Ermordung im bekannt. Das Periodensystem der Elemente hatte sich also als Jahr 44 vor Christus die ber(cid:252)hmten Worte >Auch du, mein Ordnungsschema bew(cid:228)hrt. Sohn Brutus< sprach, blies er damit vielleicht einen Viertelliter Die tats(cid:228)chliche Ordnung, die hinter diesem Tableau steckt, Atemluft ins Freie. Die Molek(cid:252)le von damals vermischten sich war damals allerdings noch nicht einmal in Ans(cid:228)tzen bekannt. mit der Erdatmosph(cid:228)re. Wir nehmen mit jedem zweiten Keiner der Beteiligten hatte eine Ahnung davon, da(cid:223) Atome Atemzug ein Molek(cid:252)l der letzten Worte C(cid:228)sars auf.« aus Kern und H(cid:252)lle bestehen k(cid:246)nnten, da(cid:223) ihr Gewicht vom Kern bestimmt w(cid:252)rde, aber ihre chemischen Eigenschaften von der H(cid:252)lle, und da(cid:223) beide Charakteristika im Als R(cid:246)ntgen nun jedoch versuchte, diese Strahlen abzu- Periodensystem ber(cid:252)cksichtigt wurden. Erst Jahrzehnte sp(cid:228)ter schirmen, indem er ein Buch zwischen R(cid:246)hre und Kristall gelang es bedeutenden Forschern, Licht in das Dunkel der ato- hielt, musste er zu seinem Erstaunen feststellen, da(cid:223) die Kri- maren Geheimnisse zu bringen. Man mu(cid:223) sich die Situation stalle trotzdem wieder zu leuchten begannen. Es musste sich vor Augen f(cid:252)hren: Es war nur das eine sicher, da(cid:223) Atome so also um eine andersartige Strahlung handeln, denn die Elek- winzig sind, da(cid:223) man sie nicht sehen kann. Wenn man sich also tronen aus der R(cid:246)hre konnten ein Buch nicht durchdringen. daranmachte, ihre Eigenschaften zu erforschen, war man Systematisch untersuchte R(cid:246)ntgen nun, welche Materialien gezwungen, die Materie gleichsam als »Black Box«, als diese neue Strahlung, die er X-Strahlung nannte, schwarzen Kasten anzusehen, in dessen Innerem man Atome hindurchlie(cid:223)en oder abschirmten. vermutete. Die Strahlen durchdrangen Holz, Glas, Elfenbein, Hart- N(cid:228)here Einzelheiten erfuhr man jedoch nur durch mehr gummi und andere leichtere Materialien. Lediglich Blei und oder weniger blindes Herumtasten in diesem schwarzen Ka- Platin vermochten sie aufzuhalten. Au(cid:223)erdem fand R(cid:246)ntgen, sten. So galt es, m(cid:246)glichst raffinierte Versuchsanordnungen zu da(cid:223) Fotoplatten von den Strahlen geschw(cid:228)rzt wurden. Er be- ersinnen, mit deren Hilfe man der Black Box namens Materie gann nun, alle m(cid:246)glichen Objekte zu bestrahlen und zu foto- ihre Geheimnisse entlocken konnte. grafieren, unter anderem die Hand seiner Ehefrau Bertha. Das Zun(cid:228)chst aber kam die Natur den Forschern ein gro(cid:223)es inzwischen weltber(cid:252)hmte Bild vom 22.12.1895 zeigt deutlich St(cid:252)ck entgegen: Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts die Knochen und den Ehering. wurden n(cid:228)mlich Ph(cid:228)nomene entdeckt, die Kunde gaben aus In seiner Ver(cid:246)ffentlichung vom 28.12.1895 schrieb der dem Innersten der Materie. Es handelte sich um verschiedene Forscher: »L(cid:228)sst man durch eine Hittorfsche Vakuumr(cid:246)hre Arten von Strahlung, die von einigen Stoffen ausging. oder einen gen(cid:252)gend evakuierten Lenardschen, Crookeschen Es begann mit einer Zufallsentdeckung im Jahr 1895: Wil- oder (cid:228)hnlichen Apparat die Entladung eines gr(cid:246)(cid:223)eren Ruhm- helm Conrad R(cid:246)ntgen experimentierte in seinem Labor an der korffs gehen, bedeckt die R(cid:246)hre mit einem ziemlich enganlie- Universit(cid:228)t W(cid:252)rzburg mit verschiedenen Entladungsr(cid:246)hren, genden Mantel aus d(cid:252)nnem schwarzen Karton, so sieht man in die er mit schwarzem Papier umgab. Nach dem Einschalten dem vollst(cid:228)ndig verdunkelten Zimmer einen in die N(cid:228)he des der Hochspannung bemerkte er einen gr(cid:252)nlichen Schimmer Apparats gebrachten, mit Bariumplatincyan(cid:252)r angestrichenen von einem benachbarten Arbeitstisch. Dieses Leuchten ver- Papierschirm bei jeder Entladung hell aufleuchten, fluo- schwand jedoch wieder, wenn er die Elektronenr(cid:246)hre abschal- reszieren, gleichg(cid:252)ltig, ob die angestrichene oder die andere tete. Das Verdienst R(cid:246)ntgens ist es, da(cid:223) er der unerwarteten Seite des Schirmes dem Entladungsapparat zugewendet ist. Erscheinung und ihrer Ursache auf den Grund ging. Schnell Die Fluoreszenz ist noch in zwei Meter Entfernung vom Ap- stellte er fest, da(cid:223) das Leuchten von fluoreszierenden Kristallen parat bemerkbar.« ausging, die zuf(cid:228)llig dort lagen. M(cid:246)glicherweise, so vermutete Wilhelm Conrad R(cid:246)ntgen selbst, der 1901 den ersten No- er, hatten die so genannten Kanalstrahlen, die aus der R(cid:246)hre belpreis f(cid:252)r Physik erhielt, glaubte, es handle sich bei den von kamen und auf die Kristalle auftrafen, das Leuchten ihm entdeckten Strahlen um ˜therwellen. Heute wissen wir, verursacht. da(cid:223) die R(cid:246)ntgenstrahlen - wie sie anl(cid:228)sslich eines (cid:246)ffentlichen Vortrages im Januar 1896 genannt wurden - elektromagneti- Becquerel teilte seine Entdeckung sofort seinen Kollegen sche Wellen sind, (cid:228)hnlich den Radio-, Licht- oder UV-Strahlen. von der Akademie mit, und noch im Februar 1896 wurde dar- Den Beweis daf(cid:252)r erbrachten aber erst im Jahr 1912 zwei (cid:252)ber in den Schriften der Akademie berichtet. Weitere Unter- Forscher in M(cid:252)nchen. suchungen ergaben, da(cid:223) die Strahlung nicht nur Fluoreszenz Der franz(cid:246)sische Gelehrte Antoine Henri Becquerel h(cid:246)rte in ausl(cid:246)ste und Fotoplatten schw(cid:228)rzte, sondern auch die Luft leitend einer Sitzung der Pariser AcadØmie des Sciences am 20. Januar machte. Diese Erkenntnis, die ebenfalls Becquerel zu verdanken 1896 zum ersten Mal von R(cid:246)ntgens neu entdeckter Strahlung. war, wurde zur Grundlage der Me(cid:223)methoden f(cid:252)r die Der Professor galt als anerkannter Fachmann auf dem Gebiet radioaktive Strahlung. der Fluoreszenz, zusammen mit seinem Vater hatte er seit Jahren 1928 ver(cid:246)ffentlichte der Professor f(cid:252)r Experimentalphysik damit experimentiert. Seine Neugier war nun geweckt, und er an der Universit(cid:228)t Kiel, Hans Geiger, zusammen mit seinem verpackte eine unbelichtete Fotoplatte in schwarzes, Assistenten Walther M(cid:252)ller in der >Physikalischen Zeitschrift< lichtdichtes Papier, legte ein Kupferkreuz darauf und streute einen Aufsatz von nicht einmal drei Seiten Umfang, der den dar(cid:252)ber der Reihe nach alle ihm bekannten fluoreszierenden schlichten Titel hatte: >Das Elektronenz(cid:228)hlrohr<. Was die beiden Substanzen. Dann setzte er das Paket jeweils der Forscher in diesem Bericht beschrieben, war das Ergebnis einer Sonnenstrahlung aus, denn Fluoreszenz ben(cid:246)tigt zu ihrer An- zwanzigj(cid:228)hrigen Entwicklung und machte sp(cid:228)ter Karriere wie regung Licht. kaum ein anderes physikalisches Ger(cid:228)t: der »Geigerz(cid:228)hler« oder, Das Ergebnis der Experimente war durchweg negativ, mit offiziell ausgedr(cid:252)ckt, das »Geiger-M(cid:252)ller-Z(cid:228)hlrohr«. einer Ausnahme: Wenn er Uransalz auf das Paket streute, Im Prinzip besteht ein solches Messger(cid:228)t aus einem Metall- zeigte sich nach dem Entwickeln auf der Fotoplatte der Schatten rohr von einigen Zentimetern Durchmesser, das mit dem eines Kreuzes. Angeblich wollte Becquerel das Ph(cid:228)nomen Edelgas Argon gef(cid:252)llt ist. Die Achse des Rohres bildet ein weiter untersuchen und pr(cid:228)parierte dazu mehrere Fotoplatten d(cid:252)nner Draht aus Wolfram oder Stahl. Zwischen dem Geh(cid:228)use mit Uransalz. Da das Wetter tr(cid:252)b war, legte er sie in eine und dem davon isolierten Draht liegt eine elektrische Spannung Schublade. an, und zwar so, da(cid:223) der Draht positiv, das Geh(cid:228)use negativ Bei einer (cid:220)berpr(cid:252)fung stellte er zu seiner (cid:220)berraschung geladen ist. Die Gasatome, die sich zwischen Geh(cid:228)use und fest, da(cid:223) auch diese Platten den Schatten des Kreuzes zeigten, Draht befinden, sind elektrisch neutral und reagieren zun(cid:228)chst ohne da(cid:223) sie in der Sonne gelegen hatten. Es musste sich also auf diese Spannung nicht. Fliegt nun ein Teilchen der nicht um die erwartete Lumineszenzstrahlung handeln, son- Betastrahlung - wie wir heute wissen, ein Elektron - durch den dern um eine st(cid:228)ndig vorhandene, selbstt(cid:228)tige Ausstrahlung Gasgef(cid:252)llten Innenraum, st(cid:246)(cid:223)t es auf seinem Weg mit Gas- des Urans. atomen zusammen. Die Wucht der Zusammenst(cid:246)(cid:223)e ist so Becquerel f(cid:252)hrte f(cid:252)r diese Erscheinung den Namen »Ra- gro(cid:223), da(cid:223) aus der Atomh(cid:252)lle ein Elektron herausgeschlagen dioaktivit(cid:228)t« ein. Er nahm zun(cid:228)chst an, da(cid:223) es sich dabei um wird, so entsteht ein positiv geladenes Ion und ein freies Elek- eine den R(cid:246)ntgenstrahlen (cid:228)hnliche Strahlung handelte. Heute tron. Auf dem Weg der Betateilchen quer durch das Rohr er- wissen wir, da(cid:223) dies nicht stimmt. Die Schw(cid:228)rzung der Foto- eignen sich viele solcher Ionisationen, und die dabei entsteh- platten war durch Betastrahlung verursacht worden.

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