Mit der Ermordung des Kriegsberichterstatters Christian Allmayer im umkämpften Kosovo scheinen Reportage und Realität für einen fatalen Moment zu verschmelzen, um dann umso deutlicher wieder auseinanderzuklaffen. Letzteres empfindet der namenlose Icherzähler besonders schmerzhaft in Gesprächen mit dem Reisejournalisten Paul, der Allmayer kannte und sich nun in den Kopf setzt, einen Roman über dessen Fall zu schreiben. Pauls Freundin Helena, deren Eltern aus Dalmatien stammen, begleitet ihn ebenso wie der Erzähler auf Erkundungsreisen in ehemalige Kriegsgebiete in Kroatien und Bosnien. Die fanatischen Recherchen entpuppen sich dabei immer mehr als letztes Aufbäumen eines schriftstellerisch und privat Gescheiterten.
Die hilflosen Versuche, sich schreibend den Realitäten und Irrealitäten des Krieges anzunähern, kulminieren in der Frage, die Allmayer einst einem kroatischen Kriegsherrn stellte: "Wie ist es, jemanden umzubringen?" Die inoffizielle Tonbandaufzeichnung des Interviews, die letztlich auftaucht, scheint nur eines auf düstere Weise klar zu machen: Je näher der Berichterstatter der verhängnisvollen Wirklichkeit kommt, desto mehr wird er Teil von ihr.
Norbert Gstrein hat seinen mit dem Uwe-Johnson-Preis ausgezeichneten Roman dem Andenken des 1999 im Kosovo erschossenen Reporters Gabriel Grüner gewidmet. Trotz unübersehbarer Parallelen zum realen Fall und mancher Seitenhiebe auf Autoren, die sich auf oft fragwürdige Weise während des Kriegs zu Wort meldeten, handelt es sich aber um keinen Schlüsselroman. Es ist vielmehr das tiefe Unbehagen gegenüber allen Versuchen, die geschehene Katastrophe sprachlich zu erfassen, das Gstrein erfahrbar macht, in einer großen literarischen Abrechnung mit dem Handwerk des Schreibens über den Krieg.
Dieser Skepsis entspricht auch die formale Komplexität des Romans, der mit seiner exzessiven, aber stets kunstvoll kontrollierten Verwendung indirekter Rede die Relativität des Gesagten immer bewusst hält. Der erzählerische Sog entwickelt sich dabei durch die gespenstische Spannung zwischen zitierendem Berichten und eigener Unmittelbarkeit, zwischen Distanz und Nähe, Unbeteiligtsein und Verstrickung. Das ständige Gefühl der Inadäquatheit des Sprechens über den Krieg lässt das Scheitern des Reporters Allmayer und des Romanciers in spe Paul notwendig erscheinen. Das Wahrhaftigste, was Literatur hier kann, ist die Beschreibung dieses Versagens. --Mathis Zojer