WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFrLlCHE LEITFA DEN ZWEITER BAND DAS GELD VON D. H. ROBERTSON M. A. FELLOW AM TRINITY COLLEGE CAMBRIDGE UND DOZENT FOR VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE AN DER UNIVERSITAT CAMBRIDGE ZWEITE, VERBESSERTE AUFLAGE NACH DER ACHTEN ENGLISCHEN AUFLAGE NEU tmERSETZT VON KARL BODE MIT EINEM GELEITWORT VON PROFESSOR DR. JOSEPH SCHUMPETER WIEN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1935 ISBN 978-3-7091-3159-6 ISBN 978-3-7091-3195-4 (cBook) DOI 10.1007/978-3-7091-3195-4 ALLE RECRTE VORBERALTEN Geleitwort. Es ist eine Freude, dieses Btichlein in seiner deutschen Fassung zu begriiEen und dem trbersetzer vorgreifend den Dank auszusprechen, den ihm aIle Leser wissen wer den. Diese Leser werden zunachst Studenten sein: Wer das Bedtirfnis fiihIt, von dem in den allgemeinen Vor lesungen gewonnenen Wissensvorrat aus tiefer in die Geldlehre einzudringen, kann kaum eine bessere Brticke finden,als den Gedankengang dieses Buches. Aber tiber haupt jedermann, den es nach einer verlaElichen Grund lage flir seine Stellungnahme in Fragen des Geldwesens verlangt, wird das Studium dieses Buches ntitzen und alIes Wesentliche in einfacher und tiberaus anziehender Form an die Hand geben. Es ist das Werk eines Mei sters, der mitgeschaffen hat an dem, was er vortragt und des sen Vortrag daher eine Fri'sche und ein Niveau hat, die keiner, sei es auch noch so guten, bloE berichtenden Leistung eignen kann. Es ist glanzend geschrieben. Und es gibt genau das, was an Grundsatzlichem flir den Nicht fachmann von Wert sein kann, nicht mehr und nicht we niger. W oher kommt es nur, daE der Laie - gerade auch jenes Saugetier, das wir als gebildeten "Laien" zu be zeichnen gewohnt sind - zu dem ScMuE gelangt ist, daE die Geldwissenschaft noch weniger als andere Teile der Wirtschaftslehre tiber gesieherte Ergebniese oder braueh bare Verfahren verftigt, daE es in ihr kein Oben und kein Unten gibt - sondern nur einen hoffnungslosen Haufen von Meinung'Bverschiedenheiten? Nun, eines ist sieher: Dieser unerfreuliche und flir die Wissensehaft beseha- IV Geleitworl. mende Tatbestand kommt nicht von jener Ursache, an die man zunachst denken mochte - namlich nicht daher, dafi es ein haltbares Organon von Erkenntnissen und Ver fahren, das den Erscheinungen des Geld- und Kreditpro 'zesses gewachsen ware, nicht gabe. Sondern einmal daher. dafi dieses Organon nicht in dem Mafi Gemeingut aller Volkswirte von Fach ist, wie die Kunst des Lesens und Interpretierens mittetlalterlicher Quellen Gemeingut aller mittelalterlichen Historiker und das Integrieren Gemein gut aller Mathematiker ist. Gleichgliltig woran das liegt - es ist eine Tatsache, dafi es Volkswirte von Fach gibt, die dem wissenschaftIichen Rlistzeug ihres Gebietes ge genliberstehen wie ein - unvorstellbarer - mittelaJlter lieher Historiker seinen Quellen gegenliberstlinde, wenn er das Latein des XIII. J ahrhunderts nicht verstlinde, oder wie ein - nicht weniger unvorstellbarer - Mathe matiker, der die Technik des Integrierens nicht be herrschte. Aufierdem aber leidet die Geldlehre von heute auch noeh darunter, dafi mehrere ihrer flihrenden Leute ungllicklicherweise auf bestimmte geld- und bankpoli Hsche Forderungen festgelegt sind, Projekte aIIer Art verteidigen, darliber die Aufgabe der Forschung vergessen und so zu schlechten Flihrern werden flir jene, die erst einmal verstehen wollen. Dem Laien erscheint dann als wissenschaftIiches Chaos, was nur ein Chaos von Dilet tantismus ist. Und er h8llt flir hoffnungsloses Gewirr von wissenschaftIichen Meinungen, was nur ein - freilich hoffnung18loses -Gewirrevon politischen Wollungen ist. Robertsons Bueh kann manches dazu beitragen, dieser unerfreulichen Sachlage zu steuern. Wie Pigou und Keynes, so hatauch er mit dem Erbe MarshaUs begonnen und von diesem Hauptquartier aus seine eigenen Erobe rungszlige unternommen, deren Beute sich zwanglos in den vorhandenen Rahmen fligte. Sein Bueh liber "Ban king Policy and the Price Level"1) ist nur der wichtigste Teill davon. Es wird erganzt durch ein halbes Dutzend 1) 2. Auf!. London 1934. Geleitwort. v von A-bhandlungen im Economic Journal und in der Economical) und auch durch seine Forschungen im Ge biet des Konjunkturzyklus, die ihn vor den OberfHich lichkeiten der sogenannten "monetaren Krisentheorien" bewahrten. Auf dieser Tradition einerseits, auf diesen eigenen Leistungen andererseits ruht der Text, der nun demdeutschenLeserkreisvorgelegtwird und als eine aus geglichene Darstellung empfohlen werden kann, die wohl die meisten Fachgenossen unterschreiben wiirden. W or aus denn folgt, daE es doch nicht so sch:limm ist mit dem Chaos der Meinungen, und daE der gemeinsame Boden viel weiter reicht, als wir selbst in der Hitze des Ge fechtes zuzugeben geneigt sind. Das gilt auch - es gilt gerade - fUr die drei letzten Kapitel, in denen Robert,son so hiibsch in die wahrungs und bankpolmschen Streitfragen der Nachkriegszeit ein fUhrt. Das kann er gut, weil er sich vor Ansteckung ISO durch die verschiedenen Monomanien, die auf dem Ge biete wiiten, so vol'lig bewahrt hat. Es bleibt dem Leser iiberlassen, die Entscheidung zu treHen, die ihm gefallt. Er bekommt bloE das Werkzeug in die Hand, das ihn da vor schiitzen soIl, daE diese Entscheidung Unsinn sei. Mehr als das kann keine Wi'8senschaft bieten. Harvard University, Juni 1935. Joseph Schumpeter. 1) Vergl. im Economic Journal: "Mr. Keynes' Theory of Money" (1931), "Saving and Hoarding" (1933), "Industrial Fluctuations and the Natural Rate of Interest" (1934), und in der Economica: "Theories of Banking Policy" (1928), "A Note on the Theory of Money" (1933), "Mr. Harrod and the Expansion of Credit" (1934). Vorwort. § 1. Die Neuauflage dieses Buches, da's zuletzt im Jahre 1928 neuaufgelegt und grofienteils neugeschrieben wurde, wird in einem Zeitpunkt notwendig, wo das vollendete DurcheiIliander in der monetaren Situation der Welt die Vornahme einer griindlichen Umarbeitung unmoglich macht. Wollte man sich andererseits damit begnugen, hier und dort ein bifichen auszuflicken, so wti.rde man damit nur den falschen Anschein erwecken, aLs gabe das Buoh den gegenwartigen Stand der Dinge wieder. Abgesehen von den Kapiteln I, II, V und VIII, die wohl in der Hauptsache keiner drastischen Revision bedurfen, bietet das Buch demgemafi - wie man ruc~schauend klarer er kennen wird - das Bild einer Welt, die sich einer be deutenden Wirtschaftstatigkeit erfreut und die infolge dessen - wenn auch zitternd und zagend - an der kurz davor wiedererrichteten Goldwiihrung festhalt. Ich hoffe, dafi diese Darstellung ein gewisses Interesse und einen gewiss·en Nutzen besitzt, mufi aber betonen, dafi sie durch k·einerlei Ausbesserung in ein adaquates Bild der Welt von 1935 verwandelt werden kann. Unter diesen Umstanden scheint mir der einfache Neu druck der 1928 herausgekommenen Auflage das Richtigste zu sein. Jedoch durfte es sich im Interesse des Lesers empfehlen, hier die folgende kurze Liste der wichtigsten, in der Zwischenzeit eingetretenen monetaren Gescheh ni,sse einzufiigen. 1. Abgang Englands vom Goldstandard im September 1931 (siehe besondeI1S die Seiten: 44-45, 65, 74, 132-133, 150-154), gefolgt von Skandinavien, den Dominions und einigen anderen Landern. 2. Umwand- Vorwort. VII lung der Golddevisenwahrung in eine Sterlingdevisen wahrung in Indien und faktische Aufgabe der ersteren in Europa (S.75-78). 3. Nominaler Goldstandard in einer Anzahl europaischer Staaten, verbunden mit verschie denen Kontrollsystemen, die die auf S. 65 gegebene De finition unbrauchbar machen. 4. Seit 1929 Befreiung (falls uberhaupt je eine sehr enge Bindung bestanden hat) des Niveaus der Goldpreise von der Kontrolle durch das amerikanische Bankensystem (S.81) und Fall dieses Ni veaus um ungefahr ein Drittel (S.142). 5. Seit 1933 eine Reihe bemerkenswerter Experimente seitens der ameri kanischen Regierung - u. a.: zeitweilige Aufgabe des Goldstandards und prov1sorische Wiedereinfiihrung (Januar 1934) bei einem um 400/0 abgewerteten Dollar - zur Wiederhel1stellung des alten Preisniveaus und der Prosperitat der Wirtschaft. § 2. Das Buch ist mehr oder weniger als ein in sich geschlossenes, selbstlindiges Ganzes gedacht. Es war je doch in seiner urspriinglichen Form zugleich der zweite Band einer Serie und manifestiert seinen Zusammenhang mit deren erstem Band (Henderson: Angebot und Nach frage) dureh die naehdriickliche Behandlung der Geld werttheorie als Sonderfall der allgemeinen Werttheorie, wahrend seine Relevanz fUr die folgenden Bande der Serie in den Schlu.Bfolgerungen liegt, zu denen es fUhrt. Es zeigt sich namlieh, daB das Geld letzten Endes eine Angelegenheit zweiten Ranges ist, insofern man weder von der "revolutionarsten" noch von der "solidesten" Geldpolitik die Behebung jener Spannungen und Zerwiirf nisse erwarten kann, deren Wurzeln in den tieferen Schichten der gegenwartigen Wirtschaftsol1dnung und vielleieht in der Natur des Menschen selbst liegen. § 3. Das Werk i'St ein Lehrbuch und keine Forsehungs schrift. leh habe mich deshalb sehr frei und - von eini gen sehr speziellen Punkten abgesehen - ohne besondere Hinweise der Ldeen und Arbeiten anderer bedient. An dieser Stelle moehte ieh ganz ,allgemein feststellen, dafi ich ungemein viel den Standardwerken von Marshall, VIII Vorwort. Pigou, Oassel, Knapp, Irving Fisher, Hawtrey, Taussig und Withers verdanke. Hinsichtlich des im VI. Kapitel behandelten Gegenstandes verweise ich dankbar auf die Arbeiten von Gregory und Jack. Die unme.8bare Dankes schuld, die J. M. Keynes sowohl in bezug auf die erste Auflage wie in bezug auf die Neuauflage von 1928 ge buhrt, ist im Ablauf der Zeit nicht geringer geworden. Schlie.8lich mo<ilite ich anmerken, da.8 ich viele Gedanken und einige Stellen meinem Buch: "Banking Policy and the Prioe Level", und meiner Vorlesung "Theories of Banking Policy", abgooruckt in "Economic Essays and Addresses" (beide Werke erschienen im Verlag P. S. King & Son), entnommen habe. § 4. Der Kurze halber mu.8te ich mich dort, wo im Zuge der Argumentationen eine -an frtiherer Stelle ge wonnene Schlu.8folgerung als Pramisse eingesetzt wird, oft mit einer blofJen Seitenangabe begnugen und konnte dem Leser die Sache nicht durch eine ausfuhrliche Wieder holung der Schlu.8folgerung erleichtern. Wenn den Leser diese Wegweiser irritieren, so mag er an ihnen vorbei gehen, aber er verliert dann auch das Recht, sich tiber zu starke Anforderungen des neuen Beweisganges an Ge dachtnis und Verstandnis zu beklagen. Kein Leser ist irgendwie genotigt, die beiden Anhange anzuschauen. Cambridge, Februar 1935. D. H. Robertson. (Anmerkung des Dbersetzers.) Der hier gegebenen Neu iibersetzung liegt der Text der VIII. englischen Ausgabe des Buches (1935), die mit der VII. Auflage von 1932 iibereinstimmt, zugrunde. In Anbetracht der bedeutenden Unterschiede zwi schen der gegenwartigen Auflage und der von M. Palyi 1923 iibersetzten ersten Auflage habe ich von jeder - auch nur teilweisen - Reproduktion der ersten Dbersetzung abgesehen, und urn die Einheitlichkeit der stilistischen Darlegung zu wahren, eine unabhangige Neuiibertragung vorgenommen. Ich habe mich dabei bemiiht, Sinn und Diktion des Verfassers vollig getreu wiederzugeben, wobei allerdings hinsichtlich der letzteren zu bemerken ist, daJl die reizenden Wort- und Ge- Vorwort. IX dankenspiele Robertsons wohl bei jeder sprachlichen Umwand lung viel von ihrem ursprUnglichen Charme verlieren mlissen. Insonderheit erwies es sich leider als unmoglich oder doch als unzweckmii.Big, die wunderschOnen Zitate aus "Alice's Adven tures in Wonderland" und "Through the Looking-glass", die der Verfasser den einzelnen Kapiteln als LeitsprUche voran gestellt hat, in die deutsche Ausgabe aufzunehmen. Mr. Ro bertson war so freundlich, fUr diese zweite deutsche Auflage ein korrigiertes und erganztes Vorwort zur VerfUgung zu stellen. Genf, im Miirz 1935. K. Bode.