Chile Daten & Analysen zum Hochschul- und Wissenschaftsstandort | 2018 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile Inhaltsverzeichnis Verzeichnis von Kennzahlen und Diagrammen 3 1. Rahmenbedingungen des Bildungssystems 4 a. Politik 4 b. Wirtschaft 10 c. Bevölkerung 14 2. Hochschul- und Bildungswesen 16 a. Historische Entwicklung 16 b. Rolle des Staates / Autonomie 16 c. Finanzierung der Hochschulen 17 d. Hochschulen und Wirtschaft 23 e. Relevante Institutionen 23 f. Merkmale und Unterschiede von Hochschultypen 24 g. Aufbau und Struktur des Studiensystems 27 h. Hochschulzugang 33 i. Der Lehrkörper 33 j. Akademische Schwerpunkte 34 k. Forschung 34 l. Qualitätssicherung und -steigerung 37 3. Internationalisierung und Bildungskooperation 39 a. Internationalisierung des Hochschulsystems 39 b. Bildungskooperationen und Partnerorganisationen 42 c. Deutschlandinteresse 50 d. Deutsche Sprachkenntnisse 51 e. Hochschulzugang in Deutschland 52 4. Empfehlungen für deutsche Hochschulen 53 a. Hochschulkooperationen – FAQ 53 b. Marketing-Tipps 53 5. Länderinformationen und praktische Hinweise 55 a. Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis 55 b. Lebenshaltungskosten und Unterkunft 55 c. Sicherheitslage 59 d. Interkulturelle Hinweise 60 e. Adressen relevanter Organisationen 60 f. Publikationen und Linktipps 62 Impressum 63 2 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile Verzeichnis von Kennzahlen und Diagrammen Kennzahlen Erläuterung einzelner Kennzahlen 63 Kennzahl 1: BIP 10 Kennzahl 2: BIP pro Kopf in KKP 11 Kennzahl 3: Wirtschaftswachstum 11 Kennzahl 4: Inflation 11 Kennzahl 5: Export / Import 12 Kennzahl 6: Rang des Landes beim Außenhandel mit Deutschland 12 Kennzahl 7: Gini-Koeffizient 12 Kennzahl 8: Bevölkerungszahl absolut 14 Kennzahl 9: Anteil der Arbeitslosen unter den 15- bis 24-Jährigen 15 Kennzahl 10: Bildungsausgaben 18 Kennzahl 11: Anzahl der eingeschriebenen Studierenden 28 Kennzahl 12: Anzahl der Doktoranden 28 Kennzahl 13: Frauenanteil an Studierenden (alle Studienstufen) 29 Kennzahl 14: Studierendenquote (gross enrolment ratio, tertiary) 30 Kennzahl 15: Absolventen BA und MA 30 Kennzahl 16: Absolventen PhD 30 Kennzahl 17: Anteil der Forschungsausgaben am BIP 34 Kennzahl 18: Anzahl der Patente in Naturwissenschaft und Technik (Residents) 35 Kennzahl 19: Anzahl wissenschaftlicher Publikationen 35 Kennzahl 20: Knowledge Economy Index (KEI) 35 Kennzahl 21: Anteil ausländischer Studierender 39 Kennzahl 22: Die wichtigsten fünf Herkunftsländer ausländischer Studierender 39 Kennzahl 23: Im Ausland Studierende (Anzahl) 40 Kennzahl 24: Im Ausland Studierende (Prozent) 41 Kennzahl 25: Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 41 Kennzahl 26: Anzahl der Bildungsausländer in Deutschland 50 Kennzahl 27: Anzahl der Hochschulkooperationen mit Deutschland 50 Kennzahl 28: Anzahl der DAAD-Förderungen 50 Diagramme Diagramm 1: Entwicklung des BIP 10 Diagramm 2: Entwicklung des BIP pro Kopf in KKP 11 Diagramm 3: Bevölkerungsentwicklung 14 Diagramm 4: Anteil der Arbeitslosen unter den 15- bis 24-Jährigen (Entwicklung) 14 Diagramm 5: Prognose der Bevölkerungsentwicklung 15 Diagramm 6: Gesamtgesellschaftliche Bildungsausgaben (öffentlich) in Prozent des 17 BDIiaPgramm 7: Anteil der jährlichen Bildungsausgaben in Prozent der 17 RDeiaggierarumnmgs 8a:u Asngtaebile dne irn jsägherlsicahmetn Ausgaben für tertiäre Bildung in Prozent der 18 RDeiaggierarumnmgs 9a:u Asngzaabheln d feürr eBinildguensgch inrisegbeesnaemn tStudierenden 27 Diagramm 10: Anzahl der Doktoranden 28 Diagramm 11: Frauenanteil an Studierenden (alle Studienstufen) 29 Diagramm 12: Studierendenquote (gross enrolment ratio, tertiary) 29 Diagramm 13: Absolventen PhD 30 Diagramm 14: Anteil der Forschungsausgaben am BIP 34 Diagramm 15: Anteil ausländischer Studierender 39 Diagramm 16: Im Ausland Studierende (Anzahl) 40 Diagramm 17: Im Ausland Studierende (Prozent) 40 Diagramm 18: Anzahl der Bildungsausländer in Deutschland 50 3 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile 1. Rahmenbedingungen des Bildungssystems a. Politik Die chilenische Hochschullandschaft gliedert sich grob in zwei große Gruppen: Da sind zum einen die Universitäten der chilenischen Hochschulrektorenkonferenz (CRUCH, www.consejoderectores.cl) zu nennen. Die CRUCH ist ein Kollegium des öffentlichen Rechts, das im Jahr 1954 gesetzlich gegründet wurde und 27 Universitäten vertritt: 18 staatliche und neun private, traditionelle Universitäten mit öffentlicher Orientierung und Funktion. Der Begriff der öffentlichen Funktion stammt in der chilenischen und internationalen Diskussion von der UNESCO, nach der Hochschulbildung ‘öffentliche Güter’ produziert. Diese Aufgabe, öffentliche Güter bereitzustellen, reklamieren allerdings neben den staatlichen auch viele der privaten Universitäten für sich. Von Bedeutung sind zum anderen die privaten Universitäten außerhalb der Rektorenkonferenz, von denen eine Teilgruppe von 17 Universitäten eine eigene Konferenz zur Interessenvertretung gegründet hat, nämlich die Corporación de Universidades Privadas (CUP, www.cupchile.cl). Die Gründung dieser zweiten Interessensvertretung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Rektorenkonferenz CRUCH ein für außenstehende Hochschulen geschlossener Verein ist. Von 1981 an öffnete und deregulierte die Militärdiktatur das Hochschulsystem, indem sie die Gründung nichttraditioneller (also erst nach 1981 entstandener) privater Universitäten erlaubte. Eines der kontroversesten Themen bezüglich dieser Universitäten ist die Frage, ob sie in Bezug auf ihre Besitzer gewinnorientiert waren oder nicht. In Chile war und ist es gesetzlich verboten, mit Universitäten private Gewinne außerhalb der Institution zu erzielen. Gleichwohl bestand der Verdacht, dass einige der über 30 neuen, nichttraditionellen privaten Universitäten mithilfe von Immobiliengeschäften und Verkäufen, die ihre privaten Eigentümer mit Dritten abwickelten, Gewinne erzielten, welche ihnen als Privatpersonen zugute kamen und nicht wieder in die Universitäten reinvestiert wurden. Im Gegensatz dazu verfolgen die Universitäten der Rektorenkonferenz CRUCH kein privates Gewinnstreben und wurden entweder vom Staat, wie die Universidad de Chile, von der Kirche, wie die katholischen Universitäten, von lokalen Gemeinschaften, wie die Universidad de Concepción, oder von Stiftungen, wie die Universidad Austral de Chile oder die Universidad Técnica Federico Santa María de Valparaíso, gegründet. Obwohl die Gründungsakte, auf die sich diese Universitäten zurückführen, verschiedene Ursprünge aufweisen, wurden sie alle per Gesetz (Dekret) geschaffen und erfüllen gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Bereitstellung professioneller Ausbildung, Forschung, Technologietransfer sowie die Übernahme sozialer und kultureller Aufgaben für die Kommunen, in denen sie angesiedelt sind. Auf der anderen Seite erlaubte die wenig regulierte Gründung vieler nichttraditioneller Privatuniversitäten eine erhebliche Ausweitung der Teilnahme an Hochschulbildung in Chile und wurde dabei durch ein neu geschaffenes Kreditsystem (Crédito con aval del estado – CAE) unterstützt. Für diese Kredite waren bis 2011 sechs Prozent Zinsen zu zahlen und seit einer Reform in der ersten Amtszeit der Mitte-rechts-Regierung von Sebastian Piñera nur noch zwei Prozent. Die massive Studentenbewegung seit dem Jahr 2011, die in der chilenischen Gesellschaft und Politik sowie auch international großen Widerhall fand, wollte Bildung von einem ‘ökonomischen Gut’ zu einem staatsbürgerlichen ‘Rechtsgut’ machen. Sie stellte vor allem die zunehmende Privatisierung des Hochschulsystems in Frage und forderte Studiengebührenfreiheit sowie Qualitätsverbesserungen im universitären und berufsbildenden Sektor. Das Regierungsprogramm der zweiten Regierung Bachelet griff diese Forderungen auf und setzte sie um. Man begann mit der Schulbildung und versprach, in der Hochschulbildung während der vierjährigen Regierungszeit 70 Prozent der Studierenden von Studiengebühren zu befreien, beginnend mit den untersten Einkommensschichten. Das wären insgesamt etwa 250.000 Studierende gewesen. Die Umsetzung der Reform war zwischenzeitlich mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Neben massiven Protesten von Personengruppen, die entweder eigene ökonomische Interessen verfolgten oder generell ein deregulierteres Hochschulsystem bevorzugten (wofür es ebenfalls gute Gründe gibt), standen vor 4 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile allem Fragen der hohen Haushaltsbelastung im Vordergrund, da der für den Staatshaushalt ent‐ scheidende Kupferpreis massiv gesunken war. Die Regierung sah sich folglich gezwungen, die Zahl der von Gebührenbefreiung begünstigten Studierenden auf 60 Prozent zu senken. Trotz verbreiteter Kritik der administrativ holprigen und wenig umsichtigen Umsetzung wird die Gebührenbefreiung in der Gesellschaft grundsätzlich begrüßt, was inzwischen auch das erneut regierende Mitte-rechts- Lager von Sebastian Piñera akzeptiert hat. Die Gesetzespakete, die in den letzten beiden Monaten der zweiten Amtszeit Bachelet (Januar 2018) verabschiedet wurden, sollen nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden. Es handelt sich dabei um die „Ley de Educación Superior“, die für alle chilenischen Hochschulen gilt, und die „Ley de Universidades Estatales“, die nur für die 18 staatlichen Hochschulen gilt. Im Folgenden werden alle drei großen Reformen im Hochschul- und Wissenschaftssystem Chiles kurz skizziert, wobei zu den beiden Hochschulrahmengesetzgebungen als drittes noch ein neues Ministerium für Wissenschaft und Technologie kommt: I. Neue Hochschulrahmengesetzgebung (Ley de Educación Superior) Das Gesetz umfasst im wesentlichen sechs Hauptpunkte: 1. Neue Aufsichtsbehörden Zur Kontrolle der Hochschulen wurde im Erziehungsministerium eine neues Hochschuluntersekretariat (Subsecretaría de Educación Superior) und als ausführende Regulierungsbehörde eine Superintendencia de Educación Superior geschaffen. Die Subsecretaría koordiniert das Hochschulwesen des Landes und entscheidet, wer ein Recht auf kostenlose Hochschulbildung erhält. Die Superintendencia de Educación wird alle Hochschulen überwachen und bei Nichterfüllung von Standards hinsichtlich Qualität oder Gemeinnützigkeit sanktionieren. 2. Studiengebührenbefreiung Seit dem Jahr 2016 müssen nicht mehr alle Studierenden an allen chilenischen Hochschulen Studiengebühren bezahlen, vielmehr werden für die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten an 33 staatlichen und privaten Universitäten die Studiengebühren erlassen (alle Universitäten der chilenische Rektorenkonferenz CRUCH sowie sechs weitere Universitäten: Academia de Humanismo Cristiano, Alberto Hurtado, Autónoma de Chile, Católica Silva Henríquez, Diego Portales und Finis Terrae, Quelle: Ministerio de Educación). Darüber hinaus kommen auch noch 13 berufsausbildende Institutionen in den Genuss der Studiengebührenbefreiung Hochschulbildung wurde als ein soziales Recht definiert und soll langfristig für alle Studierenden kostenfrei werden. Diese Befreiung gilt allerdings nur für Studierende aus den sechs einkommensschwächeren Dezilen. Zur Festlegung des Einkommens wird das Haushaltseinkommen (normalerweise von Vater und Mutter) zusammengezählt und durch die Anzahl der im Haushalt lebenden Familienmitglieder geteilt. Es ergibt sich dann folgende Tabelle (Stand 4/2018): 1. 0 a 48.750 = bis 66 Euro Haushaltseinkommen pro im Haushalt lebende Person 2. 48.751 a 74.969 = bis 101 Euro 3. 74.970 a 100.709 = bis 136 Euro 4. 100.710 a 125.558 = bis 170 Euro 5. 125.559 a 154.166 = bis 136 Euro 6. 154.167 a 193.104 = bis 208 Euro 7. 193.105 a 250.663 = bis 340 Euro 8. 250.664 a 352.743 = bis 477 Euro 5 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile 9. 352.744 a 611.728 = bis 828 Euro 10. 611.729 en adelante = über 828 Euro Bis zu einem verfügbaren Haushaltseinkommen pro Person von 193.104 chilenischen Pesos, also etwa 208 Euro, sind chilenische Studierende folglich von Studiengebühren an Universitäten, die dem System beigetreten sind, freigestellt. Zukünftig sollen weitere Dezile in die Gebührenbefreiung einbezogen werden. Das wird allerdings von der Entwicklung bestimmter ökonomischer Indikatoren abhängig gemacht und dauert nach Auffassung der meisten Experten noch lange. Weiter wurde festgelegt, dass die maximalen Studiengebühren für jedes Studienfach nicht mehr vom Bildungsministerium selbst, sondern von einem Expertengremium festgelegt werden und die Hochschulen, die sich an dem System der Studiengebührenbefreiung beteiligen, nur noch für das einkommensstärkste Dezil (also ab 611.729 chilenische Pesos oder etwa 828 Euro Hausthaltseinkommen pro Kopf) die Studiengebühren völlig frei festlegen können. 3. Allgemeines System des Hochschulzugangs Das aktuelle Hochschulzugangsystem (Sistema único de admisión, SIU), dessen Hauptelement die landesweite Hochschulzugangsprüfung PSU ist und das bisher von der chilenischen Hochschulrektorenkonferenz (CRUCH) administriert wurde, wird an ein technisches Komitee übergehen, das von der Subsecretaría de Educación abhängt. Es wird zukünftig den Namen ‘Sistema de Acceso’ tragen und für alle Institutionen gelten, die an der Studiengebührenbefreiung teilnehmen, einschließlich der berufsausbildenden IPs und CFTs, also augenblicklich 46 Institutionen. Weitere Institutionen können sich dem System freiwillig anschließen. Das neue System wird Aufnahmekriterien pro Studiengang festlegen und dabei von den Institutionen auch die Erfüllung bestimmter Mindestvoraussetzungen bezüglich Qualität, Transparenz und Inklusion verlangen. 4. Verbindliches Qualitätssicherungssystem Alle Hochschulen werden ab dem Jahr 2020 zu einer institutionellen Akkreditierung durch die Comisión Nacional de Acreditación (CNA) verpflichtet. Hochschulen sowie technische und technologische Institute der Berufsausbildung (IPs und CFTs), die bisher noch nicht akkreditiert sind (augenblicklich 66 Institutionen), müssen das innerhalb einer Frist von vier Jahren nachholen. Ein Grundproblem der Akkreditierungskommission bleibt allerdings bestehen, indem neun der zwölf Mitglieder aus den Institutionen stammen, die sie akkreditieren sollen. Es soll drei Akkreditierungsniveaus geben, nämlich die ‘acreditación básica’, die ‘acreditación avanzada‘ und als höchstes Niveau die ‘acreditación de excelencia’. Nur mit den beiden höheren Niveaus können Hochschulen beantragen, an der Studiengebührenbefreiung teilzunehmen. 5. Aufnahme in die Rektorenkonferenz CRUCH Die chilenische Rektorenkonferenz CRUCH umfasst 27 (18 staatliche und neun private Hochschulen) der insgesamt 59 chilenischen Universitäten und zwar alle, die schon vor der Hochschulgesetzgebung von 1981 existierten. Sie repräsentiert damit etwa 48 Prozent der Studierenden an Hochschulen (ohne IPs und CFTs) und garantiert Zugang zu exklusiven staatlichen Zuwendungen. 32 weitere Hochschulen, die nach 1981 gegründet wurden, waren bisher ausgeschlossen, da es bislang keinen Verfahren gab, weitere Universitäten in die Rektorenkonferenz aufzunehmen. Das hat sich nun mit der neuen Hochschulrahmengesetzgebung von 2018 geändert und inzwischen haben zwei Universitäten, die Universidad Alberto Hurtado und die Universidad Diego Portales, formell die Aufnahme in die Rektorenkonferenz CRUCH beantragt. Es wurden folgende Kriterien festgelegt, damit eine Hochschule, die noch nicht in der Rektorenkonferenz ist, aufgenommen werden kann, allerdings nicht aufgenommen werden muss (Richter in eigener Sache ist hier weiter die Rektorenkonferenz). 6 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile Eine Hochschule, die in die CRUCH aufgenommen werden möchte, muss seit mindestens 10 Jahren autonom sein als „avanzada“ akkreditiert sein am System der Studiengebührenbefreiung teilnehmen seit mindestens drei Jahren eine bestimmte Mindestpunktzahlen für den Hochschulzugang verlangen Master- und Promotionsprogramme anbieten mit inländischen und ausländischen Universitäten in Netzwerken zusammenarbeiten einen akademischen Karriereweg anbieten. 6. Wachstumsgrenzen der Hochschulen Die Hochschulen, die an der Studiengebührenbefreiung teilnehmen, dürfen augenblicklich nicht mehr als 2,7 Prozent neue Studienplätze schaffen. Das neue Subsekretariat für Erziehung legt alle drei Jahre fest, wie viele neue Studienplätze die Universitäten maximal bereit stellen können. II. Neue Rahmengesetzgebung für die staatlichen Universitäten "Gesetz der staatlichen Universitäten" (Ley de Universidades Estatales) Neben der allgemeinen Reform der Hochschulrahmengesetzgebung steht ein weiteres Gesetzgebungsprojekt der Regierung Bachelet, das eigens und ausschließlich die öffentlichen Hochschulen betrifft. Es soll für eine neue und einheitliche, vom "New Public Management" beeinflusste Governancestruktur dieser Universitäten sorgen. Staatliche Hochschulen sollen ihre Selbstverwaltung wie folgt organisieren (es gibt allerdings Ausnahmeregelungen, die es staatlichen Universitäten unter bestimmten Bedingungen erlauben, von diesem Vorschlag abzuweichen): 1. Consejo Superior (oberstes Gremium der staatlichen Universitäten und Entscheidungsorgan) 2. Consejo Universitario (Legislativorgan, das Vorschläge für eine Änderung der Statuten der Universität macht, den institutionellen Entwicklungsplan der Universität ausarbeitet, Mitglieder für den Consejo Superior vorschlägt und in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Regionalregierung ernennt) 3. Rector/a (Exekutivorgan) 4. Contraloria Universitaria (Verwaltung und Rechnungsprüfung) Neu ist für die staatlichen Universitäten vor allem der Hochschulrat (Consejo Superior), der die Aufgabe hat, den Rektor zu beraten und langfristige strategische Entscheidungen zu treffen. Er soll auch der Universität nicht angehörende Personen enthalten. Drei der Vertreter dieser Consejos Superiores werden jeweils vom Staatspräsidenten, vertreten durch das Erziehungsministerium, ernannt, vier weitere Vertreter kommen vom Consejo Universitario (s.u.) der jeweiligen Universität, ein externer Vertreter soll die Region repräsentieren und sich durch eine besondere berufliche Karriere auszeichnen. Schließlich soll auch der bzw. die Rektor/in Teil des Hochschulrats sein, so dass es zu einem Stimmenverhältnis von fünf internen gegenüber vier externen Mitgliedern kommt. Ebenfalls neu ist der Consejo Universitario, der einer in Lateinamerika traditionell von linken Gruppierungen erhobenen Forderung nach einem universitären "gobierno triestamental" Rechnung tragen soll, in dem Dozenten, Studierende und Mitarbeiter repräsentiert sind. Der Gesetzesvorschlag sieht allerdings vor, dass der Consejo Universitario zu mindestens zwei Dritteln aus akademischen Vertretern bestehen muss. Von Kritikern wurde gleich bemerkt, dass der neue Consejo Universitario so eher die Aufgabe eines Feigenblattes einzunehmen scheint, der der Mitbestimmung von Studierenden und nichtakademischen Mitarbeitern einen eher geringen Einfluss einräumt. Präsident des Consejo Universitario ist der oder die Rektor/in. Weitere wichtige Vorgaben des Gesetzes sind: 1. Consejo de Coordinación de Universidades del Estado – Aufgabe dieses interuniversitären Rates ist die Koordinierung und strategische Planung der Aufgaben der staatlichen Universitäten. Problematisch an diesem Gremium, das aus Rektoren und Vertretern der Regierung zusammengesetzt wird, ist, dass es in direkter Konkurrenz zur bisherigen 7 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile Rektorenkonferenz CRUCH steht. 2. Gesetzliche Festlegung einer Grundfinanzierung für die staatlichen Universitäten 3. Auf zehn Jahre angelegter Plan zur Stärkung der staatlichen Universitäten (Plan de Fortalecimiento) 4. Definition eines Haupteinflussgebietes von regionalen staatlichen Universitäten in ihren Statuten 5. In Regionen mit starkem indigenen Einfluss müssen auch Kosmovisionen von indigenen Völkern anerkannt, dargestellt und einbezogen werden. Entscheidend für die Rektoren der öffentlichen Universitäten sind dabei vor allem die gesetzliche Festschreibung der Mittel für die Grundfinanzierung ihrer Einrichtungen. Dabei dürfen diese Ausgaben laut Gesetz nicht unter den Ausgaben des Jahres 2016 liegen. Eine zweite Finanzierungsquelle ist als „Plan zur Finanzierung und Stärkung der Universitäten“ vorerst auf eine Dauer von zehn Jahren begrenzt und enthält gut 400 Mio. Euro (300 Mrd. chilenische Pesos). Der öffentliche Finanzierungsanteil des Haushaltes der staatlichen Universitäten wird damit erheblich steigen. Vor allem von Seiten der privaten Universitäten wird kritisiert, dass hier auf Dauer eine staatliche Sonderbehandlung für die öffentlichen Hochschulen geschaffen wird, die nur knapp 27 Prozent der Studierenden Chiles ausbilden. Kritik In Reaktion auf die inzwischen verabschiedeten zwei neuen Hochschulgesetzgebungen werden innerhalb der traditionellen und nichttraditionellen privaten Universitäten mehrere Fragen diskutiert: Erstens, ob sie für den Erhalt ihrer akademischen und finanziell-administrativen Freiheit auf die staatlich finanzierte Studiengebührenbefreiung verzichten und damit eine erhöhte Segregation ihrer Studierenden in Kauf nehmen sollen. In Folge der Reform gehen begabte Studenten aus den unteren Dezilen inzwischen fast ausschließlich an die Universitäten mit Studiengebührenbefreiung, womit alle Anstrengungen der rein privaten Universitäten, die soziale Herkunft ihrer Studenten zu verbreitern, zunichte gemacht werden. Zweitens, ob private Universitäten außerhalb der Rektorenkonferenz CRUCH mit der staatlichen Übernahme der Studiengebühren – aber ohne staatliche Grundfinanzierung – überhaupt noch qualitativ hochwertige Hochschulbildung und Forschung zur Verfügung stellen können. Die zu zahlenden Studiengebühren für einen Studiengang unterliegen mit Beitritt zum System für Studierende aus neun von zehn Einkommensdezilen einer bürokratischen Deckelung, die von den Universitäten nicht mehr beeinflusst werden kann, womit die finanzielle Autonomie der Hochschulen stark eingeschränkt ist. Da die privaten Universitäten innerhalb und vor allem außerhalb der Rektorenkonferenz, kaum bzw. keine Grundfinanzierung erhalten und außerdem eine bislang bestehende Finanzierungsquelle durch Subvention für die Aufnahme von Studierenden mit sehr gutem Abschneiden in der Hochschulzugangsprüfung abgeschafft wurde (aporte fiscal indirecto), fehlen nun erhebliche Beträge für die Mitfinanzierung unter anderem von Infrastruktur, Forschung, Publikationsreihen oder Third Mission. Diese Aufgaben sind nämlich in den Zahlungen von Seiten des Staates für Studierende aus den unteren sechs Einkommensdezilen nicht mehr eingerechnet und können auch mit den etwas höheren, aber immer noch gedeckelten Studiengebühren der Dezile sieben bis neun nicht gedeckt, werden, wenn die Universitäten mehr sein wollen als reine berufsausbildende Institutionen. Drittens bleibe an der Nationalen Akkreditierungskommission (CNA) fragwürdig, dass neun ihrer zwölf Mitglieder aus den Universitäten kommen, die sie dann beurteilen sollen. Viertens wird bemängelt, dass eine wesentliche Stärkung der bisher vernachlässigten regionalen Universitäten wie auch der technischen Berufsausbildung nicht vorgesehen sei und auch keinerlei neue Mittel für Forschung, Innovation und Technologietransfer zur Verfügung gestellt werden. Fünftens sind die Belastungen für den Regierungshaushalt langfristig eher zu hoch, da es auch im Gesundheitssystem, im Bereich der Finanzierung von Forschung und Entwicklung wie im 8 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile Pensionssystem einen großen staatlichen Finanzierungsbedarf gibt. Die Regierung gibt schon heute mit umgerechnet 18.500 Mio. US-Dollar fast ein Viertel ihres Budgets für das Erziehungssystem aus (La Tercera, 18.03.2018). Ein sechstes Problem besteht darin, dass nur etwa 30 Prozent der chilenischen Studierenden ihr Studium in der Regelstudienzeit abschließen. 70 Prozent studieren länger und von ihnen kann die Universität nach Überschreitung der Regelstudienzeit zukünftig nur noch die Hälfte der Referenzstudiengebühren verlangen, so dass die andere Hälfte von der Universität getragen werden muss. Die wird damit gewissermaßen dafür bestraft, dass sie ihre Studenten nicht in der Regelstudienzeit zum Abschluss führt. Das ist bisher noch kein großes Problem, wird es aber in drei bis vier Jahren sein, wenn sich eine größere Zahl von Studenten angesammelt hat, die ihr Studium nach der normalerweise fünf Jahre dauernden Regelstudienzeit nicht abgeschlossen haben. Das würde dann schnell zu dramatischen Einnahmeverlusten für die Universitäten führen, könnte aber natürlich auch den Effekt haben, dass die Universitäten die Ansprüche an die Studierenden verringern, um diese in der Regelstudienzeit zum Abschluss zu führen – beides keine erstrebenswerten Perspektiven. III. Geplantes neues Ministerium für Wissenschaft und Technologie Nach allgemeiner Ansicht ist das augenblickliche chilenische System der Forschung, Wissenschaft und Technologieförderung sehr vielfältig, ungeordnet und wenig artikuliert. Deswegen hat die chilenische Staatspräsidentin Michelle Bachelet am 16. Januar 2017 ein Gesetzesvorhaben zur Schaffung eines Ministeriums für Wissenschaft und Technologie auf den Weg gebracht. Ziel des Gesetzes ist es, ein System zu schaffen, das die Vielfalt bewahrt, aber eine sehr viel besser integrierte Förderlandschaft mit miteinander verbundenen und aufeinander bezogenen Förderinstrumenten schafft. So sollen etwa die sehr heterogenen Formen der Förderung von Forschungs- und Technologiezentren (Centros Regionales, Basales, de Excelencia etc.) durch eine Politik der Forschungszentren (Política de Centros) geordnet werden. Weiter soll auch die Förderung des wissenschaftlich ausgebildeten Humankapitals (política de formación de capital humano avanzado) weiterentwickelt werden, zum Beispiel sollen zukünftig verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um die Integration von zurückkehrenden, im Ausland promovierten Wissenschaftlern in Unternehmen und den öffentlichen Sektor Chiles zu verbessern. Auch für aus dem Ausland zurückkehrende Wissenschaftler sollen Förderprogramme zur Verfügung stehen, mit denen sie eigene Forschungsgruppen schaffen bzw. sich in spezielle Forschungszentren eingliedern können. Das Gesetzesvorhaben schlägt vor, den Nationalen Forschungsrat CONICYT als ausführende Einheit dem neuen Ministerium zu unterstellen und in "Agencia de Investigación y Desarrollo" (AID) umzubenennen. Weiter soll der 2016 eingerichtete und aus sieben Personen bestehende Consejo de la Comisión Nacional de Investigación Científica y Tecnológica als "Consejo Nacional de Ciencia, Tecnología e Innovación" verstetigt werden. Dieser würde dann Strategieplanung betreiben. Zudem wird ein interministerielles Komitee für Wissenschaft, Technologie und Innovation einberufen (bestehend aus Vertretern der Ministerien für Wissenschaft und Technologie, Bildung, Finanzen, Wirtschaft sowie für Wirtschaftsförderung und Tourismus), das die allgemeinen Linien der Wissenschaftspolitik festlegt, um so gemeinsam das nationale Innovationssystem durch integriertes und artikuliertes Handeln mit strategischer Ausrichtung zu verstärken. Das neue Wissenschafts- und Technologieministerium hätte nach Aussagen von Ex-Präsidentin Bachelet die Aufgabe „den Präsidenten der Republik bei der Planung, Gestaltung, Koordination, Umsetzung und Evaluierung von Politikentwürfen, Zielsetzungen und Programmen zur Stärkung von Wissenschaft und Technologie zu beraten und zu unterstützen." (Quelle: CONICYT, 2017) Die Programme und Förderinstrumente der aus dem CONICYT entstehenden neuen Agentur werden vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie zusammen mit dem Consejo Nacional de Ciencia, Tecnología e Innovación und dem Comité Interministerial de Tecnología e Innovación entworfen. Die staatliche Agentur für Wirtschaftsförderung CORFO wird weiterhin dem 9 DAAD-BILDUNGSSYSTEMANALYSE | 2018 Chile Wirtschaftsministerium unterstellt sein. Das bisher dort angesiedelte Millenium-Programm zur Förderung der Forschung soll dann dem neuen Ministerium für Wissenschaft und Technologie zugeordnet werden und zwar im Rahmen einer koordinierten Politik für Forschungszentren. Das Gesetzesvorhaben zur Einrichtung eines Ministeriums für Wissenschaft und Technologie konnte bis zum Ende der Amtszeit von Präsidentin Bachelet nicht verabschiedet werden, strittig war am Ende nur noch eine (nach Auffassung vieler Experten marginale) Frage der Patentierung, und im Mai 2018 wurde das Gesetz zur Schaffung des neuen Ministeriums von der neuen Regierung Piñera endgültig verabschiedet. Als eine Besonderheit des neuen Ministeriums ist geplant, dass dessen regionale Repräsentanten nicht in jeder einzelnen der fünfzehn Regionen vertreten sein werden, sondern überregional gewissermaßen mehrere Regionen zusammenfassend bearbeiten sollen. b. Wirtschaft Diagramm 1: Entwicklung des BIP US-Dollar, in Milliarden 320 240 160 80 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: The World Bank. Data Kennzahl 1: BIP US-Dollar, in Milliarden 247 Chile (2016) 3.477 Im Vergleich: Deutschland (2016) Quelle: The World Bank. Data 10
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